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Mi, 28. Jan. 2009

"Demokratie" Fremdwort für Islam-Lehrer:

Uni-Studie belegt "fanatische Haltungen"

 

Reaktion: Bildungsministerium fordert einen Bericht 37 % der Lehrer ohne entsprechende Ausbildung

 

Kein gutes Zeugnis in Sachen Demokratiepolitik stellt laut einem Vorab-Bericht des "Falter" eine Studie muslimischen Lehrern in Österreich aus: 21,9 Prozent gaben demnach in einer Umfrage unter 210 Lehrern an, die Demokratie abzulehnen, weil sie sich nicht mit dem Islam vereinbaren lasse. 22,6 Prozent werden "fanatische Haltungen" attestiert. Und insgesamt 77,2 Prozent der Befragten sehen sich "als Teil der österreichischen Gesellschaft", 4,5 Prozent, antworteten, dies treffe gar nicht zu.

Mouhanad Khorchide, Autor der Dissertation "Der Islamische Religionsunterricht zwischen Integration und Parallelgesellschaft" am Islamischen Religionspädagogischen Institut der Uni Wien und laut "Falter" selbst Imam und Religionslehrer, sieht darin ein Zeichen, dass sich in der Vergangenheit niemand ernsthaft um den Unterricht kümmerte. Zudem forderte er die zuständigen Ministerien auf, für moderne Qualitätsstandards im im islamischen Religionsunterricht zu sorgen. Im Ö1-"Morgenjournal" schockierte er außerdem mit der Zahl 37. Soviel Prozent der Islam-Lehrer hätten weder eine theologische noch eine pädagogische Ausbildung.

Reaktion folgt prompt

Auf die Forderung Khorchides wurde sofort reagiert. Das Bildungsministerium forderte noch am selben Tag einen "umfassenden Tätigkeitsbericht" über die Arbeit der acht Fach-Inspektoren für den islamischen Religionsunterricht. Vorliegen soll dieser bis 12. Februar, hieß es in einer Aussendung des Ministeriums. Außerdem kündigte Ressortchefin Claudia Schmied an, ein Gespräch mit dem Vorsitzenden der islamischen Glaubensgemeinschaft, Anas Shakfeh, suchen zu wollen.

Dieser bezeichnet die Ergebnisse der Studie im "Falter" als "nicht in Ordnung". Allerdings: Solange es sich um Privatmeinungen handle, habe "ich nichts damit zu tun". Bei Äußerungen im Unterricht, die gegen das Gesetz und die Linie der Glaubensgemeinschaft verstoßen, könne er aber Entlassungen aussprechen. Dass die Gesinnung der Kinder grundlegend von antidemokratischen Haltungen beeinflusst werden könnte, glaubt er eher nicht: "Das setzt voraus, dass diese Personen große Denker sind, damit sie die Kinder subtil manipulieren können. Ich glaube nicht, dass wir solche Lehrer haben."

Alarmglocken bei den Parteien

Durchwegs alarmiert haben die heimischen Parteien die Demokratie-Defizite bei Islam-Lehrern reagiert. Die ÖVP Wien sah die Islamische Glaubensgemeinschaft und ihren Präsidenten Anas Shakfeh gefordert, das BZÖ zeigte sich entsetzt über eine "gefährliche Subgesellschaft", und die Grünen riefen nach einer "besseren Aufsicht" über die Religionslehrer, "dort, wo es Probleme gibt".

"Fanatische Haltungen"

Khorchide führte seine Umfrage im Jahr 2007 durch und kam dabei zu dem Schluss, dass 22,6 Prozent der Lehrer "fanatische Haltungen" einnähmen, wobei die Ablehnung rechtsstaatlicher Prinzipien mit höherem Alter der Befragten steige.

Weitere Details, wobei bei der Zustimmung jeweils die Antworten "trifft zu" und "trifft eher zu" addiert wurden: 8,5 Prozent bezeichnen es als "verständlich, wenn Gewalt zur Verbreitung des Islam angewendet wird". 28,4 Prozent sehen einen Widerspruch darin, Muslim und Europäer zu sein; 44 Prozent finden, sie müssten ihre "Schüler befähigen, zu erkennen, dass sie, weil sie Muslime sind, besser als ihre Mitschüler sind".

(apa/red)

 

 

 

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[TR]

[TD]

"Initiative Liberaler Muslime Österreich – ILMÖ"

Wien, 31.1.2009

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[TR]

[TD]Studie-Khorchide alarmierend

Rücktritt Schakfeh gefordert

1. Da die Studie des Soziologen Mouhanad Khorchide über die Islamlehrer in den österreichischen Schulen wissenschaftlich fundiert ist und von IGGiÖ-Präsidenten Anas Schakfeh selbst die Fragebögen genehmigt wurden, zeigt diese Studie Authentizität und ist eine sachlich fundierte Bestandsaufnahme über die Missstände bei den Islamischen Religionslehrern in Österreich. Die verantwortlichen Stellen, die Landesschulräte in den Bundesländern, das Kultusamt und die zuständige Unterrichtsministerin haben ihre Aufsichtspflicht verletzt und müssen die Verantwortung dafür tragen.

2. Daher müssen alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden und fordern wir wegen der gescheiterten Kontrolle der Islamlehrer die Suspendierung und Entlassung von Anas Schakfeh als verantwortlicher Präsident und Chefinspektor gemeinsam mit seinen Fachschulinspektoren

3. Es müssen Islamische Religionslehrer in den Schulen gleichbehandelt werden wie andere österreichische Lehrer. Man muss von ihnen auch den Nachweis einer Universitätsausbildung, sehr gute Deutschkenntnisse und Pädagogische Befähigung verlangen. Haben sie diese Ausbildung nicht, dürfen sie auch nicht die Kinder von heute und Eltern von morgen unterrichten.

4. Die Islamischen Religionslehrer müssen direkt unter die Verantwortung des Unterrichts-Ministeriums und Landesschulrates wie alle anderen österreichischen Lehrer gestellt werden. Die Bestellung der Islamischen Religionslehrer muss durch die Schulbehörden und darf nicht durch die Islamische Glaubensgemeinschaft erfolgen. Dazu gehören auch verstärkte Kontrollen des Islamunterrichtes in den Schulen sowie der Unterricht in allen Moscheen. Das hat nichts mit den „inneren Angelegenheiten“ der Islamischen Glaubensgemeinschaft zu tun.

5. Wir haben mehrmals gesagt und hat sich unsere Einstellung bewahrheitet. Es ist im Interesse des Islam und von Österreich, dass die muslimischen Kinder eine niveauvolle demokratische Erziehung erhalten und die Menschenrechte und Toleranz nach den europäischen Werten beachtet werden.

6. Man kann von Islamischen Religionslehrern kein Verständnis für Demokratie und Menschen-rechte verlangen, da viele gar nicht Matura und die österreichische Staatsbürgerschaft haben sowie aus einem völlig anderen Kulturkreis kommen, sodass sie auch nicht unser Rechts- und Wertesystem akzeptieren, was wiederum den Aufbau einer Islamischen Parallelgesellschaft begünstigt.

7. Wir fordern daher ein klares Bekenntnis aller muslimischen Religionslehrer zur Trennung von Staat und Religion sowie zum demokratischen friedlichen Zusammenleben mit anderen..

8. Diese wissenschaftliche Studie hat die schwerwiegenden Mängel bei den etwa 400 Islamlehrern aufgezeigt. Die Steuerzahler bezahlen rund eine halbe Million Euro monatlich für den Islamunterricht, das sind 6 Millionen Euro jedes Jahr. Dazu kommen die verschiedenen Subventionen in Österreich und die Spenden der arabischen Staaten in Millionenhöhe.

9. Man kann von den Islamischen Religionslehrern nicht erwarten, dass diese für die Demokratie und Integration der Muslime eintreten, da die Islamische Glaubensgemeinschaft seit 20 Jahren selbst eine undemokratische Verfassung und Organe hat welche keine Demokratie zulassen.

Wir fordern daher die sofortige Auflösung der IGGiÖ-Organe und Bestellung eines Kurators für die Islamische Glaubensgemeinschaft und eine neue einfache demokratische Strukturierung der IGGiÖ ohne Verschachtelungen im Sinne des österreichischen Vereinsgesetzes, was auch für Körperschaften Öffentlichen Rechts wie Religionsgesellschaften zulässig ist.

10. Die Islamische Glaubensgemeinschaft ist eine österreichische Erfindung und gibt es nicht einmal in den Islamischen Ländern. Das Islamgesetz von 1912 ist nicht mehr zeitgemäß, sodass es geändert werden muss.

11. Die Islamische Glaubensgemeinschaft hat weniger als 300 Mitglieder und vertritt die Mehrheit der etwa 500.000 Muslime in Österreich nicht.

12. Wir verlangen den sofortigen Rücktritt des Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft Anas Schakfeh weil er total versagt hat und er dem Islam und den Muslimen sowie unserer wahren europäischen Heimat Österreich geschadet hat.

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Wie Fanatiker konstruiert werden

 

GASTKOMMENTAR VON HENRIK KREUTZ (Die Presse)

 

Quick and dirty – die Logik des gerade gescheiterten Finanzmanagements für die neue österreichische Schulpolitik. Der erste Streich: die Kampagne gegen die „Islamlehrer“.

 

In der Schulpolitik lässt sich eine fragwürdige Strategie feststellen: die Begründung problematischer politischer Maßnahmen durch ungesicherte Ergebnisse der soziologischen Forschung, garniert mit einigen spektakulär aufbereiteten Einzelfällen.

 

Ein solches Beispiel ist die Kampagne gegen die sogenannten „Islamlehrer“. Den Ausgangspunkt für kürzlich erfolgte Eingriffe des Unterrichtsministeriums zur Reorganisation des islamischen Religionsunterrichts an Österreichs Schulen bildete die Dissertation von Dr. Mouhanad Khorchide. „Die Presse“ hat ausgewählten Ergebnissen dieser Studie am 28.Jänner sogar ihre ganze erste Seite gewidmet. Dabei werden in der Schlagzeile die „Islamlehrer als Problemfall“ pauschal abqualifiziert. Hierbei wird unter anderem behauptet, dass 22% von ihnen die Demokratie als mit dem Islam unvereinbar ablehnten. Dazu wird versichert, diese Daten stammten aus einer „sorgfältig durchgeführten“ Erhebung. Als selbstverständlich wird unterstellt, dass die Studie repräsentativ sei.

 

 

 

Keine repräsentative Umfrage

 

Die genaue methodologische Überprüfung zeigt nun, dass die Daten aus einer explorativen Arbeit eines jungen Dissertanten stammen, die in keiner Weise allgemeine Aussagen über „die Islamlehrer“ gestattet.

 

Die empirische Erhebung ist nicht repräsentativ. Sie erfasst nur etwa 80% der Teilnehmer an einer einzigen Veranstaltung des Verbandes der islamischen Religionslehrer in Wien. Dementsprechend sind nur 15% der befragten Lehrkräfte nicht aus Wien oder Niederösterreich, obwohl 50% der islamischen Schüler in diesen anderen Bundesländern zur Schule gehen. Es handelt sich um eine willkürliche Auswahl von Befragten, keine Rede von einer Wahrscheinlichkeitsstichprobe, nicht einmal eine Quotenauswahl liegt vor. Hochrechnungen auf die Gesamtheit der islamischen Lehrerschaft sind nicht möglich. Damit fehlt jede Grundlage für die Verallgemeinerung der Ergebnisse.

 

Die Erhebung ist mit einem voll standardisierten Fragebogen schriftlich durchgeführt worden. Die Fragen, die sich auf die politische und gesellschaftliche Integration beziehen, sind eindeutig suggestiv. So werden z. B. in 19 der 30 Vorgaben radikale islamistische Positionen zur Diskussion gestellt. 18 dieser Vorgaben sind so formuliert, dass eine Zustimmung zu radikalen Positionen direkt suggeriert wird. Liberale islamische Positionen, die es durchaus auch gibt, werden dagegen nicht thematisiert.

 

Diese fast durchgehend radikalen Behauptungen werden mit einheitlichen und schematischen Antwortvorgaben verbunden: „trifft sehr zu – trifft eher schon zu – trifft eher nicht zu – trifft gar nicht zu“.. Auf dieser Grundlage wurde nun z.B. in den Medien kolportiert, dass 15% der „Islamlehrer“ die österreichische Verfassung ablehnen würden. Tatsache ist aber, dass eine uneingeschränkte Ablehnung nur vier Prozent geäußert haben, die restlichen elf Prozent hier aber selbst Einschränkungen machen. Es wäre notwendig gewesen, genau diesen Vorbehalten nachzugehen. Dies ist leider nicht geschehen. An die Stelle dessen tritt die vergröbernde pauschale Verurteilung.

 

 

Rituale bedeuten nicht Fanatismus

 

Der Autor konstruiert eine Reihe von abstrakten Dimensionen, die das Ausmaß und die Art und Weise der Integration in die Gesellschaft und ihr politisches und rechtliches System charakterisieren sollen. Eine dieser Dimensionen nennt er „Religiösen Fanatismus“ (vgl. dazu auch den Beitrag von Professor Dr. Hopmann am 31.Jänner in dieser Zeitung). Da die überwiegende Mehrheit der muslimischen Lehrkräfte alle extremistischen Positionen ablehnt, ergeben sich einseitig ablehnende Antwortverteilungen, die sich für die Faktorenanalyse nicht eignen.Daher konstruiert der Autor einen Index aus zwei Fragen und teilt damit die Befragten schlicht in nur zwei Gruppen, nämlich „Fanatische“ und „Nichtfanatische“.

 

Eine dieser beiden Fragen trifft zweifellos religiösen Fanatismus. Die Lehrkraft wurde hierbei gebeten anzugeben, ob sie „Verständnis dafür“ hätte, „wenn Muslime, die vom Islam abgefallen sind, mit dem Tod bestraft werden“. Die andere Frage richtet sich auf die Häufigkeit der täglichen Gebete. Diese erfasst ganz eindeutig Ritualismus und nicht Fanatismus. Dadurch, dass er die beiden Fragen ganz unterschiedlichen Inhalts aber zusammenfasst, erhöht der Autor den Anteil der überzeugten Fanatiker von 8,6 Prozent, die „volles Verständnis“ für die Todesstrafe hätten, auf 22,6% „Fanatiker“. Zu diesem Prozentsatz von fast 23% „Fanatischen“ kommt der Autor also nur dadurch, dass er auch einen Teil derjenigen Befragten den „Fanatikern“ zurechnet, die eine oder sogar beide Vorgaben eher oder zur Gänze abgelehnt haben. Damit dreht er aber den Befragten, die so geantwortet haben, das Wort im Munde um und erzeugt so „Fanatiker“, die es in Wirklichkeit nicht gibt.

 

Das Grundübel der Studie besteht aber darin, dass sie eine Minderheit herausgreift, auf jeden Vergleich verzichtet und absolute Urteile fällt, die diese Minorität diskriminieren. Wenn wir muslimische Lehrkräfte beurteilen wollen, dann brauchen wir einen Vergleichsmaßstab. Der Autor hätte die Möglichkeit gehabt, seine Erhebung in einen direkten Vergleich zu einer großen Studie bei 4000 christlichen Religionspädagogen in Baden-Württemberg zu setzen, die ein Jahr zuvor publiziert worden ist (A.Feige & W. Tzseetzsch, 2005, Christlicher Religionsunterricht im religionsneutralen Staat, Ostfildern). Er hat diese Chance vertan und damit einen gravierenden Kunstfehler begangen.

 

Einige Fragen sind aber in beiden Studien in etwa vergleichbar. So erklärten z.B. 61% der islamischen Religionslehrer es als sehr vorrangig, in ihrem Religionsunterricht „Verständnis für die Sicht Andersgläubiger (zu) fördern“. Von den katholischen Religionspädagogen in Deutschland waren es dagegen nur 16%, von den evangelischen 21%.

 

Die Behauptung, dass islamische Religionslehrer intolerant und fanatisch wären, kann man als falsche Anschuldigung zurückweisen. Der Vergleich der Ergebnisse von vier weiteren Fragen, auf die hier nicht eingegangen werden kann, bestätigt dies.

 

Erst ein solcher Vergleich ermöglicht ein gesichertes Urteil. Setzt man die Werte, die sich auf eine Minderheit beziehen, ohne jeden Vergleich absolut, dann leistet man nur der Unduldsamkeit Vorschub.

 

Es ist nicht möglich, auf alle Probleme der Studie hier einzugehen, nur noch ein weiteres, sehr bezeichnendes Detail: Durch den österreichischen Blätterwald ist der fanatische und terroristische „Islamlehrer“ geritten. Selbstverständlich – wie könnte es anders sein – nur in seiner männlichen Inkarnation. Dabei sind 56% der von Dr. Khorchide befragten Lehrkräfte weiblich, und im Vergleich orientieren sich gemäß seinen Ergebnissen die Lehrerinnen etwas stärker an den traditional bestimmten islamischen Haltungen als ihre männlichen Kollegen.

 

 

 

Nachteile für die Wissenschaft

 

Abschließend sei noch auf eine sehr unerfreuliche Konsequenz des geschilderten Missbrauchs der Forschung für den Weiterbestand der „Offenen Gesellschaft“ hingewiesen. Die geschilderte Befragung wurde unter Zusicherung der persönlichen Anonymität jedes Einzelnen durchgeführt. Was nützt aber das Einhalten dieser Zusicherung, wenn gleichzeitig jedem Einzelnen als Mitglied seiner Minorität Nachteile aus einer solchen Art der Verwendung der Forschungsergebnisse erwachsen? Das negative Image von „Islamlehrern“ wurde so geschaffen oder zumindest verstärkt. Den Schaden hat der kooperative Befragte, aber auch die empirische Forschung. Denn konnte man bei Wahrscheinlichkeitsstichproben in Österreich in den 60er-Jahren noch Rücklaufquoten von 80% erzielen, so muss man sich heute mit 25% begnügen. Auch die kommerzielle Meinungsforschung bekommt dies negativ zu spüren. Eben deshalb ist die Methodensektion der ÖGS angehalten, den massiven Kunstfehlern in der empirischen Forschung entgegenzutreten.

 

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.03.2009)

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Reformer Khorchide front-runner for key German Islam post

 

Muenster, Germany - A reform-minded academic, Mouhanad Khorchide, has topped a shortlist to take on Germany's sole Islamic theology professorship, at the University of Muenster, a state education official said Monday. Khorchide, 38, born in Lebanon of Palestinian parents, is currently a lecturer on education in the Viennese capital, Austria. He triggered controversy among Muslims in 2007 with his doctoral thesis.

 

The University of Muenster trains schoolteachers to give Islam classes. It is Germany's sole university to currently have a professorship that is reserved to a Muslim.

 

The state of North Rhine Westphalia is currently speaking with mosque associations in the state to see if Khorchide, who is also a part-time imam, would be acceptable to the Muslim community, a spokesman in Dusseldorf said. They have a right to be consulted.

 

The new appointee is to effectively replace the university's first Islamic professor, Muhammad Sven Kalisch, a German-born convert.

 

Muslim associations said they had no confidence in Kalisch after he wrote that there is no independent evidence that the Prophet Mohammed existed in the historical past as a single person. The university was obliged to move him to other work.

 

Kalisch is keeping the title professor of Islam, but many of its functions will be transferred to the new professor of Islamic religious education. Muslim children in the state are able to opt for Muslim studies at public schools to learn about their faith.

 

A week ago, academic authorities recommended that two to three universities in Germany should go beyond Islamic teacher training and set up full-scale Islamic theology departments.

 

Newspapers say Khorchide, who studied Islamic theology in Lebanon, has lived in Austria since 1989. His other field is sociology.

 

He criticized schoolteachers of Islam in Austria in his 2007 thesis, saying too many of them were ill-educated and not committed to democracy, and pressed for better training.

 

Earth Times, 08.02.2010

 

 

------

 

es ist zwar für uns eine knapp 10 tage alte geschichte (s.http://www.misawa.de/cgi-bin/sbb/sbb.cgi?&a=show&forum=162&show=591), aber interessant, dass es auch auf internationales medieninteresse stößt. ist wohl signifikant, die nachricht...

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  • 5 Monate später...

Dienstag, 20.07.2010

 

Münster: Erstmals Islamprofessor mit Zustimmung der Muslime ernannt.

 

Mouhanad Khorchide ersetzt den umstrittenen und vom islamischen Glauben

 

abgefallen Islam-Professor Sven Kalisch - Rektorin Ursula Nelles:

 

"Uni Münster hat Geschichte geschrieben"

 

Die Westfälische Wilhelms-Universität Münster (WWU) hat am Montag Mouhanad

Khorchide(38) zum Professor für

 

islamische Religionspädagogik berufen. Der gebürtige Libanese sei der erste

Universitätsprofessor, welcher mit

 

Zustimmung der vier großen Muslim-Verbände in Deutschland, die im

Koordinationsrat der Muslime (KRM)

 

zusammengeschlossen sind, berufen worden, sagte ein Uni-Sprecher. Vom

derzeitigen KRM-Sprecher Ali Kizilkaya

 

wurde dies bestätigt.

 

Nach der schriftlichen Zustimmung durch den KRM erfolgte die Ernennung durch

die WWU zum Universitäts-Professor.

 

„Mit dem Verfahren, das dieser Berufung vorausging“, betonte Rektorin Ursula

Nelles, „hat die WWU in Deutschland

 

Geschichte geschrieben. Wir haben in Abstimmung mit dem

nordrhein-westfälischen Wissenschaftsministerium mit allen

 

muslimischen Verbänden ein Verfahren praktiziert, das den Konkordatsregeln

für die christlichen Kirchen folgt - das ist

 

an deutschen Universitäten bislang einzigartig.“

 

Damit kann zum ersten Mal eine universitäre Ausbildung von Islamlehrern für

gläubige Muslime stattfinden.

 

Entsprechende Absolventen gelten als Voraussetzung dafür, einen

Islamunterricht an staatlichen Schulen

 

flächendeckend einzuführen.

 

Die Uni Münster folgt damit Empfehlungen des Wissenschaftsrates, der im

Frühjahr eine Berufung von Professoren

 

analog zum Modell christlicher Theologen empfohlen hat, bei der die Kirchen

ein Veto gegen Kandidaten einlegen

 

dürfen. Khorchide ersetzt den umstrittenen Islam-Professor Sven Kalisch, der

sich kürzlich offiziell vom islamischen

 

Glauben abwandte. Kalisch wird sich künftig mit dem Gebiet

'Geistesgeschichte im Vorderen Orient in nachantiker Zeit'

 

beschäftigen. Khorchide hatte ihn bereits seit April vertreten.

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  • 1 Jahr später...

Islamischer Theologe im Gespräch "Wir haben zu viel Angst voreinander"

 

Der islamische Theologe Mouhannad Khorchide sieht den Islam als Religion der Barmherzigkeit. In seinem Religionsverständnis geht es vorrangig um den Menschen, nicht um Gott. Im Interview spricht er über Gesetze, Unwissen und den Glauben junger Muslime.

27.04.2011 [/url]

http://www.faz.net/polopoly_fs/1.630176.1315933336%21/image/1056568730.jpg_gen/derivatives/article_aufmacher_klein/1056568730.jpg © Holde Schneider Prof. Dr. Mouhannad Khorchide hat im Libanon und in Österreich Soziologie und Islamwissenschaften studiert

 

Herr Khorchide, Sie wollen einen Islam entwickeln, der von der deutschen Lebenswirklichkeit geprägt ist. Wie soll der aussehen?

Das traditionelle Verständnis vom Islam sieht ihn als Gesetzesreligion. Es geht um Instruktionen von Gott an die Menschen, an die wir uns halten müssen. Wenn ich den Koran lese, kommt aber etwas ganz anderes heraus. Da gibt es keinen Gott, der nur verherrlicht werden möchte - warum auch, er ist ja vollkommen. Es geht in meinem Islamverständnis um den Menschen.

Was hat dieser Islam mit deutscher Lebenswirklichkeit zu tun?

Religion ist dann nicht mehr Bevormundung. Und das wollen wir auch den Studenten vermitteln: dass sie die Inhalte reflektieren sollen. Sie sollen den Islam nicht als Quelle von Gesetzen verstehen, sondern von Spiritualität und allgemeinen ethischen Prinzipien.

http://www.faz.net/polopoly_fs/1.632886.1315934357%21/image/2304950313.jpg_gen/derivatives/article_aufmacher_klein/2304950313.jpg © dpa Fremd in dem Land, in dem sie geboren sind: Gerade junge Muslime fühlen sich wegen ihres Glaubens in Deutschland oft ausgegrenzt

 

Und die Prinzipien des Islam sind mit den Prinzipien der Bundesrepublik Deutschland vereinbar?

In meiner Lesart absolut. Im Koran sind es fünf: Gerechtigkeit, die Unantastbarkeit der menschlichen Würde, die Freiheit aller Menschen, die Gleichheit aller Menschen und die soziale Verantwortlichkeit des Menschen gegenüber seinen Mitmenschen und seiner Umwelt. Wie wir diese Prinzipien dann umsetzen, ist keine Frage der Religion, sondern eine gesellschaftspolitische Frage.

Das klingt ein bisschen nach einem für Europa erfundenen Kuschelislam. Oder stehen Sie damit in einer islamischen Tradition?

Natürlich stehe ich in einer islamischen Tradition. Es gibt im Islam rationalistische Schulen, die die Vernunft zu einer eigenständigen Erkenntnisquelle erhoben haben. In dieser Tradition sehe ich mich. Allerdings hat diese Tradition nicht als Hauptströmung überlebt. Durchgesetzt hat sich das Bild eines fordernden Gottes, der den Menschen erschaffen hat, um sich verherrlichen zu lassen.

Was Sie lehren, glaubt außer Ihnen also kaum jemand.

Solche rationalistischen Ansätze gibt es nicht nur in Europa, sondern auch in den muslimischen Ländern, in der Türkei zum Beispiel oder auch in Iran oder Nordafrika. Allerdings funkt dort oft die Politik dazwischen. Ich bin jedenfalls zuversichtlich. Die jüngsten Veränderungen in der arabischen Welt werden das Bedürfnis nach einem anderen Islam wachsen lassen. Die Leute sind die bevormundende Theologie leid, und die hat sich durch die jahrelange Unterstützung der Diktatoren auch kompromittiert.

Wieso gibt es so verschiedene Interpretationen des Islam?

Jede Religion ist abhängig von der Gesellschaft, in der sie sich entwickelt. Der Islam ist in den letzten Jahrhunderten in archaischen Stammesgesellschaften gewachsen, wo der Älteste oben steht, keinen Widerspruch duldet und verherrlicht werden will. Da mag dann auch ein entsprechendes Gottesbild entstehen. Ein Diktator-Gott. Einer, der befiehlt und zornig ist, wenn man ihm nicht gehorcht. Das finde ich allerdings sehr einseitig.

Stimmt es denn nicht?

Es reduziert Gott auf ein Konstrukt. Der koranische Gott ist ein vollkommener und barmherziger. Laut dem Koran hat Gott sich selbst nichts anderes vorgeschrieben als die Barmherzigkeit. Jede Sure beginnt mit der Anrufung von Gottes Barmherzigkeit. Das Christentum ist eine Religion der Liebe, der Islam ist eine der Barmherzigkeit. Da ist keine große Distanz. So versuchen die Religionen, in die Gesellschaft ein Korrektiv einzubringen.

Was ist denn das korrektive Element im Koran?

Einerseits erinnert er den Menschen an seine Verantwortlichkeit in dieser Welt, und andererseits legt er ihm nahe, ähnlich wie Gott bedingungslos Liebe und Barmherzigkeit zu geben.

Sie sagen Gott statt Allah.

Viele Kollegen kritisieren mich, weil ich deutsche Begriffe verwende. Aber wir reden aneinander vorbei, wenn ich immer von Allah spreche und Sie von Gott. Dann entsteht ein Problem der Abgrenzung. Das ist für die Entwicklung einer europäischen islamischen Identität höchst gefährlich. Übrigens sagen zum Beispiel die Christen in Ägypten zu Gott Allah.

Wird irgendwann einmal auf Deutsch gepredigt werden?

Das geschieht doch längst. Ich kenne Moscheen, wo nur auf Deutsch gepredigt wird. Gerade die zweite oder dritte Generation versteht das doch sowieso nicht mehr auf Arabisch oder Türkisch.

Warum wissen viele Deutsche nicht, wie Muslime Gottesdienst feiern?

In den achtziger und neunziger Jahren waren die Moscheen recht verschlossen. Heute sind sie viel offener. Es könnte eigentlich jeder wissen, wie ein Freitagsgebet aussieht. Aber wir haben zu viel Angst voreinander. Viele Muslime waren auch noch nie in einer Kirche.

Weiß man in Deutschland genug über den Islam?

Es fehlt leider an Basiswissen.

Was sollten die Leute wissen?

Zum Beispiel, dass der Begriff „Scharia“ nur ein einziges Mal im Koran steht und dort in einem anderen Sinne vorkommt. Dass die Inhalte der Scharia also verschieden sein können, dass das nicht im Koran steht, sondern von Gelehrten bestimmt wird und somit ein menschliches Konstrukt ist. Oder dass ein Teil des Korans in Mekka entstanden ist und einer in Medina, wo Mohammed einen Staat errichtet hat, dass dieser Teil also viel politischer ist und in einem historischen Kontext verstanden werden muss. Es fehlt einfach an einem inhaltlichen Diskurs in Deutschland, aber auch in Europa.

Wir reden doch ständig über den Islam.

Aber wenn wir über den Islam sprechen, sprechen wir nicht über Glaubensinhalte, sondern über gesellschaftspolitische Themen: Minarette, Kopftücher, Integration.

Das hängt aber alles mit dem Islam zusammen.

Es ist in Deutschland aber noch nie gefragt worden, wie der Islam die Gesellschaft bereichern könnte. Ich habe neulich vor Mitgliedern des Bundestags über den Islam gesprochen. Viele wussten kaum etwas über die Inhalte und die progressiven Diskurse im Islam. Die Muslime müssen sich die meiste Zeit rechtfertigen.

Woran machen Sie das fest?

Zum Beispiel daran, wie in den Medien und der Politik über den islamischen Religionsunterricht gesprochen wird. Da wird in erster Linie von einer Präventivmaßnahme gesprochen, von Integrationsförderung oder Schutz vor dem radikalen Islam.

Und dafür ist der Unterricht nicht gemacht?

Auch. Aber es wäre schön, wenn man mal lesen würde, wir wollen in Deutschland einen islamisch-theologischen Diskurs, damit die Muslime sich hier für voll genommen fühlen, damit sie ihre Religion sachlich studieren können. Wenn ich aber sage, dass der Islam sich in Deutschland entfalten soll, werden viele nur fragen: Ist das für uns gefährlich?

Ist das nicht auch verständlich? Fast alle Terroranschläge werden im Namen dieser Religion verübt.

Das stimmt. Wobei es die Muslime selbst sind, die am meisten darunter leiden. Und die Gewalt bedroht uns alle. Aber wir reden in Deutschland, wenn wir vom Islam reden, hauptsächlich von sicherheitspolitischen Aspekten und darüber, ob der Islam zu Deutschland gehört. Und das ist eine relativ neue, nicht so positive Entwicklung.

Inwiefern?

In den sechziger und siebziger Jahren hat man in Deutschland von Gastarbeitern gesprochen. In den achtziger und neunziger Jahren, im Zuge der Familienzusammenführung, von Ausländern. Nach dem 11. September 2001 hat man angefangen, von den Muslimen zu sprechen. Das Fatale an diesem Wandel ist, dass man dadurch typische soziale Probleme der Arbeitermigration mit dem Islam verknüpft hat. Man sagt nicht, die haben Probleme, wie man sie bei Leuten findet, die mit niedrigem sozialem Status und wenig Bildung in ein fremdes Land kommen. Man sagt, die haben Probleme, weil sie Muslime sind.

Es gibt Studien, die das nahelegen. „Je muslimischer, desto gewalttätiger“, hieß es in einer.

Die Frage ist: Wie wird dieses „je muslimischer“ definiert? Denn aufrichtig muslimisch sein und Gewalttätigkeit passen nicht zusammen.

Wie erklären Sie sich dann das Ergebnis dieser Studie?

Große Teile der jüngeren Einwanderergeneration identifizieren sich wieder mit dem Islam, allerdings geht es ihnen dabei weder um Gotteserfahrung noch um Spiritualität oder Sinnsuche, sondern nur um Identität. Man hatte damit gerechnet, dass die sich völlig assimilieren, dass die dritte oder vierte Generation keinen Bezug mehr zum Islam haben wird.

Das ändert doch an dem Befund nichts.

Das ist aber ein sehr ausgehöhlter Islam. Da wird in einer Studie ein Jugendlicher nach seiner Religiosität gefragt und gibt an, er sei sehr religiös. Wenn man ihn fragt: „Bist bist du Muslim?“, zieht er vielleicht stolz einen Koran aus der Tasche. Habe ich immer dabei, sagt er. Und was steht in dem Buch? Keine Ahnung. Muslim sein heißt für ihn nicht, aufrichtig und verantwortungsvoll zu leben und Gotteserfahrung zu machen. Er konstruiert lediglich eine Identität, das Gefühl, einer Gemeinschaft anzugehören.

Und dass das so läuft, hat mit dem Islam nichts zu tun?

Das hat mit dem falschen Zugang zum Islam zu tun, nicht aber mit dem Islam selbst. Hat nicht der Bundesinnenminister gerade gesagt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland? Viele Muslime erleben den vorherrschenden Diskurs als tiefe Enttäuschung und als abgrenzend. Vielleicht nicht so sehr die Einwanderer der ersten Generation, die Arbeitsmigranten. Aber deren Kinder und Enkel haben ganz andere Hoffnungen, ihre Erwartungen an Deutschland sind viel höher. Sie suchen hier doch auch nach einer Heimat. Ihnen wird aber das Gefühl gegeben, hier nicht gewollt zu sein, die Anderen zu sein. Die Heimat ihrer Eltern ist aber auch nicht mehr ihre Heimat. Also konstruieren sie sich eine Identität als Muslime.

Und Ihr Islam, interessiert der diese Generation überhaupt?

Neulich habe ich vor jungen Muslimen in Köln gesprochen, danach meinten viele, das sei befreiend gewesen. Es ist doch schön zu wissen, dass ich frommer Muslim und gleichzeitig loyaler Bürger Deutschlands sein kann.

Mit dem Professor für islamischen Religionsunterricht der Universität Münster sprach Alard von Kittlitz

 

 

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/islamischer-theologe-im-gespraech-wir-haben-zu-viel-angst-voreinander-1623763.html

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  • 1 Jahr später...

23.12.2012 „Als ein Islam der Mitte“

Exklusiv-Veröffentlichung aus der kommenden IZ: Interview mit Avni Altiner, dem Vorsitzenden der Schura Niedersachsen e.V.

 

(iz). Muslimische Themen werden bei uns gerne und oft auf abstrakter und konfliktreicher Ebene abgehandelt. Hier herrschen Allgemeinplätze, Vereinfachungen und Schlagworte. *Schauen wir genauer hin, dann sind Nuan*cen und Schattierungen erkenntlich. Je lokaler der Blick wird, desto schwerer wird ein simples Weltbild.

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Wie agieren aktive Muslime abseits der Bundespolitik im Bereich der Länder? Was sind ihre Themen, Probleme und Wünsche? Diese und noch mehr Fragen stellten wir dem neuge*wählten Vorsitzenden der Schura Niedersachsen e.V., Avni Altiner. Sie ist als bunte Interessenvertretung von Muslimen auf Landesebene ein Beispiel dafür, wie sich innermuslimische Kooperation und ergebnisorien*tiertes Arbeiten realisieren lassen.

 

Islamische Zeitung: Lieber Herr Altiner, Sie sind als Vorsitzender der Schura Niedersachsen bestätigt worden. Was sind die Aufgaben *Ihres Verbandes?

 

Avni Altiner: Die Schura Niedersachsen e.V. ist ein multi-ethnischer und übergreifender Landesverband von ca. 90 Moscheegemeinden, landesweit sind fast alle Moscheegemeinden in der Schura organisiert; weitere ca. 76 Moscheen im Landesverband der DITIB.

 

Wir sind Partner des Landes beim isla*mischen Religionsunterricht oder in den zur Zeit laufenden Verhandlungen über einen Staatsvertrag. Als einziges Bundesland in Deutschland wird in Niedersachsen ab kommendem Schuljahr islamischer Religionsunterricht nach den Vorgaben des *Grundgesetzes angeboten. Damit ist die Schura Niedersachsen e.V. eine anerkannte Religionsgemeinschaft; wie in Hamburg und Bremen.

 

Islamische Zeitung: Normalerweise wird Niedersachsen nicht oft mit Fragen des Islam und der muslimischen Community in Verbindung gebracht. Was sind Ihre wichtigsten Themen?

 

Avni Altiner: Die Schura Niedersachsen e.V. hat die Devise: „Erst Leistung erbringen, dann darüber zu reden – auch in den Medien.“ Deshalb sind wir in der Medienlandschaft nicht so präsent wie Verbände, die auf Bundesebene dominieren.

 

Wichtige Fragen sind für uns die unmittelbare Beteiligung beim islamischen Religionsunterricht mit Lehrbefugnisentscheidung (Idschaza) und ebenso bei der Ausgestaltung des Islamisch-theolo*gischen Instituts an der Universität Osnabrück. Weiterhin positioniert sich die Schura Niedersachsen e.V. in politischer Hinsicht als ein Islam der Mitte, der sich damit deutlich von randständi*gen Strömungen (etwa Salafisten) abgrenzt und damit für eine breite politische Stabilität innerhalb des deutschen Verfassungs- und Gesellschaftsrahmen garantiert.

 

Islamische Zeitung: Mehrheitlich stehen die Bundesverbände im Blickpunkt des Interesses, und nur selten diejenigen auf Landesebene...

 

Avni Altiner: Die Arbeit wird ganz überwiegend nur auf Landesebene gemacht; dorthin hat die deutsche Verfas*sung die Kompetenz in Religionsangelegenheiten verwiesen. Die Schura Niedersachsen e.V. beherzigt dies. Unsere Ansprechpartner sind die Landesministerien, Gewerkschaften, Kirchen, Sozial*verbände und regionale Medien. Mit all diesen haben wir ein positives und konstruktives Auskommen. Unsere Arbeits*schwerpunkte sind Partizipation an der politischen Gestaltung des Landes, besonders auch im Hinblick auf die Belan*ge der Muslime. All dies fließt letztlich in das Verhandlungsbündel für einen Staatsvertrag zusammen.

 

Islamische Zeitung: Die Schura steht einerseits in Verhandlungen mit der Landesregierung, andererseits nimmt diese – durch verdachtsunab*hän*gige Moscheekontrollen und das Sicherheitsprogramm – eine konfron*tative Haltung gegenüber Muslimen ein. Wie gehen Sie damit um?

 

Avni Altiner: Für uns gibt es kein Schwarz-Weiß-Denken. Gerade mit dem Ministerpräsidenten (früher Wulf, heute McAllister), dem Kultus-, dem Wissenschafts- und dem Justizministerium haben wir ein sehr gutes Verhältnis. Wir gehen davon aus, dass sich der Konflikt, der sich aus dem irritierenden Agieren des Innenministers ergab, mit der Landtagswahl im Januar 2013 auflösen wird, unabhängig von der *Parteikonstellation.

 

Islamische Zeitung: Ihr Verband ist auchan der Ausbildung muslimischer Religionslehrer und Imame beteiligt. Wie bewerten Sie den momentanen Entwicklungsstand des Projekts?

 

Avni Altiner: In Osnabrück ist nicht nur das – nach der Dozentenzahl – größte islamisch-theologische sowie religions*pädagogische Institut entstanden; dank einer vernünftigen Politik des Wissenschaftsministeriums ist auch die von der Verfassung gebotene Einbindung der Muslime in Gestalt eines politikunabhängigen Beirates im bundesweiten Blick am besten gelöst. Auch hier zeigt sich, dass das Institut den Weg eines Islam der Mitte geht, hier also die Gläubigen im Land im Blick hat.

 

Zügig muss nun in Osnabrück der Be*darf an ca. 200 Lehrkräften für den konfessionellen islamischen Religionsunterricht bereitgestellt werden, denn das Land hat dessen Einführung zum Schuljahrsbeginn 2013/2014 zugesichert. Ebenso brauchen wir in Deutschland ausgebildete, sprachfähige Theolo*gen, die selbst von der Basis kommen, praktizierend sind und „Stallgeruch“ haben. Nur diese werden von den gläubigen Muslimen in Deutschland ernstge*nommen werden; nicht jene, die sich als große Reformtheologen der Mehrheitsgesellschaft in den Medien dauernd anbiedern.

 

Islamische Zeitung: Die Entwicklung einer „Islamischen Theologie“ hat bei Muslimen zu gemischten Reaktionen geführt. Einerseits hoffen viele auf eine Heimischwerdung der muslimischen Lehrer, andererseits befürchten Stimmen innerhalb der muslimischen Gemeinschaft, dass es zu einer Einflussnahme auf die Unabhängigkeit der Lehre kommen könnte...

 

Avni Altiner: Genau diese Sorgen teilen wir! Aber mit den Antworten auf die Fragen zuvor habe ich den hier eingeschlagenen Weg beschrieben. Dass *unser Weg der Kooperation mit der Uni und dem in dieses und seine Mannschaft eingebrachten Vertrauens der richtige ist: das wird von den Mitgliedern beider Landesverbände – Ditib und Schura – so begrüßt.

 

Uns ist aber auch klar – und da wollen wir gemeinsam hin –, dass die Lehre und mehr noch die Forschung in Osnabrück uns als Muslime in Deutschland und Europa begreift. Dies ist der Rahmen, in dem islamisches Recht, Geschichtsverständnis und Gesellschaftsordnung zu verorten sind; und zwar mit Blick auf eine lange Zukunft, eine Zukunft, der eine Vision muslimi*scher Gemeinschaft zugrunde liegt und die sich im Deutschland und Niedersachsen etwa der 2030er Jahre eingerich*tet hat. In Osnabrück ist ein richtiger Beirat mit Basisbindung entstanden, hier hat man keinen Beirat, der wie anderswo künstlich „gebastelt“ wurde, um lediglich die Form zu wahren. Das Inte*ressante ist natürlich, dass die *Muslime diese Entwicklung sehr genau beobach*ten, und auch die Studierendenzahlen sprechen eine klare Sprache, wenn etwa manche Standorte mehr Dozenten als Studierende haben.

 

Islamische Zeitung: Aber am Doppelstandort Münster und Osnabrück wird doch auch eine kuriose „Barmherzigkeitstheologie“ gepflegt und die Schura Niedersachsen ist im Beirat?

 

Avni Altiner: Nein, Sie müssen da unterscheiden zwischen Herrn Khorchides persönlichen Überzeugungen in Münster und dem Kollegium in Osnabrück. Wir sind nur für Osnabrück zuständig. Soweit ich informiert bin, orien*tieren sich die Osnabrücker an einer Theologie der Mitte. Diese so *genannte „Barmherzigkeitsheologie“ von Herrn Khorchide ist tatsächlich meilenweit von der Basis entfernt. Jeder in der muslimi*schen Community weiß, dass er damit die Residenzgesellschaft bedient. Klar ist und bleibt: Diese Thesen mögen auf Kirchentagen und in der deutschen Öffentlichkeit bejubelt werden, sie haben jedoch keinerlei Rückkoppelung in den Moscheegemeinden. Im Grunde genommen ist das nichts anderes als eine einseitige und selektive Lesart der islami*schen Quellen. Das Gewünschte wird in die Quellen hinein projiziert. Entweder tut er dies bewusst oder unwissentlich, suchen Sie sich die bessere Alternative aus. Mich würde im Übrigen interessieren, wie der Koordinationsrat (KRM) sich hierzu positioniert.

 

Islamische Zeitung: Seit Jahren besteht der KRM. Wie viel von seinen Aktivitäten kommt bei Ihnen vor Ort an und fühlen Sie sich ausreichend koordiniert?

 

Avni Altiner: Zwar gehören die in der Schura Niedersachsen e.V. durch ihre Ortsmoscheevereine vertretenen Verbände IGMG und VIKZ zu den KRM-Partnern. Doch ist keiner der bundesweiten Landesverbände Gründungsmitglied oder Partner des KRM. Der KRM ist aufgrund seiner Struktur – selbst eine Satzung fehlt bislang – nicht Religionsgemeinschaft im Sinne der Verfassung. Unsere Aufgabe ist es, die Mus*lime im Hinblick auf den islamischen Religionsunterricht und umfassend in Vereinbarungen mit dem Land zu vertreten. Wir wünschen uns im Interesse der Muslime, dass sich der KRM in Nordrhein-Westfalen zu einer richtigen Religionsgemeinschaft nach der Losung „Vielfalt in Einheit mit denselben Rechten und Kompetenzen“ weiter*entwickelt – wie hier in Niedersachsen.

 

Islamische Zeitung: Sind Sie der Ansicht, dass die bisherige Organisationsstruktur der Muslime ihre *zukünftigen Aufgaben gerecht wird? Immerhin besteht die ethnische Separation in der Community auch *weiterhin…

 

Avni Altiner: Sabr [Geduld], Aufklärung und erfolgreiches Vorbild sind hier die Devise. In den beiden Hafenstädten Hamburg und Bremen haben die Schura Hamburg und die Schura Bremen einen Staatsvertrag ausgehandelt. Die Schura Niedersachsen befindet sich – in guter Kooperation mit dem DITIB-Landesverband – gerade in diesem Prozess. Über ethnische *Separation macht sich Gedanken, wer zurückblickt. Auch hier gibt es sehr positive Entwicklungen in der Zusammenarbeit.

 

Islamische Zeitung: Was erhoffen Sie sich für die nächsten Jahre?

 

Avni Altiner: (…) dass sich aus Islamophobie und Diskriminierung ein sympathisches Miteinander der Religionsgemeinschaften in Niedersachsen, Deutschland und Europa entwickelt. Allen Muslimen hier muss vollkommen klar sein, dass der Schlüssel dazu in *ihren eigenen Händen liegt: Wer zurück schaut, wer auf den Staat wartet, wer sich seine Befehle und Fatwas in der Ferne abholt, wer sich nicht in demokrati*sche Strukturen einfügen kann, wer sich der Partizipation in den zivilgesellschaftlichen Einrichtungen verweigert, wer den Bildungs*aufstieg verschläft, wer nicht durch *Taten ein gutes Vorbild liefert und zeigt, dass der Islam auch *dieser Gesellschaft etwas Positives zu bieten hat, der und die verwehrt nicht nur sich selbst eine gedeihliche Zukunft sondern versündigt sich am Auftrag des Islam, unseres geliebten Propheten und der Umma. Die Islamische Zeitung ist uns da stets eine gute Plattform, der wir ein langes, erfolgreiches Leben wünschen. Denn wir sollen einen urdeutschen Satz beherzigen, der da heißt: „Ohne Fleiß kein Preis“

 

Islamische Zeitung: Lieber Avni Altiner, Danke für das Gespräch.

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  • 2 Monate später...

Klarstellung zu aktuellen Vorwürfen aus Hamburg

Anbei nehme ich Stellung zu den Äußerungen einiger muslimischer Organisationen aus Hamburg, die mich via Presse auffordern, „die Reue (tauba) abzulegen und sich wie ein Muslim zu verhalten“. Mir wird vorgeworfen, in meinem Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ die Glaubensprinzipien des Islam, vor allem den Glauben an Gott und seinen Propheten, aufgeben zu wollen (!), sowie „Unkenntnis über die islamischen Glaubensgrundsätze“. Dazu folgende klare Positionen von mir:

 

  1. Die sechs Glaubensgrundsätze und die fünf Säulen des Islam sind für den Islam konstituierend und ein essenzieller Bestandteil des muslimischen Glaubens, also meines Glaubens. Das ist meine persönliche Gesinnung und meine theologische Position. Der Gesandte Gottes sagte: „Der Islam wurde auf fünf Tragpfeilern gebaut: dem Zeugnis, dass es keine Gottheit gibt, außer dem einen Gott, und dass Muhammad sein Gesandter ist (šahāda), dem Verrichten des Gebetes (aṣ-ṣalāh), dem Entrichten der sozialen Abgabe (zakāh), die Pilgerfahrt (ḥaǧǧ) und dem Fasten im Monat Ramadan (ṣaum)“ (Bukhari, Nr. 8). Er sagte auch: „Du sollst an Gott glauben, Seine Engel, Seine Bücher, Seine Propheten, und den Letzten Tag, und an die Göttliche Vorsehung, das Gute und das Böse davon.“ (Die vierzig Hadithe bei an-Nawawī, Nr. 2)
  2. Das ganze Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ durchgehend betone ich den Stellenwert einer engen und aufrichtigen Beziehung zu Gott als Essenz der islamischen Botschaft und mache dabei die koranische Vorstellung einer dialogischen Gott-Mensch-Beziehung, die auf Liebe und Vertrauen basiert (Koran, 5:54), stark. Die Unterstellung, ich würde den Glauben an Gott oder den Propheten Muhammad dekonstruieren wollen, ist eine Verleumdung, die ich auf das Schärfste zurückweise.
  3. Wenn ich im Buch schreibe, dass der Koran unter anderem die Propheten Noah, Abraham, Lot und die Anhänger Jesu als Muslime bezeichnet (S. 125), dann will ich damit darauf hinweisen, dass der Koran unter dem Begriff „Muslim“ nicht nur die Anhänger des Propheten Muhammad bezeichnet. Zitat: „Der Koran nennt diese Hinwendung zu Gott, die sich in der Annahme seiner Liebe und Barmherzigkeit verwirklicht und im Handeln gegenüber den Mitmenschen und Gottes Schöpfung zum Ausdruck kommt, »Islam«: »Die Religion bei Gott ist der Islam.«“ (S. 125) Das ist keine Dekonstruktion des Islam, sondern die Betonung der Kontinuität göttlicher Verkündung.
  4. Wenn ich auf Seite 87 schreibe: „Vielmehr meint er [der Koran] mit Islam die Annahme von Gottes Liebe und Barmherzigkeit und deren Verwirklichung im Handeln, sowohl gegenüber den Mitmenschen als auch gegenüber Gottes Schöpfung“, dann meine ich auch, dass es sich beim Islam um die Annahme von GOTTES Liebe und Barmherzigkeit und nicht irgendeiner anderen Liebe und Barmherzigkeit handelt. Gott wird keineswegs verdrängt. Anschließend führe ich fort: „Nach der oben dargestellten Definition des Islam ist jeder, der sich zu Liebe und Barmherzigkeit bekennt und dies durch sein Handeln bezeugt, ein Muslim, auch wenn er nicht an Gott glaubt, denn Gott geht es nicht um die Überschriften »gläubig« oder »nichtgläubig«.“ Und genau dieser Satz ist der Auslöser der aktuellen Aufregung. Zugegebenermaßen lässt der Satz auch Raum für Missverständnisse, vor allem wenn man den vorhergehenden Satz nicht berücksichtigt, der betont, dass es weiterhin um Gott geht. Daher folgende Ausführung, die ich auch in die nächsten Auflage des Buches aufnehmen werde: Neben uns Muslimen leben auch viele Nichtmuslime, die zwar das Vermögen haben, an Gott zu glauben, bzw. Muslime zu sein – denn, wie der Prophet Muhammad sagte, wird jeder nach „Fitra“ geboren [anthropologischer Zustand, sein Leben auf Gott hin auszurichten] und ist deshalb via Geburt als Muslim zu bezeichnen – diese Menschen haben allerdings den Islam nicht, oder stark verzerrt, kennen gelernt und bekennen sich daher auch nicht zu ihm. Wenn sie gütige Menschen sind, die eine gute Seele haben, was ist dann mit ihnen? Der Koran tadelt Menschen, die die Botschaft des Propheten ablehnten, dies geschah aber erst dann, wenn sie sich mit allen Argumenten des Propheten auseinandergesetzt hatten, sodass sie am Ende dasselbe Wissen über die Wahrheit hatten wie er und diese dennoch verleugneten: „Wenn sie sich aber abkehren, so sag: ‚Ich habe euch gleichermaßen (ʿalā sawāʾ) ermahnt‘“. Exegeten haben den Begriff (ʿalā sawāʾ) so ausgelegt: „Mein Wissen [das Wissen von Muhammad] und euer Wissen stehen auf derselben Ebene.“ (Koran, 21:109; vgl. Tafsīr von Ibn ʿAšūr oder al-Qurṭubī). Ich frage nun, ob alle Nichtmuslime, von denen die Vertreter der muslimische Organisationen in Hamburg erwarten, dass ich sie verdamme, dasselbe Wissen über Gott und den Islam und dieselben Argumente, die für den Glauben sprechen, so verinnerlicht haben, wie ein überzeugter Muslim und trotzdem Gott und den Islam ablehnen. Es würde das Prinzip der göttlichen Barmherzigkeit widersprechen, wenn Gott Menschen, die ein verzerrtes Bild von ihm bzw. vom Islam haben, in die Hölle schicken würde, nur weil sie sich nicht als Gläubige bzw. Muslime deklarieren, obwohl sie im Grunde potenzielle Muslime sind, da sie im Grunde durch ihre Einstellung und ihr Handeln „Ja“ zu Gottes Liebe und Barmherzigkeit, also „Ja“ zu Gott selbst gesagt haben – auch wenn sie nicht wissen, dass es Gott ist, dem sie sich zugewandt haben. Diese meine Position darf keinesfalls dahingehend missverstanden werden, dass es ausreichen würde, allein gütig zu sein, ohne einen Glauben an Gott, also dass der Glaube an Gott und mithin an den Gesandten Muhammad obsolet wäre. Genau das meine ich nicht! Mir ist auch keine einzige islamische Position bekannt, die meint, dass Menschen, die die göttliche Verkündung nicht erreicht hat, verdammt würden. Und genau über diese Gruppe von Menschen, die heute gar nicht so klein ist, mache ich mir die obigen Überlegungen.

Für die Etablierung der islamischen Theologie in Deutschland wäre es sehr wichtig, dass Personen und muslimische Organisationen, die Interesse an der Förderung der islamischen Theologie in Deutschland haben, diesen Prozess wohlwollend begleiten. Wenn man meint, dass eine Aussage oder eine theologische Position im Widerspruch zu den Grundsätzen des Islam steht, dann ist es ein islamisches Gebot, die betroffene Person zu kontaktieren und das Gespräch mit ihr zu suchen und nicht via Medien Unterstellungen zu verbreiten. Mediale Polemik von Muslimen gegen muslimische Theologen schadet dem ganzen Prozess der Etablierung der islamischen Theologie in Deutschland. Auch der krampfhafte Versuch einiger Personen und Institutionen, gerade den Standort Münster zu Fall zu bringen, zeugt von keiner islamischen, feinen Haltung. Ebenso wenig die realitätsferne Unterstellung, dem Standort Münster würde ein Staatsislam aufoktroyiert. Von den muslimischen Organisationen erwarte ich, dass sie diesen Prozess der Etablierung der islamischen Theologie weiterhin mit dem islamisch gebotenen Einsatz fördern. Die Muslime, vor allem die jungen, sehen in der islamischen Theologie eine große Chance, sich mit ihrer Religion auf wissenschaftlichem Niveau auseinanderzusetzen. Dass es dabei zu unterschiedlichen Positionen kommen kann, ist Teil der islamischen Tradition, die durch diese Vielfalt immer bereichert wurde. Eine andere Meinung muss nicht zwangsläufig eine schlechte Meinung sein. Kritik ist notwendig, ich möchte aber an meine muslimischen Kritiker appellieren, sich zuerst die Chance zu geben, meine Positionen zu verstehen, bei Unklarheiten, mich direkt zu kontaktieren und wohlwollend, im Sinne der Sache selbst, die uns alle betrifft, das Gespräch zu suchen.

„Unser Herr,

tadle uns nicht für das,

was wir vergessen oder verfehlen.“ (Koran, 2:286)

 

 

Mouhanad Khorchide, 23.02.2013

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Leider wurde mir nun von Insidern mehrfach bestätigt, dass seit einiger Zeit eine organisierte Kampagne gegen meine Person und vor allem gegen unser Zentrum für Islamische Theologie in Münster läuft. Unser Erfolg und vor allem das große Vertrauen der muslimischen Basis in unsere Arbeit sowie unser Beitrag, das Potenzial des Islams zur Bereicherung dieser Gesellschaft aufzuzeigen und für die Versachlichung der Debatte zu sorgen, scheinen für bestimmte Machtinteressierte ein Dorn im Auge zu sein. Sie wollen die Basis verunsichern. Aber nun fallen langsam die Masken… Die muslimische Basis durchschaut, wer an Macht interessiert ist und wer wirklich und aufrichtig an einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Islam als Religion Interesse hat, mit dem Islam, der viel zu sagen hat und damit alle bereichern kann, wen man ihn richtig versteht.

 

Akif Sahin bringt es auf den Punkt:

„Die Angriffe erfolgen aber auch sehr merkwürdig konstruiert (…) Es ist auch fraglich was die Islam-Vertreter beispielsweise aus Hamburg mit ihrer Kritik auslösen wollten (…) Es bleibt nur zu hoffen, dass die Debatte jetzt wieder sachlich und unorientiert an eigenen Macht-Interessen geführt wird. Sonst schadet man sich womöglich, auch als Organisation, selbst (…) Man beweist zum Einen, dass man selbst auch unfair im Umgang mit Anderen ist, zum Anderen aber auch, dass man selbst nicht an eigenen Entscheidungen festhält. So kann man jedenfalls als Organisation von der Basis der Muslime langfristig nicht ernst genommen werden“

 

 

Mouhanad Khorchide, 24.02.2013

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23.02.2013 Vertreter muslimischer Gemeinschaften fordern Prof. Khorchide“ zur „Reue“ für seine Thesen auf

 

Aufruf in Richtung Münster

 

 

 

(iz). In einem – für die Geschichte der muslimischen Gemeinschaft in Deutschland – bisher einmaligem Vorgehen wandten sich Vertreter von drei muslimischen Organisationen an den Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster. Wie Nebahat Uzun von der türkischen Tageszeitung „Türkiye“ in der Donnerstagsausgabe (21. Februar 2013) berichtete, sei Mouhanad Khorchide aufgefordert worden, „‘Reue‘ für seine Thesen abzulegen und sich wie ein Muslim zu verhalten“, berichtete das Blatt über den Sachverhalt.

 

 

 

Neben seinem aktuellen Buch hatte der Inhaber eines Münsteraner Lehrstuhls und Institutsleiter auch in Artikeln und Interviews immer wieder mit Thesen auf sich aufmerksam gemacht, der aller Wahrscheinlichkeit nach nur eine kleine Minderheit der Muslime in Deutschland folgen dürfte. Prof. Khorchides These, wonach Menschen, die nicht an Gott glauben würden, aber einen guten Charakter hätten, Muslime sein könnten, schade dem Islam und führe dazu, dass die Religion falsch verstanden werde, hieß es in dem türkischen Artikel.

 

In diesem Kontext verwiesen Dr. Zekeriya Altug (Leiter des Regionalverbandes Nord der Ankara-nahen DITIB), Dr. Mustafa Yoldas (Leiter der Schura Hamburg) sowie Ramazan Ucar (Leiter des Regionalverbandes des Bundes Islamischer Gemeinschaften in Hamburg) auf die Rolle, die Dr. Mouhanad Khorchide zukünftig bei der Ausbildung von „LehrerInnen für den bekenntnisorientierten Islamischen Religionsunterricht“ spielen soll.

 

 

 

„Die Begrifflichkeit von dem und über den Islam werden in diesen Zeiten neu zu definieren versucht. Gerade dann sollte jeder auf seine Wortwahl achten. (…) Es gehört zu den fundamentalen Bestandteilen des Islam, an Gott und Seinen Propheten zu glauben und diesen Glauben mit der Praxis zu unterfüttern. Der alleinige Glaube bringt keinen Nutzen. So wie es keinen Glauben ohne Praxis geben kann, gibt es auch keine Praxis ohne Glauben“, zitierte Uzun den DITIB-Verteter.

 

Diese Aussage wurde von Dr. Mustafa Yoldas bekräftigt. Er ist der Ansicht, dass Prof. Khorchides Thesen seiner Eigenschaft als Wissenschaftler geschadet hätten. Die Muslime seien nicht in der Lage, „die Grundprinzipien unserer Religion herzugeben, nur weil die Erwartungshaltung der deutschen Öffentlichkeit in diese Richtung geht. Wenn die Menschen nicht danach leben, woran sie glauben, fangen sie an, daran zu glauben, wonach sie leben.“

 

„Es ist schön zu hören, dass Prof. Khorchide den guten Charakter innerhalb unserer Religion sehen möchte. Seine Unkenntnis über die islamischen Glaubensgrundsätze lassen die Diskussion entfachen, wo er promoviert hat und wie er zum Professor wurde. Schließlich zeigt dies nur das Gesinnungschaos in Münster“, war eine der Aussagen von Ramazan Ucar. Khorchide sei laut Ucar eingeladen, „die Reue (Tauba) abzulegen und sich wie ein Muslim zu verhalten“.

 

Insbesondere der letzte Aspekt ist in Insiderkreisen längst ein offenes Geheimnis. Obwohl der Standort Münster – eine von fünf Fakultäten der so genannten „Islamischen Theologie“ – durch Politik und Massenmedien als Vorzeigemodell gehandelt wurde, sehe es nach Aussagen mehrerer Beobachter hinter den Kulissen anders aus. So sollen einige Aspiranten und Studenten angesichts der dortigen Verhältnisse mittlerweile an andere Standorte abgewandert sein. (mö)

 

Die Islamische Zeitung wird in der kommenden Ausgabe ein umfangreiches Interview mit dem Fachmann Abdurrahman Reidegeld zum Stand der „Islamischen Theologie“ veröffentlichen.

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Offener Brief an Prof. Dr. Mouhanad Khorchide als Erwiderung auf seine Klarstellung

 

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Khorchide,

vielen Dank für Ihre Nachricht. Erlauben Sie mir, auf Ihre Gedanken in wesentlichen Zügen einzugehen.

Zunächst bitte ich Sie, die gegen Ihre Äußerungen und Veröffentlichungen erhobene Kritik nicht als „Kriegserklärung“ zu verstehen – entsprechend ist kein Friedensangebot erforderlich. Vielmehr ist es von meiner Seite als konstruktive Kritik gedacht, um zu einem besseren Verständnis des Islam und der Muslime in Deutschland beizutragen.

Ihrem aufmerksamen Blick wird nicht entgangen sein, dass ich persönlich oder im Namen meines Verbandes Sie weder zur Reue aufgefordert, noch in anderer Weise ihr Verhalten als unislamisch bezeichnet habe. Ich empfehle höflich an dieser Stelle die heterogene Struktur der Verbandslandschaft und die differenzierten Töne, welche sich daraus ergeben, auch in dieser Differenziertheit wahrzunehmen.

Auch ich gehe davon aus, dass es Ihr Bestreben ist, die Belange der Muslime zu fördern. Keineswegs unterstelle ich Ihnen unlautere, „unislamische“ Absichten, sondern befürworte Ihren Wunsch nach einer anspruchsvollen theologischen Debatte. Ihre Ergebnisse und Ihre theologischen Schlussfolgerungen kann ich jedoch nicht vollständig teilen. Da Sie Ihre Position öffentlich einnehmen und propagieren, erlaube ich mir, meine Antwort öffentlich kundzutun.

Dort wo Sie meinem Verständnis nach wesentliche Aussagen des Islam – wohlwollend formuliert – missverständlich und stark vereinfacht formulieren und als öffentlichen Gegenentwurf zum vermeintlich herrschenden Islamverständnis stilisieren, entspricht es meiner Verantwortung als Verbandsvertreter, meine Kritik auch öffentlich zu artikulieren, insbesondere dann, wenn Ihre Positionen zuvor öffentlich vorgetragen werden.

Sie dürfen nicht unbeachtet lassen, dass in der öffentlichen Debatte gemeinhin jede Form der organisierten Religionspflege und damit die bestehenden islamischen Verbände als konservative Kräfte - die sich vermeintlich einer intellektuellen Auseinandersetzung verschließen und ihre Glaubensangehörigen in ein Gerüst der Gebots- und Verbotskontrolle zwängen wollen – wahrgenommen werden.

Viele glauben auch, wir würden alle Menschen, die sich nicht im religionspraktischen Sinn als Muslime begreifen, für verdammungswürdige Ungläubige erachten. Dies ist Ausdruck einer verzerrten öffentlichen Wahrnehmung des islamischen Konservatismus in Deutschland, jedenfalls wird diese Haltung dem Islamverständnis meines Verbandes und unserer Gemeinden nicht gerecht. Ihre Äußerungen werden leider als Bestätigung dieser Vorbehalte herangezogen, obwohl ich Ihnen keine solche Absicht unterstelle.

In der Sache habe ich sehr wohl verstanden, welche Differenzierung Sie in Ihren Äußerungen herausarbeiten wollen. Ich kritisiere aber Ihre sprachliche Unschärfe.

Der Islam schreibt jedem Menschen die Eigenschaft zu, mit dem Angesicht Gott zugewandt geboren zu sein. Jeder Mensch ist in der Lage, sich suchend Gott zuzuwenden.

Exemplarisch offenbart sich dieses islamische Menschenbild in der koranischen Adams-Geschichte. Anders als vielleicht in anderen Offenbarungstraditionen wird Adam nach islamischem Verständnis nicht aus dem Paradies vertrieben. Unserem Islamverständnis nach erschafft Gott Adam neben der Befähigung zur Hingabe und Zuwendung ausdrücklich auch mit der Befähigung zur Auflehnung und Abkehr. Dieser Wesenzug manifestiert sich dann im Verstoß gegen ein göttliches Verbot.

In der Folge sendet ihn Gott auf die Erde herab, in dem Vertrauen darauf, dass Adam auch in dieser Distanz zu Gott und in dem Unvermögen Gott unmittelbar zu erkennen, sich dennoch ihm zuwenden und ihn suchen wird. Denn genau dafür wurde der Mensch auch erschaffen. Diese freiwillige Suche und Hingabe zu Gott macht die Besonderheit des Menschen aus. Gerade die Freiwilligkeit der menschlichen Ergebenheit in Gott und die Herausforderung, trotz der Entfremdung Gott zu suchen, macht das Bemühen des Menschen bedeutsam.

Mit dieser Sehnsucht nach Gott und der Bereitschaft zur Ergebenheit wird jeder Mensch geboren. Jeder Mensch hat demnach diese Eigenschaft, nämlich Gottzugewandtheit. Jeder Mensch ist demnach muslimun, im Sinne einer schöpfungsbedingten Möglichkeit.

Durch Liebe und Barmherzigkeit allein wird er aber nicht zum Muslim. Denn eine Eigenschaft zu besitzen bedeutet nicht gleichzeitig diese auch umzusetzen, etwas zu sein. Haben und Sein sind in diesem islamischen Verständnis etwas Unterschiedliches. Um Muslim zu sein, bedarf es weiterer auch ritueller Voraussetzungen, welche Sie ja zutreffend beschreiben. Ob ein Mensch auch diese Voraussetzungen zu erfüllen bereit ist, liegt in seiner persönlichen Entscheidung.

Unserem Verständnis nach ist diese Hinwendung zu Gott aus freier Entscheidung heraus im islamisch-religionspraktischen Sinn eine intensivere Ergebenheit. Sie ist Grundvoraussetzung, um Muslim zu sein. Sie kann nicht ersetzt werden durch eine bloße innere Haltung zur Liebe und Barmherzigkeit. Barmherzigkeit ist ein wesentliches Attribut Gottes, aber es ist nicht das Einzige. Gleichzeitig vermisse ich bei Ihren Ausführungen die Differenzierung der allumfassenden Barmherzigkeit (Rahman) und der spezifischen Barmherzigkeit (Rahim).

Der Kern meiner Kritik trifft Sie insbesondere in diesem Punkt. Da ich unterstelle, dass Ihnen diese Komplexität des islamischen Gottes- und Menschenbildes bekannt ist, kann ich mir nicht erklären, wie Sie zu dem Ergebnis kommen können, die schöpfungsbedingte Möglichkeit zur Gottergebenheit reiche in ihrer durch liebevolles und barmherziges Handeln dokumentierten Manifestation aus, um Muslim zu sein, auch wenn der Mensch nicht an Gott glaubt. Ich will annehmen, dass Sie hier unglücklich formulieren.

Ein solches liebevolles und barmherziges Handeln kann verdeutlichen und begreifbar machen, mit welchen Möglichkeiten und Fähigkeiten Gott jeden Menschen erschaffen hat. Das liebevolle und barmherzige Handeln kann jedoch nicht die weiteren Voraussetzungen ersetzen, die mit dem Muslim-Sein verbunden sind.

In diesem Zusammenhang ist mir auch unbegreiflich, wie Sie zu der Annahme gelangen, mit dieser Unterscheidung würden wir alle Nichtmuslime für verdammungswürdige Ungläubige erklären wollen. Zitat: „Ich frage nun, ob alle Nichtmuslime, von denen die Vertreter der muslimische Organisationen in Hamburg erwarten, dass ich sie verdamme, dasselbe Wissen über Gott und den Islam und dieselben Argumente, die für den Glauben sprechen, so verinnerlicht haben, wie ein überzeugter Muslim und trotzdem Gott und den Islam ablehnen.“ Ich vermute, dass Sie an dieser Stelle mir und meinem Verband eine Rigidität zuschreiben, welche Sie vielleicht unter einigen radikalen Theologen erlebt haben mögen und die in der Öffentlichkeit für eine Eigenschaft aller Muslime gehalten wird, welche unter der Zuschreibung „konservativ“ subsumiert werden.

Eine solche Haltung wäre aber nicht nur nicht konservativ, sie wäre ganz und gar unislamisch. Ihnen ist ebenso wie mir bekannt, dass der Koran selbst zwischen Muslim-Sein und Gläubigkeit differenziert und voraussetzt, dass der Glaube auch in die Herzen der Muslime dringen muss, damit diese sich nicht nur „Muslim“ sondern auch als „gläubig“, „Muminun“ bezeichnen können. Gleichzeitig prophezeit der Koran auch Juden und Christen das Paradies, sofern sie an Gott glauben und rechtschaffen handeln.

Allein schon aus diesen Gründen können wir nicht eine exklusivistische Haltung einnehmen, die Sie uns hoffentlich nicht zuschreiben wollen.

Ich wende mich aber entschieden gegen jeden Versuch, die im Islam klar definierten Voraussetzungen des Muslim-Sein durch vermeintlich modernistische Ansätze zu relativieren. Der Islam ist weder ein juristisches Konzept, das dem Menschen eine Gebots- und Verbots-Bilanz als Eintrittspreis für das Paradies in Aussicht stellt, noch ist er eine unverbindliche Wohlfühl-Esoterik, mit der sich jeder seine Aussichten im Jenseits schönfärben kann.

Als Muslime müssen wir vielmehr immer wieder und auch deutlich herausstellen, dass die Liebe Gottes eben nicht bedingungslos ist – auch hier unterscheiden wir uns ganz wesentlich. Allenfalls der Schöpfungsakt Adams mag als Ausdruck einer bedingungslosen Liebe verstanden werden. Spätestens mit unserer irdischen Präsenz ist an unsere Existenz auch die Verpflichtung zur Verantwortung für die Schöpfung und für unsere Mitmenschen gebunden. Die Suche nach Gott kann nur über die Wahrung dieser Verantwortung gelingen. Der Koran beschreibt dieses besondere Verhältnis zwischen Mensch und Gott, nämlich Vertrauen und Verantwortung zum Wohle des Einzelnen wie der gesamten Menschheit, als Islam und definiert dieses Verhältnis als allein zulässige Religion – ohne damit eine religionspraktische Exklusivität zu beschreiben, was in der Hervorhebung Abrahams als Vorbild deutlich wird.

Als Muslime können wir aber nicht von einer bloßen Werkgerechtigkeit ausgehen, weil uns mit der islamischen Offenbarung deutliche Hinweise, eine Rechtleitung zugänglich ist.

Wir können diese Rechtleitung nicht auf dem Altar des modernistischen Zeitgeistes opfern, um über eine konstruierte Bedingungslosigkeit göttlicher Liebe jedes menschliche Handeln als gleichgewichtig zu deklarieren. Die von Ihnen gewählten Formulierungen bergen aber die Gefahr einer solchen missverständlichen Deutung.

Die Liebe Gottes ist nicht bedingungslos. Sie ist aber grenzenlos. Für uns ist nicht erfassbar oder vorhersehbar, wie das göttliche Urteil über unsere irdische Existenz dereinst ausfallen wird. Es spricht viel dafür, dass das Urteil keine buchhalterische Bilanz über Sünden und Tugenden sein wird. Ebenso spricht aber auch viel dafür, dass bloßes barmherziges Handeln ohne Annahme der Offenbarungen eben nicht ausreichen könnte.

Der Ausweg aus dieser Unwägbarkeit darf es aber nicht sein, die Voraussetzungen des Muslim-Sein zu simplifizieren. Die Unwägbarkeit müssen wir aushalten und durch die Verkündung der Offenbarungsbotschaften – in unserem Fall des Islam – deutlich machen, welcher irdische Weg unserer Überzeugung nach der geradere Weg ist. Ebenso müssen wir aber auch akzeptieren, dass es Menschen gibt, die sich bewusst gegen den Islam oder gegen den Gottesglauben entscheiden. Diese Entscheidung müssen wir akzeptieren und auch respektieren. Denn der freie Wille des Menschen ist sein höchstes Gut.

Vor diesem Hintergrund und in der Annahme, dass Ihnen all diese Gedanken nicht neu sein dürften, trifft Sie meine Kritik an Ihrer sprachlichen Ungenauigkeit. Ihnen ist ebenso bekannt, dass wir diesen Diskurs nicht in einem Elfenbeinturm führen.

Sie bieten jungen Muslimen und angehenden Religionslehrern eine theologische Erklärung an, die geeignet sein kann, den Blick für die Rechtleitung des Islam zu verstellen. Das kann ich persönlich und als Verbandsvertreter nicht akzeptieren. Wenn Sie meinen Widerspruch insoweit als Ausdruck eines Konservatismus wahrnehmen sollten, begreife ich dies auch nicht als Vorwurf der Rückständigkeit, sondern als Kompliment. Als Muslime haben wir nämlich auch die Verantwortung, diese wesentlichen Aussagen des Islam zu bewahren und auch der nichtmuslimischen Öffentlichkeit verständlich zu machen, ohne den Islam auf eine letztlich unverbindliche und beliebige Liebesbotschaft zu reduzieren.

Kein christlicher Theologe wird behaupten wollen, es reiche aus, sich nächstenliebend zu verhalten, um Christ zu sein. Erlauben Sie mir bitte dann auch, dass ich an islamische Theologen einen ähnlichen Anspruch erhebe.

Ich hoffe, dass durch meine Stellungnahme die Substanz meiner Kritik deutlich geworden ist. Ich werde den wesentlichen Inhalt dieser Stellungnahme veröffentlichen, damit auch die Öffentlichkeit nachvollziehen kann, an welchen gedanklichen Koordinaten der innerislamische Diskurs verläuft und von welchen Gedanken mein Widerspruch getragen wird.

Wir Muslime können unsere Verantwortung für unseren Glauben nicht nur Dritten anvertrauen. Wir sind dazu berufen, uns dort zu Wort zu melden, wo wir die Klarheit der islamischen Botschaft gefährdet sehen. Die Öffentlichkeit dieses Diskurses ist hoffentlich für Muslime, wie für Nichtmuslime ein Segen.

Gern können wir unsere gedankliche Auseinandersetzung auch im Rahmen verschiedener öffentlicher Veranstaltungen fortführen, damit hoffentlich unser Meinungsaustausch zu mehr Erkenntnis über den Islam beitragen möge.

Lassen Sie mich abschließend nochmals betonen, dass ich Ihre guten Absichten nach einer anspruchsvollen und differenzierten theologischen Debatte zu schätzen weiß. Mit eben so guten Absichten erlaube ich mir diese Kritik, um Sie auf missverständliche Formulierungen hinzuweisen, mit denen Sie den Eindruck erwecken können, die Vorstellung eines barmherzigen und liebevollen Gottes stünde im Widerspruch zum Gottesverständnis islamischer Verbände in Deutschland.

Ich glaube, der islamischen Theologie in Deutschland ist am besten gedient, wenn wir der hiesigen Gesellschaft den Islam in seiner ganzen Komplexität und Gedankentiefe darlegen. Unser Austausch kann hierfür ein erster Schritt sein.

Dr. Zekeriya Altuğ, 01.03.2013

Vorsitzender DITIB-Nord

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DITIB Nord distanziert sich von den Vorwürfen gegen Prof. Khorchide

In einem an Prof. Dr. Mouhanad Khorchide gerichteten öffentlichen Schreiben distanzierte sich Dr. Zekeriya Altuğ, Vorsitzender DITIB Nord, von den Vorwürfen gegen Prof. Khorchide, dass sein Verhalten unislamisch sei. Er distanzierte sich auch vor dem Aufruf, Prof. Khorchide solle Reue ablegen und betont die guten islamischen Absichten von Prof. Khorchide. In der Erwiderung von Prof. Khorchide, die nachfolgend zu lesen ist, bedankt sich Prof. Khorchide bei Dr. Altuğ und DITIB Nord für das entgegengebrachte Vertrauen und betont die konstruktive Zusammenarbeit.

Sehr geehrter Herr Dr. Altuğ,

ich danke Ihnen für Ihre klaren Worte! Durch Ihre öffentliche Distanzierung vom Aufruf zur Reue und von den Vorwürfen, meine Positionen wären unislamisch, bekräftigen Sie einmal mehr das aufrichtige Interesse von DITIB an einem sachlichen Diskurs jenseits von Polemik und persönlichen Angriffen. Sie zeigen auch, dass DITIB den Prozess der Etablierung der islamischen Theologie in Deutschland vorbildlich und gewissenhaft begleitet. Das Vertrauensverhältnis zwischen DITIB und dem Zentrum für Islamische Theologie in Münster ist vorbildlich und sehr fruchtbar und wir freuen uns auf die weitere konstruktive Zusammenarbeit, die DITIB immer bekräftigt und unterstützt hat.

Leider werden die muslimischen Verbände undifferenziert in den Medien als konservativ abgestempelt. Abgesehen davon, dass die Kategorie „konservativ“ sehr irreführend ist und ich sie deshalb in einer theologischen Arbeit nicht verwende, sind die Verbände in Deutschland sehr vielfältig. Sogar innerhalb dieser Verbände ist die Vielfalt an Meinungen und Positionen sichtbar. Vielleicht sollten die Verbände dies stärker in der Öffentlichkeit kommunizieren. Ihre theologischen Ausführungen zeigen, dass Sie ein weltoffenes Islambild vertreten, was sich auch mit meinem Islamverständnis deckt. Ihre Betonung der Freiheit des Menschen, seinen ontologischen Zustand, sein Leben auf Gott hin auszurichten (Fitra), die Erschaffung des Menschen aus der bedingungslosen Liebe Gottes, die Gott-Mensch-Beziehung als solche, die auf Vertrauen und Verantwortung basiert, die Ablehnung der Reduzierung des Islam auf bloße Werkgerechtigkeit, die Ablehnung modernistischer Ansätze, die den Islam relativieren bzw. dekonstruieren wollen, die Ablehnung exklusivistischer Haltung, wonach der Islam der einzige Weg zu Gott wäre, die Ablehnung, den Islam als juristisches Regelwerk oder als unverbindliche „Wohlfühl-Esoterik“ zu sehen, die sechs Glaubenssätze und die fünf Säulen des Islam als für den Islam konstituierend anzusehen usw. sind theologische Positionen, die ich mit Ihnen völlig teile und die ich in meinem Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ genauso beschreibe.

Ich erlaube mir auf einige kritische Anmerkungen Ihrerseits einzugehen, um mich gegenüber dem Vorwurf der Relativierung des Islam zu wehren:

Sie schreiben: „Gleichzeitig vermisse ich bei Ihren Ausführungen die Differenzierung der allumfassenden Barmherzigkeit (Rahman) und der spezifischen Barmherzigkeit (Rahim).“ Über diesen Satz habe ich mich sehr gewundert, denn auf Seite 32 meines Buchs schreibe ich: „Der Koran verwendet zwei Begriffe, um die Barmherzigkeit Gottes auszudrücken: ar-Rahman (…) und ar-Rahim (…) Es besteht ein wichtiger qualitativer Unterschied zwischen beiden Begriffen:…“ und gehe dann auf den Unterschied ausführlich ein. Und so kommt es klarerweise zu Missverständnissen, wenn der Autor kritisiert wird, ohne vorher das Buch aufmerksam gelesen zu haben.

Sie schreiben: „Barmherzigkeit ist ein wesentliches Attribut Gottes, aber es ist nicht das Einzige“, und sehen dies als Kritikpunkt. Dabei teile ich diese koranische Feststellung doch mit Ihnen und mir ist kein einziger muslimischer Theologe bekannt, der etwas anderes behauptet hätte. Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis des Buches verrät schon, dass dieses Thema ausführlich behandelt wird (Kap. 2.3), siehe auch Seite 30 und 36.

Sie schreiben über die Hinwendung zu Gott: „Sie ist Grundvoraussetzung, um Muslim zu sein. Sie kann nicht ersetzt werden durch eine bloße innere Haltung zur Liebe und Barmherzigkeit.“ Dies suggeriert, ich würde etwas anderes behaupten. Dabei schreibe ich unmissverständlich auf S. 125: „Der Koran nennt diese Hinwendung zu Gott, die sich in der Annahme seiner Liebe und Barmherzigkeit verwirklicht und im Handeln gegenüber den Mitmenschen und Gottes Schöpfung zum Ausdruck kommt, »Islam«: »Die Religion bei Gott ist der Islam.« (Koran 3:19)“ Wenn ich also von Liebe und Barmherzigkeit spreche, dann keineswegs als bloße innere Haltung, und gerade dieser Aspekt wiederholt sich mehrfach im Buch. Auch auf S. 85 steht: „Das ist der Grund, warum der Koran nicht zwischen Glaube und Handeln trennt und an insgesamt 49 Stellen vom Glauben und aufrichtigen Handeln als Bedingung für die ewige Glückseligkeit spricht.“ Auf Seite 210 steht: „Die šaha¯da auszusprechen ist ein äußeres Kennzeichen des Glaubens, daher gilt sie in der Praxis als Kriterium des Glaubens. Nur wer sich explizit gegen einen oder mehrere Glaubensgrundsätze bekennt, gilt nicht als Muslim, auch wenn er sich zur šaha¯da bekennt.“ Und davor auf Seite 209 zitiere ich die Glaubensgrundsätze: »…Damit sind die Glaubensgrundlagen gemeint (im sunnitischen Islam als die sechs Glaubensgrundsätze bekannt: Glaube an Gott, Engel, Propheten, die heiligen Bücher, die Wiederauferstehung am Tage des Gerichts und an die Vorherbestimmung), auf denen der Islam als Glaube beruht“. Auf Seite 88 und 89 schreibe ich: „Seine Identität bekommt dieser Islam durch spezifische Elemente, die nur für Muslime gelten, wie das fünfmalige Pflichtgebet am Tag in Richtung Mekka, das Fasten im Monat Ramadan, die Pilgerfahrt nach Mekka usw. Man kann also sagen, dass die fünf Säulen des Islam (…) die identitätsstiftenden Merkmale für den Islam…“

Sie schreiben, dass Sie nicht nachvollziehen können, „wie Sie zu dem Ergebnis kommen können, die schöpfungsbedingte Möglichkeit zur Gottergebenheit reiche in ihrer durch liebevolles und barmherziges Handeln dokumentierten Manifestation aus, um Muslim zu sein, auch wenn der Mensch nicht an Gott glaubt.“ Der Koran in Sure 30, Vers 30 beschreibt die Religion bei Gott als „Fitra“, ob die Fitra mit Ihrer Übersetzung „schöpfungsbedingte Möglichkeit zur Gottergebenheit“ zu beschreiben ist, ist eine Debatte für sich, aber sehen Sie zum Beispiel den Tafsir von Ibn Kathir an, was die Gelehrten zu diesem Vers alles gesagt haben, vor allem im Zusammenhang mit dem Hadith, wonach jeder Mensch entsprechend der Fitra geboren wird und dann womöglich zu einer anderen Religion wegkonvertiert. Damit will ich aber keineswegs sagen, dass jeder, der nicht an Gott glaubt, aber liebevoll handelt, als Muslim zu bezeichnen ist. Dazu sehen Sie bitte meine Klarstellung zur Debatte.

Sie schreiben: „Als Muslime müssen wir vielmehr immer wieder und auch deutlich herausstellen, dass die Liebe Gottes eben nicht bedingungslos ist – auch hier unterscheiden wir uns ganz wesentlich“. Wieso unterscheiden wir uns hier, wo ich selbst im Buch auf S. 84 aus dem Koran zitiere: „…Denn Gott liebt nicht „diejenigen, die Unheil stiften“, „die Ungerechten“, „die Hochmütigen“, „die Unaufrichtigen“, „die Verschwender““ (dabei verweise ich in den Fußnoten auf die entsprechenden Stellen im Koran)? Ich unterstreiche im Buch jedoch, dass Gottes Barmherzigkeit bedingungslos ist. Und dies ist koranisch mehrfach belegt.

Den Vorwurf „Sie bieten jungen Muslimen und angehenden Religionslehrern eine theologische Erklärung an, die geeignet sein kann, den Blick für die Rechtleitung des Islam zu verstellen“ weise ich mit aller Entschiedenheit zurück. Sie betonen selbst in Ihrem Schreiben, dass Sie nichts Unislamisches an meinem Verhalten sehen, nun unterstellen Sie mir mögliche Verstellung des Islam. Ich habe Ihnen oben gezeigt, dass ich fast alle Ihrer theologischen Überlegungen teile. Viele Ihrer kritischen Anmerkungen hätten sich erübrigt, hätten Sie sich mit dem Buch ausführlich auseinandergesetzt und nicht nur mit den Sätzen, die Sie kritisieren, und die ich übrigens genauso kritisieren würde, würde ich sie aus ihrem Zusammenhang gerissen lesen, so wie es leider einige Muslime getan haben. Selbstverständlich basiert die Lehre, die ich persönlich vertrete, aber auch meine Kollegen und Mitarbeiter in Münster, auf den sechs Glaubensgrundsätzen und den fünf Säulen des Islam. Das sind die konstituierenden Elemente des Islam, ohne die der Islam kein Islam ist. Damit sich ein islamischer theologischer Diskurs etabliert, brauchen wir sachliche Debatten. Sachliche Debatten müssen wissenschaftlich geführt werden. Ein Grundsatz in der Wissenschaft lautet, dass ein Autor so wiedergegeben werden muss, wie er sich selbst verstanden wissen will. Einen Autor zu verstehen, bedeutet, sich ausführlich mit seinen Gedanken auseinanderzusetzen und nicht mit einigen wenigen Seiten seines Buches. Und damit der wissenschaftlich theologische Diskurs blüht und vorankommt, darf nicht jede andere Meinung als „Verstellung“ des Glaubens gedeutet werden. Die größte Inquisition in der islamischen Geschichte fand wegen der Frage nach der Erschaffenheit des Korans statt. Statt die andere Meinung zu respektieren und sie als Bereicherung des Glaubens zu sehen, wurde sie eben als „Verstellung“ des Glaubens gesehen. Irgendwann ging dies soweit, dass einige unserer Gelehrten entweder in Gefängnissen gefoltert wurden oder mit ihrem Leben für ihre Meinungen zahlen mussten. Wir müssen aus unseren Fehlern in der Geschichte lernen. Unsere Gelehrten hatten die wunderschöne Tradition gehabt, am Ende eines Aufsatzes oder eines Vortrages zu sagen: „Und Gott weiß es besser“. Heute haben wir leider die Mentalität zu denken: „Ich weiß es besser“. Damit meine ich keine bestimmte Person, sondern alle Akteure, die ernsthaft an der islamischen Theologie in Deutschland beteiligt sind und sein wollen. Wir brauchen Debatte, wir brauchen Meinungen und Gegenmeinungen, wir brauchen Kontroversen. Denn nur so kann sich die islamische Theologie als Wissenschaft behaupten. Was wir sicher nicht brauchen, ist Inquisition, in irgendeiner Art. Wir brauchen keine Verurteilung einer jeder neuen Idee als Verstellung des Glaubens. Die unverrückbaren Grundsätze des Islam sind die sechs Glaubenssätze und die fünf Säulen, es gibt klare Aussagen, aber auch viel Raum für Debatte und Bereicherung. Wer für sich beansprucht, der wahre Muslim zu sein, weil er sich als Reformer, als Modernist, sieht, trägt ebenso zur Unterdrückung der islamischen Vielfalt bei, wie derjenige, der behauptet, konservativ, im Sinne der wahre Muslim, zu sein. Die Betonung unseres Propheten, dass auch Lohn für denjenigen gibt, der sich bemüht, theologische Positionen auszuarbeiten, auch wenn er sich dabei irrt, unterstreicht, dass die Auseinandersetzung selbst, der Diskurs, das Ziel ist.

Unterschiede zeugen von der innerislamischen Vielfalt, die den Islam immer bereichert hat. Wir müssen uns nicht auf jedes Detail einigen, denn der Islam war in seiner Tradition immer vielfältig und flexibel ohne an Grundsätze zu rütteln und das ist das Schöne am Islam. Die Ablehnung der Vielfalt im Islam ist übrigens ein Verstoß gegen den koranischen Grundsatz, dass Vielfalt von Gott gewollt ist.

Ihr Angebot, lieber Herr Dr. Altuğ, einen theologisch sachlichen Diskurs in Form von gemeinsamen öffentlichen Veranstaltungen fortzuführen, nehme ich sehr gerne an und werde mich demnächst an Sie wenden, um dies zu konkretisieren.

Herzliche Grüße

Ihr Mouhanad Khorchide, 01.03.2013

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Von Jan Kuhlmann

 

Mouhanad Khorchide spricht sich in seinem Buch "Islam ist Barmherzigkeit" für eine liberale Lesart seiner Religion aus. Kritisiert wird der Münsteraner Islamtheologe dabei vor allem von den konservativen islamischen Verbänden. Die Debatte hat aber vor allem einen politischen Hintergrund.

Mouhanad Khorchide ist derzeit in ganz Deutschland zu sehen. Auf Plakaten einer Kampagne des Bundesbildungsministeriums wirbt er mit dem Slogan "Zuwanderung bereichert Deutschland". Schon in den vergangenen Monaten hatte der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Uni Münster viel Lob für sein Buch "Islam ist Barmherzigkeit" bekommen - darin entwirft er eine vergleichsweise liberale Lesart des Islam. Vertreter von konservativen islamischen Verbänden werfen ihm nun allerdings vor, einen zentralen Glaubensgrundsatz infrage zu stellen.

 

Ihnen geht es vor allem um eine Passage des Buches. Darin schreibt Khorchide, Muslim sei jeder, der sich zur Liebe und Barmherzigkeit Gottes bekenne und dies durch sein Handeln bezeuge - auch wenn er nicht an Gott glaube. Für Mustafa Yoldas, in Hamburg führender Vertreter der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs, ist dieser Satz inakzeptabel.

 

"Das umstößt die 1000 Jahre währende Dogmatik und die Lehre im Islam, dass es eine Voraussetzung ist, an Gott zu glauben und an seinen Propheten und natürlich gute Werke zu tun, beides zusammen. Aber das Verrichten guter Werke allein, ohne den Glauben an den einzigen Gott ist nicht gängige Lehre im Islam. Und das hat natürlich uns als muslimische Community sehr gestört."

 

Yoldas und zwei andere muslimische Vertreter aus Hamburg äußerten ihre Kritik vor einigen Tagen in einer türkischen Zeitung - und lösten eine erregte Debatte aus. Das Thema wird vor allem in Internetblogs und in den sozialen Medien im Netz kontrovers diskutiert. Auch Mouhanad Khorchide reagierte schnell auf die Vorwürfe. Er fühle sich missverstanden, sagte er in einen Interview über Skype.

 

"Der Vorwurf an sich stimmt überhaupt nicht. Ich habe nie den Glauben an Gott oder an seinen Propheten oder an irgendeinen islamischen Glaubensgrundsatz infrage gestellt. Das wäre eine äußerst schlimme Verleumdung, wenn man mir das unterstellen würde. Und offensichtlich haben diejenigen, die sich jetzt via Medien geäußert haben, sich mit dem Buch überhaupt nicht auseinandergesetzt und schon gar nicht mit meinen Positionen, sonst hätte sich die Kritik erübrigt."

 

Khorchide wirft seinen Kritikern vor, sie hätten die umstrittene Passage völlig aus dem Kontext gerissen. Im Buch heiße es keineswegs, dass jeder auch ohne Glauben an Gott ein Muslim sei, wenn er allein Gutes tue. Vielmehr beschäftige er sich mit den Menschen, die nie von Gott gehört oder ihn nur verzerrt kennen gelernt hätten - und ihn deshalb ablehnten. Sie dürften nicht verurteilt werden, sagt Khorchide.

 

"Das sind potenzielle gläubige Menschen eigentlich, aber die Botschaft ist nie angekommen bei ihnen. Und das ist ein islamischer Glaubensgrundsatz in der islamischen Tradition verankert, übrigens auch im Koran selbst, dass niemanden Schuld trifft, wenn er nicht vorher aufgeklärt wurde. Und genau mit diesen Menschen setze ich mich in dem Kontext auseinander. Aber sonst habe ich nie gesagt, dass der Glaube an Gott obsolet ist."

 

Hohe Wellen schlägt das Thema auch deswegen, weil die Kritiker es nicht allein bei ihrem Widerspruch beließen. Ramazan Ucar vom Bündnis der islamischen Gemeinden in Hamburg rief Khorchide vielmehr auf, "Reue" zu zeigen und sich - so wörtlich - "wie ein Muslim zu verhalten". Für Khorchide ist das ein Verhalten wie in der Inquisition.

 

"Es ist dem Islam total fremd und verstößt gegen islamische Werte, dass man jemandem einen Ratschlag öffentlich erteilt, wenn man sowieso weiß, wie man an ihn herankommt. Meine Email-Adresse steht überall im Internet, ich bin nicht versteckt irgendwo. Man hätte das Gespräch suchen sollen, das wäre ein islamisches Verhalten. Alles andere widerspricht den Grundsätzen des Islam selbst."

 

Unterstützung erhält Khorchide von dem muslimischen Blogger und Publizisten Serdar Günes. Er stoße sich vor allem an dem Aufruf zur Buße, sagte er in einem Skype-Interview.

 

"So fängt man keine Debatte an. Man kann inhaltlich Kritik üben, das sollte man auch. Ich denke, dass erwartet auch Mouhanad Khorchide. Aber man kann nicht gleich anfangen und sagen: Das geht gar nicht, am besten gar keine Debatte auslösen. Das ist nicht hilfreich. Und man sollte auch nicht drohen. Denn ich habe immer den Eindruck, bei solchen Debatten geht es auch darum, implizit zu sagen: Dieser Mensch ist am falschen Platz."

 

Das Thema ist auch deswegen brisant, weil Khorchides Vorgänger an der Uni Münster einst seine Position nicht zuletzt auf Druck muslimischer Verbände aufgeben musste. Sven Kalisch hatte damals die Existenz des Propheten Muhammad bezweifelt - und damit einen zentralen Glaubensgrundsatz des Islam aufgegeben.

 

Die jetzige Debatte hat zudem einen politischen Hintergrund: einen Streit um den Beirat der Islamischen Theologie in Münster. Das Bundesbildungsministerium als einer der Hauptgeldgeber hatte im vergangenen Jahr einen der muslimischen Vertreter abgelehnt. Grund: Das Ministerium betrachtet ihn als Vertreter von Milli Görüs. Die Organisation wird jedoch vom Verfassungsschutz beobachtet. Milli-Görüs-Vertreter Mustafa Yoldas weist jedoch den Vorwurf zurück, bei der Kritik an Khorchide handele es sich um eine Retourkutsche.

 

"Wir tragen unsere Auseinandersetzung mit der Politik nicht auf dem Rücken der Wissenschaft aus. Es ist einfach nur ein Zitat aus seinem aktuellen Buch, das Anlass zu Diskussionen gegeben hat und zu Befürchtungen. Darauf haben wir reagiert, nicht mehr und nicht weniger."

 

Khorchide räumt ein, dass er sich in dem Buch missverständlich ausgedrückt hat. Im Internet hat er die umstrittene Passage mittlerweile genauer erläutert. Man wolle die Diskussion nicht medial hochkochen, sagt Mustafa Yoldas von Milli Görüs. Und trotzdem: Erledigt ist die Debatte für die Kritiker noch nicht.

 

"Es ist eine kritische Auffassung, die er hat. Wenn es seine persönliche Meinung wäre, könnten wir damit auch leben. Aber er unterrichtet junge Menschen, die später als Religionslehrerinnen und lehrer muslimische Kinder unterrichten würden. Wir müssen auf die Sensibilitäten der Eltern reagieren, die besorgt sind darüber, dass sie von Lehrern eventuell unterrichtet werden könnten, die nicht die tradierte Vorstellung von Gott übermittelt bekommen sollen. Es ist sicherlich problematisch, wenn er diese These weiter aufrechterhält."

 

Immerhin: Beide Seiten wollen jetzt das Gespräch miteinander suchen. Es gehe allein um eine inhaltliche Debatte, sagt Mustafa Yoldas - und nicht darum, Khorchide aus seiner Position zu drängen.

 

 

 

 

Deutschlandfunk, 04.03.2013

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Wider die Beliebigkeit im Islam

 

Anmerkungen zum Islambild von Mouhanad Khourchide nach seinem Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ - Von Mohammed Khallouk

 

Die Absicht von Mouhanad Khourchide (Professor der Islamischen Religionspädagogik an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster) ist eindeutig herauszulesen. Er zielt darauf hinaus, ein Islambild zu präsentieren und zu fördern, von dem er sich erhofft, dass es in der mehrheitlich nichtmuslimischen deutschen Gesellschaft auf Akzeptanz treffe. Hierin unterscheidet er sich kaum von der Majorität der katholischen wie evangelischen Theologen im deutschsprachigen Raum, die sich mit einem ähnlichen Bild von Jesus bzw. vom Christentum gelegentlich der Institution Kirche entgegenstellen, dafür aber in der kirchenkritischen Presse Popularität genießen. Die Tragik bei dieser prinzipiell ehrenwerten Absicht zeigt sich darin, dass auf diese Weise kaum das Bekenntnis zur Religion erhöht wird, sondern stattdessen ein Relativismus gefördert wird, der sich auf Theologen und Religionswissenschaftler als Rechtfertigung zu stützen versteht.

 

Mag es einerseits durchaus angemessen erscheinen, diejenigen nicht als „wahrhaftige Muslime“ zu bezeichnen, die zwar die religiösen Rituale buchstabentreu einhalten, in ihrem Alltagsleben die islamischen Werte „Liebe und Barmherzigkeit“ vermissen lassen und Hochmut gegenüber anderen zeigen, welche die Rituale nicht in gleicher Konsequenz einhalten wie sie selbst. Islam ist zweifellos mehr als lediglich das zwanghafte Einhalten von Geboten und Verboten, welches das klerikale Establishment im Judentum der alttestamentarischen Epoche kennzeichnete, und welchem Verständnis von Religion sich Prophet Mohammed eindeutig entgegengestellt hat (S. 125).

 

Wenn für Khourchide die „Hinwendung zu Gott“ eine so zentrale Bedeutung einnimmt, wie er vorgibt, kann er nicht gleichzeitig demjenigen den Islam zubilligen, der sich Gott nicht zuwendet und seine Rituale – wissentlich oder unwissentlich – nicht praktiziert. Er sollte diesen zwar keineswegs – wie dies einige Fundamentalisten handhaben mögen – gesellschaftlich ausgrenzen und ihm mit Hochmut begegnen, muss jedoch eindeutig darauf bestehen, dass zum Islam auch der „spezifische Weg“, d.h. die spezifisch islamischen Grundsätze und Rituale untrennbar hinzugehören

Jenes „Pharisäertum“ existiert zweifellos ebenso wie damals im israelitischen Priestertum unter nominellen Muslimen der gesellschaftlichen Gegenwart und geht mit einer Intoleranz Andersdenkenden und Andersgläubigen einher, die dem Geist des Islam nicht entspricht. Vor diesem Hintergrund ist Khourchides Diagnose, eine Reduzierung des Islam auf Rituale und diese wiederum auf „Pflichterfüllung“ fördere „Hochmut“ (S.107) berechtigt. Problematisch erscheint diese Sichtweise erst durch den Umkehrschluss, dem sogenannten „Islam im Allgemeinen“ (S.88), den Khourchide von einem „Islam im spezifischen Wege“ (S.89) unterscheidet, gehöre auch derjenige an, der Liebe und Barmherzigkeit zwar praktiziere, die Rituale jedoch weder einhalte noch an Gott glaube.

 

Die Aufteilung des Zwecks der Rituale in eine ethische und spirituelle Dimension mag theologisch einleuchten, sie erfordert jedoch, beide Dimensionen als zusammengehörig zu betrachten. Die ausschließliche „Hinwendung zu Gott“ (bei Khourchide die spirituelle Dimension, S. 106) ohne das „Streben zur Vervollkommnung des Menschen“ (bei Khourchide die ethische Dimension, S. 106) wäre demnach kein Islam. Gleichermaßen dürfte aber auch eine Beschränkung auf die ethische Dimension, die einen nicht wissentlich gläubigen Muslime ohne Praktizierung der spezifisch islamischen Rituale, die der spirituellen wie der ethischen Dimension dienen, kennzeichnet, nach dieser Definition kein Islam sein.

 

Indem Khourchide jedoch Angehörigen anderer Religionen und sogar Agnostikern, die allgemein Liebe und Barmherzigkeit praktizieren, das Muslimsein zubilligt (S.88), erweckt er - offenbar unbeabsichtigt - den Eindruck, diese Rituale seien nicht nur nicht notwendig, sondern man erhalte die ethische wie die spirituelle Dimension der Religion auch gänzlich ohne Glauben, nämlich mit Humanität allein. Dies ist ebenso eine Reduzierung des Islam wie die Seitens Khourchides den Fundamentalisten vorgehaltene Beschränkung auf reine buchstabentreue „Pflichterfüllung“ und letztlich geradezu die Aufforderung, die seinerseits propagierte „Frömmigkeit“ (S.106) vermissen zu lassen.

 

http://islam.de/s_images/21745_4-nachrichten-index.jpg

Khourchides berechtigte Kritik an den Fundamentalisten sollte Frömmigkeit in der Religion ausdrücklich nicht ausschliessen

 

Die Liebe und die Barmherzigkeit gehören zu dieser Frömmigkeit zwar untrennbar hinzu, ebenso aber der Glaube und die diesen bezeugenden Rituale, die nach Khourchides eigener Interpretation schließlich nicht in erster Linie der Pflichterfüllung, sondern geradezu der Praktizierung von Liebe und Barmherzigkeit dienen. In der Tat mag es unberechtigt erscheinen, jeden der sündigt (dies sind schließlich alle Menschen) ebenso wie jeden, der sich nicht selbst als Muslim bezeichnet, als Kafir zu diffamieren (S.90). Hierfür mag auch ein Verweis auf Adam, eigentlich Prophet und Vorbild im Glauben, jedoch zugleich Sünder, als Argumentationsstütze dienen. (S.91) Indem Khourchide jedoch dessen Bitte zu Gott um Vergebung seiner Sünden hervorhebt, belegt er die Inkonsequenz seiner eigenen Schlussfolgerung. Wie sollte ein Agnostiker, der Gott nicht kennt, zu ihm um Vergebung bitten, und warum sollte Gott einem Menschen seine Sünden vergeben, der ihn überhaupt nicht um Vergebung gebeten hat?

 

Die spirituelle Dimension der „Hinwendung zu Gott“ ist im Islam gleichermaßen wichtig wie die ethische Dimension der „Vervollkommnung des Menschen“, da jene Vervollkommnung ohnehin nicht durch den (grundsätzlich sündigen) Menschen selbst erfolgen kann und es hierzu notwendigerweise göttlicher Unterstützung bedarf.

 

So berechtigt die Abgrenzung eines „wahrhaftigen Islam“ von einem „nominellen Islam“ (der prinzipiell kein Islam ist) erscheint, und so notwendig das kontextgebundene Koranverständnis, besonders hinsichtlich juristischer Aussagen (S.136) für ein menschendienlichen, gesellschaftsförderlichen Glauben sich erweisen kann, ohne die Hinwendung zu Gott und ohne Einhaltung seiner Gebote, erweckt man zwar nicht den Zorn Gottes, versäumt es aber, wie Khourchide zurecht anmerkt, sein Leben zu reflektieren und kann sich Gott, der sich einem seinerseits die ganze Zeit zuwendet, nicht den Dienst zu erweisen (S.106). Man ist dementsprechend weder „fromm“ - zumindest nicht nach koranischer Definition - noch kann man berechtigterweise als Muslim bezeichnet werden.

 

Wenn für Khourchide die „Hinwendung zu Gott“ eine so zentrale Bedeutung einnimmt, wie er vorgibt, kann er nicht gleichzeitig demjenigen den Islam zubilligen, der sich Gott nicht zuwendet und seine Rituale – wissentlich oder unwissentlich – nicht praktiziert. Er sollte diesen zwar keineswegs – wie dies einige Fundamentalisten handhaben mögen – gesellschaftlich ausgrenzen und ihm mit Hochmut begegnen, muss jedoch eindeutig darauf bestehen, dass zum Islam auch der „spezifische Weg“, d.h. die spezifisch islamischen Grundsätze und Rituale untrennbar hinzugehören.

 

 

Zum Autor: Dr. Mohammed Khallouk ist Soziologe (Marburg), Islamwissenschaftler (Theologie in Rabbat) und Habilitand bei Prof. Michael Wolffsohn. Als wissenschaftlicher Berater des Zentralrates der Muslime in Deutschland (Beauftragter für Wissenschaftliche Expertise) wurde er kürzlich in den Beirat des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster berufen

 

 

Islam.de, 22.01.2013

Mohammed Khallouk

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„Die historische Kontextualisierung soll keineswegs religiöse Rituale relativieren“

 

Mouhanad Khorchide wehrt sich gegenüber der Kritik von Mohammed Khallouk, der an bestimmten Stellen in seinem Buch eine Relativierung von Glaubensfragen erkennt

 

Zur Erinnerung: Mohammed Khallouk schrieb kürzlich auf islam.de eine Kritik über das Buch von Mouhanad Khorchide „Islam ist Barmherzigkeit“. Nun meldet sich der Autor und Islam-Hochschulprofessor an der Uni Münster, Mouhanad Khorchide, selbst zu Wort mit einer Erwiderung. Man darf gespannt auf den weiteren Verlauf dieser Dabette mit ernsten Hintergrund sein. Im Hinblick macher facebook-Eintragungen in den letzen Tagen, bleibt zu hoffen, das diese Debatte konstruktiv, denn polemisch geführt wird (Anm. Redaktion).

 

Über die Absichten eines Menschen, kann im besten Fall nur der Mensch selbst etwas sagen. Zu meinen Absichten mit diesem Buch schreibe ich in der Einleitung folgendes: „Mein Ziel ist es, dieses Bild vom Islam als Angebot an Muslime zu richten, die bereit sind, ihren Glauben zu reflektieren, und die offen für Antworten sind, die sie bisher noch nicht kannten. Wer es ernst mit seinem Glauben meint, der muss, meine ich, für jeden Gedanken offen sein, auch wenn dieser Gedanke im ersten Moment »anders« als gewohnt klingt. Ich lade die muslimischen Leser ein, sich die Chance zu geben, diese Gedanken kennenzulernen und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Das Buch richtet sich aber auch an Menschen, die ein stark verzerrtes Bild vom Islam haben, das einer restriktiven und gewaltbereiten Religion. Auch diese Leser haben hier die Möglichkeit, einen neuen Islam kennenzulernen: einen, der nicht nur mit Demokratie und Menschenrechten vereinbar und bemüht ist, einen Beitrag zu einem konstruktiven Miteinander aller Menschen zu leisten, sondern der auch den Wert des Menschen als würdevollstes Geschöpf Gottes betont, unabhängig davon, welche Weltanschauung der einzelne Mensch haben mag.“

 

Der Islam hat uns gelehrt, dass man sich nie anmaßen soll, über die Absichten eines anderen Menschen zu spekulieren. Und insbesondere diese und ähnliche Werte stehen im Mittelpunkt der Frömmigkeit, zu der der Islam mit Nachdruck aufruft. Gerade muslimische Intellektuelle sollten sich an diese Werte erinnern und sie möglichst vorbildlich vertreten. Dazu folgende Erzählung, die sich zur Zeit des Propheten Mohammed ereignet hat: Ein Gefährte des Propheten namens Usama nahm eines Tages die Verfolgung eines feindlichen Soldaten auf. Als er diesen Soldaten einholte und ihn gefangen nahm, sprach dieser sofort das Glaubensbekenntnis des Islam. Obwohl Usama dies hörte, tötete er ihn, in der Annahme, dass sein Ausspruch nur ein Versuch gewesen sei, dem Tod zu entrinnen. Als der Prophet Mohammed davon erfuhr, war er sehr wütend. Er sagte: „Usama! Du hast einen Menschen umgebracht, der das Glaubensbekenntnis sprach.“ Usama erwiderte: „O Gesandter Allahs, es kam nicht aus seinem Herzen.“ Daraufhin sagte der Prophet: ‚Hast du denn sein Herz aufgeschnitten und hineingeschaut?!“

 

Ich weiß nicht, wie sich ein Wissenschaftler anmaßt, zu behaupten, die eindeutige Intention eines Autors zu wissen, bevor er sein Buch gelesen hat. Geschweige davon, dass er in seinem Artikel suggeriert, dass das Islambild, das ich hier vertrete, von Frömmigkeit getrennt ist. Jeder, der dieses Buch mit neutralen Augen liest, wird feststellen, dass diese Kritik der Relativierung des Islam am Inhalt des Buches vorbei geht. Die sich mehrfach wiederholende falsche Schreibweise meines Namens ist nur symptomatisch für die Missverständnisse im Beitrag.

 

Die Muslime werden immer fünf Mal am Tag beten, im Ramadan fasten und einmal im Leben nach Mekka pilgern

 

Hier einige Zitate aus meinem Buch zur konstituierenden Bedeutung von religiösen Ritualen für die Identität des Islam:

 

„Seine Identität bekommt dieser Islam durch spezifische Elemente, die nur für Muslime gelten, wie das fünfmalige Pflichtgebet am Tag in Richtung Mekka, das Fasten im Monat Ramadan, die Pilgerfahrt nach Mekka usw. Man kann also sagen, dass gerade die fünf Säulen des Islam (Glaubensbekenntnis, Gebet, Fasten, soziale Abgabe und Pilgerfahrt) die identitätsstiftenden Merkmale für den Islam im spezifischen Sinne sind.“ (S. 88f.)

 

„Während Konsens unter allen muslimischen Gelehrten darüber besteht, dass Regelungen von religiösen Ritualen (dazu gehören vor allem die sogenannten fünf Säulen des Islam: Glaubensbekenntnis, das rituelle Gebet, das Fasten, die soziale Abgabe und die Pilgerfahrt) sowie Regelungen mit ethischem Charakter, wie das Gebot der Güte und Aufrichtigkeit, einen ahistorischen Charakter besitzen, d. h. für alle Musliminnen und Muslime für alle Zeiten gelten“ (S. 122)

 

„Zum zweiten Argument der Relativierung von religiösen Ritualen durch die historische Kontextualisierung des Koran will ich Folgendes bemerken: Bei den religiösen Ritualen, wie bei dem rituellen Gebet, dem Fasten im Monat Ramadan, der sozialen Pflichtabgabe oder der Pilgerfahrt nach Mekka handelt es sich um religiöse Praktiken, die vom gesellschaftlichen Wandel unabhängig sind. Daher gelten sie im siebten Jahrhundert in Mekka und Medina genauso wie im 21. Jahrhundert in Europa. Die Muslime werden immer fünf Mal am Tag beten, im Ramadan fasten und einmal im Leben nach Mekka pilgern. Dies gilt auch für weitere religiöse Gebote, die dem gesellschaftlichen Wandel nicht unterliegen, wie die Speisevorschriften im Koran.“ (S. 148f.) „Die historische Kontextualisierung soll keineswegs religiöse Rituale relativieren“ (S. 150)

 

 

Khorchide, 06.02.2013

Islam.de

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Wissenschasfts-Diskurs über "Islam ist Barmherzigkeit“von Mouhanad Khorchide - Ausführliche theologische Stellungnahme von Mohammed Khallouk

 

Stets wurde innerislamischer Diskurs eingefordert. Jetzt ist einer da und die islam.de-Redaktion will konstruktiv dazu beitragen.

 

Es geht um einen Streit, welches das Islambild von Mouhanad Khourchide nach seinem Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ erzeugt. Mohammed Khallouk ist in einer ersten Rezension hierauf auf islam.de eingegangen, worauf Khourchide wiederum geantwortet hat.

 

Nun liefert der Wissenschaftler Khallouk eine ausführliche Stellungnahme zu dem Werk, die im Folgenden zu lesen ist.

 

Siehe auch das IZ-Interveiw mit Abdurrahman Reidegeld, der zur heutigen islamischen Theologie Stellung bezieht

 

Außerdem verweist die islam.de-Redaktion auf Rezension von Rachid Boutayeb. Alle Meinungen müssen nicht die Meinung der Redaktion wiedergeben. Wir sind gespannt auf weitere Reaktionen.

 

 

 

Mouhanad Khorchides Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ zwischen Vermittlung eines bisher kaum verbreiteten Islamverständnisses und Reduzierung einer Weltreligion auf einen ihrer Zentralaspekte

 

Die Lebenserfahrungen des Autors motivieren ihn, sein Islamverständnis nach außen zu tragen

 

Wie im Schlusskapitel (S.217) angemerkt, assoziiert heutzutage ein wesentlicher Teil der Bevölkerung, im Westen wie in der Islamischen Welt, das Bild eines „barmherzigen“ und erst recht eines „liebenden Gottes“ mit dem Christentum. Demgegenüber schreibe man dem Gott des Islam Khorchide zufolge vielfach eine Pluralität von Eigenschaften zu, darunter als vorrangige Eigenschaft der Zorn und die belohnende aber auch strafende Richterschaft. Letztere beiden Eigenschaften Gottes dominierten seinen Erfahrungen nach sowohl die islamische Theologie als auch den Glauben der Muslime der gesellschaftlichen Gegenwart.

 

Da hiermit sowohl der Unterdrückung individueller Freiheit eine islamische Rechtfertigung geliefert werde als auch die Selbstreflektion des Muslims bezogen auf sein Alltagsleben in den Hintergrund gerate, fasste es Khorchide laut eigenem Bekenntnis als islamischer Theologe und Religionspädagoge als seine Aufgabe auf, die Botschaft zu vermitteln, das gegenwärtig bei Muslimen verbreitete Gottesbild entspreche nicht demjenigen des Islam. Vielmehr definierten Koran und Sunna Gott als Allbarmherzigen und Allerbarmer; die Barmherzigkeit stelle ebenso wie die Liebe sogar die zentrale Eigenschaft Gottes dar und sei anderen, ebenfalls vorhandenen Eigenschaften übergeordnet.

 

In der Einleitung des Buches schildert er seine Lebenserfahrungen, wobei er die Pluralität der libanesischen Gesellschaft, die er aus Ferienerlebnissen und Schilderungen seiner Eltern erfahren habe, hervorhebt, und dem als „reduziert“ , „einengend“ und „exklusivistisch“ deklarierten Islambild seiner saudi-arabischen Schulerziehung gegenüberstellt. Zwar hätten ihm seine späteren Erlebnisse in Österreich und Deutschland demonstriert, dass jene in Saudi-Arabien erfahrene, islamisch gerechtfertigte Unfreiheit keineswegs die gesellschaftliche Voraussetzung darstelle, welcher die Muslime sich gemeinhin gegenübersehen würden. Die Tatsache, dass die in Europa erlebte Freiheit von Nichtmuslimen garantiert werde und auch unter der dort lebenden muslimischen Minorität, einschließlich der islamischen Gelehrten die Einhaltung von Geboten und Verboten das Glaubensleben dominiere, schade dem Bild seiner prinzipiell freiheitsfördernden Religion.

 

Vor diesem Hintergrund sei es bedeutsam, traditionalistisch erzogene Muslime ebenso wie Islamkritiker darauf hinzuweisen, dass ihre Vorstellung von Islam ein Konstrukt ihrer Erziehung bzw. Außenwahrnehmung sei. Demgegenüber gelte es, die Gesellschaft mit dem barmherzigen Gott des Korans anzuvertrauen und auf diese Weise zu motivieren, über die eigene Praktizierung der Barmherzigkeit zum Aufbau der idealen „Islamischen Gesellschaft“ beizutragen.

 

Ungeachtet der Grundtatsache, dass eine zielgerichtete Realitätsschilderung gewöhnlich eine Selektion und Gewichtung der erlebten Ereignisse beinhaltet und das hier geschilderte Islambild der Umwelt keineswegs demjenigen einer muslimischen Majorität entsprechen muss, mag es legitim erscheinen, dass ein islamischer Theologe seine Lesart des Islam in der Öffentlichkeit als erstrebenswert für die gesellschaftliche Alltagspraxis von Muslimen und nominellen Nichtmuslimen sowie darüber hinaus für die islamische Theologie der Zukunft propagiert. Problematisch wird dies erst in dem Maße, wie Beispiele hervorgebracht werden, die der eigenen Grundthese vom Wortlaut her entgegenstehen oder die vorgegebenen Maßstäbe als inkonsequent erscheinen lassen.

 

Dieser Inkonsequenz begegnet der Leser bereits in der einleitenden Schilderung der Lebenserfahrungen. Vor dem Hintergrund des Eintretens für ein Islambild, das Bildung und Selbstreflexion fördere, erscheint es nicht besonders nachvollziehbar, als Prototyp für eine Muslimin, die den zentralen Wert der Barmherzigkeit im Alltag praktiziert habe, seine analphabetische Großmutter mit ihrer Hilfsbereitschaft gegenüber armen Muslimen wie Christen hervorzuheben. Dies könnte nämlich die – vermutlich nicht beabsichtigte – Schlussfolgerung nahe legen, nicht nur der von Abgrenzungsdiskursen geprägte Religionsunterricht der saudischen Salafisten schade dem Islam, sondern auch Allgemeinbildung, speziell aber Islamische Theologie sei darüber hinaus gänzlich unnötig. Wer ein gutes Herz besitze und Barmherzigkeit im Alltag demonstriere, habe den Islam bereits korrekt verstanden, die Auslegungen der Gelehrten – einschließlich seiner eigenen – dienten lediglich der Bestätigung des ohnehin Bekannten.

 

Gesteigert wird dieser Eindruck, indem Khorchide anschließend sogar seine atheistische Doktormutter in Österreich anführt. Akademische Bildung hat diese zwar zweifellos im überdurchschnittlichen Maße erhalten, aber als Soziologin sich wohl kaum mit den Heiligen Schriften des Islam auseinandergesetzt, wo Gott sich als Allerbarmer dem Menschen mitteilt. Er stellt sie einem muslimischen Studienkollegen gegenüber, der zwar freitags den Weg in die Moschee zum Beten fand, sich jedoch gleichzeitig für seinen begangenen Diebstahl rühmte.

 

In diesem Zusammenhang stellt er die rhetorische Frage: „Warum soll meine österreichische, nichtmuslimische Doktormutter auf ewig in die Hölle kommen, während dieser unsympathische Mitstudierende, der Menschen bestiehlt, für immer das Paradies genießen wird? Nur weil er die Überschrift „Muslim“ trägt? Was ist das für ein Gott, der das so bestimmt hat und will?!“ (S.24)

 

An einer späteren Stelle gibt Khorchide eine Erzählung eines Freundes wieder. Dabei handelt es sich um einen sechzigjährigen Engländer, der einen Imam darum bat, ihn in die Gemeinschaft der Muslime aufzunehmen, was der Imam aus Neid zurückwies, weil er offenbar ebenso wie der Engländer im bisherigen Leben gerne gesündigt hätte, aber wegen der Hoffnung auf das Paradies auf die verlockenden Sünden verzichtete. Khorchide zitiert den Imam mit den Worten: „Der Mann ist sechzig Jahre alt, er hat alles im Leben genossen, schöne Mädchen, Alkohol, und nun soll er mit mir ins Paradies kommen, der ich nichts davon gehabt habe, was er lebenslang genossen hat?! Das geht nicht!“ (S.68)

 

Die Erfahrung, dass tatsächliche oder vermeintliche Ungläubige versus Unwissende die ethischen Grundsätze der Religion mehr oder gewissenhafter praktizieren als nominell Gläubige, die entweder nur aus Angst vor der Hölle nicht sündigen oder durchaus sündigen und ihre Sünden nicht bereuen, teilt Khorchide sicherlich mit manch anderem Muslimen wie auch Anhängern anderer Religionen. Lobenswert ist in diesem Zusammenhang der Versuch zu erkennen, hieraus keine negativen Rückschlüsse auf die Religion, sondern allenfalls auf die Art und Weise ihrer gegenwärtigen majoritären Vermittlung zu ziehen.

 

Indem diese ethischen Grundsätze zur Religion selbst erklärt werden und darüber hinaus die unstrittig hierzu gehörige Barmherzigkeit allen anderen Grundsätzen sowie göttlichen Eigenschaften übergeordnet postuliert wird, provoziert dies geradezu die Ansicht, die allgemeine Praktizierung von Barmherzigkeit reiche aus, um sich als Muslime zu bezeichnen, wenngleich der Glaube - zweifellos ebenso Kernbestand des Islam – nicht vorhanden ist. Die Präsentation von Unwissenden oder sogar Ungläubigen, die barmherzig waren und sind, als Vorbilder, könnten diese sogar als Bestätigung ihres Unglaubens vorbringen.

 

 

Barmherzigkeit – Wesenseigenschaft Gottes oder ein göttliches Attribut unter vielen?

 

Um den Stellenwert des einen Gottes im Islam hervorzuheben, verweist Khorchide auf die Koransure 59 und zitiert die Verse 23 bis 25 (wie alle übrigen Koranzitate angeblich nach eigener Übersetzung) auf folgende Weise: „Er ist Gott, außer dem es keine Gottheit gibt, der Wisser des Verborgenen und des Sichtbaren. Er ist der Allbarmherzige, der Allerbarmer. Er ist Gott, außer dem es keine Gottheit gibt, der König, der Heilige, der Frieden, der Gewährer von Sicherheit, der Beschützer, der Allmächtige, der Verbesserer, der Majestätische. […] Er ist Gott, der Schöpfer, der Bildner, der Gestalter. […] und er ist der Allmächtige, der Allweise.“ (S.30)

 

Soll die Vielzahl der Ehrfurcht erregenden, teils sogar im Superlativ verwendeten Attribute zum einen die unbeschreibliche Größe Gottes und den Facettenreichtum an göttlichen Eigenschaften hervorheben, vertritt Khorchide dessen ungeachtet die Auffassung, der Eigenschaft „Barmherzigkeit“ sei ein höherer Stellenwert zuzumessen als anderen göttlichen Attributen. Dies schlussfolgert er zum einen daraus, dass Gott sich mit dem Attribut „barmherzig“ im Koran am häufigsten beschreibe (S.31) (wobei er aber eine Quantifizierung mit dem Verhältnis zu anderen Eigenschaften nicht präsentiert), zum anderen daraus, dass er die gemeinhin mit „barmherziger Gott“ übersetzte Bezeichnung ar-Rahman mit „Gott ist die Barmherzigkeit“ übersetzt. Die Barmherzigkeit sei dementsprechend nicht nur Attribut, sondern darüber hinaus „Wesenseigenschaft Gottes“. (S. 32)

 

Für diese These verweist Khorchide zudem auf Sure 7 Vers 56, wo das Adjektiv „nah“ in maskuliner Form gebraucht werde, sich jedoch auf das feminine „rahma“ (deutsch: Barmherzigkeit) beziehe. Den Vers zitiert er dementsprechend mit: „Die Barmherzigkeit Gottes, er ist nah.“ (S. 35) Während Gott also die personifizierte Barmherzigkeit sei, werde die Strafe zwar auch als göttliche Handlung beschrieben, nicht aber als zentrale Eigenschaft. Hierfür verweist Khorchide auf Sure 15, von der er die Verse 49 und 50 auf folgende Weise zitiert: „Verkünde den Menschen, dass ich der unübertrefflich Verzeihende, der Barmherzige bin, und meine Strafe, sie ist schmerzhaft.“ (S.45)

 

Ohne zu dem gegenteiligen Schluss zu gelangen, dass die Strafe der Barmherzigkeit und Vergebungsbereitschaft Gottes übergeordnet sei, erscheint Khorchides Interpretation der genannten Verse dennoch ein wenig spekulativ. Dass man Gottes Nähe an der Barmherzigkeit spüren kann, dürfte jeder aufrechte Muslim, der sich Gott zuwendet und seine Religion nicht nur im Geist, sondern auch im Herzen trägt, zu seinem Erfahrungsschatz zählen. Hieraus jedoch Gott selbst zur Barmherzigkeit zu erklären, wenn seine Strafe doch ebenso als „schmerzhaft“ gespürt werden kann, ist schwer nachvollziehbar.

 

Zudem steht diese Hervorhebung einer bestimmten Eigenschaft der eingangs genannten koranischen Beschreibung Gottes mit einer Vielzahl an Attributen entgegen. Gerade weil Gott nach islamischem Verständnis für sein menschliches Geschöpf unfassbar groß und in seiner Absolutheit unfassbar ist, erscheint es problematisch, ihn mit einer bestimmten Wesenseigenschaft gleichzusetzen. Auf diese Weise wird der prinzipiell nicht eingrenzbare Schöpfer Himmels und Erden de Fakto definitorisch eingegrenzt. Diese Art von Eingrenzung erscheint zwar nicht so beängstigend, wie jene auf die Eigenschaften Zorn und Strafe, bleibt damit aber nicht weniger eine Eingrenzung.

 

Khorchides Schlussfolgerung aus Sure 15 Vers 49, dass auch die Strafe Gottes von seiner Barmherzigkeit ausgehe, nimmt der Strafe nicht den Schmerzen heraus, bedeutet lediglich, dass Gott seine Strafe nur anwendet, wo diese das geeignetste Mittel ist, die Durchsetzung von Barmherzigkeit zu garantieren. Würde er die Strafe beliebig einsetzen, wäre er ein Willkürgott. Die Tatsache, dass im Nebensatz mit dem Attribut die grammatikalisch feminine Strafe und nicht Gott selbst gemeint ist, bedeutet lediglich, dass sich der barmherzige und verzeihende Gott mit der Schmerzhaftigkeit nicht identifiziert, keineswegs aber auch nicht mit der Strafe, die ohne Zweifel göttlichen Ursprungs ist und Khorchides Interpretation nach sogar zu der Barmherzigkeit hinzugehöre.

 

Die Tatsache, dass Gottes Strafe objektiv „schmerzhaft“ ist, muss nicht einmal implizieren, dass sie von den davon Betroffenen subjektiv als „schmerzhaft“ empfunden wird. Wer sich in der Gemeinschaft von Gläubigen und gerecht Handelnden nicht wohl fühlt, mag sich eventuell auch im Paradies nicht wohl fühlen. Für Jenen könnte die Hölle sogar der ersehnte Ort sein. Dass die Hölle jedem Nichtmuslime, unabhängig von seinem Handeln im Leben, zustehe, mögen einige islamische Theologen vertreten haben und sogar weiterhin vertreten (S. 48), die gegenteilige, dem Koran entsprechende Position, wonach es auf die Handlungen im Diesseits durchaus ankommt, und aufrechten Anhängern anderer Offenbarungsreligionen ebenso wie Muslimen das Paradies offen stehe, ist von der Majorität der Gelehrten zu keiner historischen Epoche bestritten worden.

 

 

Neue muslimische Sichtweise auf ihren Glauben oder Rechtfertigung des Islam vor Nichtmuslimen?

 

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass der Autor hier neben seiner eigenen Lebenserfahrung auf ein ressentimentbeladenes Islambild der nichtmuslimischen deutschen Mehrheitsgesellschaft reagiert. Dieser versucht er zu vermitteln, dass der Islam für sie nicht als Kollektiv die Hölle vorgesehen habe. Zwar mag sich deren Angst vor islamischem Einfluss dadurch verringern lassen, keineswegs jedoch die Motivation, von Muslimen wie Nichtmuslimen, sich Gott zuzuwenden.

 

Vor dem Hintergrund eines mutmaßlich christlich geprägten Leserkreises mögen auch Khorchides an die Lutherbibel erinnernden Übersetzungen der Bezeichnung Gottes mit „Herr“ in diesem Buch (beispielsweise S. 53) ihre Berechtigung besitzen. Sein Anliegen, einem auf „Herr-Knecht-Beziehung“ basierenden Verhältnis zwischen Gott und Mensch entgegenzutreten (S.29, S.73ff.), wird hiermit allerdings konterkariert. Ungeachtet dessen steht die Frage im Raum, ob an Verhältnisse von Menschen untereinander erinnernde Assoziationen der mit Superlativen ausgedrückten unerreichbaren Größe Gottes gerecht werden. Jene Gott „vermenschlichenden“ Assoziationen zeigen sich nämlich nicht nur bei problematischen Übersetzungen koranischer Verse wie z.B. der Erwählung Abrahams in Sure 4 Vers 125 mit dem Terminus „Freund“(S.30), sondern auch bei den Vergleichen wie der göttlichen versus prophetischen Verkündigung unter den heidnischen Mekkanern mit der elterlichen Erziehung eines Viertklässlers (S.63).

 

Die Anlehnung an christliches Gedankengut zeigt sich nicht zuletzt bei der Erläuterung des göttlichen Plans als „Bund Gottes mit allen Menschen“ (S.34), ein Terminus, welcher der christlichen Abgrenzungsrhetorik gegenüber dem Judentum entnommen zu sein scheint, wonach der auf das Volk Israel gemünzte alttestamentarische Terminus „Bund mit Gott“ nun als „Alter Bund“ interpretiert und durch einen alle Menschen und Völker betreffenden „Neuen Bund“ ersetzt wird. Das Verständnis, wonach letztlich alle Menschen gerettet werden, erinnert zudem sehr an die unter christlichen Theologen verbreitete Allversöhnungslehre.

 

Im majoritär christlich geprägten Kontext der deutschsprachigen Leser mögen diese Assoziationen auf Resonanz treffen, da christliche Theologen im Mitteleuropa der Gegenwart vielfach ähnliche Assoziationen für die Beschreibungen ihres christlichen Gottesbildes verwenden. Muslime, insbesondere jene, die in einem christlich geprägten Umfeld leben, fassen diese Assoziationen hingegen vielfach nicht als neue Antworten, die sie „noch nicht kennen“ (S.27) auf ihre Glaubensfragen auf, sondern als Adaptation des christlichen Gottesbildes auf den Islam, weil sie das Gottesbild des Christentums - mehr noch als jenes des Islam -, insbesondere den „liebenden Gott“ als zentrales Kriterium des Christentums, anstatt aus biblischer oder theologischer Lektüre aus der Verbreitung ihrer christlichen Umgebung kennen.

 

Ebenso wie das Alte und Neue Testament kann der Koran nur in seinem Kontext verstanden werden. In diesem Punkt ist Khorchide zuzustimmen. Dieses kontextgebundene Verständnis bedeutet jedoch keineswegs, zu den gleichen Schlussfolgerungen für den Islam zu gelangen, welche als „modern“ geltende christliche Theologen aus der biblischen Offenbarung und aus dem Christentum ziehen. Das Ziel des Menschen mag im Islam wie im Christentum durchaus seine Vervollkommnung sein. Zu dieser Vervollkommnung kann jedoch nicht nur Liebe und Barmherzigkeit gehören, schließlich hat der zweifellos vollkommene Gott auch viel mehr Attribute und Eigenschaften.

 

Hierzu gehört auch seine schmerzhafte Strafe als gerechter Richter, die für einige die Hölle bedeuten mag. Wer diese Eigenschaft Gottes ausblendet, trägt weniger zur Vervollkommnung des Menschen bei, sondern präsentiert ein ebenso verengtes, unvollkommenes Gottesbild wie jenes der salafistischen Gelehrten, die Gott auf die Überwacherfunktion des menschlichen Einhaltens von Ge- und Verboten reduzieren und den Menschen nicht zur eigenen Vervollkommnung motivieren. Wenn Gott, wie der Koran ihn beschreibt, vollkommen ist, dann ist nicht nur seine Barmherzigkeit vollkommen, sondern sämtliche anderen Eigenschaften auch.

 

Diese Vollkommenheit beinhaltet auch die Tatsache, dass einzig und allein Gott weiß, ob ein Mensch ins Paradies oder in die Hölle kommt, unabhängig der Frage, ob dieser sich als Muslim bezeichnet oder nicht. Die Prophezeiung Khorchides, die Hölle werde am Ende leer sein (S. 56ff.) widerspricht nicht nur dem traditionellen islamischen Jenseitsglauben, sondern exakt jenen Versen, die er in diesem Kontext zitiert. Ein Gott (hier auch mit dem der deutschen Bibelübersetzung entlehnten Wort „Herr“ bezeichnet), der laut Sure 11 Vers 107 und 108 „tut, was er will“, könnte die Hölle in der Tat leer sein lassen, er könnte genauso gut jeden sündigen Menschen dauerhaft in die Hölle verweisen. Im letzteren Fall wäre Gott zugegebener Weise nicht mehr der Barmherzige, den Khorchide in ihm zu sehen glaubt.

 

Da die Barmherzigkeit in der Tat eine wesentliche göttliche Eigenschaft ist, erscheint eine solche Kollektivverdammnis für Muslime nicht plausibel. Wenn jedoch grundsätzlich keiner dauerhaft in die Hölle verwiesen würde, und ein Mensch – mit oder ohne theologische Bildung – dieses göttliche Verhalten aus der Offenbarung herauslesen könnte, wäre erstens die Aufforderung Gottes an den Menschen, sich zu bekehren, sich zu vervollkommnen und Gutes zu tun, reiner Selbstzweck und zweitens wäre Gott nicht mehr unfassbar groß, sondern mit unserer menschlichen Begrenztheit berechenbar.

 

Mag es Berechtigung besitzen, den Nichtmuslimen das Bild eines Islam, der für sie prinzipiell die Hölle vorgesehen habe, von den Augen zu entfernen, mancher Muslim wird hiermit geradezu aufgefordert, seine Religion nicht mehr in gleicher Konsequenz wie bisher zu praktizieren. Dieser gelangt zu der Schlussfolgerung, so lange er allgemein liebevoll und barmherzig sei, habe er den Forderungen Gottes an ihn in ausreichendem Maße begegnet, und wenn nicht, könnte er – mit einiger Verspätung – dennoch ins Paradies gelangen. Das von Khorchide besonders hervorgehobene „Handeln“ tritt damit ebenso in den Hintergrund wie bei manchem von der asch´aritischen Schule geprägtem Theologen, für den das allgemeine Bekenntnis zum Islam bzw. das Aussprechen des muslimischen Glaubensbekenntnisses zum Eintritt ins Paradies den Ausweis liefere. (S.49)

 

 

Vereinigung von Spiritualität und Ethik statt Reduzierung des Islam auf eine Dimension

 

Khorchide kritisiert die Verengung des Islam auf Ethik ebenso wie auf das Befolgen göttlicher Instruktionen. Aus beiden Positionen lasse sich die Funktionalisierung und Instrumentalisierung der Religion zur Rechtfertigung des eigenen Handelns bzw. zur Bevormundung anderer Menschen ableiten. In diesem Kontext erscheint es notwendig, zu betonen, dass der Islam sowohl eine spirituelle als auch eine ethische Dimension enthält. Eine Vervollkommnung kann demnach nur beinhalten, seine Schwächen selbst zu erkennen und permanent „an sich zu arbeiten“ (S.78), ebenso aber „eine Beziehung zu Gott aufzubauen“ (S.81), denn aus sich selbst heraus wird der Mensch die erstrebte Vollkommenheit nicht erreichen können.

 

Indem jedoch jeder, der sich bemüht, Liebe und Barmherzigkeit zu praktizieren, unabhängig von seinem Glauben an Gott, als „Muslim“ definiert wird (S.88), stuft Khorchide die selbst als „zentral“ interpretierte „Beziehung zu Gott“ zu einem unbedeutenden Kriterium herab. Er ignoriert zudem die im Kapitel zuvor explizit betonte Tatsache, dass ein Mensch trotz seines permanenten Bemühens Vollkommenheit, die er hier mit Liebe und Barmherzigkeit gleichsetzt, nicht erreichen kann. Wenn Liebe und Barmherzigkeit tatsächlich die einzigen Kriterien für Vollkommenheit sein sollen, kann ein Ungläubiger, bzw. jemand, der keine Beziehung zu Gott aufgebaut hat, diese überhaupt nicht in erstrebenswerter Weise praktizieren.

 

Die Aufteilung in einen „Islam im Allgemeinen“ und einen „Islam im spezifischen Wege“ (S.88) erscheint in dieser Hinsicht besonders irreführend. Der Definition Khorchides nach sei jemand, der den „Islam im Allgemeinen“ praktiziere, ein Muslim, zugleich enthalte der „Islam im spezifischen Wege“ Elemente, die spezifisch für Muslime gelten würden. (S. 89) Wenn aber auch diejenigen, die „nur“ den „Islam im Allgemeinen“ praktizieren, bereits Muslime sein sollen, müssten die spezifisch islamischen Elemente doch ebenso bereits für diese Menschen gelten.

 

Khorchides Warnung vor einem gelehrten Islam, der andere ausgrenze, weil sie dieses oder jenes Ritual nicht in gleicher Konsequenz wie im Schrifttum gefordert befolgen, erscheint berechtigt. Wer jedoch die Auffassung vertritt, die Rituale gehörten ebenso wie die Spiritualität untrennbar zum Muslimsein hinzu, kann nicht gleichzeitig jene für den Islam vereinnahmen, die sich weder des Stellenwerts der spirituellen Dimension bewusst sind, noch die hiermit untrennbar zusammenhängenden, den Muslimen kennzeichnenden Rituale in irgend einer Weise praktizieren. Schließlich könnten diese die göttliche Intention der eigenen Vervollkommnung ohne Gott und ohne Spiritualität niemals erreichen.

 

Der Verweis auf Iblis (Satan), der Gott durchaus kannte, aber den Menschen nicht würdigte (S.99) und sich damit zu Gottes ärgstem Widersacher, zum ersten kafir, entwickelte, taugt in diesem Zusammenhang nicht. Schließlich beabsichtigte jener überhaupt nicht, sich zu vervollkommnen – zumindest nicht nach dem islamischen Verständnis –, geschweige denn eine Vervollkommnung des Menschen zu erreichen. Wer Gott nicht kennt oder nicht an ihn glaubt, der mag durchaus beabsichtigen, sich als Mensch zu vervollkommnen. - Den Humanisten jedenfalls kann dieses Bestreben keineswegs abgestritten werden. –

 

Khorchides eigener Aussage nach werden sie mit ihrem Ethik gebundenen Leben allein die Vollkommenheit jedoch nicht erreichen, unabhängig davon, ob sie sich deklaratorisch noch auf die Religion berufen oder als Atheisten zu erkennen geben. Im letzteren Fall würden sie es mutmaßlich nicht einmal als Würdigung verstehen, wenn ihnen das Etikett „Muslim im Allgemeinen“ angeheftet würde, geschweige denn sich für den „Islam im spezifischen Wege“ mit den spezifisch islamischen Elementen entscheiden. In dieser Hinsicht sind sie durchaus mit Iblis zu vergleichen. Der hat sich auch bewusst gegen jegliche – allgemeinen wie spezifischen - islamischen Elemente entschieden. Lediglich das Motiv für diese Verweigerung unterscheidet sich zwischen fehlendem Glauben an Gott beim Atheisten und fehlender Würdigung des göttlichen Geschöpfes Mensch bei Iblis. Das Ergebnis ist jedoch in beiden Fällen der Verbleib in der Unvollkommenheit.

 

Mag für Gott selbst der Mensch im Mittelpunkt seines Handelns stehen und somit auch ein Kern der letztlich von Gott ausgehenden Religion darstellen, für den Muslimen muss jedoch umgekehrt Gott im Mittelpunkt stehen. Schließlich ist Gott - zumindest nach islamischem Verständnis - derjenige, der uns ein Gespür für unsere Mitmenschen und deren Würde vermittelt. Gerade wenn die Gott-Mensch-Beziehung als Liebesbeziehung aufgefasst wird (S.73ff.), muss unsere Beziehung zu Gott vor allen anderen Verhaltensweisen und Eigenschaften stehen und bedingt diese erst, wie sie uns die Möglichkeit bietet, vollkommen zu werden.

 

Die Beziehung zu Gott wird im Islam schließlich durch die Rituale wie Beten, Fasten, Almosengabe oder Pilgerfahrt bezeugt und gepflegt. Wer diese Rituale nicht einzuhalten sucht, pflegt seine Beziehung zu Gott nicht. Gott bricht die Beziehung zu uns Menschen seinerseits dadurch zwar nicht ab und bietet uns neue Chancen. Sofern wir uns diese Chancen jedoch entgehen lassen, können wir den Islam nicht für uns in Anspruch nehmen, geschweige denn das Ziel unserer Vervollkommnung erreichen.

 

Ein Verzicht auf Glaube und Rituale bedeutet darüber hinaus eine Unvollständigkeit der Frömmigkeit, die Khorchide als entscheidend zur „Läuterung des Herzens und zur Vervollkommnung des Menschen“ (S.104) hervorhebt. Diese Frömmigkeit ist ebenso unvollständig wie jene, die ausschließlich aus der buchstabengerechten Befolgung der Rituale besteht und das Ethik gebundene Handeln ausblendet. In der Tat dient ein Ritual wie das Beten weniger einer lästigen Pflichterfüllung als mehr der Beziehungspflege zu Gott. Wer nicht betet, versäumt somit auch nicht in erster Linie die Erfüllung einer bestimmten Pflicht gegenüber Gott, sondern lässt eine Gelegenheit, von Gott Hilfestellungen zu seiner Vervollkommnung zu erhalten, aus. Zwar bietet Gott seinerseits dem Menschen lebenslang Gelegenheiten, seine göttliche Hilfestellung in Anspruch zu nehmen, an, ein Auslassen dieser Gelegenheiten kann sich jedoch in soweit rächen, da ein Mensch seine Lebensdauer ebenso wenig weiß wie er ohne göttliche Hilfestellungen die Vervollkommnung erreichen kann.

 

Da es sich bei den Ritualen um göttliche Hilfestellungen handelt, auf die man zur eigenen Vervollkommnung nach islamischer Lehre notwendigerweise angewiesen ist, hebt sich deren Stellenwert für den Muslimen mit gesellschaftlichem Wandel auch nicht auf. Sie gelten, worauf Khorchide im Zusammenhang mit seinem Eintreten für eine kontextgebundene Koranauslegung explizit hinweist, in der Gegenwart ebenso wie sie im Medina unter der Herrschaft des Propheten galten. Khorchide richtet diesbezüglich sogar seinen Blick in die Zukunft und führt aus: „Die Muslime werden immer fünf Mal am Tag beten, im Ramadan fasten und einmal im Leben nach Mekka pilgern. Dies gilt auch für weitere religiöse Gebote, die dem gesellschaftlichen Wandel nicht unterliegen, wie die Speisevorschriften im Koran.“ (S. 149)

 

Aus welchem Gedanken heraus kann er aber diejenigen als Muslime bezeichnen, die jene kontextunabhängig geltenden und identitätsstiftenden Rituale für Muslime nicht oder nur nach eigenem Belieben praktizieren? Weil sie sich allgemein zu Liebe und Barmherzigkeit bekennen? Anders gefragt: Wenn Liebe und Barmherzigkeit tatsächlich Synonyme für einen ganzheitlichen Islam sein sollen, kann dann ohne die Praktizierung dieser Rituale überhaupt Liebe und Barmherzigkeit unser Leben bestimmen? Sind wir ohne die Hinwendung zu Gott im der Form des Gebets oder des Fastens überhaupt in der Lage, ein ethisch gebundenes Leben zu führen?

 

Die Antwort sollte eindeutig sein: Nach islamischer Ethik auf jeden Fall nicht. Wir sind damit zwar noch nicht prinzipiell zur Hölle verdammt, da Nichtmuslimen dem Koran zufolge unter bestimmten Bedingungen ebenfalls das Paradies offen steht, aber Muslime sind wir damit keine – weder im spezifischen Sinne noch im Allgemein. Sofern man überhaupt den Islam in diesem Fall für sich in Anspruch nehmen kann, ist und bleibt es ein reduzierter Islam, welcher unsere Vervollkommnung nicht bewirken kann.

 

Mag Khorchide bei der besonderen Hervorhebung von Liebe und Barmherzigkeit von Elementen der christlich neutestamentlichen Theologie beeinflusst worden sein, ein zentrales christliches Element, insbesondere des Protestantismus, das letztlich aber in hohem Maße auf den Apostel Paulus und auch auf Zitate Jesu im Neuen Testament zurückgeht, hat Khorchide bezogen auf den Islam explizit zurückgewiesen. Hierbei handelt es um den Gedanken der Gerechtigkeit beziehungsweise der göttlichen Erlösung ausschließlich durch den Glauben. Für Khorchide sind die Werke, sofern es nicht nur korrekt praktizierte Rituale, sondern Alltagshandeln betrifft, für den Eintritt ins Paradies zentral. In diesem Fall wendet er sich sogar gegen Hadithüberlieferungen von al-Buhari und Muslim (S.151), die er sonst mehrfach als Quellen der Hadithüberlieferung zur Stützung seiner Thesen heranzieht (beispielsweise auf S.111, wo er sogar die Ähnlichkeit zu Aussagen im Matthäus-Evangelium betont).

 

Die genannten Koranverse, die im Gegenzug als Beleg für den herausragenden Stellenwert des Handelns angeführt werden, beinhalten den Glauben jedoch in gleichem Maße. Zwar wird der Glaube darin nicht unabhängig vom Handeln definiert (S.151), ein Handeln unabhängig vom Glauben erschließt sich dadurch jedoch ebenso wenig. Schließlich bietet der Glaube – darin sind sich Islam und Christentum in der Tat einig – erst die Bedingung, das angestrebte „Aufrichtige Tun“ durchzuhalten. Ein Atheist kann zwar auch im gegebenen Fall richtig handeln, im Falle des nicht richtigen Handelns wird er jedoch nicht um Vergebung beten und dementsprechend weder Vergebung erhalten noch die göttlichen Hinweise, wie er in Zukunft richtig handeln kann. Vielmehr handelt der aufrechte Muslim aus seinem Glauben heraus und zwar, nicht nur, um bei Gott Bonuspunkte fürs Jenseits zu erhalten, sondern ebenso, weil sein Glaube ihm ein Gespür und ein Gewissen bietet, welches Handeln dem menschlichen Zusammenleben dienlich ist.

 

 

Scharia - eigenständiges Rechtssystem für Muslime oder ein menschliches Konstrukt?

 

Khorchides Auffassung nach sei die Scharia im Koran und der prophetischen Tradition nicht genau definiert (S. 143) und je nach zeitörtlichem gesellschaftspolitischem Kontext würden divergente Schlussfolgerungen daraus gezogen. Vor diesem Hintergrund betrachtet er den Begriff Scharia als „menschliches Konstrukt“ und letztlich das Ergebnis historischer Versuche von Gelehrten, den Islam auszulegen. Da man das Resultat dieser gegenwartsbezogenen Islamauslegung nie im Vorhinein kenne, sei es unberechtigt, von „der Scharia“ als fest definiertem Begriff zu sprechen (S. 144). Wer darunter eine Zusammenfassung jeglicher islamischer Lehren verstehe, solle auf den Begriff „Scharia“ gänzlich verzichten und lediglich den Terminus „Islam“ anführen. Mehrheitlich, insbesondere von Muslimen in Europa, würde die Scharia jedoch als eigenes juristisches System aufgefasst, dass für Muslime neben dem für jeden gültigen Staatsrecht bestehe.

 

Welchen Begriff von Scharia einer besitze, sei abhängig vom Gottesbild und bedeute für Khorchide angesichts seines Glaubens an eine liebevolle Gott-Mensch-Beziehung die Ausrichtung an den sechs Prinzipien Monotheismus, Menschenwürde, Gerechtigkeit, Freiheit und Gleichheit der Menschen, sowie der Wahrnehmung sozialer Verantwortung. Konkrete Vorgaben für ein Kollektivrecht kennt er offenbar nicht. Die im Koran in den medinensischen Offenbarungstexten genannten Gemeinschaftsvorschriften seien hier prinzipiell untauglich, da die Gesellschaft sich gewandelt habe und juristische Koranverse ohnehin kontextbezogen auszulegen seien.

 

Mag eine historische Kontextualisierung, mit der Herausinterpretation der Kernaussage und dahinter stehenden Intention, der Förderung des „rechten Weges“ (S.147) sich als notwendig erweisen, weil die konkreten Gegenwartsprobleme vielfach in Koran und prophetischer Überlieferung nicht beschrieben sind. Diese Kontextualisierung fand in Form des Ijtihad, der rationalen Schlussfolgerung, jedoch die gesamte Islamgeschichte hindurch statt. Zugleich existiert bis in Gegenwart die irrationale oder interessengeleitete Schlussfolgerung, beispielsweise Seitens der Salafisten in Saudi-Arabien. Hieraus die Konsequenz zu ziehen, die Scharia sei generell ein „menschliches Konstrukt“ und lasse sich als juristisches System auf ein Gemeinwesen nicht anwenden, lässt sich jedoch nicht nachvollziehen.

 

Der Anspruch, auch im staatlichen Kollektiv Normen gelten zu lassen, die schariakonform sind, erweist sich gerade nicht als Reduzierung des Islam auf „juristische Regelungen“ (S.154), vielmehr speist er sich dem Bewusstsein, dass viele Menschen Normen benötigen, um ihr Gewissen herauszubilden. Hierin unterscheiden sich religiöse Gebote prinzipiell nicht von staatlichen Gesetzen. Da kontextbezogene Auslegung der religiösen Normen menschlicher Irrtumsfähigkeit unterliegt, hat hierauf aufbauende Gesetzgebung mit anderen profan begründeten Gesetzen auch die Unvollkommenheit gemeinsam. Gerade deshalb ist permanente Neuinterpretation der Rechtsquellen notwendig. Ein moderner Rechtsstaat versucht schließlich ebenso seine Gesetzgebung permanent veränderten Bedingungen anzupassen.

 

Die Einführung im Koran erwähnter Körperstrafen mag in einem zeitgenössischen Rechtsstaat keine angemessene Realisierung der Scharia darstellen, weil sich Grundwerte wie Gerechtigkeit und soziale Verantwortung heutzutage auf andere Weise durchsetzen lassen. Wer jedoch die Auffassung vertritt, in europäischen Staaten seien Scharianormen generell nicht notwendig, weil die Verfassungen die Schariaprinzipien Freiheit, Gleichheit und Menschenwürde bereits garantierten, ignoriert gerade die auch in Gesetzen sich ausdrückende Unvollkommenheit des Menschen.

 

Ohne westlich säkularen Gesetzgebern zu unterstellen, ethische Grundsätze außer acht zu lassen, gilt es jedes einzelne menschlich kreierte Gesetz – im Westen wie in der Islamischen Welt – zu hinterfragen, in wie weit dies den Normvorstellungen des Islam entspricht bzw. in wie weit es ein diesen Normen entsprechendes Leben zulässt, unabhängig davon, ob diese Kreation von ihren Urhebern mit der Scharia oder mit der säkularen Staatsverfassung legitimiert wird.

 

 

Historische Lesart des Korans versus Theologische Auslegungen

 

Khorchide plädiert für eine humanistische Koranhermeneutik nach dem Modell der sogenannten Ankaraner Schule. Danach soll sich man zum Verständnis einer Koranstelle in den historischen Kontext der Offenbarung zurückversetzen, aus der kontextbezogenen Bedeutung heraus allgemeine dahinter stehende ethische Grundsätze ableiten und aus dieser Ethik Anforderungen für die Gegenwart erkennen.

 

Khorchide zufolge lasse sich dieses Modell allerdings nur auf Koranpassagen anwenden, „die rechtliche Fragen behandeln“. (S. 163) Dem Vorwurf einiger Islamkritiker, der Koran treffe mehrfach zu ein und dem selben Sachverhalt unterschiedliche Aussagen, sucht er dadurch zu begegnen, dass theologische Aussagen, die nicht auf bestimmte gesellschaftliche Ereignisse bezogen seien, permanente Gültigkeit besäßen (S.164), während andere, auf bestimmte Ereignisse bezogene Passagen im Kontext dieser Ereignisse auszulegen seien (S. 165).

 

Wie aber lässt sich für jeden einzelnen Text erkennen, ob dieser auf ein Ereignis der Offenbarungszeit bezogen oder allgemein kontextunabhängig zu verstehen ist? Schließlich betont Khorchide selbst, wir wissen zu wenig, „um den historischen Kontext der Offenbarung aller koranischer Verse zu rekonstruieren.“ (S.164) Hier scheint es nahe liegend, jene Koranverse als „kontextunabhängig“ einzustufen, die dem eigenen Islambild entsprechen und jene als „kontextgebunden“ einzustufen, aus denen sich ein anderes Bild von Gott ziehen lässt. Nach dieser Methode verfährt auch Khorchide, wenn er die Barmherzigkeit zur „obersten Maxime humanistischer Koranhermeneutik“ (S.167ff.) erklärt, die er auch generell als Synonym für den Islam und darüber hinaus für Gott postuliert.

 

So berechtigt es erscheint, jene Koranaussagen in ihrem Kontext zu lesen, aus denen der spezifische Kontext ihrer Offenbarung herausgezogen werden kann, und so berechtigt es ebenfalls ist, bestimmte Grundsätze wie den Monotheismus, die Vollkommenheit dieses einen Gottes und darüber hinaus bestimmte Forderungen Gottes an die Muslime wie beten, fasten Almosengabe oder Pilgerfahrt als kontextunabhängig gültig einzustufen, vorrangig jedoch jenen Koranpassagen Allgemeingültigkeit zuzumessen, die eine bestimmte Eigenschaft Gottes wie die Barmherzigkeit betonen, ist durchaus ein selektives Koranverständnis. Es rechtfertigt unbeabsichtigt jene Islamkritiker, gegen die man sich und seine Religion zu verteidigen bestrebt ist.

 

Der berechtigte Vorwurf an Islamkritiker und Fundamentalisten, bestimmte koranische Aussagen losgelöst vom textlichen und historischen Kontext zu zitieren (S.165), um ihr Islambild zu bestätigen, trifft Khorchide selbst gleichermaßen, wenngleich es sich bei den von ihm zitierten Stellen um andere handelt und er dadurch dem Islam andere Eigenschaften zumisst. Wenn wir den historischen Kontext einer Koranstelle nicht kennen, können wir die betreffende Passage nicht kontextbezogen auslegen, sollten jedoch ebenso wenig eine allgemeingültige theologische Aussage daraus ziehen, weil darin die Begriffe „Liebe“ und „Barmherzigkeit“ enthalten sind.

 

Die historische Lesart des Korans hebt Khorchide besonders bei der islamischen Sichtweise anderer Religionen, namentlich des Judentums und des Christentums, hervor. Er differenziert zwischen dem Glauben derjenigen Juden und Christen, mit denen Prophet Muhammed in Berührung gekommen sei und den unter heutigen Juden und Christen mehrheitlich vertretenen Positionen. Demnach sei das koranisch vorgegebene Verhalten der Muslime gegenüber den Andersgläubigen je nach Kontext pluralistisch, inklusivistisch oder dialogisch zu gestalten. Exklusivistisch erscheinende Koranpassagen deutet Khorchide als kontextbezogen und wirft Islamkritikern und Fundamentalisten vor, diese Passagen kontextlosgelöst zu zitieren, um ihre exklusivistischen Positionen koranisch zu rechtfertigen (S. 191).

 

Er ist sich durchaus bewusst, dass die Sure 112, mit der Herausstellung von Gottes Einzigartigkeit im dritten Vers, dass „er weder zeugt, noch gezeugt wurde“ (S. 186) eine Abgrenzung nicht nur gegenüber den polytheistischen Heiden, sondern auch gegenüber der Trinitätslehre der Christen beinhaltet. Heutzutage würden die Christen mehrheitlich jedoch ebenfalls ein anderes Gottesbild besitzen. Dies mag durchaus stimmen, die Trinitätslehre ist jedoch nach wie vor ein Element der christlichen Theologie, die der Islam nicht kennt. Wenn Unterschiede vorhanden sind, sollten sie auch heutzutage nicht verschwiegen oder ignoriert werden. Ihre Betonung ist kein Exklusivismus, sondern die natürliche Identitätssuche einer Religion, die für Muslime in der Gegenwart ebenso bedeutsam ist wie in der Prophetenzeit.

 

Zuzustimmen ist Khorchide, dass man nicht versuchen sollte, Andersgläubige über ihre Religion aufzuklären und den Eindruck erwecken, man kenne deren Religion besser als sie selbst. Wenn Khorchide die Weigerung vieler heutiger Christen, sich als „Schriftbesitzer“ zu bezeichnen, aufgefallen ist, sollte er dies nicht dem christlichen Offenbarungsglauben zuweisen (S.185), sondern allein der Tatsache, dass sich die ersten Christen in einem jüdisch geprägten Umfeld bewegten und nicht durch die Schrift als solche (allenfalls durch das Neue Testament, das damals noch nicht kanonisiert war) von der Außenwelt abgrenzen mussten. Jesus wurde weder damals noch wird er heute als „die Offenbarung selbst“ gesehen. Diese handelt lediglich von ihm, bzw. als Offenbarung des Johannes von der hierin prophezeiten Wiederkunft Jesu.

 

Indem den Anhängern anderer Religionen ein bestimmter Glauben unterstellt wird, der mit der theologischen Realität nicht konform geht, lässt man Ressentiments erkennen – auch wenn sie nicht negativ gemeint sein mögen. Der dialogischen Vorgabe des Korans stellt man sich auf diese Weise mehr entgegen als mit einer eindeutigen Abgrenzung durch Benennung realer Unterscheidungskriterien.

 

Vieles, woran Khorchide seine „historische Lesart des Korans“ zu erläutern sucht, demonstriert seine persönliche theologisch-ideologische Sichtweise, aus der heraus er nicht nur den Koran zu interpretieren sucht, sondern auch den Glauben der anderen Religion. Die Personifizierung des Begriffes „Offenbarung“ auf Jesus ist schließlich nur eine Stufe unter seiner Personifizierung des Begriffes „Barmherzigkeit“ auf Gott, im Falle tatsächlicher Trinität wäre es sogar die gleiche Stufe. Gott wird er damit ebenso wenig beschreiben können, wie er die Bedeutung Jesu im Christentum reduziert.

 

 

Neue Sichtweise auf den Islam oder Verkleidung alter Leitgedanken in modernes Gewand?

 

Da Khorchides Buch im Original auf Deutsch verfasst ist, sind deutschsprachige, mehrheitlich nichtmuslimische Leser mutmaßlich die ersten, die sich mit seinen darin formulierten Thesen befasst haben. Da er sich hierbei eindeutig gegen das aktuell in Deutschland wie allgemein im Westen bestehende Islambild stellt, zugleich aber weniger den westlichen Eliten als mehr traditionalistischen islamischen Gelehrten für die vorhandene Angst einflößende Außenwahrnehmung des Islam die Verantwortung zuweist, trifft er bei seinen westlichen, christlich geprägten Lesern auf Zustimmung und z.T. sogar Bewunderung.

 

Sie erhoffen sich durch die hierin angekündete Etablierung der „Theologie der Barmherzigkeit“ Impulse zur Modernisierung des in ihren Augen noch in voraufklärerischer Zeit sich befindenden Denkens vieler Islamgelehrten. Aus diesem Bewusstsein heraus kann eine anerkannte deutsche Islamwissenschaftlerin wie Angelika Neuwirth die der Ankaraner Schule entnommene und für die Islamische Theologie in Deutschland beanspruchte humanistische Koranhermeneutik als „revolutionäres Projekt“ einstufen.

 

Die Hervorhebung der Liebe und Barmherzigkeit als den „zentralen Eigenschaften“ des Islam sowie letztlich Gottes ist jedoch wesentlich älter als die Ankaraner Schule und geht bereits auf Sufis im arabischen Mittelalter wie Ibn Arabi (1165-1240) zurück. Zwar unterscheidet sich Khorchide vom Sufismus mit seiner expliziten Betonung des Handelns, dieses Handeln wird jedoch zu wenig konkretisiert, abgesehen von der Tatsache, dass dadurch Liebe, Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zum Ausdruck gelangen sollen. Die konkretesten alltagsbezogenen Vorgaben kommen jedoch gerade in den juristischen Koranversen zum Ausdruck, die Khorchide generell als zeitbezogen auf die Arabische Halbinsel des siebten Jahrhunderts verstanden wissen will. Als Anleitung zum rechtschaffenen Handeln ließe sich auf den Koran somit kaum noch zurückgreifen.

 

Die Unterscheidung des Stellenwerts der mekkanischen von den medinensischen Offenbarungstexten, in der Form, dass universelle zeit- und kontextungebundene Handlungsanweisungen nur in den mekkanischen Koranpassagen zu finden sind, erscheint problematisch, da der Koran in seiner Gesamtheit göttliche Offenbarung darstellt. Diesem in der Bedeutung zweigeteilten Koranverständnis trägt Khorchide bereits dadurch Rechnung, dass er überwiegend mekkanische Koranverse als Belege seiner Thesen anführt.

 

Der erste Islamgelehrte, welcher eine graduelle Unterscheidung zwischen mekkanischer und medinensischer Offenbarung trifft, ist Khorchide im Übrigen nicht. Der 1985 in Khartoum hingerichtete sudanesische Gelehrte Mahmoud Muhammed Taha vertrat bereits die Auffassung, die medinensischen Offenbarungstexte seien nur im Kontext der damaligen Gesellschaft Medinas, das Prophet Mohammed auch politisch anführte, zu verstehen. Khorchide nimmt diesbezüglich eine Einschränkung vor, indem er auch von den medinensischen Koranversen nur diejenigen als kontextbezogen auszulegen beansprucht, die juristische Aussagen treffen.

 

Seine Sichtweise auf die Scharia mag für die Majorität seiner deutschsprachigen Leser zwar ungewohnt erscheinen. Das Bild eines Schariarechts, dass auch im 21. Jahrhundert noch die Houdud-Strafen für angemessen auf im Koran beschriebene Vergehen erachtet, ist hierzulande weit verbreitet und wird durch Khorchides regelmäßige Verweise auf die Praxis in Saudi-Arabien noch gefestigt, die keineswegs die Islamische Welt repräsentieren. Schließlich wird die als bisher noch unbekannt vorgestellte Auffassung der Scharia von Khorchide nicht als erstem muslimischen Intellektuellen vertreten. Der 1921 in Tunis geborene Gelehrte Mohamed Talbi bekundete bereits mehrfach, dass die Scharia für ihn ein Werk von Menschenhand sei.

 

Neue Erkenntnisse verbreitet Khorchide hiermit ebensowenig wie er ein neues Schariaverständnis vorstellt. Ungeachtet dessen muss ein menschliches Werk nicht grundsätzlich dessen Irrelevanz beinhalten, zumal es sich bei der Scharia um die menschliche Umsetzung göttlicher Anweisungen handelt. Diese Umsetzung kann und sollte sich zwar bei geändertem Kontext ändern, die göttlichen Anweisungen, die es umzusetzen gilt, bleiben damit jedoch bestehen. Diesem Prinzip trägt die sogenannte humanistische Koranhermeneutik sogar insoweit Rechnung, als aus dem kontextbezogenen Verständnis von Koranversen und Hadithen allgemeine Anforderungen herausgezogen werden, die es im gegenwärtigen Kontext zu praktizieren gilt. Damit bleibt die Scharia insgesamt jedoch auf göttliche Anweisungen bezogen und permanent gültig.

 

Das gesamte Buch hindurch ist der Versuch des Autors erkennbar, in der Öffentlichkeit ein Islamverständnis zu vermitteln, das auf die Fragen der Gesellschaft der Gegenwart zeitgemäße Antworten bietet sowie den Muslimen im Allgemein und islamischen Gelehrten im Besonderen neue Methoden der Erkenntnis und Religionsvermittlung bietet. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Islam häufig weitgehend mit der buchstabengerechten Einhaltung von Geboten und Verboten assoziiert wird, sowie der Belohnung der korrekten Befolgung dieser Regeln, ist Khorchides Versuch, die Barmherzigkeit als Wesenseigenschaft herauszustellen, verständlich. Schließlich stellt die Barmherzigkeit nicht nur im Christentum, sondern auch im Islam eine zentrale göttliche Eigenschaft dar, die Gott auch uns Menschen für unser Verhalten untereinander nahe gelegt hat. Die berechtigte Hervorhebung dieser Barmherzigkeit darf jedoch nicht die Gerechtigkeit als ebenso zentrale Eigenschaft Gottes ausblenden. Wir Menschen bedürfen nämlich, anders als Gott, Regeln, um die Barmherzigkeit im Alltag zur Geltung bringen zu können. Wenn wir diese Regeln nicht einhalten, können wir nicht erwarten, dass Gott uns dies permanent nachsieht.

 

Die Verengung des Islam auf Gebote, Belohnung und Bestrafung kennzeichnet Khorchide zurecht als reduziertes Islambild. Sein Anspruch, dieses Bild zu vervollständigen, sollte deshalb als lobenswert herausgehoben werden. Dieses ganzheitliche Islamverständnis wäre vielleicht noch ein wenig deutlicher zum Ausdruck gelangt, wenn er dem Eindruck in seiner Formulierung noch eindeutiger entgegengetreten wäre, die Barmherzigkeit nicht ebenso anderen Eigenschaften als übergeordnet einzustufen, wie manch traditionalistischer Islamgelehrter die Belohnung und Strafe. Obwohl er Ansichten präsentiert, die von einigen muslimischen Denkern im Arabischen Raum bereits geäußert wurden und auch auf Anregungen der christlichen Theologie nicht verzichtet, verleiht er der islamischen Theologie im deutschsprachigen Raum neue Impulse.

 

Khorchides Bemühen ist zweifellos herauszulesen, dem intellektuellen Islamdiskurs innerhalb Deutschlands ein eigenständiges Profil zu verleihen, mit neuen theologischen Perspektiven und Methoden zu bereichern und von dem Image einer Abhängigkeit von anachronistisch anmutenden Tendenzen in den Herkunftsländern der meisten muslimischen Immigranten zu befreien. Die Hervorhebung der Tatsache, dass der Islam als Religion den freien, mündigen und selbstverantwortlichen Menschen und die Barmherzigkeit gegenüber seinem Nächsten schon immer zum Ziel erklärt hat, dient dem Entgegentritt der hierzulande verbreiteten Ansicht, Muslime seien nicht in der Lage, sich mit der Demokratie zu identifizieren.

 

Mohammed Khallouk ist Politologe und Islamwissenschaftler sowie ZMD-Beauftragter für wissenschaftliche Expertise

 

Islam.de, 23.02.2013

Mohammed Khallouk

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Wenn ich mir diese Ablehnungen lese und die Kritik an seine Person, dann sage ich nur, wo bleibt des Beste und die gütigste Handlung.

 

Warum bezieht man sich bei der Kritik bzw. Rezension nicht auf sein Buch und versucht auch mal seine Sicht der Dinge zu verstehen, und nicht nur Kritik auszuüben. Ich finde in diesem Buch auch Sachen, die sehr schön definiert sind und beschrieben wurden. Man sollte Gerecht und mit Güte handeln. Im Sinne, dass man über jedes Buch eine Meinung schreiben kann, ansonsten wie soll sich eine Debatten Kultur bilden unter den Muslimen in Deutschland.

 

Und zweitens ist es auch kein Lehrbuch, warum man das so ernst nimmt, und unter den Muslimen für Unruhe sorgt verstehe ich nicht. Sollte man als Muslim nicht Gerecht sein. Es gibt sowohl kritische Beschreibungen bzw. unvollständige, unvollkommene Beschreibungen, bedürftige Beschreibungen seiner Seits, und Verallgemeinerung und andererseits gibt es schöne beschrieben Stellen. Er führt ja nur Gedanken bzw. seine Gedanken wohlmöglich aus und setzt sich mit den Meinungen ausereinander. Warum zeigt man eine Art der Gedankenkontrolle, daher auch diese Art keine ausführliche Rezension über sein Buch vorzulegen. Wer nicht lernt in einer besten Art zu kritisieren, wird nie Erfolg haben. In der Kritik auch barmherzig zu sein.

 

In diesem Sinne der Barmherzigkeit und einem Miteinenader. Wesselam

Bearbeitet von Sunnit
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Wenn ich mir diese Ablehnungen lese und die Kritik an seine Person, dann sage ich nur, wo bleibt des Beste und die gütigste Handlung.

 

Warum bezieht man sich bei der Kritik bzw. Rezension nicht auf sein Buch und versucht auch mal seine Sicht der Dinge zu verstehen, und nicht nur Kritik auszuüben. Ich finde in diesem Buch auch Sachen, die sehr schön definiert sind und beschrieben wurden. Man sollte Gerecht und mit Güte handeln. Im Sinne, dass man über jedes Buch eine Meinung schreiben kann, ansonsten wie soll sich eine Debatten Kultur bilden unter den Muslimen in Deutschland.

 

Und zweitens ist es auch kein Lehrbuch, warum man das so ernst nimmt, und unter den Muslimen für Unruhe sorgt verstehe ich nicht. Sollte man als Muslim nicht Gerecht sein. Es gibt sowohl kritische Beschreibungen seiner Seits, und Verallgemeinerung und andererseits gibt es schöne beschrieben Stellen. Er führt ja nur Gedanken bzw. seine Gedanken wohlmöglich aus und setzt sich mit den Meinungen ausereinander. Warum zeigt man eine Art der Gedankenkontrolle, daher auch diese Art keine ausführliche Rezension über sein Buch vorzulegen. Wer nicht lernt in einer besten Art zu kritisieren, wird nie Erfolg haben. In der Kritik auch barmherzig zu sein.

 

In diesem Sinne der Barmherzigkeit und einem Miteinenader. Wesselam

 

Ich könnte dich knuddeln für dein Statement. Die Gedanken sind frei, für jeden. Ich schätze Mouhanad Khorchide sehr. Ich hoffe er lässt sich nicht beirren. Der Mann ist ein Lichtblick.

 

Grüße

galama

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Ich könnte dich knuddeln für dein Statement. Die Gedanken sind frei, für jeden. Ich schätze Mouhanad Khorchide sehr. Ich hoffe er lässt sich nicht beirren. Der Mann ist ein Lichtblick.
Ich beschäftige mich derzeit mit diesem Thema und seinem Buch, und und und. Ich finds sehr informativ.

 

:D

 

Jeder muss bereit sein auch mal anders zu denken, auch wenn er nicht überzeugt davon ist, da gebe ich dir recht. Das ist auch islamisch.

 

Ich schätze den Anfang der islam. Theologie sehr, es geht ja nicht um die Lehre oder um die Lehrinhalte, sondern nur um ein Buch, was er persönlich rausbringen wollte, manchmal neigt man halt aus einer Maus schnell mal einen Elefanten zu basteln.

 

LG

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Ich beschäftige mich derzeit mit diesem Thema und seinem Buch, und und und. Ich finds sehr informativ. Zu deinem Knuddel, danke! Sehr motivierend... :D

 

Jeder muss bereit sein auch mal anders zu denken, auch wenn er nicht überzeugt davon ist, da gebe ich dir recht. Das ist auch islamisch.

 

Ich schätze den Anfang der islam. Theologie sehr, es geht ja nicht um die Lehrer, sondern nur um ein Buch, was er persönlich rausbringen wollte, manchmal neigt man halt aus einer Maus schnell mal einen Elefanten zu basteln.

 

LG

 

Hallo Sunnit,

ich verfolge das Schaffen von Mouhanad Khorchide schon lange, und es ist ein "Schaffen" im wahrsten Sinne des Wortes. Mir liegt sehr am Zusammenleben aller Menschen, egal welcher Konfession oder Nichtkonfession. Jeder Pfad der dazu beiträgt darf nicht zertrampelt werden. Das sind Pfade ins Heute.

 

Grüße

galama

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Hallo Sunnit,

ich verfolge das Schaffen von Mouhanad Khorchide schon lange, und es ist ein "Schaffen" im wahrsten Sinne des Wortes. Mir liegt sehr am Zusammenleben aller Menschen, egal welcher Konfession oder Nichtkonfession. Jeder Pfad der dazu beiträgt darf nicht zertrampelt werden. Das sind Pfade ins Heute.

Hallo Galama,

 

Man sollte keine Entwicklung stoppen, egal in welchem Land oder aus welcher Nation. Das ist nur bedingt durch eine beste und gütigste Art und Weise zu verwircklichen, was uns aus der Einstellung in Heute fehlt!

 

Jeder bemüht sich zu nehmen, und zu haben, keiner will leider geben. Am Ende schmeckt der Kuchen nicht mehr, wenn man noch ein Gewissen hat und Gerecht ist...

 

Wesselam

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Hallo Galama,

 

Man sollte keine Entwicklung stoppen, egal in welchem Land oder aus welcher Nation. Das ist nur bedingt durch eine beste und gütigste Art und Weise zu verwircklichen, was uns aus der Einstellung in Heute fehlt!

 

Jeder bemüht sich zu nehmen, und zu haben, keiner will leider geben. Am Ende schmeckt der Kuchen nicht mehr, wenn man noch ein Gewissen hat und Gerecht ist...

 

Wesselam

 

Hallo Sunnit,

 

ich glaube nicht das "uns" was fehlt, sondern nur einigen wenigen. Bestes Beispiel:

 

http://dawa-news.net/2013/03/04/best-of-mouhanad-khorchide/

 

Das ist übel, vor allem die Kommentare unter dem "Artikel" des selbsternannten "Wahrheitsverkünders" Lawyers Of Truth aka Konvertit TG, der das islamische Wissen mit Löffeln gefressen hat. Pfui.

 

Grüße

galama

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Das ist übel, vor allem die Kommentare unter dem "Artikel" des selbsternannten "Wahrheitsverkünders" Lawyers Of Truth aka Konvertit TG, der das islamische Wissen mit Löffeln gefressen hat. Pfui.
Das ist erst einmal, bevor man überhaupt anfängt zu lesen und sich mit dem Inhalt beschäftigt, eine eigenartige und zudem ungeistige Schreibweise, wenn man bereits einen Beleidigen muss. Prof. Korchide erklärt einige Sachen sehr gut, vor allem, dass mit der Würde des Menschen und der Barmherzigkeit und Liebe bzw. die Beziehung der Menschen miteinander, davon könnten sich die muslim. als auch nichtmuslimischen Verbände inspirieren lassen, was ja auch gerade zu diesem Beispiel passt. Die Freiheit und Würde des Menschen werden missachtet, abgesehen davon ist es respektlos. Das ist die gleiche Art wie bei den Ausereinandersetzungen der Salafisten gegen die Polizei,wo einige von ihnen eine Dame oder Herran vor der Kamera beschimpft haben und ein schlechten Charakter an den Tag vorlegten! Das ist nicht der Islam.

 

Provokation hin oder her, es muss richtig eingesetzt werden, sonst schmeckt das Gesagte nicht und es tut auch der Gesundheit nicht viel. Provokation muss innerlich bewegen, undd einen Menschen motivieren, ansonsten sollte man es grundsätzlich vermeiden! Hat hiet nichts zu tun, abe das Buch von ihm ist an enigen Stellen provokativ und gut in Fülle eingesetzt.

 

Ich bin nicht jemand, der Herrn Prof. Korchide als unfehlbar sieht oder ihn als Umdenker sieht, er spricht jedoch die heutigen internen Themen beim Namen an, wobei ich das Buch nicht in jeglicher Hinsicht gut finde! Es gibt auch viele andere Bücher über den Islam... Das Buch von ihm ist jedoch inspirativ an einigen vielen Stellen!

 

 

Das ist übel, vor allem die Kommentare unter dem "Artikel" des selbsternannten "Wahrheitsverkünders" Lawyers Of Truth aka Konvertit TG, der das islamische Wissen mit Löffeln gefressen hat. Pfui.

Haben diese Leute in ihrem Leben einmal etwas über Sinnabschnitte gehört? oder sinnliche Wiedergabe?, abgesehen Gerechtigkeitswaage? sagt ihnen das was? Kennt man das Verborgene? Kaum. Das sieht nicht wie eine Bücherkritik aus!

Schade!!!

 

 

Vielleicht beruhigt dich das etwas liebe Galama:

 

https://www.uni-muenster.de/ZIT/Aktuelles/2013/20130301.html

 

Mehr gibt es nicht...

 

Wesselam

 

:)

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Best of Mouhanad Khorchide

 

 

Nachdem Dawa-News schon vor einigen Monaten mit verschiedenen Artikeln über den "Islamwissenschaftler" Mouhanad Khorchide und seine wirren Auslegungen und Philosophien, die in keinster Weise mit dem authentischen Islam vereinbar sind, aufklärte [/url], haben nun schließlich auch einige muslimische Verbände erkannt, dass Khorchides Gedankengut keinesfalls den Islam repräsentiert, wie er vorgibt.

So kam aus Hamburg scharfe Kritik von Vertretern dreier bekannter Verbände (von Ditib, Schura Hamburg und vom Bund Islamischer Gemeinschaften in Hamburg). Endlich wird auch die Gefahr, die von Khorchide ausgeht, da er als Professor in Münster Islamlehrer ausbildet, erkannt, indem die Qualifikation dieser Lehrer von einem der Kritiker bereits in Frage gestellt wurde.

Obwohl die Angelegenheit bezüglich Khorchides Lehre, die vielmehr einer neu kreierten Liebesphilosophie als dem ursprünglichen Islam gleichkommt, mittlerweile so klar ist, versucht die "TAZ" die Kritik an Khorchide zu relativieren.

So wird in einem Artikel der TAZ behauptet: "Aber es gab auch Kritik von konservativen Muslimen, denen seine Auslegung göttlicher Barmherzigkeit zu weit ging." Auch wird hervorgehoben, dass Khorchide von "deutschen Salafisten" angefeindet worden sei, wodurch wohl vermittelt werden soll, dass Korchides Ablehnung eher auf die Ansichten von Extremen und Rückständigen (was hierzulande dank der Medienpropaganda unter "Salafisten" verstanden wird) zurückzuführen ist.

Um unseren Lesern zu zeigen, was Khorchide für absurde Thesen über den Islam aufstellt und vor allen Dingen, was er alles so als Islam ausgibt, haben wir im Folgenden ein "Best of" aus seinem Buch "Islam ist Barmherzigkeit" erstellt.

Best of Mouhanad Khorchide

"Gott sucht unsere Nähe, weil er im Grunde Mitliebende sucht." (Seite 29)

"Es ist etwas Göttliches in uns Menschen…" (Seite 29)

"Er will die Beziehung zu uns Menschen nicht als Herr-Knecht-Beziehung gestalten, sondern als Freundschaftsbeziehung, ja als Liebesbeziehung" (Seite 29)

"Die Hölle ist demnach kein Ort der Bestrafung oder der Rache Gottes, sondern steht symbolisch für das Leid und die Qualen, die der Mensch im Laufe dieses Transformationsprozesses erlebt…" (Seite 50)

"Gott aber interessiert sich nicht für Überschriften wie "Muslim", "Christ", "Jude", "gläubig", "ungläubig" usw…" (Seite 57)

"Der Gedanke, Gott habe die Menschen erschaffen, weil er verherrlicht oder angebetet werden wolle, macht aus Gott einen von Minderwertigkeitsgefühlen geplagten, egoistischen "Diktator", der auf der Suche nach sich selber ist. Das ist dann aber nicht mehr Gott." (Seite 70)

"Gott ist nicht zornig, wenn jemand Nein zu ihm sagt, er freut sich jedoch, wenn er den Menschen für seine Liebe gewinnen kann." (Seite 83)

"Muslim ist jeder, der Ja zu Gottes Liebe und Barmherzigkeit sagt" (Seite 85)

"Gott und Mensch arbeiten Seite an Seite, um Liebe und Bamherzigkeit zu gestalten." (Seite 85)

"Der Mensch, der die Einladung Gottes zu Liebe und Barmherzigkeit annimmt und bereit ist, ein Medium der Verwirklichung göttlicher Intention zu sein, ist ein Muslim. Islam ist die Annahme der Liebe und Barmherzigkeit Gottes." (Seite 85)

"Nach der oben dargestellten Definition des Islam ist jeder, der sich zu Liebe und Barmherzigkeit bekennt und dies durch sein Handeln bezeugt, ein Muslim, auch wenn er nicht an Gott glaubt, denn Gott geht es nicht um die Überschriften "gläubg" oder "nichtgläubig"." (Seite 88)

"Eines steht also fest: Es geht beim Begriff kafirun keineswegs um eine Bezeichnung von Nichtmuslimen." (Seite 90)

"Kafir kann daher ein gläubiger Muslim, Christ oder Jude sein." (Seite 90)

"Die Leitung des Menschen auf den rechten Weg geschieht also durch eine Kooperation zwischen Mensch und Gott: Weder führt Gott allein den Menschen auf den rechten Weg, noch findet ihn der Mensch von sich aus." (Seite 92)

"Da Gott in der Welt hauptsächlich durch den Menschen eingreift, könnte man zugespitzt sagen: Gott braucht den Menschen, um seine Absicht von Liebe und Barmherzigkeit zur Realität zu machen." (Seite 94)

"Jeder, der den Menschen, seine Würde, Freiheit und seine Vernunft nicht achtet, ist ein „Iblis“, ein kafir, auch wenn er an Gott glaubt und ihn anbetet." (Seite 100)

"Die größte Sünde, die der Mensch begehen kann, ist nicht die, die sich gegen Gott richtet, sondern die gegen seinen Mitmenschen." (Seite 101)

"Jedes Gebet bereichert den Menschen innerlich. Es geht nicht um einen Dienst an Gott oder darum ihm einen Gefallen zu tun, auch nicht darum, Gottes Befehl zu gehorchen." (Seite 105)

"Wer nicht betet oder nicht fastet, der macht Gott damit nicht zornig…" (Seite 106)

"Religiöse Rituale sind nicht Gottesdienst…" (Seite 115)

"Scharia als juristisches System steht im Widerspruch zum Islam" (Seite 116)

"Das eigentliche Anliegen des Islam ist, dass der Mensch sich vervollkommnet, um die Gemeinschaft Gottes zu erlangen." (Seite 116)

"Der Koran spricht lediglich an vier Stellen von Verboten…" (Seite 126)

"Was ich damit sagen will, ist, dass Scharia nichts anderes als ein menschliches Konstrukt ist." (Seite 143)

"Im Koran geht es um den Menschen, nicht um Gott." (Seite 169)

"Gott und Mensch kooperieren Seite an Seite, um Liebe und Barmherzigkeit als gelebte Wirklichkeit zu gestalten." (Seite 169)

"Obwohl Gott die Quelle und der Urheber des Koran ist, hat sich der Mensch maßgeblich in ihn eingebracht." (Seite 172)

"Die konfessionelle Vielfalt unter den Menschenn ist gottgewollt." (Seite 189)

"Der Islam ist nicht der einzige Weg zur ewigen Glückseligkeit…" (Seite 190)

"Nicht nur Muslime dürfen ihn (Anmerkung: gemeint ist der Koran) lesen und auslegen, auch Nichtmuslime sollen dies tun." (Seite 196)

"Die Würde des Menschen ist auch im Göttlichen, das er in sich trägt begründet." (Seite 197)

"Die islamische Formel „Es gibt keine Gottheit außer Gott“ ist Ausdruck eines freien unabhängigen Geistes." (Seite 199)

"Damit sich das Befreiungspotenzial des Koran entfalten kann, darf man nicht an seinem Wortlaut kleben." (Seite 202)

 

Und so ein Scharlatan bildet Islamlehrer aus, die dann auf die muslimischen Kinder an öffentlichen Schulen losgelassen werden…

 

 

 

 

DAWA-News, 04.03.2013

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Muslime ohne Islam?

 

Islam-Verbände fordern Reue von Professor Khorchide

 

In einer türkischsprachigen Zeitung haben sich Vertreter dreier muslimischer Organisationen in Hamburg kritisch über Professor Mouhanad Khorchide, der an der Uni Münster islamische Religionslehrer ausbildet, geäußert. Die Vertreter werfen Khorchide vor, in seinem Buch "Islam ist Barmherzigkeit" die Glaubensprinzipien des Islam aufgeben zu wollen. Sie fordern deswegen Reue. Das "Forum am Freitag" mit Abdul-Ahmad Rashid bringt die Kontrahenten erstmals zu einem Streitgespräch zuammen. Mouhanad Khorchide spricht mit den Hamburger Muslimen Mustafa Yoldas und Ramazan Ucar. Wird Khorchide bereuen?

 

 

 

Sprengstoff für die muslimische Community in Deutschland: Mouhanad Khorchide entwirft in seinem neuen Buch "Islam ist Barmherzigkeit" das Bild eines liebenden, gütigen Gottes und bezeichnet den Koran als einen "Liebesbrief Gottes an die Menschen". Ein reformatorischer, fast revolutionärer Ansatz, der die traditionelle islamische Theologie eines strengen, autoritären Gottes auf den Kopf stellt. "Viele Muslime gehen von einem Gott aus, der verherrlicht werden will, der Anordnungen schickt und der kontrolliert, wer sich daran hält. Wer gehorcht, wird belohnt, wer es nicht tut, bestraft," meint

Professor Mouhanad Khorchide.Der Islam - keine Gesetzesreligion

Ein großer Teil der Muslime sehe den Koran als ein Regelbuch, sagt Khorchide weiter. Er hingegen sehe die Beziehung zwischen Gott und Mensch als eine Liebesbeziehung, "ähnlich wie die zwischen einer Mutter und ihrem Kind". Er wünsche sich, "dass sich die Muslime befreien von dem Bild eines archaischen Gottes, das einem in vielen Moscheen, im Religionsunterricht oder während der theologischen Ausbildung suggeriert wird".Khorchide räumt ein, dass sich die Reformer, "die den Koran anders interpretieren, den Islam nicht als

reine Gesetzesreligion sehen", bisher nicht durchsetzen konnten.

Das habe auch politische Gründe. "Viele Machthaber der islamischen Reiche haben sich den Titel 'Schatten Gottes auf Erden' verliehen. Sie machten damit klar: Wer dem Herrscher widerspricht, widerspricht Gott." Damit das Volk gefügig bleibe, ließen sie das Bild eines Gottes konstruieren, dem Gehorsam über alles geht.Das spiele bis heute in einem diktatorischen Staat wie Saudi-Arabien eine wichtige Rolle: "Jede Opposition wird nicht nur als weltliche Opposition, sondern als Opposition hingestellt, die sich gegen Gott richtet", sagt der Theologe. Er fordert eine Reform, "die die Mündigkeit und die Vernunft des Menschen in den Mittelpunkt stellt. Der Koran selbst tut das übrigens."

 

 

ZDF Info, 08.03.2013

 

Video:

http://www.zdf.de/Forum-am-Freitag/Muslime-ohne-Islam-26930552.html

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