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Muslime werden in vielen europäischen Staaten aufgrund ihres Kleidungsstils oder wegen ihrer religiösen Symbole in den Bereichen Arbeitsmarkt, Bildung und Gebetsstätten diskriminiert. Zu diesem Schluss kommt ein am Dienstag von der Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) publizierter Bericht zur Diskriminierung von Muslimen in Europa.

 

Amnesty rief die europäischen Regierungen dazu auf, „sich klar von allen Ausdrucksformen von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung zu distanzieren“. Für den Bericht mit dem englischen Originaltitel „Choice and predjudice: discrimination against Muslims in Europe“ befasste sich Amnesty mit der Situation von Muslimen in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Spanien und der Schweiz und fand heraus, dass Antidiskriminierungsgesetze oft nicht umfassend genug umgesetzt werden.

 

AI Österreich: „Muslime erleben bei uns ganz genau das Gleiche“

Selbst wenn die Situation in Österreich nicht systematisch untersucht wurde, ist sich der Generalsekretär von AI Österreich, Heinz Patzelt, sicher, dass die Ergebnisse vergleichbar ausfallen würden. „Aus meiner täglichen Arbeitspraxis kann ich sagen: Muslime erleben hier ganz genau das Gleiche.“ Dabei, so Patzelt gegenüber religion.ORF.at, müsste man annehmen, dass die Situation aufgrund der rechtlichen Lage in Österreich besser sei. „Der Islam ist bei uns dem Christentum und Judentum rechtlich völlig gleichgestellt. Das wirkt sich aber kaum aus.“ Als wesentlichen Grund dafür sieht Patzelt, dass Teile der Politik aus der Diskriminierung von Muslimen „politisches Kleingeld schlagen“.

„Sprachlos, was man in Österreich alles sagen kann“

Durch den politischen Diskurs und den Umgang mit Muslimen in Österreich sieht Patzelt die Einhaltung der Menschenrechte gefährdet: „Ich bin immer wieder sprachlos, was man in Österreich alles sagen kann, ohne dass es auch nur zu einem Aufschrei kommt, seien es ‘Marokkaner-Sprüche’ oder ‘Daham statt Islam’. Die Wurschtigkeit und Pseudotoleranz ist schockierend.“ Neben der Politik sieht Patzelt vor allem Unternehmer, Vermieter und ähnliche Akteure gefordert, keinen Unterschied zwischen Muslimen und Nichtmuslimen zu machen. Sie müssten sich sagen: „Natürlich stelle ich eine Muslimin, die Kopftuch trägt ein, natürlich vermiete ich an eine muslimische Familie.“

Besonders Frauen diskriminiert

Dem Amnesty-Bericht zufolge werde besonders oft Frauen eine Anstellung verwehrt, wenn sie religiöse und kulturelle Symbole und Kleidungsstücke tragen, da deren Erscheinungsbild „Kunden missfallen könnte“ oder „einem spezifischen Firmenimage nicht entsprechen würde“. Gerade solche Argumente kennt auch Patzelt aus seiner täglichen Arbeit. Er betont: „Menschenrechte stehen nicht zur Disposition. Solche Aussagen dürfen kein Argument sein.“ Der Umstand, dass in allen untersuchten Ländern Gesetze existieren, die religiöse Diskriminierung verbieten, ändert daran laut der Menschenrechtsorganisation nichts. Patzelt erklärt, man könne gesetzlich noch nachbessern, entscheidender sei aber das Verhalten von Akteuren wie Politikern und Unternehmern.

„Auf der Prioritätenliste an erster Stelle“

Dass die Situation in Österreich nicht anders ist als in den untersuchten Ländern, bestätigt auch die Frauenreferentin der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Carla Amina Baghajati, im Gespräch mit religion.ORF.at. „Auf der Prioritätenliste der unter muslimischen Frauen diskutierten Themen ist die Diskriminierung am Arbeitsplatz an erster Stelle.“ Gerade junge, in Österreich aufgewachsene Frauen seien mit einem Wiederspruch konfrontiert. „Immer wieder wird angezweifelt, ob muslimische Frauen wirklich gleichberechtigt sind. Diese jungen Frauen erleben aber, dass sie, obwohl sie eine gute Ausbildung haben und am Arbeitsmarkt Fuß fassen wollen, nicht teilhaben dürfen.“

„Je normaler, desto besser“

„Diese Situation zu ändern ist wohl ein Prozess, der länger dauern wird. Gerade Arbeitgeber von staatlicher Seite her könnten durch die Anstellung von Frauen, die Kopftuch tragen, etwas bewirken.“ Baghajati betont, dass Bewusstseinsbildung ein wichtiger Faktor sei: „Dann würde man Frauen mit Kopftuch in Zukunft vielleicht auch vermehrt an Supermarktkassen, als Straßenbahnfahrerinnen oder am Schalter beim Behördengang antreffen.“ Auch bei AI Österreich sieht man hier Chancen. „Je normaler und üblicher es wird, Muslimen im Alltag zu begegnen, desto eher kommt es zu Toleranz statt Diskriminierung“, so Patzelt.

Frankreich: „Religions- und Glaubensfreiheit eingeschränkt“

Aber auch gesetzliche Hürden, die es in dieser Form in Österreich nicht gibt, kreidet AI an. Amnesty International kritisiert in dem Bericht auch das seit 2004 in Frankreich geltenden Kopftuchverbot an Schulen: Die Behörden würden argumentieren, die Regelung diene der Stärkung der Säkularisierung im Bildungswesen, in Wirklichkeit werde dadurch jedoch die Meinungsäußerungs- sowie die Religions- und Glaubensfreiheit eingeschränkt. Da Letzteres schwerer wiege als die Unabhängigkeit von Staat und Kirche, ist solch ein Vorgehen im Rahmen der Menschenrechtsgesetzgebung für die NGO nicht gerechtfertigt.

„Islam akzeptabel, solange er nicht allzu sichtbar ist“

„In vielen Ländern Europas ist die Ansicht weit verbreitet, dass der Islam akzeptabel ist, solange Muslime nicht allzu sichtbar sind“, beklagte Marco Perolini, der bei AI für Fragen der Diskriminierung zuständig ist. Die Politik sei in der Pflicht, solchen Einstellungen entgegenzutreten. Denn: „Religiöse und kulturelle Symbole zu tragen, gehört zum Recht des Menschen auf freie Meinungsäußerung.“ Der Bericht legt laut Amnesty zahlreiche Fälle von Diskriminierung offen. „Muslime werden dafür verantwortlich gemacht, was im Nahen Osten und in Nordafrika passiert“, erzählt etwa ein Muslim, der in der Schweiz lebt. Deshalb seien sie häufig direkten Anschuldigungen auf der Straße, aber auch versteckter Diskriminierung ausgesetzt.

Schweiz: Bauverbot für Minarette

Das Recht, Stätten der Religionsausübung zu errichten, werde ebenfalls in verschiedenen europäischen Ländern eingeschränkt. Beispiel dafür sei das seit November 2009 in der Schweiz geltende Bauverbot für Minarette. Obwohl sogar die Schweizer Regierung vor der Volksabstimmung über das Bauverbot darauf hingewiesen hatte, das Gesetz würde das Diskriminierungsverbot in der Menschenrechtsgesetzgebung verletzen, hat es heute Verfassungsrang. Der Bau von Moscheen und Minaretten führte auch in Österreich immer wieder zu Konflikten und etwa in Kärnten und Vorarlberg auch zu bestimmten Regelungen in der Bauordnung. Patzelt von AI Österreich meint dazu: „Wer tatsächlich meint, ein Minarett dürfe nicht gleich hoch sein wie jede Kirche, Synagoge, Stupa oder Sonstiges, nimmt Menschenrechte nicht ernst.“

 

(religion.ORF.at/Astrid Mattes/Johanna Grillmayer/APA/DPA)

 

 

Links:

Zum Bericht (englisch)

OSZE: Schweiz soll Dachorganisation für Muslime fördern-

 

  • Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sieht in der Schweiz eine Zunahme der Diskriminierung von Muslimen. Sie empfiehlt der Schweiz deshalb in einem Bericht, die Bildung einer Dachorganisation für Muslime zu fördern. Ein muslimisches Parlament ist derzeit in Planung.

Links im MISAWA-Forum zum Thema:

Antidiskriminierungsstelle: Menschen mit Migrationshintergrund fühlen sich häufiger benachteiligt

Bearbeitet von yilmaz
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Amnesty-Bericht

 

DISKRIMINIERUNG VON MUSLIMINNEN UND MUSLIMEN IN EUROPA

 

 

In europäischen Ländern werden Vorurteile und Ängste gegenüber muslimischen Mitmenschen bewusst geschürt und für politische Zwecke instrumentalisiert: Zu dieser Feststellung gelangt Amnesty International in einem neuen Bericht, der am Dienstag, 24. April veröffentlicht wird. Manche Parteien gehen mit stereotypen Aussagen über eine facettenreiche Religion auf Stimmenfang. Regierungen wiederum sind mehr und mehr bereit, auf die gezielt angeheizte fremdenfeindliche Stimmung in der Bevölkerung mit diskriminierenden Gesetzen zu reagieren.

 

«Auf der Strasse werde ich angepöbelt oder muss unangenehme Kommentare einstecken. Kürzlich hat mich ein Mann angeschrien, ich solle das Leintuch runternehmen, das ich da auf meinem Kopf trage. Ich bin in der Schweiz aufgewachsen und fühle mich hier zuhause. Ich weiss nicht, woher andere Mitbürger das Recht nehmen, mich so zu behandeln.» P., Muslimin im Tessin

 

Der Bericht «Choice and prejudice: discrimination against Muslims in Europe» (Titel der deutschen Kurzfassung: «Selbstbestimmung statt Vorurteile») beleuchtet die Situation in Belgien, Frankreich, den Niederlanden, Spanien und der Schweiz. Er zeigt anhand zahlreicher Einzelbeispiele auf, wie Musliminnen und Muslime aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit oder ihres Glaubens diskriminiert werden, vor allem wenn sie diesen durch bestimmte Kleidungsstücke, religiöse oder kulturelle Symbole zum Ausdruck bringen. Die Diskriminierung betrifft namentlich die Chancen auf dem Arbeitsmarkt und den Zugang zum Bildungswesen sowie die Errichtung von Gebetsräumen und Moscheen.

 

«Muslimische Frauen erhalten Jobs nicht und Mädchen dürfen reguläre Schulen nicht besuchen, weil sie traditionelle Kleidungsstücke tragen, zum Beispiel ein Kopftuch. Männer können entlassen werden, wenn sie einen Bart tragen, der als islamisch wahrgenommen wird», sagte Marco Perolini, Experte für Diskriminierungsfragen von Amnesty International. «Das Tragen von religiösen oder kulturellen Symbolen und Kleidern ist jedoch Teil des Rechts auf freie Meinungsäusserung und der Religions- und Glaubensfreiheit.»

 

Namentlich in der Arbeitswelt werden bestehende Antidiskriminierungsgesetze gemäss dem Bericht oft nicht konsequent umgesetzt: Beispiele aus Belgien, Frankreich und den Niederlanden etwa zeigen, dass Arbeitgebern das Recht zugestanden wird, das Tragen religiöser oder kultureller Symbole in diskriminierender Weise zu verbieten, weil dies Kunden oder Arbeitskollegen stören könnte oder mit dem Image oder der «Neutralität» der Firma angeblich nicht vereinbar ist.

 

Solche Praktiken widersprechen der Antidiskriminierungsgesetzgebung der Europäischen Union (EU), die Abweichungen vom Gleichbehandlungsgrundsatz in der Arbeitswelt nur dann zulässt, wenn der besondere Charakter einer bestimmten Beschäftigung, die Sicherheit oder der Gesundheitsschutz dies erfordern.

 

Während die EU-Gesetzgebung zur Nichtdiskriminierung auf dem Arbeitsmarkt in der Praxis also nur lückenhaft greift, ist die Schweizer Gesetzgebung diesbezüglich an sich noch sehr unterentwickelt: Die Schweiz kennt bisher weder ein allgemeines Antidiskriminierungsgesetz, noch eine klare Definition verschiedener Formen der direkten und indirekten Diskriminierung, noch wirkungsvolle Präventionsmechanismen.

 

Im Bildungsbereich leiden vor allem Mädchen unter diskriminierenden Kleidervorschriften. Wer ein Kopftuch trägt, riskiert die Schule wechseln oder die Ausbildung sogar abbrechen zu müssen.

«Einschränkungen bezüglich des Tragens von religiösen oder kulturellen Symbolen und Kleidungstücken in Schulen können unter gewissen Umständen gerechtfertigt sein, es braucht aber immer eine sorgfältige Prüfung des einzelnen Falls», erläuterte Marco Perolini. Rechtfertigungsgründe können etwa der Schutz der Mädchen vor dem Druck ihrer Kameraden oder demjenigen ihrer Gemeinschaft sein. Generelle Verbote dagegen können das Recht muslimischer Mädchen auf Bildung sowie ihre Meinungs- und Glaubensfreiheit verletzen.

 

Das Recht, Stätten zur Religionsausübung zu errichten, ist eine weitere zentrale Komponente der Religions- und Glaubensfreiheit. Es wird in verschiedenen europäischen Ländern eingeschränkt. Dies gilt auch für die Schweiz, wo nach einer Volksabstimmung Ende November 2009 ein explizites Verbot, Minarette zu bauen, in die Verfassung aufgenommen wurde. Gerade dieses Beispiel zeigt, wie politische Parteien Vorurteile und Stereotype für ihre Zwecke instrumentalisieren.

 

Amnesty International ruft die europäischen Regierungen und PolitikerInnen aller Parteien dazu auf, den politischen Missbrauch von Vorurteilen zu bekämpfen, sich klar von allen Ausdrucksformen von Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Diskriminierung zu distanzieren, und Gesetze einzuführen und effektiv umzusetzen, die jegliche Form von Diskriminierung wirksam verbieten. Weiter empfiehlt die Menschenrechtsorganisation, geeignete unabhängige Instanzen zu schaffen mit dem Auftrag, die Anwendung von Antidiskriminierungsmassnahmen zu überwachen, Diskriminierungsfälle zu dokumentieren und Opfer von Diskriminierung zu beraten und zu unterstützen.

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KRM-Pressemiteilung

Köln, 26.04.2012

„Selbstbestimmung statt Vorurteile“

 

Allein schon mit der Überschrift fasst Amnesty International in ihrem Bericht „Selbstbestimmung statt Vorurteile“ von April 2012 so ziemlich alle Forderungen muslimischer Verbände treffend zusammen, erklärt der Sprecher des Koordinierungsrats der Muslime (KRM) Ali Kızılkaya.

 

„Musliminnen und Muslime möchten ihr Leben, wie Jeder andere auch, in Selbstbestimmung gestalten und sich nicht durch unverhältnismäßige, gesetzliche Einschränkungen und Diskriminierungspraktiken Einzelner in ihren persönlichen Freiheiten einengen lassen“.

 

Der KRM teilt die im Bericht von Amnesty International geäußerten Darstellungen über die Diskriminierungen am Arbeitsplatz und im Bildungswesen mit großer Sorge, denn gerade hier wird eine strukturelle Diskriminierung von Menschen muslimischen Glaubens deutlich. Der KRM Sprecher fordert die Politik auf, dagegen zu wirken. Sie sei diesbezüglich in der Pflicht. Aussagen von Politikern, dass der Islam nicht zu Deutschland gehöre, seien dafür exemplarisch. Derartige Aussagen zementiertieren und fördern das Fortbestehen solcher Diskriminierungsformen und machen sie darüber hinaus gesellschaftsfähig.

 

Dazu erhofft sich Kızılkaya von öffentlichen Medien einen Beitrag zur Aufklärung des vorurteilsbehafteten Bildes von Muslimen in Medien und Gesellschaft.

 

„In diesem Sinne begrüße ich die Berichterstattung von Amnesty International, weil es zeigt, dass die Problematik nicht allein von Muslimen und ihren Einrichtungen, sondern ebenfalls von anderen Akteuren wahrgenommen wird.“, so Kızılkaya abschließend.

Der Koordinationsrat der Muslime wurde im März 2007 von den vier großen Dachverbänden DITIB, VIKZ, Islamrat und ZMD gegründet. Er organisiert die Vertretung der Muslime in Deutschland und ist Ansprechpartner für Politik und Gesellschaft.

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