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Qries Qries Qries Qries Qries Qries

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(iz). Wie mit dem Qur’an umzugehen sei, beschäftigt Muslime seit Anbeginn der Offenbarung an den Propheten Muhammad. So kommt es nicht von ungefähr, dass Allah Selbst im Qur’an Bezug nimmt auf denselben, seine Funktion erklärt und uns unterweist, wie wir uns ihm zu nähern haben. Der so genannte „Einbruch der Moderne“ und die Entstehung der - zuerst zu kolonialen Zwecken entwickelten - Orientalistik (beziehungsweise Islamwissenschaften) brachte einen quasi-wissenschaftlichen (bei gleichzeitiger Negation der muslimischen Wissenschaften) und quasi-objektiven Umgang mit dem Wort Allahs hervor. Eines der neuesten Projekte in der akademischen Landschaft ist das so genannte Projekt „Corpus Coranicum“ der Berliner-Brandenburger Akademie der Wissenschaften.1

Im folgenden drucken wir einen offenen Brief ab, in dem der Autor Stellung zum Projekt, aber auch zum übergeordneten Ansatz des „objektiven“ Umgangs mit dem Qur’an bezieht: Lieber Freund!

 

Vielen Dank für die sehr interessante Information über das Corpus-Coranicum-Projekt. Als Muslim hofft man natürlich, dass die Wissenschaftler dieses Projektes die Fähigkeit besitzen über den Rahmen ihres Faches hinausblicken zu können. Denn ein solches Projekt wird sich nicht nur an ihrer wissenschaftlichen Güte und Sorgfalt messen lassen müssen, sondern letztlich an der Kernfrage der Muslime: Haben die Wissenschaftler Kenntnis davon, dass es sich beim Qur’an zuallererst mal überhaupt nicht um einen papiernen Text, um ein gedrucktes Buch handelt? Sondern dass der Qur’an (wörtlich: der zu Rezitierende) zuallererst mal Allahs unverändertes Wort ist, das sich 1. im Unsichtbaren (Al-Ghaib) „auf einer wohlverwahrten Tafel“ (Al-Lauh Al-Mahfuz) und 2. in den Herzen jener Muslime befindet, die ihn nicht auf Papier im Regal, sondern seit 1400 Jahren auswendig gelernt im Herzen tragen! An diesen beiden „Orten“ - weder zwischen Buchdeckeln noch im Internet - wird der Qur’an bis zum Jüngsten Tag unangreifbar verwahrt sein. Das hat uns Allah garantiert. Ist das den Wissenschaftlern bekannt? Und wenn ja: Wird das nur als metaphysische Mythologie, für die exakte Wissenschaft nicht relevanter „vorwissenschaftlicher Überbau“ abgetan, oder bedenkt der Wissenschaftler die existenziellen Konsequenzen dieser Erkenntnis für sich selbst? Hat er eine Ahnung davon, dass die analytisch-wissenschaftliche Sicht, die den Qur’an nicht als das Wunder sieht, als das größte Geschenk Allahs an die Menschheit sieht, das Muslimen deshalb ansatzlos Tränen in die Augen treibt, dass diese nichtmuslimische Sicht von vornherein immer nur die sozusagen schon erkaltete, geronnene Form des Mushaf (das gedruckte Exemplar des Qur’an) wahrnimmt und das eigentliche Element des Qur’an, die orale Rezitation, seine Herkunft und Etymologie, seine Quelle im Grunde kaum je in den Blick bekommen kann?

 

Und dies weil die Wissenschaft ihren eigenen blinden Fleck, ihre Unfähigkeit zur existenziellen Ergebung unter Allahs Wort, zur Hinnahme der eigenen ­Vergänglichkeit, Hinfälligkeit und ­Abhängigkeit als Geschöpf vom Schöpfer, dass sie diese vor- und überwissenschaftliche „Versuchsanordnung“ kaum je selbstkritisch in den Blick bekommt? Hinter dem Mikroskop oder unter dem Mikroskop?

 

Sieht man den Qur’an als Gotteswort oder als Menschenwort? Diese entscheidende Frage wird diesem Projekt von muslimischer Seite immer gestellt werden. Sie berührt bei weitem nicht nur den „privaten Glauben“ eines Menschen, sondern - siehe Schrödingers Katze - auch die Tiefenschärfe des wissenschaftlichen Blickes! Denn der hängt nicht nur davon ab, was man mit dem Mushaf tut, sondern vor allem von dem, wie man es tut, mit welchem Adab (Verhalten, Höflichkeit des Herzens, Ehrfurcht gegenüber Allahs Wort).

 

Wenn dieser Blick mit Adab fehlt - was hat man dann verstanden von der Wahrheit des Qur’an? Mangelnder Adab kann von keiner wissenschaftlichen Präzision und Gewissenhaftigkeit, von keinem Apparat der Welt aufgewogen werden! Spätestens seit Schrödinger weiß auch die Wissenschaft, dass unser Blick das Objekt immer schon mit beeinflusst - das meine ich, wenn ich von Adab, dem ­eigenen notwendigen Verhalten des ­Betrachters/Wissenschaftlers im Hinblick auf den Untersuchungsgegenstand spreche. Mehr als eine moralische ­Haltung hat Adab mit Sehfähigkeit zu tun. „Liebe macht blind“ für die niederen Möglichkeiten, für die höheren Möglichkeiten des Betrachteten macht sie hellsichtig! Darum sagt Hölderlin über seinen Hyperion in der Vorrede: „Ich verspräche gerne diesem Buch die Liebe der Deutschen. Aber ich fürchte, die einen werden es lesen, wie ein Compendium, und um das fabula docet sich zu sehr bekümmern, indess die andern gar zu leicht es nehmen, und beede Theile verstehen es nicht. Wer blos an meiner Pflanze riecht, der kennt sie nicht, und wer sie pflückt, blos, um daran zu lernen, kennt sie auch nicht. Die Auflösung der Dissonanzen in einem gewissen Charakter ist weder für das blosse Nachdenken, noch für die leere Lust.“ (Faksimileausgabe, 1797) Wer den Qur’an nicht als Gottes Wort zulässt, was hat er verstanden? Hat er es mit lebendem oder nur mit totem Material zu tun? Sieht er nur noch die „ausgerissene Pflanze“ unter dem Mikroskop oder bekommt er das lebende Phänomen in den Blick?

 

Für die Gegner des Propheten (Allahs Friede und Segen seien auf ihm allezeit!), also jene, die ihn nicht lieben konnten, war Muhammad bestenfalls nur ein Mensch wie alle anderen, der Sohn Abdullahs. Sie sahen in ihm nie das, was er in Wirklichkeit war: Ein von Allah der Menschheit gesandter Mensch, das beste Geschöpf, das Allah je gemacht hat und je machen wird. Ähnlich wird es sich bei Orientalisten, Qur’an-Forschern verhalten, die im Qur’an einen Text unter anderen Weisheitstexten sehen...

 

Wenn weder das Pflücken/Ausreißen noch das oberflächliche Riechen am Objekt die Wahrheit des Untersuchungsgegenstandes erkennt, was ist dann die beste Verhaltung angesichts von Gottes Wort? Schon die Griechen, die Väter der abendländischen Wissenschaft, wussten, dass die höchste Verhaltung gegenüber einer vorzüglichen Sache nur die Homoiosis, griechisch: Anverwandlung, Angleichung (mit Gott), die Nachfolge eines Philosophen(königs), Weisen und Propheten sein kann.

 

Eine Vorverurteilung eines solchen Projektes von unserer Seite ist dagegen sicher nicht angebracht. Dass jede - natürlich auch die wissenschaftlich-analytische - Beschäftigung mit dem Wunder Qur’an die Herzen eines jeden Menschen öffnen kann, ist natürlich bei Allah und sollte ebenfalls nicht vergessen werden. Und welcher Muslim würde es einem Nichtmuslim nicht wünschen, dass Allah ihm das Geschenk des Glaubens (arab. Iman, wird fast besser mit Vertrauen übersetzt) machte? Sie wären nicht die ersten und werden nicht die letzten sein, die durch das Staunen nicht nur zu denken, sondern auch zu danken begännen. Allah macht, was Er will.

 

Ich bin jedenfalls gespannt, was Deine Beobachtungen dieser Unternehmung zutage fördern werden.

 

Bis dann,

 

A. Almendinger

 

1 http://www.bbaw.de/bbaw/Forschung/Forschungsprojekte/Coran/de/Startseite

 

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