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IGMG, Donnerstag 16. Dezember 2010

 

International, Kurz-Kommentar

Türkei: "Christlicher Ehrenmord" in Istanbul

So titelten die Medien, nachdem in der Türkei ein frisch vermähltes Ehepaar am Wochenende in Istanbul tot in ihrem Auto aufgefunden worden ist. Der 29-jährige Bruder der Braut, ein armenischer Christ, steht nach Medienberichten unter dringendem Verdacht, seine 26-jährige Schwester Soney und deren 29-jährigen muslimischen Ehemann Zekeriya V. erschossen zu haben, weil er gegen die Heirat war.

 

 

Nach den Medienberichten wurde ein jungvermähltes Paar in Istanbul vom Bruder der Braut erschossen, weil der Bräutigam muslimischen Glaubens war. Laut türkischen Medienberichten wurden der 29-jährige Mann und die 26-jährige Frau am Wochenende in ihrem Auto mit Kopfschüssen getötet.

 

Der wenig später mit der Tatwaffe gefasste Bruder der Braut gestand, die beiden getötet zu haben, weil seine Schwester gegen den Willen der Familie einen Muslim geheiratet habe. Die Braut stammte aus einer syrisch-orthodoxen Familie.

 

Vertreter der armenischen Gemeinde reagierten schockiert. Der amtierende armenische Patriarch Aram Atesyan verurteilte das Verbrechen.

 

Medien reagierten wieder reflexhaft auf das unglückliche Ereignis: "Ehrenmord" war die Überschrift, die man dieser Nachricht gab. Mit dieser Bezeichnung konnte man wohl etwas anfangen, das Geschehene in einen als bekannt gewerteten Rahmen einordnen. Dass dabei die eigentlichen Hintergründe wiederum verschwinden, die Tragik beider Familiengeschichten, ihre mit der kleinasiatischen Geschichte verknüpften Schicksale völlig untergingen, all das viel dann gar nicht mehr auf. Die eigentliche Recherche, die Suche nach Hintergründen und Ursachen, diesen konnte man sich somit völlig verschließen.

 

Da die Religionszugehörigkeiten von Opfern und Tätern nicht ganz in das bewehrte Berichtsmuster passten, wurde aus der Tat ein "christlicher Ehrenmord". Der gleiche Mechanismus, der aus einer Familientragödie in einer muslimischen Familie einen "muslimischen Ehrenmord" macht, ordnete diese Tragödie diesmal dem Christentum zu. Nur, was machte diese Tragödie zu einer "christlichen"?

 

Der Fall zeigt, wie sehr wir doch mittlerweile dazu geneigt sind, komplexe gesellschaftliche und menschliche Hintergründe auszublenden und auf eine vermeintlich einzige Ursache, die Religion, abzustellen. Nachdem wir uns gewöhnt haben, mit der "Islamisierung" gesellschaftlicher und sozialer Probleme in einer bestimmten Religion die Wurzel allen Übels zu suchen, war es hier wohl kein großer Schritt mehr, das Christentum als eine andere Religion in Sippenhaft zu nehmen. Wer einmal anfängt zu banalisieren, zu verallgemeinern und zu markieren, für den ist es offensichtlich sehr schwer, wieder damit aufzuhören.(aek)

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