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Der Begriff der Intelligenz ist ebenso umstritten wie seine Messung. Dennoch wollen Forscher nun eine vergleichsweise faire Testmethode gefunden haben. Demnach erkennen Menschen mit höherer Intelligenz kleine, sich bewegende Objekte schneller. Ein entsprechender Test würde zumindest kulturelle und soziale Faktoren ausschließen.

 

 

"Intelligenz ist das, was ein Intelligenztest misst" ("Intelligence as the Tests Test it", Edwin G. Boring, 1923) - der überstrapazierte Psychologenspruch bringt es auf den Punkt: Die Schwierigkeiten beginnen bereits beim Begriff selbst. Denn immerhin handelt es sich um keine eindimensionale Messgröße wie etwa die Temperatur oder die Zeit. Bevor es etwas zu messen gibt, muss erst festgelegt werden, was Intelligenz überhaupt bedeutet. Aber bis heute gibt es keine klare, allgemeine anerkannte Definition dieser menschlichen Eigenschaft.

 

 

Die Studie in "Current Biology":

"A Strong Interactive Link between Sensory Discriminations and Intelligence" von M.D. Melnick et al., erschienen am 23. Mai 2013.

Nichtsdestotrotz versucht man sie seit mehr als hundert Jahren mittels Tests dingfest zu machen. In der Regel haben diese einen Zahlenwert zum Ergebnis, den Intelligenzquotienten (IQ) - diese Kenngröße soll die allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit angeben. Dabei ist es höchst umstritten, ob eine derartige Zusammenfassung überhaupt zulässig ist und ob man nicht von verschiedenen Teilfähigkeiten sprechen sollte.

 

 

Heute spricht man daher häufig nicht mehr von der Intelligenz, sondern von vielen Intelligenzen, die sich im Lauf der Jahrzehnte rasant vermehrt haben. Standen zu Beginn vor allem die sprachliche oder mathematisch-logische Intelligenz im Zentrum, haben sich zuletzt auch Begabungen wie die soziale und emotionale Intelligenz dazugesellt. Die Differenzierung hat die Messbarkeit keineswegs erleichtert.

 

 

Neben der prinzipiellen Kritik an dieser Definition sowie an der Objektivierbarkeit eines Begriffs wie Intelligenz gibt es aber auch zahlreiche handfeste Einwände gegenüber der praktischen Anwendung von Intelligenztests: Denn sozialer und kultureller Hintergrund entscheiden maßgeblich darüber, wie jemand bei traditionellen Intelligenztests abschneidet. Kritiker meinen, dabei werde vor allem erworbenes Wissen bzw. Bildung abgefragt, Aussagen über die allgemeinen geistigen Fähigkeiten ließen sich daraus keine ableiten.

 

 

Blitzgescheit

Die Forscher um Michael D. Melnick vom Center for Visual Science an der University of Rochester schlagen nun eine Alternative vor, die zumindest hinsichtlich der letztgenannten Kritikpunkte Abhilfe schaffen könnte. Kleiner Wermutstropfen: Ihre Wirksamkeit wurde mit klassischen IQ-Tests abgeglichen.

 

 

Im Rahmen der aktuellen Studie wurde untersucht, wie gut die Probanden sich bewegende Objekte erkennen können. Dafür mussten sie kurze Videos betrachten, auf denen sich schwarze oder weiße Längsbalken nach rechts oder links bewegen und dabei möglichst schnell die Bewegungsrichtung angeben.

 

 

Die Bildausschnitte, die die beweglichen Objekte zeigten, waren dabei unterschiedlich groß: Entweder waren die Balken nur im Zentrum des Bildes zu sehen oder beinahe über den ganzen Bildschirm verteilt. Jene Teilnehmer, die beim Erkennen der kleinen Ausschnitte besonders schnell waren, schnitten auch in anschließenden Intelligenztests eindeutig am besten ab.

Intelligentes Ausfiltern

 

 

Der signifikante Zusammenhang bestätige frühere Ergebnisse, wonach Menschen mit höherem IQ in der Wahrnehmung besonders flink sind und schnellere Reflexe haben. Aber die Geschwindigkeit allein ist den Forschern zufolge nicht der entscheidende Punkt, wie eine genaue Auswertung aller Testreihen nahelegt. Denn bei den größeren Bildausschnitten zeigte sich der umgekehrte Zusammenhang: Die - zumindest gemessen - intelligenteren Teilnehmer schnitten hier viel schlechter ab.

 

 

Genau in dieser Unfähigkeit aber liege ihre Gabe. Sie sei ein Gradmesser dafür, wie gut das Gehirn überflüssige Hintergrundinformation ausfiltern kann. Denn in den meisten realen Situationen sind Bewegungen im Hintergrund nebensächlicher als jene im Zentrum. Den Forschern zufolge steht genau diese Fähigkeit in engem Zusammenhang mit Intelligenz.

 

 

Sie vermuten darin einen grundlegenden neuronalen Mechanismus, der auf vielen Ebenen zu tragen kommt: bei der einfachen Wahrnehmung wie bei der Lösung komplexer Probleme. Das Gehirn werde permanent mit Unmengen an Informationen bombardiert, entscheidend sei das Ausfiltern des Hintergrundrauschens: "Schnelle Verarbeitung allein nützt nicht viel, wenn man die Informationen nicht auf das Wesentliche reduziert", so die Autoren.

 

 

Indem er so grundlegende Fähigkeiten erfasst, könnte der optische Test manche Einschränkungen klassischer Intelligenzmessungen aufheben, denn sprachliche, soziale und kulturelle Hürden spielen hier keine Rolle.

 

 

Eva Obermüller, science.ORF.at

 

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