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Facebook bekommt Konkurrenz: In Istanbul entwickelt ein Team das islamische Netzwerk Salamworld, unterstützt wird es von finanzstarken Investoren. Anfang August soll das Portal online gehen, das Ziel sind 150 Millionen Nutzer. Ein Besuch im Hauptsitz des Unternehmens.

Die muslimische Konkurrenz zu Facebook residiert versteckt hinter hohen Bäumen am Ende einer holprigen Schotterpiste. Nur ein großer Schriftzug und drei Sicherheitsleute am Eingangstor weisen darauf hin, dass hinter der hellen Fassade der Villa in Istanbul Programmierer und Marketingexperten daran arbeiten, das Internet zu verändern.

 

Im Untergeschoss des Luxusbaus sitzt Ahmad Azimov, 34, stellvertretender Geschäftsführer von Salamworld, am Schreibtisch. Mit einer Hand spielt er an seiner silbernen Armbanduhr, der Blick schweift immer wieder ab auf eines der beiden Handys, die vor ihm auf dem Schreibtisch liegen. Seine Aufgabe ist zeitintensiv und ambitioniert: Er will Salamworld zu einem der größten sozialen Netzwerke der Welt aufbauen.

Vorsichtig beginnt Azimov in holprigem Englisch zu sprechen, doch nach wenigen Worten bricht er ab, blickt mitten im Satz zu einer Mitarbeiterin und wechselt ins Russische. Auch wenn er ein internationaler Geschäftsmann ist - bevor Unklarheiten entstehen könnten, redet er lieber in seiner Muttersprache weiter. Sie übersetzt nun ins Englische. Wie alle Mitarbeiterinnen trägt sie ein Kopftuch.

 

Investitionen in Millionenhöhe

Im August vergangenen Jahres gründete der kasachische Unternehmer Abdul Wahid Nijasow zusammen mit weiteren Finanziers das Unternehmen. Innerhalb weniger Monate wurden mehr als 50 Millionen Dollar investiert. Nijasow und sein Stellvertreter Azimov reisen seitdem in der Welt herum, präsentieren ihr Projekt Politikern und muslimischen Würdenträgern. Zuletzt waren sie in Indien, dem Land, das nach Indonesien und Pakistan die drittgrößte muslimische Bevölkerung aufweist. "Ein großer Markt, der vor allem in den nächsten Jahren wichtig für uns wird", sagt Azimov.

 

Doch ist dieser Markt mit Facebook, MySpace und Co. nicht schon gesättigt? "Wir versuchen mit dem Projekt eine Lücke im Internet zu schließen. Viele Menschen, die islamische Werte im Leben akzeptieren, können keinen komfortablen und interessanten Ort für sich im Internet finden." Weltweit leben mehr als 1,7 Milliarden Muslime, die Hälfte davon ist jünger als 25 Jahre. Azimov ist überzeugt, dass Salamworld eine Antwort auf die alltäglichen Bedürfnisse vieler Muslime sein wird: "Muslime brauchen ihren eigenen Raum im Internet."

 

Bislang haben sich mehr als 100.000 Nutzer vorregistriert - für Azimov Bestätigung genug, wie erfolgreich die Plattform sein wird. Und die Garantie, dass weiterhin finanzkräftige Unternehmer in das Projekt investieren werden. Schließlich geht es hier nicht zuletzt ums Geldverdienen.

 

"Wir werden einen Zufluchtsort bieten"

Die Zentrale von Salamworld liegt auf einem grünen Hügel im Istanbuler Stadtteil Ortaköy. Straßenlärm und Vogelgezwitscher dringen durch die geöffnete Terrassentür in Azimovs Büro. Die Lage ist exklusiv, über mehrere Kilometer erstrecken sich hier die Villenviertel Istanbuls. Unten, am Fuß des Hangs, liegt direkt am Bosporus der Promiclub Reina. Doch Azimov blickt auf die Brücke vor ihm. Aufgestützt auf meterhohen Betonpfeilern führt wenige Meter am Grundstück die Schnellstraße vorbei, die Europa und Asien verbindet. Hier trennt die beiden Kontinente nur der mehrere hundert Meter breite Bosporus.

 

"Es war das Ziel, unser Büro nah an der Brücke zu haben", sagt Azimov. Er spricht von der Bedeutung, die dieses Bauwerk habe: Die Brücke stehe für die Verbindung zweier Welten, und Salamworld habe das Ziel, Unterschiede in Gesellschaften durch Diskussionen zu klären. Deswegen der Name Salamworld - "Salam" ist arabisch und bedeutet "Frieden". Salamworld, eine friedliche Welt.

 

Trotz des pazifistischen Namens blieben Vorbehalte von Kritikern nicht aus. Wie so oft bei islamischen Projekten. "Dabei sind islamische Werte in keiner Art und Weise im Widerspruch zu humanitären Werten. Es ist eine Minderheit, die diese Werte fürchtet. Die Mehrheit akzeptiert und versteht sie", sagt Azimov. Der Erfolg des alternativen Netzwerks werde die Kritiker zum Schweigen bringen, so die Hoffnung des Russen: "Ich glaube, wir werden mit Salamworld einen Zufluchtsort bieten, fernab der widerlichen Diskussionen, die es umgeben."

 

Filter soll anstößige Inhalte zensieren

Viele Berichte und Artikel im Netz sehen in Salamworld ein muslimisches Facebook. "Wir sind aber keine Konkurrenz zu Facebook, sondern eine zivilisierte Alternative", sagt Azimov. Vor allem in den Funktionen werde sich Salamworld vom Marktführer unterscheiden.

 

Es soll einen Online-Städteführer geben, der auf Moscheen hinweise; einen Reiseservice, der Muslime bei der Organisation der Hadsch, der Pilgerfahrt nach Mekka, unterstütze, und eine Online-Beratung namens "Frag den Imam".

Die "zivilisierte Alternative" soll auch durch Zensur sichergestellt werden: Inhalte, die nach islamischem Recht verboten sind, werden gesperrt. Keine Nacktbilder, keine anstößigen Videos, auch keine extremistischen Kommentare. Verhindert werden soll das durch einen speziellen Filter. "Alles, was den islamischen Werten widerspricht, wird geblockt", sagt Azimov entschieden. "Sollte etwas nicht von allen Nutzern zu akzeptieren sein, hat es hier keinen Platz."

 

Salam steht eben für Frieden - nicht für Freiheit.

Spiegel.de

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