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Dschihad und Fundamentalismus

 

Dschihad ist ein Wort aus dem Koran, aber es bedeutet weder „heilig“ noch „Krieg“. Es ist nicht einfach zu übersetzen. Am besten drückt man es im Deutschen so aus: “Etwas mit ganzem Einsatz tun“, oder „sich voll und ganz einsetzen“. So ist eigentlich alles, was ein Muslim (einer, der Frieden macht)

„mit ganzem Einsatz“ tut: dschihad. Es geht hier um die persönliche Überwindung

von Angst, Eigeninteresse und Egoismus. Dieser dshihad ist auch ein

Kampf - nämlich ein Kampf gegen das eigene Ich.

Der Islam vertritt aber auch keinen blinden Pazifismus, d.h er verlangt von

seinen Anhängern nicht, das eigene Leben oder die Menschen, für die man

verantwortlich ist, dem Prinzip einer absoluten Gewaltfreiheit zu opfern. Der

Koran erkennt die gewalttätige Auseinandersetzung an, betont aber, dass sie

unerwünscht ist, er untersagt sie nicht ganz, sondern stellt klare Grundsätze für

Gewaltandrohung, Gewaltanwendung und Gewaltverzicht auf.

Der Muslim hat den Auftrag das Menschrecht auf die Freiheit des Bekenntnissen

zu Gott in jedem Falle zu verteidigen, notfalls auch mit Gewalt.

Dies ist nicht nur sein Recht, sondern auch seine Pflicht, diese Freiheit

gegenüber denjenigen Feinden zu verteidigen, die ihrerseits den gläubigen

Menschen hindern, nach Gottes Weg zu leben, an ihm zu glauben, seine

Gebetsstätte zu besuchen und sich dort in Frieden aufzuhalten. Der Kampf

gegen den Glaubenszwang ist zugleich auch ein Kampf gegen Gewalt-tätigkeit

und Unterdrückung. Der Muslim darf nicht nur, sondern muss ein-treten für

den Schutz der Menschen, die Gott um Hilfe gegen Tyrannei an-rufen. Das

nennt der Koran den „Kampf auf Allahs Weg.“ Ebenso un-missverständlich

wie der Koran den Kampf gegen den Glaubenszwang und Unterdrückung

befiehlt, verbietet er auch jeden Krieg, der aus anderen Gründen geführt wird,

seien das politische Macht, wirtschaftlicher Einfluss, Bodenschätze, Nationalund

Rassenstolz und was immer auch vorstellbar ist.

Schließlich sind auch die Gebote des Korans, einen Krieg nicht zu beginnen

und ihn baldmöglichst zu beenden, wesentliche Mittel der Friedens-sicherung.

Der Muslim hat das Recht der Selbstverteidigung, wenn er ange-griffen wird.

Aber er hat ebenso die Pflicht, den Kampf auch zu beenden, wenn der Feind

ihn einstellt.

Wer die wichtigsten Grundsätze über Krieg und Frieden im Islam berücksichtigt,

kann sich nun selbst ein Bild darüber machen, wann für die Muslime

Widerstand gegen einen Angriff auf Freiheit und religiöses Be-kenntnis

erlaubt und gefordert ist, und wann die religiösen Gefühle der Menschen zu

ganz anderen Zwecken missbraucht werden. Darüber hinaus sollte man nun

aber auch zu einer gerechten Beurteilung dieser islamischen Grundsätze

kommen können und sich fragen, was ihnen eigentlich entge-gensteht. Was

steht wirklich gegen

• Schutz vor Glaubenszwang?

• Schutz vor Unterdrückung und Tyrannei?

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• Einsatz für Freiheit und Menschenrechte?

• Verbot jeder sonstigen Waffengewalt?

• Bemühen um Friedensicherung?

• Verbot des Angriffs?

• Erlaubnis zur Notwehr?

• Friedenmachen auf allen Ebenen (mit Gott, sich selbst, den Mitmenschen und der Schöpfung)?

 

Den authentischsten Interpretationsschlüssel zu „Dschihad“ liefert das

berühmte Hadith des Propheten, der den aus einer schweren Schlacht heimkehrenden

Kämpfern zurief: „Ihr kommt heim aus dem kleinen Dschihad;

beginnt jetzt den großen Dschihad in euch bzw. gegen euch selber“ gegen eure

Leidenschaften und Begierden, gegen euren Egoismus und gegen euer

niederes Ich!“ Der Koran verbietet Muslimen jegliche Aggression, wenn er

sagt: „Und begeht keine Übertretung! Allah liebt die Aggressoren nicht“ (Sure

2, 190) Terroraktionen geschehen aus dem Hinterhalt heraus, und das gilt nach

dem Koran als „Aggression“. Der Terrorismus kann also nach der klassischen,

traditionellen Doktrin nicht als dschihad eingestuft werden. Es muss sich bei

der Tötung auf jeden Fall um einen Akt der Verteidigung handeln. Der Koran

fordert ganz klar Toleranz. „In Glaubens-dingen darf es keinen Zwang geben“

Sure 2,257 oder an anderer Stelle: „ (...) darum lass den gläubig sein, der will,

und den ungläubig sein, der will“ Sure 18,30 oder weiter: „Und hätte dein Herr

seinen Willen erzwungen, wahrlich alle, die auf Erden sind, würden geglaubt

haben insgesamt. Willst du also die Menschen dazu zwingen, dass sie

Gläubige werden?“ Sure 10,100. Spätestens hier wird also deutlich, was der

Koran theoretisch wirklich fordert.

Wie kommt es dann, daß der Fundamentalismus so viele Anhänger findet,

die ihr Handeln mit dem Koran rechtfertigen?

Über dieses Thema könnte man Bücher schreiben und mir ist klar, daß ich dem

Thema hier nicht gerecht werden kann. Trotzdem möchte ich es hier

wenigestens ganz kurz erwähnen, weil diese Frage doch immer wieder

auftaucht.

Fundamtentalisten rechtfertigen heute ihre terroristischen Gewaltakte oft mit

dem Hinweis, dass der Islam die Anwendung von Gewalt im Rahmen des

„Aufrufs“ zum Islam zulasse. Von den Gelehrten der Al-Azhar-Universität in

Cairo wird diese Aufassung heftig bestritten und zwar unter dem Verweis auf

die Lehre, dass der Islam eine Religion des Friedens sei, die Gewalt ablehne.

Die Glorifizierung des Kampfes, der Tod für Allahs Sache und die Legitimation

für Terrorismus läuft unter dem Missbrauch des heiligen Textes, der

das menschliche Leben als göttliche Schöpfung ausdrücklich heiligt. Aufrufe,

wie „Die große Belohnung für die Muslime, die kämpfen, ist es, zu töten oder

für Allah getötet zu werden“ belegen Fundamentalisten mit völlig aus dem

Zusammenhang gerissenen Koranversen, wie z.B. „Euch ist vorgeschrieben

zu kämpfen, obwohl es euch zuwider ist.“(Sure 2, 216) oder „ (...) Die da

glauben, kämpfen für Allahs Sache und die nicht glauben kämpfen für die

Sache des Bösen. Kämpft darum wider die Sache Satans! (...)“ Sure 4,77.

Bedauerlicherweise werden diese und ähnliche Verse des Korans von den

Fundamentalisten als Rechtfertigung von Gewalt verstanden. Sie missachten

aber dabei die grundlegenden Hinweise für eine friedliche Verbreitung und

Einsetzung für den Islam, die zum Beispiel im folgenden Vers deutlich wird: „

 

Rufe auf zum Weg des Herrn mit Weisheit und schöner Ermahnung, und

streite mit ihnen auf die beste Art.“ Sure 16,126

 

 

Meine Zeilen abschließen möchte ich mit einer kleine Geschichte, die zeigt,

wie unterschiedlich man Gott erfahren kann:

„Ein Wanderzirkus hatte seinen Elefanten in einem Stall in der Nähe einer

Stadt untergebracht, in der man noch nie einen Elefanten gesehen hatte. Vier

neugierige Bürger hörten von dem verborgenen Wunder und machten sich auf,

um vielleicht im Voraus einen Blick darauf zu erhaschen. Als sie jedoch zu

dem Stall kamen, fanden sie, dass es kein Licht darin gab. Sie mussten ihr

Untersuchungen also im Dunkeln vornehmen. Der eine bekam den Rüssel des

Elefanten zu fassen und meinte folglich, das Tier müsse einer Wasserpfeiffe

ähneln; der zweite erfühlte ein Ohr und schloss, es sei eine Art Fächer; der

dritte, der ein Bein anfasste, konnte es nur mit einer lebenden Säule

vergleichen; und der vierte schließlich, der seine Hand auf den Rücken des

Elefanten legte, war überzeugt, eine Art Thron vor sich zu haben. Keiner von

ihnen konnte sich ein vollständiges Bild machen, und den Teil, den ein jeder

erfühlte, konnte er nur in Bergriffen beschreiben, die ihm bekannte Dinge

bezeichneten. Das Ergebnis der Expedition war Verwirrung. Jeder der vier war

sicher, dass er recht hatte: und keiner der anderen Bürger der Stadt konnte

verstehen, was wirklich geschehen war, was die vier tatsächlich erfahren

hatten.“

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