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Was ist ein Sofi bzw. Sufi?

 

Geschrieben von Fethullah Gülen

 

Wir möchten uns nun mit der Frage beschäftigen, was eigentlich ein Sufi (bzw. Sofi) ist. Was unterscheidet ihn von anderen Menschen, was charakterisiert seine Beziehung zu Gott?

 

Sofi' ist ein Begriff, der auf die Anhänger des tasawwuf (des Sufismus) verwendet wird (vor allem benutzen ihn die Persisch und Türkisch sprechenden Menschen). Anderen zufolge lautet die richtige Aussprache ,Sufi'. Ich denke, dass sich der Unterschied aus den verschiedenen Ansichten zum Ursprung dieses Wortes ergibt. Wer meint, das Wort leite sich von sof (Wolle), safa´ (spirituelles Vergnügen, Heiterkeit), safwat (Reinheit) oder sophos (einem griechischen Wort für Weisheit) ab oder impliziere Hingebung, bevorzugt das Wort Sofi. Andere, die der Ansicht sind, das Wort stamme von suffa (Zimmer), und betonen, dass es nicht mit sofu (religiöser Eiferer) verwechselt werden dürfe, gebrauchen das Wort Sufi.

Der Begriff Sofi wurde auf verschiedene Art und Weise definiert; einige dieser Definitionen möchte ich hier aufzählen:

 

 

 

Ein Sofi ist ein Reisender zu Gott, der es geschafft hat, sein Ich zu reinigen, der inneres Licht und spirituelle Aufklärung erlangt hat.

Ein Sofi ist ein demütiger Soldat Gottes, den der Allmächtige für Sich ausgewählt und vom Einfluss seines fleischlichen, boshaften Ichs befreit hat.

Ein Sofi ist ein Reisender zur Wahrheit Muhammads, der, nicht um aufzufallen, sondern als Zeichen von Würde und Besitzlosigkeit, einen einfachen Umhang trägt und der Welt als Quell von Untugend und fleisch-lichen Gelüsten entsagt. Sofis tragen einen einfachen Umhang aus Wolle und werden deshalb mutasawwif (pl. mutasawwifun) genannt, um ihre gesellschaftliche Stellung, ihren Glauben, ihre Haltung und ihren Lebensweg nachdrücklich zu betonen. Das Tragen eines einfachen wollenen Umhangs war nämlich auch für den Propheten, seine Gefährten und andere Menschen mit aufrichtiger Gesinnung typisch.

Ein Sofi ist ein Reisender zum Gipfel der wahren Menschlichkeit, der sich von der fleischlichen Verworrenheit und allen Arten menschlichen Schmutzes befreit hat, um seine essenzielle göttliche Natur und Identität zu verwirklichen.

Ein Sofi ist ein Mensch, der es verdient hat, Sofi genannt zu werden, da er versucht, den Menschen der suffa - den armen gelehrten Anhängern des Propheten, die in einer Kammer lebten, welche an die Moschee des Propheten grenzte - zu ähneln, indem er sein Leben dem Ziel widmet, sich diesen Namen zu verdienen.

Es gibt auch solche, die der Meinung sind, das Wort Sofi würde sich von saf (rein) ableiten. Obwohl die lobenswerten Bemühungen der Sofis, Gott zu erfreuen, ihm unablässig zu dienen und ihre Herzen auf Gott zu rich-ten, ausreichen würden, um sie als reine Menschen zu bezeichnen, ist es doch grammatikalisch unzulässig anzunehmen, Sofi wäre eine Ableitung von saf. Darüber hinaus existiert auch die Ansicht, Sofi käme von dem griechischen Wort sophia oder sophos, das Weisheit bedeutet. Ich denke aber, dass dies eine Erfindung ausländischer Forscher ist, die es lieber sähen, einen ausländischen Ursprung des Wortes tasawwuf aufspüren zu können.

 

Der erste Mensch, der in der islamischen Geschichte Sofi genannt wurde, ist Abu Hashim al-Kufi, ein großer Asket seiner Zeit. Abu Hashim starb im Jahre 150 nach der Hidschra (im Jahre 622), das heißt, das Wort Sofi wurde bereits im zweiten Jahrhundert nach der Hidschra der Generation der Gefährten des Propheten und ihrer gesegneten Nachfolger verwandt.

 

Der Sufismus, der uns in der islamischen Geschichte erstmals in Gestalt des Abu Hashim al-Kufi begegnete, schien ein Weg spiritueller Menschen sein, die den Schritten unseres Propheten, Friede und Segen seien mit ihm, und seinen Gefährten in ihrem Lebensstil folgten. Darum wurde der Sufismus immer wieder als spirituelle Dimension des Islam bezeichnet. Sein ursprünglicher Zweck bestand darin, die Menschen zu erziehen, ihre Herzen auf Gott auszurichten und von der Liebe zu Ihm entflammt zu sein. Er konzentrierte sich, ganz dem Vorbild des Propheten folgend, auf gute Moral und Wohlverhalten. Zwar mag mit einiger Berechtigung darauf hingewiesen werden, dass im Laufe der Zeit einige Abweichungen auftra-ten, diese sollten aber nicht als eine Rechtfertigung dafür benutzt werden, den Weg spiritueller Reinheit ganz zu verurteilen.

 

Der Mystiker Imam Qushayri (+1074) beschreibt die Sufis, die ein spiri-tuelles Leben führen so:

 

Der bedeutendste Titel im Islam ist der eines Gefährten des Propheten, Friede und Segen seien mit ihm. Dies ist eine so große Ehrung, dass sie ausschließlich den Gefährten zuteil werden kann. Die zweitgrößte Ehrung ist den Tabi´un vorbehalten, denen, die den Gefährten nachfolgten und sie noch mit eigenen Augen sahen. Die Taba-i Tabi´un sind diejenigen, die diese Tabi´un noch kennen lernten. Direkt nach dem Tode dieser dritten Generation, zufällig zeitlich übereinstimmend mit dem Ausbruch einiger interner Konflikte und Glaubensabweichungen, entwickelten die Sufis wichtige Fertigkeiten in der Wiederbelebung des spirituellen Aspektes des Islam. Sie standen damit auf einer Stufe mit den Traditionalisten, den Rechtswissenschaftlern und den Theologen, die dem Islam - jeder auf seinem Fachgebiet - große Dienste erwiesen.

 

Vor allem die frühen Sufis waren ausgezeichnete rechtschaffene Menschen. Sie führten ein aufrechtes, ehrenhaftes, genügsames und einfaches Leben, frei von jeglichen Makeln; weit davon entfernt, körperliches Glück und die Befriedigung fleischlicher Gelüste zu suchen, folgten sie dem Vorbild des Propheten. Sie waren in ihrem Glauben und Denken so ausgeglichen, dass man sie nicht als Anhänger von alten Philosophen, christlichen Mystikern oder hinduistischen Fakiren betrachten kann. Denn tasawwuf wurde von seinen frühen Anhängern und Repräsentanten zu allererst als Wissenschaft von der inneren Welt des Menschen, der Realität der Dinge und der Mysterien der Existenz bezeichnet. Ein Sofi war ein Student dieser Wissenschaft, der den höchsten Rang eines universellen oder vollkommenen Menschen anstrebt.

 

Tasawwuf ist eine lange Reise, die zum Unendlichen Einen führt und nicht enden wollende Bemühungen erfordert. Er ist ein Marathon, der gelaufen wird, ohne je anzuhalten - mit unnachgiebiger Entschlossenheit und ohne irgendeinen weltlichen Nutzen zu erwarten. Er hat nichts mit westlichen oder östlichen Arten von Mystizismus, Yoga oder Philosophien gemein. Ein Sofi, der entschlossen ist, diesen Marathon zu laufen und den Unendlichen Einen zu erreichen, ist weder ein Mystiker, noch ein Yogi oder ein Philosoph.

 

Zwar ist es wirklich so, dass einige Hindus und griechische Philosophen einem Weg folgten, der zur Selbstreinigung führte, und dass sie die fleisch-lichen Gelüste und die weltlichen Reize bekämpften; der Weg, dem diese nacheiferten unterscheidet sich jedoch völlig vom tasawwuf. Während sich die Sofis nämlich vor allem durch Anrufung, regelmäßige Verehrung, größtmöglichen Gehorsam Gottes und Würde selbst zu reinigen suchten und bis zum Tod auf ihrem Weg voran schritten, beachteten die alten Philosophen nicht selten nur wenige dieser Regeln oder Handlungen. Ihre Selbstreinigung - falls man davon überhaupt sprechen kann - rief in ihnen oft Überheblichkeit und Arroganz hervor, nicht aber Würde und Selbstkritik.

 

Die Sofis lassen sich hinsichtlich ihres Weges in zwei Kategorien einteilen:

 

 

 

Die erste Kategorie beinhaltet diejenigen, die dem Wissen Priorität einräumen und versuchen, ihrer Bestimmung durch das Wissen um Gott (ma´rifa) gerecht zu werden.

Die zweite Kategorie besteht aus Menschen, die dem Weg der Sehnsucht, der spirituellen Ekstase und der spirituellen Entdeckungen folgen.

Sofis der ersten Kategorie bringen ihr Leben damit zu, sich ununterbrochen auf einer Reise zu Gott zu befinden, auf der sie sich ,in' Gott und durch Gott weiter entwickeln. Sie reisen auf den Flügeln des Wissens und des Wissens um Gott und bemühen sich zu erfahren, was der Satz „Es gibt keine Kraft und keine Stärke außer durch Gott" bedeutet. Jede Wandlung, jede Veränderung, jede Gestaltung und Umgestaltung, die sie in der Existenz wahrnehmen, jedes Ereignis, dessen Zeuge sie werden oder das sie selbst erleben, ist wie eine verständliche Botschaft der Kraft Gottes und des Willens Gottes, die aber in vielen verschiedenen Zungen ausgedrückt wird.

 

Für die Sufis der zweiten Kategorie gilt, dass sie gelegentlich von ihrer eigentlichen Bestimmung abweichen und es nicht schaffen zu Gott, dem Allmächtigen, zu gelangen. Obwohl sie ihre Reise und ihre Askese durch-aus ernsthaft betreiben, ist dies darauf zurückzuführen, dass sie verborgene Realitäten und Wahrheiten oder Wundertaten entdecken wollen und spirituelles Vergnügen und Ekstase anstreben. Obwohl auch dieser zweite Weg durch Koran und Sunna legitimiert ist, kann er einige Eingeweihte dazu verführen, an gewissen Bedürfnissen und Erwartungen festzuhalten. Zu nennen sind hier der Wunsch nach dem Erwerb eines spirituellen Ranges und die Fähigkeit zu besitzen, Wunder zu vollbringen, der Wunsch, als ein Heiliger bekannt zu sein usw.. Daher ist der erste Weg, der auch zur größten Rechtschaffenheit unter der Anleitung des Koran führt, sicherer.

 

Die Sufis teilen die Menschen in drei Gruppen ein:

 

Zur ersten Gruppe gehören diejenigen, die sie die Vollkommenen nennen und die ihre Bestimmung erreicht haben. Diese Gruppe beinhaltet zwei Untergruppen - die Propheten und diejenigen, die sich vervollkommnet haben, d.h. die dadurch zur Wahrheit gelangt sind, dass sie eben diese strikt befolgt haben. Nicht unbedingt alle, die sich vervollkommnet haben, sind gleichzeitig auch spirituelle Führer. Einige von ihnen führen keine anderen Menschen zur Wahrheit, sondern werden von den Wellen des ,Ozeans der Begegnung mit Gott und der Verwirrung' überspült und aufgerieben. Ihre Beziehungen zur sichtbaren materiellen Welt sind erschüttert, deshalb leben sie, ohne dazu fähig zu sein, andere zu führen.

 

Diejenigen, die der zweiten Gruppe angehören, werden Eingeweihte genannt. Auch hier gibt es zwei Untergruppen. Die erste umfasst die, die dieser Welt vollständig entsagen und, ohne an das Jenseits zu denken, Gott, den Allmächtigen, suchen. In der zweiten Untergruppe finden sich diejenigen, deren Ziel es ist, ins Paradies einzugehen und die nicht ganz auf rechtmäßige weltliche Freuden verzichten. Sie werden Asketen, Verehrende, Arme oder Hilflose genannt.

 

Was die dritte Kategorie anbelangt, so nennen die Sofis deren Angehörige ,die sich (an der Welt) Festklammernden' oder ,die träge Gewordenen', denn ihr einziges Ziel besteht darin, ein ruhiges, komfortab-les Leben zu führen. Diese sind böse und unglückselig, dem Koran zufolge gehören sie zur Gruppe derer, die ,auf der Linken stehen', die ,blind und taub' sind und nichts verstehen.

 

Einige haben die drei hier genannten Kategorien auch nur in zwei Gruppen unterteilt, in die Vornehmen, die sich in die Richtung Gottes bewegen - die Menschen auf der rechten Seite, und diejenigen auf der linken Seite.

 

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