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Richter am Pranger - von Ute Fiedler

 

 

Nach einem Gerichtsurteil in Wiesbaden wittern Medien einen vermeintlichen „Islam-Rabatt“ für den Täter nur, weil die Richter nach einem Mord an einer schwangeren Frau nicht die besondere Schwere der Schuld festgestellt haben. Eine Studie widerlegt jedoch eine solche Vermutung.

 

Als die Wiesbadener Schwurgerichtskammer am 24. März einen 24-Jährigen wegen heimtückischen Mordes an seiner schwangeren Ex-Freundin zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, ahnen die Richter nicht, welche mediale Lawine das Urteil lostreten wird.

 

 

Die Debatte entzündet sich an einem der letzten Sätze der Urteilsbegründung. Es geht um die besondere Schwere der Schuld, die Staatsanwaltschaft und Nebenklage gefordert hatten, die die Kammer jedoch nicht als erwiesen sieht. Der 24-Jährige mit afghanischen Wurzeln, der seine Ex-Freundin hinterrücks erstochen hatte, offenbar, weil er die Beziehung zu der Christin vor seiner Familie geheimhalten wollte, sei noch nicht gefestigt. Er habe sich aufgrund seines familiären und kulturellen Hintergrundes in einer Zwangslage befunden, sagt der Vorsitzende Richter.

 

In der Berichterstattung in den darauffolgenden Tagen wird der „kulturelle“ zu einem „religiösen“ Hintergrund. Brigitta Biehl, Rechtsanwältin und Vizevorsitzende des Vereins Peri, der sich um Frauen kümmert, die zwangsverheiratet werden sollen, wird zitiert. Gegenüber der FAZ wirft sie die Frage auf: „Wenn der Täter Christ oder Atheist gewesen wäre, würde seine Schuld dann schwerer wiegen?“

 

Die Bild-Zeitung holt daraufhin den Begriff „Islam-Rabatt“ aus der Mottenkiste hervor. Ein Wort, das sich seitdem ein weiteres Mal wie ein Lauffeuer verbreitet, die Internetforen erobert und die Wiesbadener Richter ob des vermeintlich zu milden Urteils an den Pranger stellt.

 

 

In sich falscher Begriff

 

Opferschutzorganisationen fordern, die Opfer stärker zu schützen. Muslime wehren sich gegen eine Stigmatisierung. „Die Bezeichnung Kultur-Rabatt, die einem Täter ein kulturell begründetes Verhalten unterstellt, zeugt von der Ignoranz des Richters und zugleich von der unangemessenen Gleichsetzung der Religion Islam mit einer bestimmten, mehrheitlich von Muslimen geprägten Kultur“, schreibt Mohammed Khallouk, Vize-Vorsitzender und Pressesprecher des Deutsch-Islamischen Vereinsverband (DIV) Rhein-Main. Die Ermordung eines Menschen werde im Koran sogar mit der Auslöschung der gesamten Menschheit moralisch gleichgesetzt. „Hiervon ausgehend, kann es für Mord keine islamische Rechtfertigung geben.“

Doch abgesehen von der Debatte um einen Begriff, der in sich falsch ist, ist das Urteil der Wiesbadener Richter tatsächlich zu milde? Hans Kieserling, Pressesprecher des Landgerichts, wird sehr deutlich. „Der Angeklagte ist zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Die Kammer hat die Umstände strafverschärfend berücksichtigt. Da gab es keine Milderung.“

Eine besondere Schwere der Schuld, wodurch eine vorzeitige Entlassung nach 15 Jahren Haft ausgeschlossen würde, wird Kieserling zufolge nur selten festgestellt. „Zum Beispiel, wenn mehrere Menschen getötet werden“, sagt er. Eine Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg untermauert Kieserlings Aussage.

 

Rechtswissenschaftlerin Julia Kasselt hat 78 Fälle ausgewertet, bei denen die Täter Partner oder Verwandte aus kulturellen Motiven angegriffen hatten. Im Vergleich mit „normalen“ Partnermorden stellte Kasselt fest, dass kulturell oder religiös motivierte Taten von der Justiz sogar härter bestraft werden.

Kasselts Ergebnisse entziehen der Debatte um einen vermeintlichen Islam-Rabatt die Grundlage. Trotzdem gehen die Diskussionen weiter. Politiker wie Wolfgang Bosbach werden in der Bild-Zeitung zitiert. „Maßstab darf bei uns nur die deutsche Rechts- und Wertordnung sein, nicht die der Scharia“, sagt der CDU-Innenexperte.

 

 

Revision eingelegt

 

Doch was sagen eigentlich die mittelbar vom Urteil betroffenen, was sagen die Eltern der Getöteten? Rechtsanwältin Barbara Sauer-Kopic hat sie vor Gericht vertreten. Es sei schade, dass es jetzt nicht mehr vorrangig um die getötete Jolin gehe, sondern um eine „pseudopolitische“ Diskussion. Ausgerechnet eine Kammer, die als sehr streng gelte, als Islam begünstigend darzustellen, sei „völlig daneben“, sagt sie. Von einem Rabatt könne keine Rede sein.

Es sei logisch, dass ihre Mandanten ein Strafplus für den Täter wollten, der ihr Leben zerstörte. Sie fordern nach wie vor die besondere Schwere der Schuld. Schließlich sei ihre Tochter schwanger gewesen, erläutert Sauer-Kopic, die vorsorglich Revision eingelegt hat. Ebenso wie die Verteidigung, die weiterhin auf einen Freispruch pocht.

 

Quelle: http://www.fr-online.de/rhein-main/-islam-rabatt--richter-am-pranger,1472796,26792306.html

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[TD][h=1]Der ZMD am 30.3.2014:[/h][h=1]ZMD: Es gibt kein Kultur-Rabatt im Islam bei Mord oder anderen strafrechtlichen Handlungen[/h][h=2]Studie des Max-Planck-Instituts: Die Justiz gibt Ehrenmördern keinen `kulturellen Rabatt`."[/h]Angesichts der befremdlichen Verquickung von Inkorrektheiten bezüglich eines Gerichtsurteiles in Wiesbaden, hat der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) in der letzten Woche folgende Stellungnahme auf islam.de veröffentlicht:

 

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland weist zum wiederholten (!) Male unmissverständlich darauf hin, dass sogenannte „Ehrenmorde, landläufig – in religiös nicht näher bezeichneten Kontexten – auch „Familiendramen“ genannt, sich in keinster Weise mit dem Islam begründen lassen. Der Islam verbietet Mord aufs Schärfste und vergleicht diesen sogar in einer prophetischen Überlieferung mit der Auslöschung der ganzen Menschheit. Ebenso ist die Zwangsverheiratung im Islam vollkommen verboten. Diese Grundsätze sind unveränderliche, anerkannte und einheitliche Lehrmeinungen in der gesamten islamischen Welt. Dazu gibt es einen eindeutigen Konsens unter allen Gelehrten des Islam.

 

Daher hat der Zentralrat der Muslime mit Verwunderung das Gerichtsurteil gegen einen Deutsch-Afghanen am letzten Montag in Wiesbaden aufgenommen. In der Urteilsbegründung heißt es, der Täter habe sich „aufgrund seiner kulturellen und religiösen Herkunft in einer Zwangslage befunden“. In Bezug auf die „religiöse Herkunft“ handelt es sich bei der Beurteilung dieses Mordes durch den zuständigen Richter um ein erschreckendes Missverständnis hinsichtlich der Lehren des Islams."

 

Dazu sagte heute die Generalsekretärin Nurhan Soykan: "Es gibt keinen kulturellen oder vermeintlich religiösen Rabatt, wenn Menschenrechte oder das Strafgesetz missachtet wird. Man sollte diese Taten nicht als Ehrenmorde kennzeichnen. Sie dürfen nicht in irgendwelchen religiösen Kontexte gestellt werden und sie sind in keinster Weise mit dem Islam zu begründen." Siehe auch Berichterstattung in der DW und vor einigen Jahren in Hamburg

 

Deutsche Strafgerichte behandeln sogenannte Ehrenmörder nicht milder als andere Beziehungstäter, sondern sogar strenger. Das ergibt eine Studie des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, die demnächst erscheint und über die der "Spiegel" in seiner neuen Ausgabe berichtet. Die Forscherin Julia Kasselt hat 78 Fälle zwischen 1996 und 2005 ausgewertet, bei denen die Täter Partner oder Verwandte wegen kultureller "Ehrenkodizes" angegriffen hatten.

Kasselt verglich die Urteile mit 91 Schuldsprüchen gegen Partnermörder, die etwa aus Eifersucht getötet hatten, und stellte fest, dass Letztere deutlich milder bestraft wurden. Das Fazit der Forscherin: "Die Justiz gibt Ehrenmördern keinen `kulturellen Rabatt`."

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