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Speisen nach Sonnenuntergang

 

 

 

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Mit dem 1. August hat für die Muslime der Fastenmonat Ramadan begonnen. Mit dem Untergang der Sonne wird in der Haller Moschee das gemeinsame Fastenbrechen zelebriert. HK-Mitarbeiter Florian Gontek war beim Gebet und beim gemeinsamen Essen dabei und erlebte die Gastfreundschaft und das Ritual in der Haller Moschee. Es ist kurz vor 21 Uhr. Knapp 17 Stunden sind die meisten Muslime am heutigen Tag schon ohne Essen und Getränke. Bis zum 29. August wird es noch dauern, ehe sie wieder in gewohntem Rhythmus essen. Während des Fastenmonats Ramadan verzichten die, die sich für das Fasten entschieden haben, auch auf den Genuss von Nikotin oder Geschlechtsverkehr. Der Mann, der mir an diesem Abend das Ramadanfest näherbringen und die besonderen Bräuche zeigen will, ist Cemil Sahinöz, 30, er stammt gebürtig aus Halle.

 

Mit einem freundlichen Lächeln und kräftigem Händedruck werde ich von ihm begrüßt, er bietet mir gleich das Du an: Es ist schön, dass du da bist, fühle dich wie zu Hause, behandelt er mich mit einer beeindruckenden Gastfreundlichkeit, die ich an diesem Abend noch häufiger spüren werde.

 

Professioneller Koch aus der Türkei

Cemil stellt mir als nächstes Koch Ahmed Celebi vor. Er ist bereits zum dritten Mal hintereinander hier und in der Türkei als professioneller Koch beschäftigt. „Wir lassen jährlich zum Ramadanfest einen türkischen Koch einfliegen, er bereitet spezielle türkische Speisen zu”, erläutert Cemil Sahinöz und übersetzt dem Chef der Küche, der berichtet, bereits zum vierten Mal in Deutschland zu sein.

Es ist bereits kurz nach 21 Uhr. „Gleich ist die Zeit des Gebetes”, erklärt mir Cemil Sahinöz. „Wir Muslime beten fünfmal täglich, morgens, mittags, nachmittags, abends und am späteren Abend. In unseren Gebeten danken und ehren wir Allah,” informiert er mich.

Bevor das Gebet beginnt, werden aus Gründen der Hygiene die Schuhe ausgezogen und der mit Teppichen ausgelegte Gebetsraum wird nur mit Socken betreten. Am Eingang wird jeder mit einer Dattel empfangen. „Das Fasten wird traditionell nach dem Propheten Mohammed mit einer Dattel, manchmal auch mit etwas Wasser gebrochen”, verrät mir Cemil Sahinöz, der in Steinhagen lebt. Kurz vor dem Gebet gibt der Muezzin (Gebetsrufer) das Essen frei. Das muss warten. Erst darf ich gemeinsam mit Cemil Sahinöz beim Gebet dabei sein und gebannt den Worten des Imam lauschen, ein türkischer Vorbeter, der aus dem Koran, der heiligen Schrift des Islams liest. Der Imam wechselt alle fünf Jahre. Abdullah Ercan ist nun seit drei Wochen hier. Gemeinsam mit seiner Familie bezieht der türkische »Pastor« eine Wohnung über der Moschee. „Eigentlich lebe ich in Sivas, einer Stadt östlich von Ankara”, erzählt der Theologe in gebrochenem Deutsch. Vor seiner Einreise hat er die Sprache in einem Deutschkurs erlernt, eine Pflicht, der jeder Imam nachgehen muss.

Nach dem 15-minütigen Gebet verlasse ich nun gemeinsam mit anderen Muslimen den Gebetsraum und rieche schon beim Hinausgehen das fertige Essen, das nun serviert wird. Am heutigen Abend gibt es eine Linsensuppe, frische Bohnen mit Reis, Salat und als Nachtisch Baklava, ein sehr süßes Blätterteiggebäck, das mit Nüssen gefüllt ist. Schnell bildet sich eine lange Schlange vor der Essensausgabe, schließlich haben die Muslime, die hier sind, nun schon 17 Stunden weder getrunken noch gegessen. „Der Körper gewöhnt sich bereits nach ein bis zwei Tagen an das Fasten”, versucht Cemil Sahinöz zu erklären, dass das freiwillige Fasten immer auch mit Psychologie zu tun hat. Er muss es wissen, war Psychologie doch eines der Studienfächer des Mannes, der neben seinen Tätigkeiten als Soziologe, Autor und Journalist für die deutsche Ausgabe der türkischen Tageszeitung »Hürriyet«, auch als Mitarbeiter der Integrationsagentur des Deutschen Roten Kreuzes engagiert ist.

Mittlerweile ist auch Cemil Sahinöz mit dem Essen an der Reihe, dass der Gast von der Zeitung ebenfalls am Essen teilnimmt, ist für ihn selbstverständlich. „Die Gastfreundschaft ist für die Muslime unglaublich wichtig, bei uns ist jeder willkommen”, erklärt er, dass zum Essen auch Menschen von der Tafel oder Nachbarn der Moschee gern gesehene Gäste sind. An normalen Abenden zur Zeit des Ramadans sind 300 bis 400 Menschen in der Moschee. An diesem Freitagabend sind es weniger.

 

 

Lebendige Atmosphäre nach gemeinsamen Gebet

Mit einem gut gefüllten Tablett begebe ich mich gemeinsam mit Moscheeführer Cemil zu einem der Essensräume, wo sich bereits andere Hungrige aufhalten. Es herrscht eine lebendige Atmosphäre. Cemil erzählt mir von der Haller Moschee: „Die Moschee ist nicht nur ein Ort zum Beten, sie ist vielmehr ein Komplex, wo Gemeinschaft gelebt, Menschen gefördert und gemeinsam Zeit verbracht wird.” Seit 1988 ist die ehemalige Molkerei am Gausekampweg nun schon die Gebetsstätte der Muslime und der Ort der Zusammenkunft. Der Mann, der genauestens über die durch Spenden finanzierte Moschee informiert ist, heißt Mustafa Sahinöz, erster Vorsitzender und Organisator in der Moschee. Höher gestellt ist er dadurch nicht, „hier in der Moschee sind wir alle gleich”, verdeutlicht mir Cemil Sahinöz und nimmt einen Schluck von seinem Tee, „dem türkischen Nationalgetränk”, wie er sagt.

 

 

Spende für hilfsbedürftige Menschen

Mit seinem Wissen über den Islam und der Religion beeindruckt Cemil Sahinöz, der gerne Gäste durch die Moschee führt, immer wieder. Er erläutert die fünf Säulen des Islam, bestehend aus dem Glaubensbekenntnis, dem fünfmaligen Gebet, dem Zakat, dem Fasten während der Ramadanzeit und der Pilgerfahrt nach Mekka. Zwei Punkte greift sich der gläubige Muslim dabei besonders heraus. Das ist zum einen der Zakat und zum anderen das Ramadanfest: „Der Zakat besagt, dass Muslime jedes Jahr 2,5 Prozent ihres Vermögens für hilfsbedürftige Menschen spenden sollen, das geschieht bei den meisten Muslimen während des Ramadans. Durch die Fastenzeit im Ramadan sollen wir Muslime unsere Schwächen erfahren und Allah für all das danken, was er uns gegeben hat. Vom Fasten sind Menschen, die damit ihrer Gesundheit schaden würden, befreit.” Mittlerweile zeigt die Uhr zwanzig vor elf. Auch jetzt, nach dem gemeinsamen Essen, sind noch einige Muslime in der Moschee, trinken Tee und treffen sich zum gemeinsamen Gebet, das typischerweise nach dem Essen abgehalten wird.

„Du bist jeder Zeit wieder herzlich willkommen”, gibt mir Cemil Sahinöz zum Abschied mit auf den Weg. Ich komme gerne darauf zurück.”

 

Haller Kreisblatt 17.08.11

von Florian Gontek Halle.

http://www.haller-kreisblatt.de/hk-templates/nachrichtendetails/datum/2011/08/17/speisen-nach-sonnenuntergang/

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