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POP-SÄNGER MUHABBET

Musterknabe unter Islamismus-Verdacht

 

Von Thorsten Dörting und Reinhard Mohr

 

Er singt mit Außenministern und amtiert als Unicef-Botschafter - der deutsch-türkische Popstar Muhabbet präsentiert sich als Integrationswunder. Zwei Filmemacher erheben jetzt schwere Vorwürfe gegen ihn: Er soll den Mord an dem holländischen Regisseur Theo van Gogh verteidigt haben.

 

Gestern sang er noch mit Ministern das Hohelied der Integration, heute bezweifeln Kritiker massiv seine Glaubwürdigkeit. Der 23-jährige Popstar Muhabbet, der am Montag mit den Außenministern von Deutschland und Frankreich, Frank-Walter Steinmeier und Bernhard Kouchner, einen "Integrationssong" in einem Berliner Tonstudio aufnahm (mehr...), hat womöglich auch eine weniger vorzeigbare Seite. Von ihr berichtet zumindest Esther Schapira, Ressortleiterin Zeitgeschehen beim Fernsehen des Hessischen Rundfunks.

 

Im Frühling dieses Jahres wurde Schapiras gemeinsam mit dem Autor Kamil Taylan gedrehter Dokumentarfilm "Der Tag, als Theo van Gogh ermordet wurde" in der ARD gezeigt. Darin rekonstruieren die beiden den Mord an dem holländischen Filmemacher van Gogh durch Mohammed Bouyeri. Bouyeri, Holländer marokkanischer Abstammung, hatte am 2. November 2004 achtmal auf sein Opfer geschossen, dann mit der Machete seinen Kopf abgetrennt und ein Bekennerpamphlet mit dem Messer in die Brust gerammt.

 

Als Schapiras Film am 20. Oktober bei der Verleihung des "Prix Europe" in der Sparte "Current Affairs" einen Preis erhielt, lernte die Autorin Sänger Muhabbet persönlich kennen. Er hatte die Veranstaltung mit einem Lied eröffnet, später den TV-Prix-Europa für das "Multikulturelle Fernsehprogramm des Jahres 2007" übergeben und bei dem Anlass auch einen Zusammenschnitt von Schapiras Film gesehen.

 

Auf der Aftershow-Party sei Schapira zuerst mit Muhabbets Manager, Jochen Kühling, ins Gespräch gekommen, dann sei der Sänger selbst dazu gestoßen. Offenbar ziemlich aufgebracht, so berichtet Schapira, habe Muhabbet sie angefahren: "Theo van Gogh hat noch Glück gehabt, dass er so schnell gestorben ist. Ich hätte ihn in den Keller gesperrt und gefoltert." Dann fügte er hinzu: "Auch Ayan Hirsi Ali hat den Tod verdient." Die unter Polizeischutz lebende Islamkritikerin und frühere niederländische Abgeordnete aus Somalia hatte mit van Gogh bei dem umstrittenen Film "Submission" zusammengearbeitet.

 

"Junge, spinnst Du?" - "Nein, ich meine das völlig ernst."

 

Der Co-Autor des Films, Kamil Taylan, selbst Deutsch-Türke und Muslim, bestätigt die Darstellung Schapiras. Er sei dazu gekommen, als Schapira und Manager Kühling bereits in ein heftiges Streitgespräch vertieft gewesen seien. Taylan habe Muhabbet auf dessen Aussagen angesprochen und ihn auf Türkisch gefragt: "Junge, spinnst Du?" Muhabbet habe daraufhin auf Deutsch geantwortet: "Nein, ich meine das völlig ernst."

 

Esther Schapira hatte fürs Erste darauf verzichtet, die Angelegenheit öffentlich zu machen. SPIEGEL ONLINE liegt ein Mail-Wechsel Schapiras mit dem Manager vor, in dem sie den Vorfall anspricht. Sie schickte Muhabbets Manager danach eine DVD ihres Films, damit der und Muhabbet sich ein Bild von dem kompletten Werk machen könnten - und Muhabbet von seiner Aussage Abstand nimmt. Darauf hätten weder Musiker noch Manager reagiert. Am gestrigen Tag sei es dann im Beisein eines weiteren Mitarbeiters des HR zu einem Telefonat mit Manager Kühling gekommen, bei dem der die Vorwürfe zumindest nicht dementierte und nur sagte, er könne sich an nichts erinnern. Da Muhabbet trotzdem an der gestrigen PR-Aktion mit den beiden Außenministern teilnehmen und nicht von seiner Aussage abrücken wollte, habe sich Schapira entschlossen, doch an die Öffentlichkeit zu gehen: "Das ist ja nun nicht einfach ein netter Junge aus Berlin."

 

Auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE kann sich Muhabbets Manager jetzt doch erinnern, dementiert allerdings die Vorwürfe Schapiras: "Das ist nicht gesagt worden. Muhabbet weiß nicht einmal, wer Ayan Hirsi Ali ist." Der Sänger selbst hatte sich gestern bereits in den ARD-"Tagesthemen" zu den Vorwürfen geäußert. Er finde "jeglichen Mordaufruf katastrophal" und sagte: "Ich weise diese Anschuldigungen komplett zurück."

 

Tatsächlich, so Manager Kühling gegenüber SPIEGEL ONLINE, habe es eine leidenschaftliche Diskussion über den kurzen Zusammenschnitt des preisgekrönten Dokumentarfilms gegeben. Es sei auch einiges getrunken worden. Auch hätten sich er und Muhabbet über die unterschwellige emotionale Botschaft des Films geärgert, die sie als ressentimentgeladen und anti-muslimisch empfunden hätten. Schließlich habe Schapiras Kollege Kamil Taylan Muhabbet sogar ein wenig "geschubst". "Doch der wollte sowieso nur noch weg", sagt Manager Kühling.

 

Makelloses Image als Vermittler zwischen den Kulturen

 

Murat Ersen, wie Muhabbet mit richtigem Namen heißt, gilt als musikalisches Integrationswunder. Er kommt aus Köln-Bocklemünd, einem Stadtteil, der vergleichbar ist mit dem sozialen Brennpunkt Berlin-Neukölln. Muhabbet singt auf Deutsch, seinen Musikstil bezeichnet er als R'n'Besk - eine Mischung aus dem amerikanischen R'n'B (Rhythm and Blues) und Arabesk, einer klagenden türkischen Volksmusik. Sein Album "R'n'Besk" hat das Majorlabel SonyBMG veröffentlicht, es verkaufte sich rund 30.000-mal - die türkische Zeitung "Hürriyet" nannte ihn den "deutschen König des R'n'Besk".

 

Vor allem wegen seines makellosen Images als Vermittler zwischen den Kulturen haben Politik und Medien in den vergangenen Jahren oft Muhabbets Nähe gesucht. Vergangenes Jahr reiste er mit Außenminister Steinmeier in die Türkei und wurde zur Weihnachtsfeier des Auswärtigen Amts eingeladen. Er ist Partner der Anti-Gewalt-Kampagne "Schau nicht weg" der Jugendzeitschrift "Bravo", und spielte ein Konzert im Rahmen der Initiative "Schau hin!" des Bundesfamilienministeriums. Und er ist bereits auf Veranstaltungen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel als Unicef-Botschafter aufgetreten.

 

Steinmeier sieht derzeit keinen Grund, eine weitere Zusammenarbeit mit Muhabbet auszusetzen, bis die Vorwürfe geklärt sind. Er habe keinerlei Anhaltspunkte für das, was Muhabbet vorgeworfen werde und unterstrich stattdessen die Verdienste des Sängers. "Ich hätte mir gewünscht, dass man sich vielleicht konkret mit dem beschäftigt hätte, was Herr Muhabbet in den letzten zwei Jahren gemacht hat", sagte Steinmeier. Er sprach sich dafür aus, "unaufgeregt" mit der Sache umzugehen.

 

 

SPIEGEL ONLINE

13.11.2007

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