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Frankfurt/Main (dpa) - Lehre und Forschung in islamischer Religion werden an der Frankfurter Goethe-Universität erweitert. Das Türkische Präsidium für Religionsangelegenheiten Diyanet wird eine weitere Stiftungsprofessur bereitstellen, teilte die Universität am Freitag (6.11.) mit.

 

Zu zwei Professuren, die Diyanet seit 2005 bezahlt, wird 2010 ein dritter Lehrstuhl hinzukommen. Damit soll ein Studiengang Islamische Theologie am neu gegründeten Institut für Studien der Kultur und Religion des Islams aufgebaut werden. Damit könne auch die akademische Bildung von muslimischen Religionsfachkräften gefördert werden.

 

Quelle: sueddeutsche.de

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  • 2 Monate später...

Professor auf Abruf

 

 

 

Muslim-Verbände sollen Hochschullehrern für islamische Studien die Lehrbefugnis entziehen dürfen - Konflikte sind absehbar

 

 

 

Die Islamische Theologie an deutschen Hochschulen wird ausgebaut, darüber herrscht politisch weitgehend Einigkeit. Die Frage war immer: Wie soll das geschehen? Der Wissenschaftsrat hat nun erstmals ein Konzept vorgelegt, das diesen zentralen Punkt beantwortet: An zwei oder drei staatlichen Universitäten sollen Zentren für islamische Studien entstehen, dort sollen Religionslehrer und Imame ausgebildet werden und zwar zusammen mit den großen muslimischen Verbänden. Sie sollen mitbestimmen, was gelehrt wird und wer lehren darf. An diesem Punkt aber lauern heftige Konflikte, denn die Verbände sind umstritten, Kritiker werfen ihnen eine othodoxe Sicht des Islam und eine integrationsfeindliche Haltung vor.

 

 

 

Bisher sind die Verbände bei den wenigen Lehrstühlen zur Ausbildung islamischer Religionslehrer und Theologen nur lose eingebunden. An der Universität Erlangen-Nürnberg spricht man sich bei der Lehrerausbildung mit den lokalen Moscheegemeinden ab. An der Universität Osnabrück, wo ebenfalls Islamlehrer ausgebildet werden und ein Lehrstuhl für islamische Theologie geplant ist, setzt man auf einen Rat, in dem der türkisch-halbstaatliche Verband Ditib und ein landesweiter Zusammenschluss von Moscheegemeinden vertreten sind. Das Beratungsgremium gilt als Erfolg, der Wissenschaftsrat hält es für vorbildlich. An der Universität Münster ist ein ähnlicher Rat mit muslimischen Verbandsvertretern installiert worden, der ebenfalls nur beraten darf. Das Beispiel Münster illustriert bereits die absehbaren Auseinandersetzungen: Als der dortige Professor für islamische Religion, Muhammad Kalisch, 2008 öffentlich bezweifelte, dass es den Propheten Mohammed je gegeben hat, kündigte der Koordinationsrat der Muslime (KRM), in dem die großen Verbände Ditib, Islamrat, Zentralrat der Muslime und VIKZ oranisiert sind, seine Mitarbeit auf. Begründung: Es gebe eine "erhebliche Diskrepanz" zwischen islamischen Glaubensgrundsätzen und den Positionen Kalischs. Der KRM riet von einem Studium bei Kalisch ab. Die nordrhein-westfälische CDU wertete diesen Bruch als Angriff der Muslime auf die Freiheit der Wissenschaft.

 

 

 

Das jetzige Konzept der Experten aus Bund und Ländern soll garantieren, dass die Lehrer und Imame von deutschen Hochschulen bei muslimischen Schülern und Gläubigen auch akzeptiert sind. Deshalb sollen die Verbände zustimmen. Offenbar orientiert man sich dabei an den Rechten der Kirche, was im Fall Kalisch hieße, dass ihm durch den geplanten Beirat aus Muslim-Vertretern die Lehrerlaubnis entzogen werden könnte. Hieße dies umgekehrt, dass muslimische Verbände eigene, womöglich stockkonservative Gefolgsleute auf Lehrstühlen hieven könnten? Der Wissenschaftsrat will dem gleich mehrfach vorbeugen: Zum einen sollen die wissenschaftlichen Fähigkeiten eines Bewerbers ausschließlich von der Universität geprüft werden, auch die Auswahl der Kandidaten wäre Sache der Hochschule. Der Beirat dürfte nur religiöse Einwände geltend machen.

 

 

 

Zudem sollen in den Beiräten nicht nur Verbandsvertreter sitzen, sondern auch muslimische Rechtsgelehrte und muslimische "Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens", wie es in den Empfehlungen des Wissenschaftsrates heißt. Dies erinnert an die Zusammensetzung der Islamkonferenz der Bundesregierung, wo zwischen muslimischen Verbänden und Islamkritikern wie Necla Kelek regelmäßig die Fetzen flogen. Ob die Beiräte also tatsächlich wie von den Experten gewünscht einstimmig entscheiden, wird stark von der Zusammensetzung des Gremiums abhängen. Ali Kizilkaya, Vorsitzender des orthodoxen Islamrats, lehnt unabhängige Vertreter ab. "Wer an den Lehrstühlen mitentscheiden will, der muss auch durch Moscheegemeinden legitimiert sein."

 

 

 

Fachleute wie der Kirchenrechtler Wolfgang Bock warnen dagegen vor einer Mitwirkung der Verbände. "Eine Reihe dieser Organisationen ist radikalisiert", sagt der Richter. "Rechtlich besteht keine Verpflichtung zur Beteiligung." Das sieht der Wissenschaftsrat anders: Die Mitwirkung des KRM und anderer sei "verfassungsrechtlich geboten".

 

 

 

Roland Preuß, SZ, 29.01.2010

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An diesem Punkt aber lauern heftige Konflikte, denn die Verbände sind umstritten, Kritiker werfen ihnen eine othodoxe Sicht des Islam und eine integrationsfeindliche Haltung vor.

Kritiker + integrationsfeindliche haltung der verbände = Kelekxy

 

Als der dortige Professor für islamische Religion, Muhammad Kalisch, 2008 öffentlich bezweifelte, dass es den Propheten Mohammed je gegeben hat, [...] Die nordrhein-westfälische CDU wertete diesen Bruch als Angriff der Muslime auf die Freiheit der Wissenschaft.

Liebe CDU, kennen Sie das Neutralitätspostulat der Wissenschaft von Max Weber etwa nicht...?

 

Zudem sollen in den Beiräten nicht nur Verbandsvertreter sitzen, sondern auch muslimische Rechtsgelehrte und muslimische "Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens" [...]

muslimische rechtsgelehrte - nun gut, welche muslimischen gelehrte sind genau gemeint? bekanntlich gibt es die muslime so nicht.

 

Fachleute wie der Kirchenrechtler Wolfgang Bock warnen dagegen vor einer Mitwirkung der Verbände. "Eine Reihe dieser Organisationen ist radikalisiert", sagt der Richter.

??

 

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  • 5 Monate später...

Islamische Theologie und Imame in Deutschland? Kein Sonderrecht für Muslime

 

 

 

Der Wissenschaftsrat hat empfohlen, an zwei oder drei staatlichen Universitäten Zentren für Islamische Theologie zu begründen. Nachdem führende Integrationspolitiker, wie etwa Schäuble (CDU), Edathy (SPD), Beck (GRÜNE) und Schünemann (CDU) bereits letztes Jahr ausdrücklich den Wunsch nach einer Imamausbildung in Deutschland geäußert haben, hat sich das höchste Beratungsgremium der deutschen Wissenschaft nun ebenfalls dazu bereit erklärt, die islamisch-theologische Forschung aus der Binnenperspektive in Deutschland durch dieses klare Bekenntnis zu fördern. Es sind jedoch weiterhin einige allgemeine und konkrete Fragen ungeklärt: Was bedeutet diese Empfehlung konkret? Wozu Islamische Theologie, wo es doch die Möglichkeit gibt, Islamwissenschaften zu studieren oder sich aus religionswissenschaftlicher Perspektive mit dem Islam zu befassen? Warum will man nun islamische Theologie an staatlichen Hochschulen etablieren? Wer entscheidet bei der Berufung der Hochschullehrer und über die Inhalte? Was will der Staat? Und was wollen die Muslime?

 

Dass der Gleichheitsgedanke - entsprungen der Aufklärung und der französischen Revolution – für diese Empfehlung des Wissenschaftsrates entscheidend gewesen sein soll, wird niemanden wirklich überzeugen. Viel eher hängt diese Entwicklung im aktuellen Kontext mit knallharten sicherheits- oder, freundlicher formuliert, integrationspolitischen Zielsetzungen zusammen. Die oben gestellten Fragen lassen sich ohne eine Replik auf die Staat-Religion-Beziehung in Deutschland nicht sachgerecht beantworten. Da sich der weltanschaulich neutrale Staat im Gegensatz zum „Gottesstaat“ aus den inneren Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften heraushalten muss, ist es Sache der jeweiligen Glaubensgemeinschaft, wie und was sie lehrt. Allein die allgemeine, für jedermann geltende Gesetzestreue ist für alle Menschen - unabhängig vom Glauben - auch bei der Lehre verbindlich vorgegeben. Dass der Staat jedoch auch ein Eigeninteresse an stabilen Verhältnissen in den Religionsgemeinschaften in der Zivilgesellschaft hat, bildet nach dem berühmten Böckenförde-Zitat nicht nur ein mittlerweile abgesichertes Wissen, sondern ist vielmehr eine Erkenntnis, die nach den terroristischen Aktivitäten bestimmter Extremisten noch stärker in den Fokus der gesellschaftlichen Diskussion gerückt ist. Religionsgemeinschaften können also - auch wenn sie gesetzestreu sind - für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ein Gefährdungspotenzial bilden. Folglich ist der Staat auch hier tätig und ermöglicht nach dem deutschen Kooperationsmodell den meisten Kirchen etwa die Mitwirkung in nahezu allen gesellschaftlichen Institutionen und fördert sie hierdurch. Im Gegenzug wird unausgesprochen nicht nur die Erduldung der politischen Grundordnung, sondern auch ein Stück Identifikation und Unterstützung des allgemeinen Status quo erwartet. Diese Haltung wird nur in Krisenzeiten wirklich auf die Bewährungsprobe gestellt. Das deutsche Modell hat sich gegenüber streng laizistischen oder gar eine bestimmte Religion bevorzugenden bzw. sich damit identifizierenden Modellen als besonders geeignet erwiesen. Hier steht der Staat allen Glaubensrichtungen seiner Bürger in gleicher Distanz gegenüber und sieht in ihnen grundsätzlich keine Gefahr, sondern ist vielmehr dazu bereit, diese zu unterstützen, sofern auch sie verfassungstreu sind und bleiben. Vor diesem Hintergrund werden nicht nur die „Gottesmänner und -frauen“ der Religionen an staatlichen Hochschulen ausgebildet, sondern auch die Religionslehrkräfte. Der Staat bezahlt also deren Ausbildung und im Fall der letzteren Gruppe auch deren späteres Gehalt. Da der Staat jedoch in Religionsfragen farblos sein muss, darf er die Inhalte des jeweiligen Glaubens nicht vorgeben und auch die Personen nicht bestimmen, die die Lehren und Glaubensüberzeugungen der Glaubensgemeinschaften vermitteln sollen. Hier wird von einer gemeinschaftlichen Aufgabe von Staat und Religionsgemeinschaft, einer res mixta, gesprochen. Konkret bedeutet dies, dass im Falle der Religionsgemeinschaften, die bereit sind, ihre Theologen an staatlichen Hochschulen auszubilden, der Staat sich die Inhalte etwa von den Kirchen vorgeben lässt und auch diese ein Mitspracherecht bei der Bestimmung der Hochschullehrkräfte haben. Sie haben konkret über das nihil obstat-Verfahren ein Veto-Recht bei der Bestimmung der Lehrenden an Hochschulen. Dies ist nicht unbedeutend, da auf diesem Wege eine staatliche Bevormundung der Religionsgemeinschaften in theologischen Fragen ausgeschlossen wird. Zugleich wird über die wissenschaftliche Eignung und Verfassungstreue der Bewerber und die Einhaltung gewisser Standards im universitären Betrieb dem Staat eine „Akademisierung“ - manche sprechen sogar von „Zivilisierung“ - religiöser Diskurse und damit von Entwicklung ermöglicht.

 

So weit, so gut. Wenn nun aber der Staat ohne Absprache mit den Muslimen und ihren legitimen Vertretern diese genuin religiösen Inhalte und die Personen, welche sie lehren sollen, ausschließlich alleine benennen und ausbilden will, überschreitet er nicht nur seine Kompetenzen, sondern handelt auch schlicht grundgesetzwidrig. Mich wundert, wie gern über diese juristischen Sachverhalte in der öffentlichen Debatte in Bezug auf den Islam in Deutschland geschwiegen wird. Hängt dies möglicherweise mit der rechtswidrigen und zugleich abwehrenden Haltung des Staates bezüglich dieser Frage zusammen, die man lieber nicht anspricht? Vielmehr schafft der Staat lieber Fakten, wie etwa im Bereich des Religionsunterrichts, und glaubt an die normative Kraft des Faktischen. Soll diese Haltung zur Vertrauensbildung und zur Integration beitragen? Wohl eher wird das Gegenteil erreicht.

 

Die allseitige Wahrnehmung religiöser Aufgaben wird vornehmlich in den Moscheegemeinden geleistet, und nur deren Vertreter sind berechtigt, in diesem Gefüge auch als Ansprechpartner zu fungieren. So wenig wie im Falle der katholischen oder evangelischen Kirche Alice Schwarzer oder Gerd Lüdemann als Personen des öffentlichen Lebens hier Mitspracherechte für sich beanspruchen können, dürfen dies im Bereich des islamischen Glaubens andere einfordern, wie es etwa grundgesetzwidrig der Wissenschaftsrat tut. Anscheinend bedeutet institutionelle Verfasstheit doch nicht immer automatisch auch Kompetenz, zumal dies in Sachen Treue zum Grundgesetz ja elementar wäre. Die Theologie kann nur von den Anhängern der jeweiligen Religionsgemeinschaft bestimmt werden und nicht durch den Staat oder von ihm bestimmte Berufungskommissionen, in der, wie die Vergangenheit gezeigt hat, wenige oder überhaupt keine islamischen Theologen sitzen, sondern eher nichtmuslimische Theologen, Religionswissenschaftler, Pädagogen etc. Auch ein Beirat, dessen Mitglieder willkürlich ausgewählt werden, wird keine Legitimation haben. Vielmehr muss auf das zurückgegriffen werden, was seit Jahrzehnten vor Ort in den Bundesländern Bestand in Fragen der Religion hat, und dies sind nun einmal die Moscheegemeinden mit ihren Verbänden.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt geurteilt und bestätigt, dass das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften für die Religionsfreiheit sogar größeres Gewicht hat als die so genannte Wissenschaftsfreiheit. Wenn dies nun in Bezug auf den Islam hier nicht gelten soll, dann muss dies auch offen ausgesprochen werden. Falls jedoch nicht genuin theologische Ziele verfolgt werden, sondern vielmehr über die Schaffung neuer Lehrstühle religiöse Autoritäten herangezogen und damit neue Fakten geschaffen werden sollen, also quasi ein Staatsislam erzeugt werden soll, um die theologische Deutungshoheit ein Stück zu übernehmen und den Islam neu zu definieren - quasi als Gegengewicht gegen die Verbände -, so kann dies viel kostengünstiger und noch dazu grundgesetzkonformer bewerkstelligt werden. Wozu soviel Geld ausgeben in Zeiten knapper Kassen? Die billigere und rechtskonforme Fassung wäre die Etablierung von Lehrstühlen im Bereich der Islamwissenschaften, die man durch „liberale und progressive“ Muslime ohne die Moscheegemeinden und Verbände besetzt. Durch den Anschein der Denomination „Islamwissenschaften“ kann man kostengünstig und grundgesetzkonform neue Autoritäten aufbauen. Dass die praktizierenden Muslime sich dieses Vorgehen nicht gefallen lassen werden, ist eine Selbstverständlichkeit. Denn die Absolventen solcher Einrichtungen hätten keinerlei Möglichkeit in Moscheegemeinden zu arbeiten, und damit wären diese Zentren bedeutungslos.

 

Die drei Kriterien, welche auf der Tagung der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Zentrums für Interkulturelle Islamstudien der Universität Osnabrück von Staatssekretär Rachel in Berlin vorgestellt wurden, sind meines Erachtens auch maßgeblich bei der Konstituierung der Institute für Islamische Theologien:

 

a. Akzeptanz durch die Muslime,

 

b. interdisziplinäre Vernetzung der Institute,

 

c. dauerhafte Absicherung durch die Bundesländer.

 

Es ist bemerkenswert, wie sich die meisten Verbände bislang vorführen lassen durch die Politik. Der Staat hat ein hohes Interesse an einer Ausbildung von Imamen und Theologen in Deutschland. Daher müssen auch Verantwortungsträger in Politik und Verwaltung begreifen, dass die Mitwirkung der Muslime äquivalent zu allen anderen Religionsgemeinschaften selbstverständlich und maßgeblich sein muss.

 

Institutionen, die von den Verbänden nicht mitgetragen werden, so zeigt jedenfalls die Entwicklung in Münster um den Fall Kalisch, führen zu nichts und bleiben eine Fehlinvestition. Islamische Theologie ohne oder gar gegen die Moscheegemeinden und islamischen Verbände aufzubauen, wird keine Fakten schaffen, da wir die Absolventen solcher Einrichtungen nicht in unseren Gemeinden beschäftigen und unsere Imame in diesem Fall weiterhin selbst ausbilden werden. Anscheinend hat dies selbst der Wissenschaftsrat eingesehen, so dass Prof. Walter mittlerweile davon spricht, dass die großen Islam-Verbände als Religionsgemeinschaften einzustufen sind. Wenn der Staat also an einer Kooperation ernsthaft interessiert ist, müssen bei der Bestimmung der Inhalte und der Professoren die Moscheegemeinden und ihre Verbände dieselben Mitspracherechte haben, wie sie in diesem Lande auch allen anderen religiösen Gruppierungen zugestanden werden. Und zwar nicht nur in Form von Verlautbarungen und unverbindlichen Erklärungen (damit haben wir in der Vergangenheit sehr schlechte Erfahrungen gemacht), sondern im Idealfall auf der Basis eines Staatsvertrags, mindestens jedoch in Form von schriftlichen und rechtlich verbindlichen Zusagen der Hochschulen. Anderenfalls bleibt es beim Status quo der Importimame, oder jene Muslime in den Moscheegemeinden und Verbänden, die an einer Ausbildung der Imame in Deutschland interessiert sind, müssen sich darüber Gedanken machen, eigene Parallelstrukturen, wie etwa eine Islamische Hochschule aufzubauen. In Niedersachsen sind wir jedenfalls nach den bisherigen Erfolg versprechenden Erfahrungen mit der Politik, Verwaltung, Universität und den dortigen Hochschullehrern sehr optimistisch, dass dies am Standort Osnabrück gelingen wird.

 

Avni Altiner Schura Landesvorsitzinder der Muslime

 

Dieckborn .str 11

 

30499 Hannover

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  • 3 Monate später...

Islamische Studien in Deutschland

 

Deutungshoheit über religiöse Autorität

 

 

 

In Deutschland werden künftig an drei Universitäten Zentren für Islamische Studien eingerichtet, die Imame und Lehrer für den Islamischen Religionsunterricht ausbilden sollen. Dabei muss das Selbstbestimmungsrecht der Muslime beachtet werden, meint der Vorsitzende der Schura Niedersachsen, Avni Altiner.

 

Seit der Wissenschaftsrat seine Empfehlungen zur Etablierung von Zentren für Islamische Theologie an zwei bzw. drei staatlichen Universitäten ausgesprochen hat, scheint das Thema endlich die verdiente Aufmerksamkeit zu bekommen.

 

Kürzlich gab Bildungsministerin Annette Schavan die ersten Standorte bekannt, an denen künftig Imame und Pädagogen für den Islamischen Religionsunterricht ausgebildet werden sollen: Tübingen und der Doppelstandort Münster und Osnabrück.

 

Dabei drängen muslimische Verbände wie die Schura e.V. im norddeutschen Raum schon seit Jahren darauf, zum einen den Islamischen Religionsunterricht flächendeckend einzuführen und zum anderen muslimische Theologen in Deutschland auszubilden.

 

Allerdings gibt es diesbezüglich deutliche Unterschiede in der Zielsetzung der Verbände und der politischen Entscheidungsträger. Denn letztere bewegen eher integrations- wie sicherheitspolitische Entscheidungen dazu, diesen historischen Schritt zu gehen.

 

Für die muslimischen Verbände dagegen spielen neben den genannten Faktoren weitere Punkte eine Rolle: Gleichberechtigung; Entwicklung einer authentischen Islamischen Theologie im europäischen Kontext; Unabhängigkeit und Emanzipation von den muslimischen Herkunftsländern.

 

Bedeutung der Verbände

 

Um diese genannten Ziele zu erreichen, bedarf es einer Islamischen Theologie an deutschen Hochschulen, deren Inhalte in Kooperation mit den muslimischen Verbänden erörtert werden müssen. Denn das religiöse Leben der Muslime findet überwiegend in den über 2500 islamischen Einrichtungen statt, die den muslimischen Verbänden angehören.

 

 

Sie bieten die religiöse Infrastruktur in Deutschland. Mit ihren religiösen Dienstleistungen erreichen sie zudem die muslimische Basis und nehmen insofern auch eine Brückenfunktion zwischen dem Staat und den Muslimen ein.

 

Zwar hält man den muslimischen Verbänden vor, dass diese nicht alle Muslime repräsentieren und weist dabei auf die angeblich niedrige Mitgliederzahlen hin. Diese Zahlen müssen jedoch multipliziert werden, um die wirkliche Reichweite der Verbände bzw. der Gemeinden zu ermitteln. In der Regel ist ein Familiemitglied registriert, so dass die restlichen Mitglieder über ihn in die Gemeinden involviert sind und somit die Dienstleistungen der jeweiligen Gemeinde nutzen können.

 

Wenn man sich also die Mitgliederzahlen aller Dachverbände vergegenwärtigt, kann man sich vorstellen, welche enorme Reichweite die muslimischen Verbände haben.

 

Weltanschaulich neutraler Staat

 

Des Weiteren wird die Wahrnehmung religiöser Aufgaben eben ausschließlich in den Moscheegemeinden geleistet, was sie dazu berechtigt, in den vom Wissenschaftsrat empfohlenen Beiräten auch als besondere Ansprechpartner zu fungieren.

 

Daher war es vom Wissenschaftsrat richtig, die Erörterung der Lehrinhalte einer bekenntnisorientierten Islamischen Theologie in Deutschland an staatlichen Hochschulen in Kooperation mit den muslimischen Verbänden zu fordern.

 

Denn der weltanschaulich neutrale Staat muss sich aus den inneren Angelegenheiten der Religionsgemeinschaften heraushalten. Es ist Angelegenheit der jeweiligen Glaubensgemeinschaft, über die Inhalte zu bestimmen. Allein die allgemeine, für jedermann geltende Verfassungstreue ist für alle Menschen - unabhängig vom Glauben - auch bei der Lehre verbindlich vorgegeben.

 

Die Einbeziehung der muslimischen Verbände in wichtige Entscheidungsprozesse bringt auch Synergieeffekte mit sich: Durch die Möglichkeit zur Partizipation an der Demokratie wird eine Identifikation mit der hiesigen Gesellschaft, die ja mittlerweile ihre eigene geworden ist, gefördert.

 

Eine Besonderheit im Kontext von Identifikationsangeboten stellt die Kooperation zwischen Staat und Religionsgemeinschaften im deutschen Modell der rechtsstaatlichen Säkularität dar.

 

Anders als in laizistischen Demokratien wie Frankreich oder Tunesien und die Türkei, ist das deutsche Modell bereit, Religionen bzw. Religionsgemeinschaften zu unterstützen und mit ihnen zu kooperieren, sofern auch sie verfassungstreu sind und bleiben. Hier verhält sich der Staat allen Glaubensrichtungen gegenüber auf gleiche Weise neutral.

 

Vor diesem Hintergrund werden nicht nur die "Gottesmänner und -frauen" der Religionen an staatlichen Hochschulen ausgebildet, sondern auch die Religionslehrkräfte. Der Staat bezahlt also ihre Ausbildung und im Fall der Religionslehrer auch ihr späteres Gehalt.

 

Selbstbestimmungsrecht der Muslime

 

Es ist für mich allerdings nicht plausibel, warum so genannte Personen des öffentlichen Lebens, die sich als "Kulturmuslime" verstehen, in diesen Beiräten mitwirken sollen. In den katholischen und evangelischen Kirchen haben Personen des öffentlichen Lebens, zumal sie kaum noch einen Bezug zum Christentum haben, bei der Entscheidung über die Inhalte sowie der Besetzung der Professuren für Theologie keine Mitspracherechte.

 

Dagegen wird genau dieses Postulat bei der Besetzung der Beiratsmitglieder vom Wissenschaftsrat aufgestellt. Doch die Theologie kann letztlich nur von den Anhängern der jeweiligen Religionsgemeinschaft und von etablierten und anerkannten Theologen bestimmt werden. Weder der Staat noch Personen des öffentlichen Lebens ohne theologische Kompetenzen, geschweige denn religiösen Bekenntnissen, können und dürfen hier mitreden. Die Kompetenz-, Autoritäts- sowie die Legitimationsfrage gehen Hand in Hand.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt geurteilt, dass das Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften für die Religionsfreiheit größeres Gewicht hat als die so genannte Wissenschaftsfreiheit. Sollte dieser Beschluss etwa für Muslime nicht gelten?

 

Brückenfunktion der Verbände

 

Die bisherigen Erfahrungen zeigen leider, dass dieses Selbstbestimmungsrecht in Bezug auf Muslime nicht konsequent umgesetzt wird. Nur hier und da machen die muslimischen Verbände die Erfahrung, dass sie in ihrer Brückenfunktion als Repräsentanten der muslimischen Basis konsultiert werden.

 

Diese positiven Erfahrungen machen wir als Schura Niedersachsen seit Jahren in enger Kooperation mit der Universität Osnabrück. In den letzten zehn Jahren verlief diese Kooperation sehr fruchtbar und produktiv. Nicht nur mit dem Schulversuch Islamischer Religionsunterricht, der auf immer mehr Schulen ausgeweitet wurde, sondern nun auch mit der Konzeption des "Universitären Weiterbildungsprogramms für Imame und für das religiöse Betreuungspersonal" an der Universität Osnabrück, die in diesem Monat startet.

 

Der nächste Schritt wird die Etablierung eines Instituts für Islamische Theologie mit einem dazugehörigen Beirat darstellen. Aufgrund des angewachsenen Vertrauensverhältnisses und des vorgelegten Konzepts unterstützen alle Moscheegemeinden der Schuras in Niedersachsen, Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein sowie Mecklenburg-Vorpommern diesen Prozess ausdrücklich.

 

In den Schuras sind Sunniten wie Schiiten organisiert, ebenso sind die Schuras multi-ethnisch aufgestellt. Muslime mit Wurzeln in der Türkei, Marokko, Albanien, Bosnien, Iran und Deutschland arbeiten Hand in Hand als Muslime und Bürger Deutschlands zusammen.

 

Religiöse Autorität künftiger Imame

 

Allerdings wird es für uns muslimische Gemeinden von entscheidender Bedeutung sein, dass die oben genannte Reichweite der Gemeinden sich entsprechend in der Personenzahl im Beirat widerspiegelt. Dies muss auch an anderen Standorten in den Beiratsmodellen berücksichtigt werden. Dieses Postulat ist keine Bevorzugung der muslimischen Verbände, sondern lediglich das Recht wie bei allen anderen Religionsgemeinschaften auch, in religiösen Angelegenheiten mitzusprechen und mitzuentscheiden.

 

Gelingt es nicht, die muslimischen Verbände angemessen zu beteiligen, so rate ich dem Wissenschaftsrat seine Empfehlungen folgendermaßen zu modifizieren: die Etablierung von Lehrstühlen im Bereich der Islamwissenschaften, die man durch "liberale und progressive" Muslime ohne die Moscheegemeinden und Verbände besetzt.

 

Hierbei stellt sich jedoch die Frage, ob die muslimische Gemeinschaft diesen Prozess mit trägt, die Absolventen dieses Studienganges als religiöse Autorität anerkennt und ob diese Absolventen je die Möglichkeit haben werden, etwa als Imame in Moscheegemeinden tätig zu werden? Die Antwort liegt auf der Hand.

 

Avni Altiner

 

© Qantara.de 2010

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INTEGRATION / Deutsche Universitäten wollen in Kürze islamische Studien anbieten. Wie ist die Qualität von Lehre und Forschung zu sichern? Und wo können deren Absolventen arbeiten? Ein Experte warnt vor Eile

 

Der Staat sollte Imame mitfinanzieren

 

 

Die Kirchen hatten Zeit, ihre wirtschaftliche Grundlage zu sichern. Dies hat aus nachvollziehbaren Gründen in Deutschland im Bereich des Islam keine starke Tradition.

VON BÜLENT UCAR

 

Gehört der Islam zu Deutschland? Die eigenartige Diskussion, die sich um den Satz von Bundespräsident Christian Wulff entspann, fordert einen Blick zurück auf die letzten neun Jahre eines schwierigen Verhältnisses. Kurz nach den Ereignissen des 11.September 2001 herrschte unter der rot-grünen Regierung in Deutschland eine Stimmung, die von Angst, Unbeholfenheit und einem Aktionsdrang gegen den weltweiten religiös motivierten Terror geprägt war. In den USA entschied sich die damalige Bush-Regierung in innen- und außenpolitischer Hinsicht für einen aggressiven Kurs gegen die gewaltbereiten Islamisten.

Dass der erwünschte Friede durch diese repressive Intervention langfristig nicht eintreten würde, war Experten von Anfang an bewusst. Sie haben sich in den vergangenen Jahren immer wieder zu Wort gemeldet. Von mir wurden damals verschiedene Leserbriefe veröffentlicht, in denen ich – als gläubiger Muslim persönlich betroffen – Instrumentarien zur Abwehr des islamistischen Terrors entwickelte, darunter eine universitäre Imamausbildung und die Einführung eines flächendeckenden islamischen Religionsunterrichts. Es ging mir nicht nur um eine präventive Gegenmaßnahme, sondern auch um gesellschaftliche Anerkennung und rechtliche Gleichstellung der Muslime. Damals galt der Vorschlag als exotisch. Es gab zwar freundliche Reaktionen. Doch er wurde nicht ernst genommen und auch nicht umgesetzt.

 

 

Mittlerweile hat sich die Politik für universitäre Strukturen zur Etablierung des Studienfachs „Islamische Theologie“ ausgesprochen, allen voran die Deutsche Islam-Konferenz (DIK) und der Wissenschaftsrat. Diese Entwicklung ist bemerkenswert, zumal unter den konservativen Innenministern im derzeitigen politischen Machtgefüge mehr erreicht wurde als in vorherigen Perioden. Hängt der Fortschritt vielleicht mit Interessen der christlich geprägten Parteien zusammen, die mithilfe der Etablierung der islamischen Theologie in Zeiten der Entkirchlichung, zunehmender Individualisierung und Säkularisierung ihre eigene Klientel auch strukturell langfristig absichern möchten? Oder korreliert die unerwartete Zustimmung zur Ausbildung von islamischen Religionslehrkräften und Theologen mit integrationspolitischen Erwägungen von konservativen Politikern, die mit ihrer Einwilligung der Manifestation von Parallelgesellschaften und der Omnipräsenz einer Radikalisierung entgegenwirken wollen? Oder sollte die positive Haltung zu werten sein als eine Besserstellung der rund vier Millionen in Deutschland lebenden Muslime, die nicht mehr ausgegrenzt, sondern eingebunden werden sollen?

 

In der letzten Zeit spielten bei dem politischen Entscheidungsfindungsprozess womöglich alle erwähnten Faktoren mit. Nun planen die Wissenschaftsministerien, in den nächsten Jahren universitäre Einrichtungen im Bereich der islamischen Theologie zu schaffen, in denen Imame und islamische Religionslehrer ausgebildet werden sollen. Die Universität Frankfurt ist vorgeprescht, Tübingen hat eine Fakultät angekündigt, und zuletzt hat auch Münster nachgezogen. Osnabrück hat lange vor der Erklärung des Wissenschaftsrats angekündigt, ein Institut für islamische Theologie aufbauen zu wollen und bildet bereits Religionslehrer aus. Zugleich startet hier jetzt eine einmalige Imamweiterbildung an einer deutschen Universität. Ursprünglich wollte Bundesforschungsministerin Annette Schavan am Jahresende den ersten Standort eines Zentrums für islamische Studien bekannt geben.

 

Wenngleich verspätet, so war die Entscheidung in der Sache richtig. Die laizistische Türkei beschäftigt nicht ohne Grund zur Kontrolle der religiösen Angelegenheiten über 100 000 Mitarbeiter. Jüngst wurde im türkischen Parlament ein Gesetz verabschiedet, nach dem rund 15 000 weitere Mitarbeiter eingestellt werden sollen. Nach Deutschland entsendet die Türkei jährlich Hunderte von Imamen, die als Staatsbeamte in den rund 900 Ditib-Moscheegemeinden tätig sind, um türkische Staatsbürger und mittlerweile eingebürgerte Deutsche türkischer Herkunft in religiösen Angelegenheiten zu betreuen. Dass viele Imame weder den religiösen Bedürfnissen der Muslime gerecht werden noch zur Integration der Muslime in Deutschland beitragen, hat mein Kollege Rauf Ceylan in seiner empirisch-qualitativ angelegten Pionierarbeit „Die Prediger des Islam“ erst kürzlich dokumentiert. Deutschland muss dieses offensichtliche Problem angehen und nachhaltige Strukturen schaffen, um auch in den islamisch geprägten Herkunftsländern Emanzipierungsprozesse zu forcieren.

 

Beide Seiten tragen Mitschuld daran, dass es solche Strukturen noch kaum gibt. Die Abwesenheit einer religiösen Aufklärung, die Abschottung der eigenen Gemeinden, unprofessionelle Vertretung der Muslime, gesellschaftliche Gettoisierung, wirtschaftliche Benachteiligungen und mangelhaftes Bildungsbewusstsein unter den Muslimen sind die eine Seite der Medaille. Doch wurden auch im Bereich der religiösen Erziehung und Bildung für die Bedürfnisse der muslimischen Bevölkerung in Deutschland im Vergleich zu anderen Religionsgemeinschaften von staatlicher Seite bislang kaum Ressourcen zur Verfügung gestellt.

 

 

Religionen können Menschen eine Sinnorientierung geben, aber auch Gewalt legitimieren und Hass predigen. Im Islam, so rühmen sich die Muslime unter Bezugnahme auf einen Hadith des Propheten Mohammed, gebe es zwar keinen Klerus. Doch ist seit jeher bekannt, dass religiöse Quellen zur Mehrheit der Gläubigen nicht unmittelbar sprechen, sondern den Menschen über Experten und Gelehrte erschlossen werden. Über die Akademisierung der Religion und ihrer Experten (andere sprechen von den Gottesmännern, den Theologen, den Gelehrten, den Imamen, den Ulama et cetera) kann auch deren friedensstiftende Funktion unterstützt und Pluralisierung bewirkt werden.

 

Fähigkeiten wie Selbstreflexion und kritische Würdigung der eigenen Kompetenzen, der Stärken und Schwächen der eigenen Glaubensgemeinschaft, die Annäherung an die eigene religiöse Tradition aus der Meta-Perspektive sind fundamental wichtig für eine am Menschen orientierte Wahrnehmung von Glaubenselementen. Dass Religionen für Menschen existieren und nicht andersherum, ist eine Weisheit der meisten Aqida(Glaubens-)Bücher im Islam. Leider ist sie in der Praxis der letzten Jahrzehnte in Vergessenheit geraten.

 

Religion und Integration sind nicht zu trennen. Ihre Korrelation scheint mittlerweile allgemein (an)erkannt zu sein. Nachdem die Rolle der Religion innerhalb des Integrationsprozesses der Muslime in Deutschland jahrzehntelang vernachlässigt wurde, hat eine permanente Islamisierung sozialer, kultureller, politischer und ökonomischer Probleme eingesetzt. Andererseits wurde das Problemfeld Integration in Deutschland lange Zeit mit Orientierung an den Religionsverhältnissen der islamischen Herkunftsländer der Migranten behandelt und konzipiert. So wurde der islamische Religionsunterricht beispielsweise auf Türkisch oder Arabisch gegeben mit der Intention, den Kindern der Gastarbeiter nach ihrer Rückführung in ihre „Heimatländer“ die Wiedereingliederung beziehungsweise Integration in die dortigen Gesellschaften zu erleichtern.

 

Nun haben gewachsene Traditionen ihre Berechtigung. Angesichts (muslimischer) Minderheitengruppen in säkular und christlich geprägten Gesellschaften sollte man dynamische Prozesse jedoch nutzen, um theologische Debatten zu verschieben und neue Diskurse initiieren, nicht im Sinne einer Anbiederung an die Mehrheitsgesellschaft, sondern aufgrund des Eigeninteresses der Muslime an einer authentischen und zeitgemäßen Gelehrsamkeit. Hierbei muss der religiös neutrale Staat allerdings seinen Prinzipien treu bleiben und darf den unterschiedlichen Gemeinden nicht systemkonforme Theologen aufoktroyieren, wie dies etwa in manch einem muslimischen Land über die Religionsbehörden geschieht. Faktisch hat sich dadurch in vielen Ländern ein Staatsislam institutionalisiert.

 

Wie werden Theologen gemacht, die alle Beteiligten zufriedenstellen können? Sicher nicht allein mit einem beliebig zusammengesetzten Beirat oder durch ein staatlich anerkanntes Diplom als islamischer Theologe, sondern zuvorderst mittels der Akzeptanz der Theologen aufseiten der islamischen Gelehrtenzirkel sowie der religiösen Menschen, um die es geht. Eine Etikettierung des neuen Ausbildungsweges als „Islamische Studien“ oder „Islamische Theologie“, wie es die Wissenschaftsminister anstreben, weil ihr Beratungsgremium, der Wissenschaftsrat, es ihnen empfohlen hat, reicht nicht.

 

Es kommt vielmehr auf die persönlichen Einstellungen der Lehrenden und eine überdurchschnittliche Qualität der wissenschaftlichen Forschung an. Ein Hochschullehrer, der elementare Vorschriften einer Religion persönlich nicht einhält, sie infrage stellt oder der in Bezug auf die hochkomplexen islamischen Wissenschaften nicht adäquat argumentiert, überzeugt keinen Imam und kaum einen islamischen Theologen in und außerhalb von Deutschland. Die Kernaufgaben eines Hochschuldozenten betreffen die Lehre, die Forschung und die Initiierung kontroverser Diskurse. Das Ringen um Standpunkte, die Austragung theologischer Dispute sind essenziell für die Weiterentwicklung religiöser Normen und Praktiken.

 

 

Die Theologie gehört mithin nicht in erster Linie zu den kulturell, historisch oder philologisch orientierten Wissenschaften und muss aus deren Umklammerung befreit werden. Selbstverständlich wird jede Theologie zugleich auch historisch, philologisch und allgemein kulturwissenschaftlich arbeiten und forschen. Ihre epistemischen und normativ-ontologischen Prämissen und Zielsetzungen sind jedoch von denen der Religionswissenschaften zu unterscheiden. Die universitäre Einbettung der islamischen Theologie hat viele bildungstheoretische, kulturelle und gesellschaftspolitische Vorzüge und bereichert – dem Humboldtschen Bildungsideal gemäß – die akademische Landschaft. Entscheidend ist jedoch, ihren Output-Bereich kritisch im Auge zu behalten: die „Produkte“ der Studiengänge der islamischen Theologie. In Deutschland werden das vor allem Imame, Seelsorger, Religionslehrer oder Nachwuchswissenschaftler sein.

 

Die Mitbestimmung von religiösen Institutionen und deren Basen bei der Etablierung der neuen Studiengänge ist aus Akzeptanzgründen unerlässlich. Dabei muss die religiöse Pluralisierung der Muslime in Deutschland repräsentiert werden. In quantitativer Hinsicht muss hierbei die Lebenswirklichkeit in Deutschland beachtet und eine gerechte Gewichtung zwischen Hauptrepräsentationsorganen und Randerscheinungen austariert werden.

 

Gegenwärtig ist die wissenschaftlich und religiös verantwortbare Berufung akademischen Personals für den Bereich der islamischen Theologie nicht unmittelbar zu bewerkstelligen. Deshalb habe ich ernsthafte Zweifel, ob vier Zentren in Deutschland angebracht sind, wie es der Wissenschaftsrat vorschlägt. Doch müssen die Weichen etwa für die Nachwuchsförderung frühzeitig so gestellt werden, dass das Personal mittelfristig auch in Deutschland verfügbar ist.

 

Selbst die Deutsche Islam-Konferenz scheint dieses Problem erkannt zu haben. In ihrem Zwischenresümee 2009 heißt es: „Die bestehenden einzelnen Stiftungs- beziehungsweise Gastprofessuren und Lehrstühle für die Aus- und Fortbildung von Lehrpersonal im Rahmen der gegenwärtigen Modellversuche in den Ländern zur Einführung eines islamischen Religionsunterrichts werden als erfolgversprechende erste Schritte auf diesem Weg gewürdigt. Notwendig sind aber einzelne, hinreichend große akademische Einrichtungen, die sowohl den gesamten Fächerkanon abdecken und zugleich auch den wissenschaftlichen Diskurs fördern sowie den wissenschaftlichen Nachwuchs ausbilden können. Hierbei sind im Einzelfall die jeweiligen hochschulrechtlichen Rahmenbedingungen und Rechtsfolgen zu berücksichtigen. Die notwendigen Schritte sollten kurzfristig eingeleitet werden.“

 

Eine Kooperation mit den islamischen Kernländern, die eine etablierte islamische Theologie aufweisen, wird wichtig sein für die Übergangszeit, bis schließlich auch in Deutschland eine ausreichende Anzahl von Nachwuchswissenschaftlern beziehungsweise Professuranwärtern im Bereich der islamischen Theologie vorhanden ist. Letztere sollten auch in Deutschland sozialisiert worden sein und sich hierzulande heimisch fühlen. Bei dem angestrebten Kooperationsprojekt muss ferner die Kontrolle gewährleistet sein, dass die gemeinschaftliche Arbeit nicht durch ausländische Institutionen bevormundet wird. Gerade deshalb wurden mit der Konrad-Adenauer-Stiftung im Frühjahr fünf Stipendien für Doktoranden der islamischen Theologie und Religionspädagogik ausgeschrieben.

 

Sie werden nun an kompetente, in Deutschland sozialisierte und mit der hiesigen Wissenschaftskultur vertraute Nachwuchswissenschaftler vergeben. Die Kandidaten haben unter anderem in Bosnien und der Türkei islamische Theologie studiert und sind damit in der Disziplin der islamischen Wissenschaften ebenso wie in Deutsch verankert. Die Betreuung wird gemeinsam mit theologischen Fakultäten in der Türkei, in Bosnien und einem arabischsprachigen Land erfolgen. Während der Übergangszeit wird an den neu einzurichtenden Standorten für islamische Theologie eine Zusammenarbeit mit Gastprofessoren aus dem Ausland bestehen. Nach der akademischen Ausbildung der Imame an den Universitäten könnten und sollten die Verbände und Gemeinden dem Vikariat vergleichbare Imamseminare aufbauen und dort vor allem praxisbezogene und liturgische Inhalte vermitteln. Hierdurch hätten die Verbände auch eine weitere Möglichkeit, die Gemeindetauglichkeit der künftigen Imame zu überprüfen.

 

Eine weitere Frage stellt sich im Blick auf die finanzielle Förderung der Moscheegemeinden beziehungsweise der Imame in Deutschland. Die Kirchen hatten Jahrhunderte Zeit, ihre wirtschaftliche Grundlage zu sichern, durch Steuern und durch freiwillige Beiträge. Dies hat aus nachvollziehbaren Gründen in Deutschland im Bereich des Islam keine starke Tradition. Viele Moscheegemeinden können sich gut ausgebildete Imame nicht leisten, abgesehen von den Ditib-Gemeinden, deren Imame von der Türkei finanziert werden. Der weltanschaulich neutrale Staat kann aber keine Imame bezahlen. Doch wäre bei der Imamausbildung eine indirekte staatliche Finanzierung möglich.

 

 

Der Staat könnte etwa die Integrationsarbeit der Imame unterstützen und hierfür eine Stiftung oder einen Fonds einrichten. Selbst im laizistischen Frankreich gibt es entsprechende Bemühungen und man spricht hierbei von einer nachholenden Integration bei der Gleichstellung des Islam. In ähnlicher Art werden in Deutschland zahlreiche Religionsgemeinschaften finanziell unterstützt. Imame könnten auch – in Übereinstimmung mit dem Grundgesetz und mit einer entsprechenden religionspädagogischen Qualifikation – in Teilzeit, etwa mit zwölf Wochenstunden, als Lehrkräfte arbeiten.

 

Damit verfügten sie zunächst über ein Grundeinkommen und könnten in der verbleibenden Zeit in den Gemeinden tätig werden. Teilzeitgehälter könnten die Gemeinden aufbringen. So könnten religiöse Bildung und Erziehung komplementär durchgeführt und beschworene Kontraste zwischen Moschee und Schule möglicherweise aufgelöst werden. Ebenso ergäben sich Chancen, neue Identifikations- und Loyalitätskonstellationen mit religionspolitischen Folgen aufzubauen. Die so eingesetzten Imame wären unabhängiger und könnten selbstbewusster gegenüber der eigenen Gemeinde und dem Zentralverband auftreten. Davon würden auch die muslimischen Gemeinden profitieren, nicht nur wegen der finanziellen Entlastung, sondern auch wegen des theologischen und pädagogischen Innovationsschubs.

 

Die Imamausbildung und die Etablierung einer islamischen Theologie in Deutschland sind herausfordernde Aufgaben. Zu ihrer Bewältigung braucht es guten Willen, Vertrauen zueinander und Entgegenkommen auf muslimischer Seite wie auch auf staatlicher Ebene. Unabhängig davon, dass diese Projekte dem Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften entsprechen, hat sich in den Köpfen aller Beteiligten mittlerweile die Erkenntnis durchgesetzt, dass jetzt Zeit ist zu handeln. Aufgrund der Kompetenzverteilung werden die Aufgaben vor allem auf Landesebene zu lösen sein.

 

© Rheinischer Merkur Nr. 41, 14.10.2010

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  • 1 Jahr später...

«Den Islam in seiner Pluralität erfassen»

 

Tübingen/Köln (KNA). Das neue Tübinger Zentrum für Islamische Theologie, das am heutigen Montag offiziell eröffnet wird, will einen möglichst umfassenden Überblick über die verschiedenen Strömungen und Facetten des Islam anbieten. Es gehe darum, den Islam in seiner ganzen Pluralität zu erfassen, sagte der Rektor der Universität Tübingen, Bernd Engler, am Montag im Deutschlandfunk.

 

Die Zeit sei «mehr als reif», endlich auch in Deutschland Imame auszubilden, so Engler.

Deutschsprachige Imame und muslimische Pädagogen würden bundesweit dringend benötigt. Die Gründung des Zentrums gebe auch einen Hinweis darauf, dass das religiöse Empfinden der Muslime in Deutschland endlich ernster genommen werde, so der Rektor weiter: «Ich bin froh, wenn Muslime mit ihren Moscheen nicht mehr in Hinterhöfe abgedrängt werden.

 

In Tübingen wird am Nachmittag das erste von bundesweit vier geplanten Zentren für Islamische Theologie eröffnet. Zum Start haben sich bislang 36 Studenten für den Bachelorstudiengang Islamische Theologie eingeschrieben. An dem neuen Zentrum sollen Pädagogen für Islamunterricht an Gymnasien, islamisch-theologische Wissenschaftler sowie Religionsgelehrte und Imame ausgebildet werden. Der Bund fördert das Zentrum zunächst für fünf Jahre mit insgesamt vier Millionen Euro. Zur Eröffnung am Nachmittag wird auch Bundesforschungsministerin Anette Schavan (CDU) erwartet.

Publiziert am 16.01.2012 http://www.islamische-zeitung.de/?id=15418

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  • 1 Jahr später...

[h=1]Islam-Theologie in Deutschland – Totgeburt einer jungen Disziplin?[/h][h=2]Deutsche Wissenschaftliche Standards werden beim Islam über Board geworfen - Die wenigsten Professoren erfüllen die formalen Kriterien - „Karneval der Disziplinen“Von Ali Yagiz[/h]Seit den Empfehlungen des Wissenschaftsrates aus dem Jahr 2010 Zentren für Islamische Studien in Deutschland aufzubauen, um eine neue akademische Disziplin „Islamische Theologie“ zu etablieren, hat sich in den letzten drei Jahren an verschiedenen Universitäten in unterschiedlichen Bundesländern sehr viel getan. Es sind fünf Zentren bzw. Institute für Islamische Studien bzw. Theologien gegründet sowie an einigen Universitäten einzelne Professuren eingerichtet worden. Zum Teil wurde auch unter katholischer Regie wie an der Universität Paderborn Strukturen für islamische Studien eingerichtet. Es ist interessant in welchem rasanten Tempo eine völlig neue Disziplin – ohne jegliche Tradition und ohne akademisches Personal in Deutschland – in nur wenigen Jahren eine beachtliche Größe einnehmen konnte. Da fragt man sich, woher die Universitäten in so einem kleinen Zeitfenster die muslimischen Theologen „hergezaubert“ haben? Wirft man jedoch einen näheren Blick auf die einzelnen Standorte so wird sofort klar, warum dies möglich wurde, allerdings ist dieses Ergebnis sehr ernüchternd und man fragt sich: „Wie konnte das in einem Land wie Deutschland, in der bei universitären Berufungsverfahren die formalen Qualifikationskriterien so eindeutig festgelegt sind nur passieren?“. Dieses Problem, dass sich erst aufgrund der aktuellen Debatte um den Standort Münster allmählich zeigt, ist nur die Spitze des Eisbergs. Beschäftigt man sich näher damit, so wird einem die Misere an den neuen Instituten und Zentren für Islamische Theologie sehr deutlich, und zwar auf unterschiedlichen Ebenen.

 

Den Empfehlungen des Wissenschaftsrates folge leistend, haben Universitäten zunächst Personen für bekenntnisgebundene Professuren berufen. Dieser Prozess setzt zum einen voraus, dass eine mit muslimischen Professoren für Theologie besetzte Berufungskommission etabliert wird, die entsprechend ihren Expertisen einen muslimischen Wissenschaftler für diese bekenntnisgebundenen Professuren beruft. Zweitens setzt es voraus, dass dieser potenzieller Bewerberkreis hierzulande existiert, um entsprechend nach einem erfolgreichen Bewerbungsverfahren – mit der Einhaltung der formalen Kriterien wie Studium, Promotion und Habilitation bzw. habilitationsäquivalenten Leistungen – sich auf diese Professuren zu qualifizieren. Die Realität an diesen neuen Standorten zeigt leider, dass wohl bei den Muslimen andere Maßstäbe gelegt werden als wissenschaftliche Kriterien wie etwa bei der evangelischen oder katholischen Theologie. Blickt man auf die Lebensläufe und Qualifikation der neuen Professoren für Islamische Theologie so bleibt einem nicht anderes übrig als nur mit dem Kopf zu schütteln. Nur die wenigsten Professoren erfüllen die formalen Kriterien. Ansonsten findet man einen bunten Blumenstrauß an Qualifikationen und wo man sich denken muss: „Was ist hier schief gelaufen?“ oder etwa böser formuliert „Wollte man das so?“

 

Da findet man Soziologen die nur über ein Fernstudium Bachelor „Islamische Theologie“ verfügen, Philosophen, Orientalisten, Osmanisten, Erziehungswissenschaftler usw., die alle ohne theologisches Studium und ohne Dissertation, also ganz ohne einschlägige Qualifikationen, als „Theologen“ in Deutschland Reform-Theologen spielen und in der Gesellschaft gefeiert werden. Würde ein Soziologe oder ein Religionswissenschaftler ohne theologisches Studium, ohne Dissertation und Habilitation sich auf eine Professur für katholische oder evangelische Theologie bewerben, so würde diese Bewerbung an den Fakultäten lange in Erinnerung bleiben, allerdings an der Wand als „Witz des Jahrzehnts“. Warum werden die Maßstäbe bei der Islamischen Theologie so niedrig angelegt und eine Wissenschaftstradition mit einer über 1000 Jahre alten Tradition so respektlos umgegangen? Eine weitere Frage lässt diese gesamte Misere nochmals in einen noch schlechteren Licht erscheinen, und zwar die Frage: Wer hat diese Personen ausgewählt? Saßen in diesen Berufungskommissionen Experten, also muslimische Theologen? Das sollte man doch erwarten, oder? Wenn eine Professur für Physik, eine Professur für Chemie oder für evangelische/katholische Theologie berufen wird, wird dieser Wissenschaftler von Experten aus der selben Disziplin ausgewählt.

 

 

Skandal: Berufungskommissionen ohne oder kaum mit muslimischen Theologen besetzt

 

Wenn die Universitäten damit argumentieren, dass dieses Bewerberpotenzial in Deutschland nicht existiere, hätte man mit internationalen Wissenschaftlern arbeiten können, bis man in zehn bis fünfzehn Jahren entsprechende Nachwuchswissenschaftler ausbildet. Und überhaupt, warum sollte man verschlafene 50 Jahre Integrationsarbeit in fünf Jahren aufholen, und zwar noch bei Etablierung von wissenschaftlichen Instituten ohne eine deutsche Wissenschaftstradition? Jeder der etwas Ahnung von universitären Strukturen hat weiß, dass dies ein jahrelanger Prozess ist, der sehr bedacht gegangen werden muss. Es sei denn, man baut nur eine Fassade auf und setzt nicht auf Qualität. Das rasante Tempo legt daher den Verdacht nahe, dass man in Deutschland in sehr kurzer Zeit Fakten schaffen möchte, damit die Islamischen Organisationen und die muslimische Basis sich mit dieser Misere zwangsläufig arrangieren müssen. Diese Rechnung wird sich jedoch rächen, spätestens dann, wenn diese Fassade langsam zu bröckeln beginnt und die muslimische Community anfängt fragen an die Politik und an die Universitäten zu stellen. Das ist ihr gutes Recht, schließlich geht es um ihre Institutionen, um ihre Zukunft, in der sie jedoch nicht wirklich involviert sind. Nicht einmal im Sinne des Grundgesetzes – wie in den Bundesländern – mit theologischen Beiräten. Wenn sie vertreten sind, so wird ihnen in der Regel der gesamte Prozess der Auswahl der Professoren nicht transparent vermittelt, sondern nur Personen zur Wahl gestellt, die die Universitäten angeblich „nach wissenschaftlich-theologischen“ Kriterien ausgewählt haben. Schaut man die Ebene der Nachwuchswissenschaftler – der Doktoranden und Post-Docs –, so wird die Situation auch nicht besser. Wie auch? Denn wiederum diese als „Theologen“ berufenen Nicht-Theologen sind dafür verantwortlich diesen Nachwuchs zu qualifizieren. Dass dabei nicht viel rausgekommen kann, liegt auf der Hand. Auch hier ist ein „Karneval der Disziplinen“ – von Politikwissenschaftlern, Philosophen, Pädagogen usw. – vorzufinden, aber von Theologen fehlt jede Spur. In islamischen Ländern findet die religiöse Bildung in der Regel direkt nach der Grundschule in religiösen Mittelschulen bzw. Gymnasien statt. Danach folgt ein Studium (Bachelor, Master). Bis zur Promotion erwirbt man sich ein solides theologisches Wissen sowie Arabischkenntnisse. Mit der Dissertation und der Krönung der Habilitation, darf man sich als Professor für Islamische Theologie mit entsprechenden Schwerpunkten in Tafsir, Hadith usw. nennen. Hierzulande scheint sich die Hochschulpolitik und die Universitäten sich eher mit einem Volkshochschulniveau zufrieden zu geben. Wenn dies im Sinne des Wissenschaftsrats war, bleibt nur abschließend zu resümieren: Armes Deutschland, arme Muslime.

 

Zum Autor: Der Studierte Diplom-Lehrer Ali Yagiz (51) ist freier Journalist und schreibt zu Themen wie Migration, kulturelle Fragen sowie Muslime in Deutschland

 

 

Islam.de, 07.01.2013

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  • 3 Wochen später...

Sven Speer über Zwangsmassnahmen des Staates in der Theologie

 

"Die verschiedenen Theologien an deutschen Universitäten haben Traditionen, die Jahrhunderte zurückreichen und das Renommee ihrer Fächer in aller Welt begründen. Sie haben einen festen Platz im Fächerkanon vieler deutscher Universitäten. Die bekenntnisgebundene wissenschaftliche Forschung und Lehre hat die religiös-weltanschauliche Landschaft in Deutschland stets berei- chert. Einen wesentlichen Beitrag zur Freiheit von Forschung und Lehre geht auf die Regelung zurück, dass Professoren, denen von ihrer Kirche die Lehrerlaubnis entzogen wird, an andere Fakultäten wechseln. So bleibt das System der Theologie trotz der Bekenntnisgebundenheit offen.

 

Keine staatlich erzwungenen Beiräte

 

Beiratsmodelle für theologische Lehrstühle oder Theologien insgesamt werden abgelehnt, sofern sie vom Staat vorgeschrieben oder auf anderem Wege erzwungen werden. Für jeden theologi- schen Lehrstuhl ist eine Bekenntnisgemeinschaft inhaltlich verantwortlich, wobei eine Bekennt- nisgemeinschaft mehrere theologische Lehrstühle haben kann. Wenn mehrere Bekenntnisge- meinschaften eine gemeinsame Theologie begründen wollen, so müssen sie dies untereinander durch Vertrag regeln. Der Staat darf hierbei keine Zwangsmaßnahmen ausüben."

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