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Islamfeinde im straffreien Raum

 

Verleumdung und Volksverhetzung – die Grenze zur Strafbarkeit wird überschritten. Die rechte Blogger-Szene missbraucht die Meinungsfreiheit.

 

Nach dem Anschlag in Norwegen und kurzer Verunsicherung in der islamophoben Bloggerszene ist man zum Business as usual zurück gekehrt und legt nach: Nicht nur, dass man sich nicht verbieten lassen möchte, was man unter „Islamkritik“ versteht, auch der Ton gegenüber denjenigen, die man als „Volksverräter“ einstuft, verschärft sich. Ich erhalte seither die übliche Schmähpost versehen mit dem Hinweis „Nürnberg 2.0. lässt grüßen“ – in Anspielung auf einen Internetpranger, der die Kritiker der Hetzer einschüchtern soll.

 

Brisant wird letzeres erst, wenn das Bundeskriminalamt solchem Treiben Unbedenklichkeit bescheinigt, und Verfassungsschutz und Strafverfolgungsbehörden nach den Enthüllungen dieser Zeitung über Identitäten und Organisationsstruktur der führenden Internet-Hetz-Zentrale Politically Incorrect untätig bleiben. Bisher war es – offiziell – so, dass man anders als bei islamistischen und anderen extremistischen Webaktivitäten systematische Beobachtung ablehnte. Nun ist das Argument, es fehle eine Organisationsstruktur, widerlegt. Diese ist offensichtlich; auch der Trick, sich als pro-israelisch und philosemitisch und damit „nicht rechtsextrem“ zu geben, dürfte selbst von unbedarften Betrachtern der Szene erkannt werden.

 

Schwer tun sich die Behörden weiter mit dem Konzept der Meinungsfreiheit und der Grenzziehung zur Straftat, obwohl genügend Erkenntnisse vorliegen. Sie zeigen eindeutig, wo die Grenze zu Verleumdung, übler Nachrede und Volksverhetzung überschritten wird. Seit Jahren liegen Publikationen des Zentrums für Antisemitismusforschung, aus unserem Institut und von anderen Wissenschaftlern vor, die Hilfestellung leisten. Meinen Antrag auf Untersuchung der Szene von 2008 mit mindestens 70 deutschsprachigen Blogs lehnte das Innenministerium ab.

 

Die zentrale Frage lautet: Warum stärkt man nicht Meinungs- und Pressefreiheit, indem man sie vor Missbrauch schützt? Dass die offenen Diffamierungen und suggestiven Nahelegungen durch rhetorische Fragen („Wie lange wollen wir noch warten?“) ernst zu nehmen sind, davor warnen viele Beobachter seit Jahren.

 

Nicht nur sämtliche Identitäten von PI-Autoren konnten aufgedeckt werden, auch etliche Kommentatoren sind bekannt. Spätestens seit dem Outing auf dem Blog zur Zeit der Sarrazin-Debatte liegen weitere Klarnamen und ladefähige Adressen vor: Monika Kaufmann alias epistemology, die enge Kontakte zu Jihad-Watch pflegt, Eckhardt Kiwitt alias APrisn, Roland Heinrich (RChandler), Lothar Herzog (Feuersturm), Herbert Klupp u.a. Damit muss der Verweis auf im Ausland befindliche Server als irrelevant entlarvt werden.

 

Statt jedoch die üblichen Rechtsmittel anzuwenden, überlässt man es der Politik, alte Konzepte zur Internetkontrolle und Überwachung aus der Schublade zu ziehen – gemäß dem beliebten Duktus einer polaren Debatte: Entweder müsse das Netz total (vogel-)frei sein oder total kontrolliert. Dabei ließen sich die Rechtsgrundlagen des Real Life anwenden; das diskutieren Fachblogs wie internet-law. Dass man bisher international agierende Firmen die Nutzungsregeln im virtuellen Raum mittels kommerzieller AGBs festlegen lässt, entspricht zwar neo-liberalem Denken, hat aber mit echter Freiheit wenig zu tun. Auch diese muss verteidigt werden, indem man sie vor Missbrauch schützt. Manchmal mögen einen Zweifel beschleichen, ob das wirklich so gewollt ist – etwa wenn man Diskussionen (oder Sorgen?) um angebliche Facebook-Revolutionen verfolgt.

 

Dass bei den Machern von pi-news Unrechtsbewusstsein vorhanden ist, darauf deuten regelmäßige Distanzierungsrituale von Stefan Herre bis Christine Dietrich hin. Anders liegt es im Fall des PR-Fachmannes und Machers von PI-TV Michael Stürzenberger, der als Pressesprecher von der CSU zu Die Freiheit wechselte. Sein Islamhass bekam durch den Tod seines Freundes Ralph Burkei beim Anschlag in Mumbai 2008 einen dramatischen Aufwind; er ist einer der vehementesten Verteidiger der PI-Strategie. Lächerlich ist sein Katzenjammer vom 20. September, wenn er beklagt, die Medien zitierten aus privaten Mails und hätten seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Oder gar, wenn er „diese aus dem Mittelalter entlehnte Form des „An den Pranger Stellens„“ moniert. Nichts anderes tut PI seit sieben Jahren. Nach der Veröffentlichung meiner E-Mail-Adresse im Juli 2009 erhielt ich Hasspost und Drohungen. Meine Anzeige wurde ignoriert und durch einen Kommissar vom Staatsschutz in eine Anzeige gegen mich umgemünzt, die jedoch ins Leere lief. Das nur am Rande, aber als Lehrstück in Sachen Meinungsfreiheit und doppelte Standards bemerkenswert.

 

Dr. Sabine Schiffer, FR, 01.10.2011

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