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Kritik an Erdogans Düsseldorfer Rede

"Damit schürt er unnötig Misstrauen"

Die gestrige Rede des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan vor rund 10.000 Menschen in Düsseldorf hat bei Politikern der Regierungsparteien zum Teil heftige Kritik hervorgerufen.

 

 

"Unsere Kinder müssen Deutsch lernen, aber sie müssen erst gut Türkisch lernen",sagte Erdogan in Düsseldorf.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe wies die Warnung Erdogans vor einer wachsenden Ausländerfeindlichkeit in Deutschland und einer Assimilation der türkischen Migranten zurück. Erdogan erweise den Integrationsbemühungen in Deutschland einen Bärendienst, erklärte Gröhe.

 

Erdogan tue so, als ziele deutsche Integrationspolitik darauf ab, kulturelle Wurzeln von Migranten zu kappen, kritisierte Gröhe weiter: "Damit schürt er unnötig Misstrauen." Integration gelinge nicht besser, wenn sich Deutsche mit türkischer Herkunft aus Angst vor vermeintlichem Anpassungsdruck "einem offenen Austausch und guten Miteinander verweigern", sagte Gröhe. Der türkische Ministerpräsident solle besser stärker für die Vorteile einer gelingenden Integration werben.

 

FDP: Rede mit "verstörendem Charakter"

 

Außenminister und FDP-Chef Guido Westerwelle nannte das Erlernen der deutschen Sprache den "Schlüssel zur Integration" von Migranten in Deutschland. Kinder, die in Deutschland groß werden, müssten zu erst Deutsch lernen. Ohne die deutsche Sprache "kommen sie in der Schule nicht mit und haben später schlechtere Chancen als andere". Westerwelle reagierte damit auf Erdogans Forderung, türkischstämmige Kinder sollten zuerst Türkisch lernen.

 

Auch FDP-Generalsekretär Christian Lindner kritisierte Erdogan. Es sei "merkwürdig", wenn Erdogan den Eindruck erwecke, dass es sich bei den aus der Türkei Zugewanderten um eine "nationale Minderheit" handele. "Tatsächlich geht es um Menschen, die wir in unser Land integrieren wollen." Die Rede des Regierungschefs habe daher einen "verstörenden Charakter".

 

Auch Lindner betonte, es müsse darum gehen, dass deutsche Staatsbürger mit türkischen Wurzeln die Bundesrepublik als ihre Heimat begriffen und die Türkei als das Land ihrer Herkunft. Es sei "nicht akzeptabel", dass Erdogan dies relativiere.

 

 

Zehntausend Anhänger bejubelten Erdogan.

Dobrindt sieht "nicht hinnehmbare Entgleisung"

 

Die CSU hat den Auftritt des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan am Sonntagabend in Düsseldorf scharf kritisiert. Dieser habe Integrationsbemühungen um Jahre zurückgeworfen. "Es ist ein beispielloser Vorgang, dass ein ausländischer Regierungschef in regelmäßigen Abständen seine bei uns lebenden Landsleute aufwiegelt", sagte CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt.

 

Erdogans Aussage, die Türkei sei die Schutzmacht für alle Türken, auch in Deutschland und Libyen, sei "eine nicht hinnehmbare Entgleisung. Wir lassen uns von Herrn Erdogan nicht mit Libyen vergleichen." CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hat die Bundesregierung aufgefordert, den türkischen Botschafter einzubestellen.

 

Türkischer Wahlkampf in Düsseldorf

Zehntausend bejubeln Erdogan im ISS-Dome

[wdr]

Erdogan: "Niemand wird uns von unserer Kultur losreißen"

 

Erdogan hatte seine Landsleute zur Integration aufgerufen, sich aber erneut gegen eine zu starke Anpassung gewandt. Schon bei seinem Deutschlandbesuch vor drei Jahren hatte Erdogan eine ähnliche Position vertreten und damals damit einen Streit ausgelöst. "Niemand wird in der Lage sein, uns von unserer Kultur loszureißen", sagte er. "Unsere Kinder müssen Deutsch lernen, aber sie müssen erst gut Türkisch lernen."

 

Erdogan warnte auch vor einer wachsenden Ausländerfeindlichkeit in Deutschland. Eine solche Entwicklung werde in der Türkei "mit großer Beunruhigung" verfolgt, sagte er vor rund 10.000 Menschen. Deutsche Politiker sollten diese Feindlichkeit mit ihren Äußerungen "nicht weiter aufbauschen". Auch eine zunehmende negative Stimmung gegen den Islam kritisierte der türkische Premier. "Islamphobie ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, genauso wie Rassismus", erklärte Erdogan.

 

 

Tagesschau, 28.02.2011

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28.02.2011 Özdemir widerspricht Kritikern von Erdogans Rede

«Eine individuelle Entscheidung»

 

Berlin (KNA). Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir nimmt die Düsseldorfer Rede des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan vor Kritik in Schutz. Erdogan könne in Deutschland «offenbar keine Rede halten, ohne mindestens ein Menschheitsverbrechen anzuprangern», sagte Özdemir der «Welt» (Dienstag). Vor allem die Unionsparteien begegneten Erdogan mit Vorurteilen und legten in der Debatte um einen möglichen EU-Beitritt der Türkei jedes seiner Worte negativ aus. Erdogan «hätte wohl auch eine Rede von Angela Merkel ablesen können, und die Unionsparteien hätten trotzdem geschäumt», so Özdemir.

 

 

Özdemir nannte nannte die Frage nach dem Ausmaß kultureller Anpassung «eine individuelle Entscheidung», in die sich niemand einzumischen habe. «Kein Staat, kein Politiker, weder Frau Merkel noch Herr Erdogan, hat den Bürgerinnen und Bürgern vorzuschreiben, ob sie religiös sein sollen oder welche Sprache sie mit ihren Kindern sprechen.» Für die Politik könne es nur um den «Rahmen» gehen. «Der heißt Integration: Verfassungstreue, Beherrschen der Amtssprache, Eingliederung ins Berufsleben und bestmögliche Förderung der Kinder in der Schule genau wie in der Familie.»

 

Islamische Zeitung, 28.02.2011

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Ich habe mich nun lange mit seiner Rede auseinandergesetzt. Also hilfreich für eine Integration ist sie nicht. Eher eine für seine anstehende Wahl im Sommer, wo viele Türken in die Türkei fliegen um zu wählen. Nur um wählen zu können, muß man Türke sein. Na ja, die rechteerweiterung der blauen Karte und die zweite Staatsbürgerschaft kann da aushelfen. Also ich kenne kein EU Staatsoberhaupt, die so eine Rede in einem anderen EU Land gehalten hat. Und ich bin weißgott nicht von der CDU.
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Eine Freundin von mir war auch dort und hat ein Stück er Rede aufgenommen, da heißt es:

 

"Alle Schmerzen und die Trauer, die ihr in den letzten 50 Jahren erlebt habt, haben wir 74 Millionen in unseren Herzen gespürt."

 

oder

 

"Eure Freude, war unsere Freude."

 

"Egal wie glücklich und in Frieden ihr wart, so waren wir auch in der Türkei."

 

Es scheint so, als ob die ganze Türkei mit den "almancis" (Deutschtürken) Seelenverwandt sei und alles mitbekommen würde, was hier passiert :) Also, da denk ich manchmal echt, ooo mann wie gerne mit den Gefühlen der Menschen gespielt wird.. naja aber wie schon Jörg und Webmaster gesagt haben, alles kommt der Wahl zu gute :))

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Ich war dort und hilfreich für eine Integration ist seine Rede schon gewesen. Da kommt es darauf an mit welchem Ohr man hinhört. Selbst in der kognitiven Psychologie wird gesagt, dass man eine Zweitsprache besser erlernen kann, wenn dem Kleinkind erst eine fundierte Muttersprache im Elternhaus vermittelt wird worauf die Zweitsprache optimal aufgebaut werden kann. Er sprach von guten Ausbildungen, vom Studium und Promotion welches man anstreben solle, von Verselbstständigung und vom gegenseitigen Verstehen und Aufeinanderzugehen, das man nicht "stuck in the time" genau wie in den 60ern leben könne, dass da ein Umdenken stattfinden muss zumal nun von 3. Generation die Rede ist.

Etwas Werbecharakter hatte seine Rede schon, doch was soll daran verwerflich sein? Ist sein gutes Recht, alle auf dem Laufenden zu halten ;)

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"man eine Zweitsprache besser erlernen kann, wenn dem Kleinkind erst eine fundierte Muttersprache im Elternhaus vermittelt wird"

 

Das ist doch schon Allgemeinwissen ;) Nur eine Ergänzung: Die Erlernung der Muttersprache muss im frühkindlichen Alter stattfinden, also BEVOR man in den Kindergarten kommt.

 

Jetzt zum Thema: Erdogan spricht gleich bei RTL Mitternachtnews.

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"man eine Zweitsprache besser erlernen kann, wenn dem Kleinkind erst eine fundierte Muttersprache im Elternhaus vermittelt wird"

 

Das ist doch schon Allgemeinwissen ;) Nur eine Ergänzung: Die Erlernung der Muttersprache muss im frühkindlichen Alter stattfinden, also BEVOR man in den Kindergarten kommt.

 

Jetzt zum Thema: Erdogan spricht gleich bei RTL Mitternachtnews.

 

Ich glaube Nur Efsan meinte als Muttersprache natrürlich türkisch. ;) Ich hatte mal was gelesen von einer Türkin, wobei das erlernen der türkischen Sprache Vorrang hatte, da man ja für sechs Wochen in die Türkei fährt und man sich da verständigen können muß. Natürlich auch vor den Verwanten gut dastehen. Die restlichen 47 Wochen wurden zu ihrem leidwesen, als nicht so wichtig angesehen und sie hatte Deutsch erst in der ersten Klasse gelernt.

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Ich finde die deutschen Medien übertreiben das. Erdogan hat überhaupt keine Gewichtung hier für die Türken in Deutschland.

Er ist so etwas wie ein Popstar. Für seine Fans ist er natürlich ein Guru oder ein "Übermensch", aber politische Auswirkungen hat das nicht.

 

Dass das Wahlkampf pur war, würde sogar ein blinder und tauber Mensch erkennen. In 2 Wochen kommt der Oppositionsführer ebenfalls nach Deutschland. Es geht doch beiden Herren nur um Stimmen.

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28.02.2011 Hintergrund: Ministerpräsident Erdogan spricht vor 12000 Türken in Düsseldorf und forderte sie auch zur Integration auf. Von Yasin Bas

 

„Gestern wart ihr Arbeiter, heute seid ihr Arbeitgeber“

 

http://islamische-zeitung.de/bilder/14391-1298910406.jpg(iz). Rund 12.000 Menschen in der Düsseldorfer „ISS Dome“ Arena schwenken die Besucher türkische, deutsche und Europafahnen. Organisiert wird die als „großes Treffen“ beworbene Veranstaltung vom staatlichen „Präsidium für Auslandstürken und verwandte Völker“ sowie der „Union Europäisch-Türkischer Demokraten“ (UETD), die der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) des türkischen Ministerpräsidenten, nahesteht. Im Saal befinden sich Menschen aus vier Generationen. Greise Türken mit schwarz-rot-goldenen Fahnen, die als Arbeitsmigranten ab 1961 nach Deutschland kamen und kleine Kinder mit Fahnen, auf denen der Halbmond und der Stern zu sehen sind. Es ist Volksfeststimmung in Düsseldorf.

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Nachdem die türkischen und deutschen Nationalhymnen besungen werden eilt der Premier Recep Tayyip Erdogan unter tosendem Applaus und voller Begeisterung in die Halle. Er wird empfangen wie ein Star. Die Halle bebt. Der Jubel bringt die Stühle zum vibrieren. So muss es sich wohl anfühlen, wenn Borussia Dortmund fünf Tore gegen Schalke schießt. Man muss kein Türke sein, um zu verstehen, was hier passiert. Man kann es regelrecht erspüren.

 

Gleich zu Beginn seiner Rede stellt Erdogan den Auslandstürken die breite Unterstützung der Türkei in jederlei Hinsicht aus: „Ihr seid meine Staatsbürger und ihr genießt den Schutz der türkischen Republik!“ Die einstimmige Reaktion aus der Halle: „Sagol Basbakanim“ („Danke unser Ministerpräsident“) und „Avrupa seninle gurur duyuyor“ („Europa ist stolz auf einen wie dich“). Der türkische Ministerpräsident entgegnet den Massen bescheiden: „Wir sind stolz auf euch“.

 

Erdogan stellt aber auch klar, dass die Türkei ebenfalls die ethnischen Deutschen im Land beschützen werde: „Auch in der Türkei leben mehrere Tausend Deutsche, die ihren dauerhaften Wohnsitz bei uns haben, die bei uns Grundstücke und Häuser erwerben. Wenn diesen Menschen auch nur ein einziges Haar gekrümmt werden sollte, werde ich das so auffassen, dass jemandem aus meiner eigenen Familie ein Haar gekrümmt werde. Diese Menschen haben unsere Garantie für ihre Religionsfreiheit, für ihr Leben und ihren Besitz.“

 

Die Kernaussage des Regierungschefs zeigt Parallelen mit der umstrittenen Kölner Rede von vor drei Jahren, in der Erdogan die „Assimilation als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ bezeichnete. Einige Medien und Politiker hatten damals Auszüge aus seiner Rede für eine reißerische Integrationsdebatte genutzt. Damit sich dies nicht wiederholt, warnt der Premier die deutsche Presse: „Wir werden nicht erlauben, dass meine Worte in den deutschen Medien verdreht wiedergegeben werden.“ Heute sagt der türkische Premier zwar erneut „Ja zu Integration, aber auch ein deutliches Nein zu Assimilation“. Niemand werde in der Lage sein, die Türken von ihrer Kultur loszureißen, sagt Erdogan.

 

Aber das wichtigste seiner Rede folgt direkt im Anschluss: „Die Angst vor dem Islam, die Islamophobie, ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Genauso wie Antisemitismus ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist. Und genauso wie Rassismus ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist“. Zudem bekräftigt Erdogan die Deutschtürken zu mehr Bildung. Er empfiehlt sowohl sehr gut Türkisch als auch Deutsch zu lernen, zu studieren und einen guten Beruf zu wählen. Er weist auf die 60.000 türkischen Unternehmer in Deutschland hin und macht deutlich: „Gestern wart ihr Arbeiter, heute seid ihr Arbeitgeber“.

 

Überdies verspricht Erdogan den Deutschtürken um die Entscheidung für die deutsche Staatsbürgerschaft leichter zu machen die Aufwertung der bereits vor Jahren eingeführten „blauen Karte“, die in der Türkei die Funktion eines Personalausweises erfüllen soll. Damit verbinden sich zahlreiche aufenthalts- und erbrechtliche Vorrechte bei Behördengängen. Zuletzt kündigt der türkische Regierungschef an, dass die Türken in Deutschland an den türkischen Parlamentswahlen am 12. Juni ihre Stimmen mit hoher Wahrscheinlichkeit an den Wahlurnen der türkischen Konsulate abgegeben könnten. Hierzu benötige die Türkei noch das Einverständnis deutscher Behörden und des „Hohen Wahlrats“ der Türkei.

 

Yasin Bas, Islamische Zeitung, 28.02.2011

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Als ich vor fast einem Jahr in den Moscheen des Ruhrgebiets (mit Sigmar Gabriel) unterwegs war, bestimmte auch gerade eine Äußerung des türkischen Premiers Erdogan die Schlagzeilen. Er hatte in einem Interview mit der ZEIT gefordert, “türkische Gymnasien” in Deutschland zu errichten.

Nun scheinen die ungebetenen integrationspolitischen Interventionen Erdogans eine Tradition zu werden. In Düsseldorf hat er vor wenigen Tagen Aufmerksamkeit gefunden mit seiner Forderung, Kinder sollten erst Türkisch lernen, dann Deutsch. Und wie bereits vor einigen Jahren polemisierte er auch wieder gegen “Assimilation” und suggerierte, den Türken solle ihre Kultur genommen werden als Preis für die Integration (die Erdogan befürwortete).

Vor einem Jahr in den Moscheen war eine sehr gesunde Reaktion der türkischen Community zu beobachten, wenn man sie auf Erdogans Forderungen ansprach: Was denkt dieser Typ, wer er ist – und wer wir sind? Er ist für uns nicht zuständig, er soll sich raushalten. Vural Öger sagte in der Moschee in Oberhausen:

“Wir wollen keine Diasporatürken in der dritten und vierten Generation. Ankara soll sich hier gefälligst nicht mehr einmischen. Wie lange soll das noch weitergehen? Bis zur 5. Generation? Das macht die Identitätskrise der Menschen hier nur noch schlimmer, wenn sie als Stimmvieh der türkische Politik behandelt werden. Es wäre keine Schande, sondern ein Grund zum Stolz, wenn junge Leute hier besser Deutsch als Türkisch könnten. Seid endlich Deutsche – mit einem großen türkischen Herzen!”

Das wäre immer noch der passende Kommentar zu Erdogans erneuter populistischer Wahlkampftour.

Man wird solche abweisenden Äußerungen aber immer seltener hören. Und das liegt an dem katastrophal gewandelten Klima in unserer Gesellschaft. Unsere Debatte des letzten Jahres hat Erdogans Erfolg bei seinen Landsleuten den Boden bereitet. Er surft auf dem Gefühl der Menschen, nicht angenommen zu sein und niemals angenommen zu werden, weil sie Türken und Muslime sind. Die allzu berechtigten Retourkutschen gegen seine Anti-Assimiliations-Rhetorik (Was ist mit den Kurden, den Aleviten, den Christen in der Türkei?) verfangen so kaum. Denn es gibt eine Wagenburg-Mentalität unter vielen Türken, ja selbst unter den Musterbeispielen der Integration. Auch diejenigen, die mit Erdogan nichts am Hut haben, sind frustriert, enttäuscht, wütend über das türkenfeindliche Klima hierzulande. Es hilft nichts, dass auch darin viele Übertreibungen sind: So etwas hat fatale Folgen für ein Einwanderungsland.

Das Wort Integration ist so weit heruntergewirtschaftet worden, dass es gerade die Besten nicht mehr hören können. Es liegt ein Hauch von Schikane, Überheblichkeit und Resentiment in der Rede von der Integration.

Und die reflexhaften Reaktionen auf Erdogan schüren dieses Gefühl weiter. Der Herr Dobrindt von der CSU mit dem bizarr überzeichnenden Satz etwa, der Auftritt Erdogans habe die Integrationsbemühungen “um Jahre zurückgeworfen”. Welch eine Bigotterie. Erdogan ist ein geschickter Vertreter des gleichen religösen Rechtspopulismus, dem auch die CSU anhängt, wenn es um die Heimat und das kulturell-religiöse Erbe geht. Erdogan geht ganz einfach in die Lücke, die ängstliche deutsche Politiker offen lassen, weil sie die Türken nicht als eine zu umwerbende Wählerschaft wie jede andere Gruppe behandeln. Warum mieten deutsche Politiker sich nicht einmal eine Halle und laden die Türken ein und reden zu ihnen? Warum appellieren Merkel, Steinmeier, Gabriel, Özdemir oder Westerwelle nicht an den Stolz der Deutschtürken, wie es Erdogan tut?

Das erste, was ihnen einfällt, ist die Replik, Türkisch als erste Sprache sei nicht gut, das müsse bitte Deutsch sein. Das ist einfach Humbug: Das Problem der jungen Bildungsversager ist nicht, dass sie zuerst Türkisch lernen, sondern dass sie nicht einmal ordentlich Türkisch lernen. Ist Türkisch eine schlechtere Sprache als Französisch oder Italienisch oder Polnisch? Käme irgendjemand auf die Idee, italienischen, französischen oder polnischen Eltern reinzureden, sie sollten ihren Kindern zuerst Deutsch beibringen? Der Appell sollte lauten: Bringt euren Kindern gutes Türkisch bei, lest mit Ihnen Kinderbücher, sprecht mit Ihnen über die Schule, ladet deutsche Nachbarskinder ein, bringt sie in den Kindergarten.

Jetzt wird Erdogan seine Ambivalenz vorgehalten, seine “vergiftete Liebeserklärung” für die hiesigen Türken. Leider ist die Botschaft der hiesigen Politik und der gesellschaftlichen Debatte genauso voller Ambivalenz und Gift. Und das ist – es tut mir leid – das größere Problem – denn nicht Herr Erdogan ist politisch verantwortlich für den Erfolg/Mißerfolg der Türken hier, sondern dieselben deutschen Politiker, die ihn kritisieren. Politisch, wohl gemerkt: Denn ein Hauptproblem von Deutschen und Türken – da haben sie mal was gemeinsam – ist ihre Staatsverliebtheit. Beide Völker mit ihren obrigkeitstaatlichen Traditionen erwarten viel zu viel vom Staat und zuwenig vom einzelnen Bürger. Türken und Deutsche fragen zuviel, was das Land für sie und zu wenig, was sie für das Land tun können. Da haben sich zwei gefunden!

Ein Problem ist, dass die Deutschtürken von zwei Seiten mit mixed messages beschossen werden: Erdogan sagt: Integriert euch, aber assimiliert euch nicht (als gäbe es da akademisch anerkannte feine Grenzen). Die deutsche Gesellschaft kommuniziert: Wir sind ein Einwanderungsland, aber ihr seid die falschen Einwanderer.

Wenn man einem national-religiösen Populisten wie Erdogan etwas entgegensetzen will, muss man ein klare und selbstbewusste Botschaft haben: Lass diese Leute in Ruhe. Die gehören zu uns. Sollen sie mit Ihren Kindern Türkisch sprechen! Aber gutes Türkisch muss es sein, damit darauf dann gutes Deutsch und Englisch aufbauen können.

Von Jörg Lau 1. März 2011

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Deutschland-Besuch Westerwelle gegen Erdogan: Erst Deutsch lernen

 

28.02.2011, 07:02 2011-02-28 07:02:08

 

Türkische Kinder sollen zuerst Türkisch lernen - und dann Deutsch, fordert Premier Erdogan. Außenminister Westerwelle widerspricht, die CSU will nun den türkischen Botschafter in Deutschland einbestellen.

Der türkische Ministerpräsident

Recep Tayyip Erdogan hat sich erneut in die Integrationsdebatte eingeschaltet: Bei einem Auftritt vor knapp 10.000 Menschen in Düsseldorf warnte er vor einer wachsenden Ausländerfeindlichkeit in Deutschland. Eine solche Entwicklung werde in der Türkei "mit großer Beunruhigung" verfolgt, so der Ministerpräsident. Deutsche Politiker sollten diese Feindlichkeit mit ihren Äußerungen "nicht weiter aufbauschen". Vielmehr müssten wir "gegenseitig versuchen, uns zu verstehen", sagte Erdogan.

 

 

Auch eine zunehmende negative Stimmung gegen den Islam kritisierte der türkische Premier. "Islamophobie ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, genauso wie Rassismus." Sowohl die Mehrheit in Deutschland als auch die türkische Minderheit müsse einander respektieren.

Erdogan erneuerte seine vor drei Jahren bei einem ähnlichen Auftritt in Köln ausgesprochene Warnung an seine Landsleute in Deutschland, Assimilation sei ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit. "Ihr sollt euch natürlich in die deutsche Gesellschaft integrieren. Aber ich sage nein zu Assimilation", betonte Erdogan. Niemand solle von seiner eigenen Kultur losgeeist werden und mit Gewalt etwas anderes aufgezwungen bekommen. Demokratie bedeute eben auch, "Unterschiede als Reichtum" anzusehen.

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Dass türkische Kinder in Deutschland die deutsche Sprache lernen sollen, bezeichnete der Premier als selbstverständlich. Zuvor sollten sie allerdings die türkische Sprache beherrschen. "Ich sage ja zu Integration", sagte Erdogan. Nur wenn Deutsche und Türken gemeinsam zusammenlebten, könne die Gesellschaft Ruhe finden.

Außenminister

Guido Westerwelle (FDP) bezeichnete unterdessen das Erlernen der deutschen Sprache als "Schlüssel zur Integration" von Migranten in Deutschland: "Die Kinder, die in Deutschland groß werden, müssen zuallererst Deutsch lernen", erklärte Westerwelle. Ohne die deutsche Sprache "kommen sie in der Schule nicht mit und haben später schlechtere Chancen als andere".

"Kein gangbarer Weg"

Auch der außenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder, schaltete sich in die Debatte ein: Er wies die Forderung Erdogans zurück, Deutschland solle alle Integrationsfragen mit der türkischen Regierung besprechen. "Die Forderung, dass wir alle Integrationsfragen mit Ankara verhandeln sollen, ist für uns kein gangbarer Weg", sagte der CDU-Politiker der Rheinischen Post und fügte hinzu: "Wir werden Integrationsfragen nicht mit anderen Regierungen besprechen. Das machen wir direkt mit den Menschen, die hier leben."

Noch weiter geht die CSU: Sie fordert die Einbestellung des türkischen Botschafters in Deutschland wegen Erdogans Rede. CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt sagte, Erdogan habe die

Türkei als Schutzmacht sowohl für die in Libyen als auch für die in Deutschland lebenden Türken bezeichnet. Dieser Vergleich von Libyen und Deutschland sei unzulässig. Dobrindt kritisierte ferner, der Auftritt von Erdogan am Sonntag habe die Integrationsbemühungen um Jahre zurückgeworfen. Es sei ein "bemerkenswerter Vorgang", wenn ein ausländischer Regierungschef den Besuch in Deutschland dazu nutze, seine hier lebenden Landleute "aufzuwiegeln".

Erdogan hatte ferner den in Deutschland lebenden Türken bei seiner Rede in Aussicht gestellt, bei den Parlamentswahlen im Juni auch von Deutschland aus ihre Stimme abgeben zu können. Während sie bislang für Wahlen in die Türkei reisen mussten, sollten türkische Staatsbürger nun auch in den diplomatischen Vertretungen in Deutschland wählen dürfen. Bei einem Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will Erdogan am Montag versuchen, eine entsprechende Regelung mit der deutschen Seite zu vereinbaren.

Im Fall derjenigen Türken, die ihre Staatsbürgerschaft zugunsten einer deutschen aufgegeben haben, versprach Erdogan Erleichterungen. Mithilfe der sogenannten Blauen Karte könnten sie künftig in der Türkei einfacher Formalitäten erledigen und zusätzliche Rechte bekommen. Zudem werde die Karte als Personalausweis dienen, kündigte Erdogan an.

Mit Blick auf die Aufstände in Nordafrika und dem Nahen Osten stellte sich Erdogan hinter die demokratischen Bewegungen. Westliche Mächte, die Menschenrechte und Demokratie stets einforderten, seien im Fall von Tunesien, Ägypten und

Libyen stumm geblieben. "Gelten die globalen Werte nicht für sie", fragte Erdogan mit Blick auf die Menschen in diesen Ländern. Das Verhalten der westlichen Staaten lasse sich derzeit als doppelzynisch beschreiben.

Veranstaltet wurde der Auftritt Erdogans vom türkischen "Präsidium für Auslandstürken und verwandte Völker". Vor der Halle demonstrierten rund 650 Kurden gegen den türkischen Regierungschef. Die rechtspopulistische Partei "Pro NRW" veranstaltete ebenfalls eine Demonstration, an der sich nach Polizeiangaben rund 80 Menschen beteiligten. Die Polizei war mit einem Großaufgebot vor Ort. An diesem Montag wird Erdogan zusammen mit Merkel in Hannover die Computerfachmesse CeBIT eröffnen, deren Partnerland die Türkei in diesem Jahr ist.

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