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Warum die Juden Papst Benedikt misstrauen

Sonntag, 10. Mai 2009 08:16 - Von Alan Posener

 

Er reißt alte Wunden auf, statt sie zu heilen: Innerhalb des deutschen Katholizismus ist ein Streit über das Verhältnis der Kirche zu den Juden entbrannt. Denn Papst Benedikt XVI. will sie zum christlichen Glauben bekehren. Für ihn steht nicht weniger auf dem Spiel als der absolute Wahrheitsanspruch der Kirche.

 

Was auch immer er sonst sein mag, ein Meister des Timings ist Papst Benedikt XVI. kaum. Just am Vorabend seines Besuchs in Israel sorgten seine Bischöfe in Deutschland für einen Eklat, bei dem es auch um das Verhältnis der Kirche zu den Juden geht.

 

Mit ihrem Veto gegen den designierten neuen Vorsitzenden des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) bestraft die Benedikt-Fraktion in der Bischofskonferenz die größte katholische Laienorganisation dafür, dass sie sich gegen die Judenmission ausgesprochen hat.

„Weil Gottes Bund Israel bereits das Heil erschlossen hat, braucht die Kirche nicht um das Heil Israels besorgt zu sein, die Juden nicht zum christlichen Glauben zu bekehren und sie nicht um ihres Heiles willen zur Taufe zu veranlassen“, heißt es in einem Papier des Gesprächskreises Juden und Christen beim ZdK, das im April vorgelegt wurde.

Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, müsste man meinen; und überdies ganz auf der Linie des II. Vatikanischen Konzils. Nicht jedoch auf der Linie Joseph Ratzingers. Für ihn steht nichts weniger auf dem Spiel als der absolute Wahrheitsanspruch der Kirche.

Wenn es außerhalb der Kirche einen Weg zum Heil gibt, dann ist dieser Absolutheitsanspruch dahin. Benedikt hat sein Pontifikat dem Kampf gegen den „Relativismus“ gewidmet, und sei es um den Preis, nicht nur die Juden, sondern auch viele Katholiken vor den Kopf zu stoßen.

„Gott ist kein Bigamist“, ereiferte sich Benedikts Hausphilosoph Robert Spaemann. Die Kirche könne nicht die Braut Christi sein, wenn die Ehe mit den Juden noch fortgelte. Mit der Ablehnung ?des CDU-Manns Heinz-Wilhelm Brockmann als ZdK-Präsident wurde nun der Laienschaft gezeigt, wo die Grenzen innerkirchlicher Demokratie liegen.

 

 

[glow=red,2,400]„Das ist Scharia auf katholisch(sic!!!!!!!!)!“,[/glow] meinte Diözesanrat Bernhard Mauser bei der Delegiertenversammlung des ZdK. Der CSU-Politiker Hans Maier, selbst langjähriger Präsident des ZdK, sagte, die Blockierung Brockmanns durch eine „Minderheit“ der Bischöfe sei schlicht „unerträglich“.

Für die Juden in Deutschland allerdings kommt der Konflikt nicht überraschend. Hatte Benedikts Vorgänger Johannes Paul II. mehr als jeder Papst vor ihm getan, um die Kirche mit ihren „älteren Brüdern“ zu versöhnen, zeigt ausgerechnet der deutsche Papst in dieser Hinsicht wenig Feingefühl.

Das kam etwa in der Auseinandersetzung um die Karfreitagsfürbitte zum Ausdruck; für viele Menschen ein Streit um Wörter; für die meisten Juden ein existenzieller Kampf um ihre Würde. Seit 1570 betet die Kirche jedes Jahr am Tag der Hinrichtung Jesu „pro perfidis Iudaeis“, in der deutschen Übersetzung „für die treulosen Juden“. Gott möge „den Schleier von ihren Herzen wegnehmen“, sie ihrer „Verblendung“ und ihren „Finsternissen“ entreißen und sie zu Christen machen.

Der Karfreitag war zugleich der Tag, da in vielen europäischen Städten und Gemeinden den Juden verboten wurde, auf die Straße zu gehen, um nicht den gerechten Zorn der Christen gegen „das Volk der Gottesmörder“ zu erregen. Dennoch kam es immer wieder zu Pogromen.

Man muss sich einmal vorstellen, dass während der ganzen zwölf Jahre der Naziherrschaft dieses Gebet in deutschen Kirchen gesprochen wurde. Erst 1955 geruhte sich die Kirche, das Wort „treulos“ durch „ungläubig“ zu ersetzen.

1970 schließlich, nach dem II. Vatikanischen Konzil, verfügte Papst Paul VI. die Streichung aller herabsetzenden Formulierungen und des Wunsches nach Bekehrung der Juden. Stattdessen heißt es, ganz im Sinne der Erklärung des ZdK, Gott möge die Juden „in seinem Bund bewahren“.

Und so beten die Katholiken bis heute – es sei denn, sie beten auf Lateinisch. Als Benedikt XVI. die Lateinische Messe als außerordentliche Form neben der Messe in der Landessprache zuließ, verfasste er eigenhändig eine neue Karfreitagsfürbitte. Dort heißt es, Gott möge die Herzen der Juden „erleuchten“; denn „indem die Heidenvölker in Deine Kirche eintreten“ werde auch „ganz Israel gerettet“.

Verständlich, dass Vertreter des Judentums meinen, sie fühlten sich auch ohne Katholizismus erleuchtet genug und hätten von einem „Dialog“ wenig zu erwarten, an dessen Ende sie nicht mehr Juden zu sein hätten.

Doch war der Ärger über die Karfreitagsfürbitte nur der Auftakt zu größerem Ärger. Hatte doch Benedikt auch deshalb die Lateinische Messe aufgewertet, um die abtrünnige Pius-Bruderschaft in die Kirche zurückzuholen. Zum Skandal wurde diese Versöhnungsaktion, als ruchbar wurde, dass der Pius-Bischof Richard Williamson öffentlich den Holocaust leugnet.

Doch ist die Pius-Bruderschaft insgesamt von Judenhass durchsetzt. Der deutsche Distriktobere Franz Schmidberger sagt ungerührt, die „Juden unserer Tage“ seien keineswegs die älteren Brüder der Christen, sondern „des Gottesmordes schuldig“, solange sie sich nicht „durch die Taufe von der Schuld ihrer Vorväter distanzieren“.

Hätte Williamson seinen Mund wenigstens vor laufender Kamera halten können, die Integration dieser Fanatiker, die einen theokratischen Ständestaat befürworten und die Demokratie als dekadent ablehnen, wäre stillschweigend über die Bühne gelaufen. Jedenfalls hätte es mit den Pius-Brüdern weniger Ärger gegeben als nun mit der deutschen Laienorganisation. Was sollen Juden von alledem denken?

Was sollen sie davon halten, dass Benedikt die ins Stocken geratene Seligsprechung des Papstes Pius XII. nun vorantreibt? Das ist der Papst, dem während der ganzen Nazi-Ära das Wort „Judenmord“ nicht über die Lippen kam, der dafür im Jahr der Reichskristallnacht sagte: „Jerusalem hat Gottes Einladung und seine Gnade mit jener starren Verblendung und jenem hartnäckigen Undank beantwortet, die es auf dem Wege der Schuld bis zum Gottesmord geführt hat.“

Für Benedikt aber ist Pius „ein Geschenk Gottes an die Kirche“. Im Vorfeld des Besuchs hatte es aus dem Vatikan geheißen, Benedikt könne die Holocaustgedenkstätte Jad Vaschem nicht besuchen, solange im angrenzenden Museum ein Bild Pius’ XII. mit einer kritischen Bildunterschrift hänge.

Für dieses Problem hat man eine diplomatische ?Lösung gefunden. Der deutsche Papst wird die Gedenkstätte besuchen, nicht das Museum. Benedikts Problem? mit den Juden aber bleibt. Es spricht für die deutschen Katholiken, dass sie es nun durch ihr Zentralkomitee auch zu ihrem eigenen Problem gemacht haben.

 

http://www.morgenpost.de/politik/article1089932/Warum_die_Juden_Papst_Benedikt_misstrauen.html

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