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Die Türken, die Gewalt und die Frauen

 

Endlich darf man als Deutscher wieder ein Feindbild haben. Egal ob man links ist oder rechts, ob man der selbstgewählten oder aufgestempelten Kategorie der Liberalen, Geistlichen, Emanzen, Intellektuellen, Gutmenschen, Konservativen, Traditionalisten oder sonstigen angehört: Auf die Muslime im Allgemeinen und die Türken im Besonderen kann man schimpfen.

 

 

von Jörg Becker

http://www.z-zukunft.eu

 

 

Würde man eine Inhaltsanalyse der Berichterstattung über türkische Migranten in deutschen Massenmedien machen, dann wüsste man bereits vor jeder solchen Analyse, dass zwei Aspekte dabei eine Hauptrolle spielen würden. Zum einen würde man ganz sicherlich entdecken, dass Türken zu Gewalt neigen, und zum anderen würde man feststellen können, dass die türkischen Frauen unterdrückt werden. So weit, so gut. Wir kennen diese selektiven Wahrnehmungen und Vorurteile. Aus der Vorurteilsforschung weiß man, dass Vorurteile keinen Bezug zur Realität haben, fast veränderungsresistent und oft alt sind. Zwei alte deutsche Gedichte mit dem Motiv des Türken zeigen das gut. Da ist zum einen das Gedicht Der Türk’ des Münchener Kinderbuchautors, Zeichners und Musikers Franz Graf von Pocci (1807-1876):

 

Hier geht ein Türk’; ihm folget nach

 

sein Sklave mit dem Regendach;

 

denn wenn es regnet – ’s ist kein Spaß –

 

so werden auch die Türken nass.

 

Die Türken sind sehr grausam oft;

 

denn so ein Sklave unverhofft

 

bekommt – hat er Tabak gestohlen –

 

gleich hundert Hiebe auf die Sohlen.

 

Und da ist zum anderen das Gedicht Die Türken des großen deutschen Aufklärers und Dramatikers Gotthold Ephraim Lessing (1729-1781):

 

Die Türken haben schöne Töchter,

 

Und diese scharfe Keuschheitswächter;

 

Wer will, kann mehr als eine frein:

 

Ich möchte schon ein Türke sein.

 

Wie wollt ich mich der Lieb’ ergeben!

 

Wie wollt ich liebend ruhig leben,

 

Und – – doch sie trinken keinen Wein;

 

Nein, nein, ich mag kein Türke sein.

 

Da sind also beide Motive schön vereint: Türken sind gewalttätig und türkische Frauen sind Opfer in einer von Männern scharf überwachten Vielehe. Wie oben bereits erwähnt: Man weiß aus der Vorurteilsforschung, dass Vorurteile keinen Bezug zur Realität haben, dass man also dem Bild des gewaltbereiten Türken schon dann aufsitzen würde, wenn man daran gehen würde, dieses Bild mit der Wirklichkeit zu vergleichen, also beispielsweise die türkische Kriminalstatistik als Folie nehmen würde, denn man würde diese genau so interpretieren, wie es den eigenen Erwartungen entspricht. Man weiß aus der Vor-urteilsforschung außerdem, dass Vorurteile projektiven Charakter haben, dass sie also Aussagen über den Sprecher des Vorurteils machen, nicht aber über das Objekt des Vorurteils. Insofern verweist der rassistische Kommentar eines Deutschen, die Afrikaner seien faul, zurück

 

auf die Zwangsvorstellungen des deutschen Sprechers von dem, was Fleiß zu sein hat. „Wo sind wir denn?!“ Sollten diese projektiven Mechanismen auch für das Bild des gewaltbereiten Türken und das der türkischen Frau als Opfer männlicher Gewalt zutreffen, dann wäre danach zu fragen, wie gewaltanfällig die deutsche Gesellschaft und wie sehr Frauen in Deutschland Opfer von männlicher Gewalt werden. Das Berliner Familienministerium verweist auf eine Befragung von 10.000 Frauen, nach der rund 40 Prozent aller in Deutschland lebenden Frauen seit ihrem 16. Lebensjahr körperliche oder sexuelle Gewalt oder beides erlebt haben. Und rund 90 Prozent dieser Frauen nannten dabei Männer als Täter. Geht es um sexuelle Gewalt oder um Gewalt in Paarbeziehungen, dann erhöht sich der Prozentsatz männlicher Täter sogar auf 99 Prozent. Gelten Familie und häuslicher Bereich leichthin als Orte des Friedens, so nennen von Gewalt bedrohte Frauen am häufigsten gerade den häuslichen Bereich und als Täter am häufigsten aktuelle oder frühere Beziehungspartner. Sieht man von der in Deutschland spezifischen Gewalt gegen Frauen ab, dann zeigen weitere Indikatoren, dass Gewalt eine dominante Position in den sozialen Beziehungen einnimmt. Nach der Polizeilichen Kriminalstatistik gab es in Deutschland im Jahr 2007 insgesamt 217.923 kriminelle Gewalttaten (davon waren 2.347 Fälle Mord und Totschlag), 1.568.124 Fälle von Straßenkriminalität, 2.561.691 Diebstähle und 87.934 Fälle von Wirtschaftskriminalität. Gewaltträchtig in Deutschland ist selbstverständlich auch die immer größer werdende Einkommensschere zwischen rund 21.000 Einkommensmillionären und einem geschätzten Bevölkerungsanteil von 13 bis 19 Prozent, der in Armut leben muss. Sind Türken gewalttätig? Lassen wir mit Ludwig Uhland (1787-1862) einen weiteren deutschen Dichter zu Wort kommen. In seiner Ballade Schwäbische Kunde, einem Gedicht über den Kreuzzug von 1189, heißt es:

 

Da sprengten plötzlich in die Quer’

 

Fünfzig türkische Reiter daher;

 

Die huben an, auf ihn zu schießen,

 

Nach ihm zu werfen mit den Spießen.

 

Na, bitte, jetzt wissen wir’s!

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