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“Bis dass der Tod uns scheidet”

 

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„Bis dass der Tod uns scheidet!” heißt es bei der Ehegründung. Mit viel Liebe, Zuneigung und Verständnis wird eine Ehe begonnen. Die Paare sind sich sicher, sie werden sich nie scheiden. Auch wenn man ihnen sagt, dass sich mehr als ein Drittel der Paare scheiden, sie sind sich sicher: „Uns passiert so etwas nicht!”

 

Und doch kommt es bei 37 Prozent (BM, 2003, S.81) der Ehen zur Scheidung. In steigendem Maße erfolgt die Ehelösung durch Scheidung und nicht durch den Tod.

 

Während beispielsweise 1960 im früheren Bundesgebiet nur 14,2 Prozent der Ehen durch Ehescheidung beendet wurden, waren es im Jahr 2000 37,2 Prozent. Dies ist eine Steigung von 23 Prozent. In Ostdeutschland stieg der Anteil der durch Scheidung beendeten Ehen von 18,8 Prozent auf 32,5 Prozent. Im Jahr vor der Wiedervereinigung waren es sogar 38,4 Prozent. Dieser rasante Anstieg sollte nicht unbeachtet bleiben.

 

Insgesamt wurden in Deutschland im Jahr 2000 mehr als 194000 Ehen geschieden. Dies ist rund ein Prozent aller bestehenden Ehen. Die durchschnittliche Ehedauer bei Scheidungen beträgt 12,9 Jahre. Innerhalb von 15 Jahren nach der Eheschließung wird ca. ein Drittel der Ehen geschieden. Von allen im Jahr 1990 in Deutschland geschlossenen Ehen waren im Jahr 2000 bereits 20,6 Prozent geschieden.

 

Es ist damit zu rechnen, dass rund ein fünftel der in den 90er Jahren geborenen Kinder von Ehepaaren im Laufe der ersten beiden Lebensjahrzehnte mit der Scheidung der Eltern konfrontiert wird. Die geschiedenen Ehen mit minderjährigen Kindern beträgt im Jahre 2000 sogar 48,8 Prozent. Welche Folgen dies für die Kinder und für die Eltern hat, werde ich in später erläutern.

 

Das Scheidungsrisiko hat seit Mitte der 60er Jahre erheblich zugenommen. Gemessen an den Scheidungsraten des Jahres 2000 ist damit zu rechnen, dass 37 Prozent der Ehen mit einer Scheidung enden.

 

Wie aus diesen Statistiken zu sehen ist, steigert sich die Ehescheidung erheblich schnell. Gleichzeitig erhöht sich der Anteil der Paare, die erst gar nicht heiraten, aber dies ist im Moment nicht das Thema.

Die Austauschtheorie

 

 

 

Ich werde nun mit Hilfe der Austauschtheorie versuchen zu erläutern, wie es zu Scheidungen kommt. Nach der Austauschtheorie gibt es zwei zentrale Konstruktionen:

 

1. Ehequalität:

 

„Wird als die umfassende subjektive Bewertung der ehelichen Beziehung definiert.” (Hill, P.B., Kopp, J., 1990, Seite 217)

 

2. Ehestabilität:

 

„Wird als zweidimensionales Konstrukt verstanden, welches einerseits die subjektive Einschätzung der Dauerhaftigkeit der ehelichen Beziehung und andererseits den objektiven (formalen) Status der Beziehung – als bestehende Ehe, getrennt lebendes oder geschiedenes Paar – erfasst.” (Hill, P.B., Kopp, J., 1990, Seite 217)

 

Wenn die Ehequalität sinkt und die alternativen nach der Ehe attraktiv sind kann es zu einer Ehescheidung kommen. Wichtig dabei sind noch die so genannten „Barrieren”. Barrieren können soziale, so wie materielle Kosten sein. Stehen keine Barrieren im Weg, so ist die Wahrscheinlichkeit für eine Trennung größer als sonst.

 

Die Ehestabilität ist nicht von der Ehequalität abhängig. Erst wenn sich die alternativen als weniger nützlich erweisen, steigt die Ehestabilität, weil es sich für eine Alternative nicht lohnt. Das heißt, wenn die Ehequalität zwar hoch ist, kann die Ehestabilität trotzdem gering sein. Genauso ist es auch umgekehrt. Sollte die Ehequalität niedrig sein, aber die nennenswerten Alternativen nicht wahrgenommen werden oder die Ehelösung zu viele Kosten beinhaltet, kann durchaus die Ehestabilität hoch sein.

 

Die Austauschtheorie bietet nun ein Modell an um die Stabilität von Beziehungen genauer zu erklären: das Investitionsmodell (vgl. Kelley, 1983, Rusbult, 1980).

 

„Das Investitionsmodell geht von der Hypothese aus, dass die Attraktion und Zufriedenheit mit einer Beziehung die Einbindung (commitment) in die Beziehung stärkt [...].” (Hill, P.B., Kopp, J., 1990, Seite 218)

 

Man kann dies so erklären: Eine Person in der Ehe ist umso zufriedener, je höher der Nutzen, je geringer die Kosten und je geringer die Erwartungen an die Beziehung. Die Zufriedenheit in einer alternativ Ehe wird dabei, unter Verwendung der gleichen Variablen, nur geschätzt.

 

Nicht nur die Zufriedenheit spielt hier eine Rolle, sondern auch die Investitionen, die man in die bestehende Beziehung verwendet hat. Dadurch steigt die Bindung, die Ehestabilität, je höher die Investitionen waren.

 

Somit kann man mit Hilfe dieses Modells verschiedene Typen stabiler und instabiler Beziehungen bilden.

Konsequenzen

 

 

 

 

 

 

Die Konsequenzen einer Scheidung sind vielfältig: psychische und materielle Belastungen, Veränderungen typischer Lebensverläufe und nicht zu vergessen die jährlich knapp 100.000 betroffenen Kinder. Für viele Männer und Frauen bedeutet dies eine Lebenskrise. Scheidung bedeutet „das Ende von Hoffnungen und Sehnsüchten, von gemeinsamen Zukunftsentwürfen.” (Beck-Gernsheim, E., 1994, Seite 159) Es kommt zu einem psychologischen Bruch für die Ehepaare.

 

Die Partnerbeziehung hat einen wichtigen Stellenwert für die Identität und innere Stabilität eines Menschen. Durch die Beendigung einer Beziehung kommt es dadurch zu einer Identitätskrise, die innere Stabilität bricht zusammen.

 

Für das Individuum wird die Ehe zu einem Instrument, das „dem einzelnen die Ordnung bietet, in der er sein Leben sinnvoll begreifen kann” (vgl. Berger & Kellner 1965, Seite 220). Es wird zu einer sozialen Konstruktion der Wirklichkeit. In der Ehe schafft man sich eine „neue” Welt. Auch die Identität wird zum Zentrum. Mann und Frau definieren sich neu. Im Austausch mit dem Ehepaar sucht man nicht zuletzt auch sich selbst. „In der Beziehung zum Du suchen wir auch unsere eigene Lebensgeschichte [...]” (Beck-Gernsheim, E., 1994, Seite 161). Enttäuschen, Verletzungen, Hoffnungen, Freude und Lebensziele werden neu entworfen. Die Ehe wird zu einem Ort, das spezialisiert ist auf die Entwicklung und Stabilisierung der Person.

 

Wenn man von diesem Konstrukt ausgeht, also dass die Ehe als Stabilisierung einer Person gilt, kann man die Scheidung nicht als ein einfacher Abschnitt des Lebens betrachten, sondern eher als ein dramatisches Ereignis, dass zu Desorganisation und Depressionen führen kann.

 

Das Ich wird verletzt, die Identität beschädigt. Gefühle wie Angst, Hass oder Pessimismus werden in der ersten Zeit zum Alltag. Eschweiler hat eine passende Beschreibung dieses Zustands: „Indem sie Hass- und Schmähgefühle entwickeln, fällt es ihnen leichter, sich selbst von der Richtigkeit ihrer Entscheidung zu überzeugen oder …. zu ertragen, dass sie verlassen werden…. Weil es für sie so schwer ist, von der bisherigen Ehe und Familie Abschied zu nehmen, richten viele Menschen ihre Anstrengungen nun darauf, das zu zerstören, was ihnen daran so wichtig war” (Eschweiler, 1989, Seite 56). Damit aber nicht genug. Hinzu kommen noch soziale Belastungen wie gesellschaftliche Diskriminierung, ökonomische Bedrohung, sozialer Abstieg.

 

Kränkungen, Verletzungen können ein lebenlang anhalten, falls man es nicht schafft, sich neu zu entwerfen, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen. Diese Personen sind dann von einem dauerhaften ökonomischen und sozialen Abstieg getroffen.

 

Durch diese erwähnten Tatsachen ist es nicht wunderlich, dass es zu einer Identitätskrise kommt. Beck-Gernsheim fasst das wunderbar zusammen:

„Die Scheidung ist ein kleiner Tod. Aber es gibt auch ein Leben nach dem Tod.”

 

(Beck-Gernsheim, E., 1994, Seite 163)

 

Schlussfolgerung Der rasante Anstieg der Scheidungsraten ist nicht nur in der Bundesrepublik zu beobachten. Aus den Statistiken des Bundesministeriums ist ein internationaler Anstieg herauszulesen. In Finnland betrug die Rate 1999 sogar 51 Prozent (BM, 2003, S.88).

 

Man müsste die Quellen dieses Anstiegs untersuchen. Also warum es in der Gesellschaft zum Anstieg der Scheidungen kommt. Warum war die Scheidungsrate noch vor 50 Jahren viel geringer als jetzt? Da dies den Rahmen meiner Hausarbeit sprengen würde, möchte ich nur kurz darauf eingehen. Mir fallen 3 wichtige Punkte auf:

 

1. Sittenverfall, Werteverfall. Es wird kein Wert mehr auf die Ehe gesetzt. Entweder funktioniert es oder nicht.

 

2. Man hat keine Lust mehr auf Diskussionen und Probleme. Man geht einfach, falls es nicht mehr klappt. Dies ist auf ein Egoismus, auf eine stark steigende Individualisierung zurückzuführen.

 

3. Die Frau ist nicht mehr finanziell vom Mann abhängig. Dies könnte der Grund dafür sein, warum es früher weniger zu Scheidungen kam.

 

Unter Beachtung dieser Punkte, ist eine steigende Scheidungsrate zu erwarten. Wie in der Einleitung erwähnt, kommt es bei 37 Prozent (BM, 2003, S.81) der Ehen zur Scheidung. Mehr als ein Drittel der Ehen endet mit einer Scheidung.

 

Die Ursachen für die Ehescheidung, sind, mit Hilfe der hier vorgestellten Theorien (Austauschtheorie und die ökonomische Theorie der Familie), leicht zu erkennen.

Ein Beispiel:

Man kann mit Recht behaupten, dass die „Liebe” für die Gesellschaft das zentrale Ehemotiv ist. Zum dauerhaften zusammenleben, für ein Intimsystem braucht man „Liebe”. Man orientiert sich nach der Liebe. Falls diese Liebe nicht mehr als Tauschmittel vorhanden ist, oder bei alternativen höher ist, kommt es nach der Austauschtheorie zur Scheidung.

 

 

 

 

 

Die Austauschtheorie zeigt, dass die Ehe ein Tausch von verschiedenen Gütern ist. Falls diese Tauschmittel nicht mehr attraktiv sind und die alternativen einen höheren Gewinn versprechen, singt die Ehestabilität und es kann zu einer Scheidung kommen obwohl die Ehequalität hoch ist.

 

Die Folgen einer Scheidung sind vielträchtig. Ich habe hier nur zwei (meiner Meinung nach die wichtigsten) Folgen geschildert: Die Identitätskrise und die Folgen der Eltern-Kind-Beziehung.

 

Wie leicht es zu einer Identitätskrise kommen kann, ist recht einfach zu erklären. Für die Ehepartner ist die Heirat mit dem Partner vielleicht das wichtigste, oder sogar das richtigste, in ihrem Leben. Und wenn es zu Problemen in dieser Ehe kommt, worin man sehr viel Wert gesetzt und viel investiert hat, ist man hart getroffen. Das Verkraften eines solchen Effektes ist nicht ganz einfach. Das Individuum wird in seiner Stabilität angegriffen. Die Hoffnungen und Träume, die man in diese Ehe gesteckt hatte, gehen plötzlich alle verloren. Die neu definierte Welt bricht zusammen. Man ist gezwungen die Welt noch einmal neu zu definieren und dabei entstehen zu recht Ängste und Unsicherheiten.

 

Wenn auch noch Kinder in dieser Beziehung waren, wird die Sache noch schwieriger. Um der Kindeswillen wird öfters eine Beziehung weitergeführt, aber falls es doch zu einer Scheidung kommt, sind die für die Psyche eines Kindes verheerend. Die bestehende Eltern-Kind-Beziehung bringt nur weitere Katastrophen im Leben, die das Kind am härtesten Erleiden muss, da es meistens zwischen den beiden Parteien steht.

 

Cemil Sahinöz

 

publiziert in Ayasofya Nr.18, 2007, S.32-35

Literatur:

Beck-Gernsheim, E.: 1994, Scheidung und Scheidungsfolgen. Soziologische und psychologische Perspektiven. in: Herlth, A., Brunner, E.J., Tyrell, H. & Kriz, J. (Hrsg.): Abschied von der Normalfamilie? Partnerschaft kontra Elternschaft. Springer: Heidelberg, 1994, S. 159-174

 

Berger P., Kellner H.: Die Ehe und die Konstruktion der Wirklichkeit. In: Soziale Welt 3, 1965: S.220-235

 

Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend: Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik. Erweiterte Neuauflage. 2003

 

Eschweiler P.:,Zur familienrichterlichen Arbeit in der Trennungsphase einer Ehe. In: Bevollmächtigte der Hessischen Landesregierung für Frauenangelegenheiten (Hrsg.): Scheidung und Scheidungsfolgen aus der Sicht der Frau. Wiesbaden, 1989, S. 55-64

 

Hill, P.B., Kopp, J.: Theorien der ehelichen Instabilität. In: Zeitschrift für Familienforschung, Heft 3, 1990, 2.Jahrgang, S. 211-243

 

Kelley, H.: Love and Commitment. In: H. Kelley et al. (Eds.): Close relationships. New York: Freeman: New York, 1983, S.265-314

 

Rusbult, C.E.: Commitment and satisfaction in romantic associations. A test of the investment model. In: Journal of Experimental Social Psychology 16, 1980, S. 172-186

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