Verhalten gegenüber gutem Freund in Bezug auf Religion, Heirat, Zina etc. - wichtige Fragen!

[Ali33]

liebe Geschwister,

 

Ich hoffe ich bin in diesem Forenbereich richtig mit dem Thread, wusste nicht wo ich es sonst hinschreiben sollte.

Ich verfolge dieses Forum schon seit mehreren Monaten als passiver Leser und habe mich nun entschlossen, mich endlich hier anzumelden. Mich fasziniert die Tatsache, dass es in diesem Forum soviele aufgeschlossene Muslime gibt, die sich so offen für Toleranz & Dialog aussprechen. Ich bin selbst ein Muslim elhamdulillah, muss jedoch von mir selbst leider behaupten micht nicht mit allen Details unserer wunderbaren Religion auszukennen. Ich versuche mich stetig durch Lektüre des Koran oder durch Lektüre von eben solchen religiösen Foren wie Misawa.de in meinem Wissen fortzubilden und hoffe, dass mir dies Stück für Stück gelingen wird :ins: .

 

Dies ist auch der Grund, wieso ich mich hier angemeldet habe, da ich die Hilfe & Beratung von Glaubensbrüdern und - Schwestern brauche, um mir in einem für mich sehr wichtigen Anliegen weiterzuhelfen, welches ich nicht begehen will, ohne mich vorher detailliert darüber informiert zu haben.

 

Es ist eine etwas lange Geschichte und ich hoffe ich belästige euch nicht allzu sehr damit wenn ich euch drum bemühe, sie durchzulesen und mir wenn es geht detaillierte Antworten, Vorschläge und Ratschläge zu geben.

 

Ich habe einen guten Freund, mit dem ich mich seit über 10 Jahren gut verstehe und mit dem ich auch den Großteil meiner Kindheit und Jugend verbracht habe (mittlerweile bin ich 23). Wir sind gemeinsam in die Moschee zu Koranstunden gegangen, haben gemeinsam am Gebet teilgenommen, gemeinsam gefastet, gemeinsam Bayram gefeiert etc. etc.

Mittlerweile studieren wir seit 2 1/2 Jahren in der selben Stadt und wohnen in einer Wohngemeinschaft zusammen mit einem anderen Freund von uns, welcher aus Polen kommt.

 

Nun ist es so, dass mein guter Freund, ich nenne ihn mal aus Anonymitätsgründen X, seit etwas einem halben Jahr eine Richtung eingeschlagen hat, die mich teilweise etwas verwirrt um ehrlich zu sein, bzw. die mich doch ab und zu an meiner Freundschaft zu diesem Menschen zweifeln lässt.

 

Ich weise ausdrücklich daraufhin, dass ich in folgendem Abschnitt versuche so OBJEKTIV wie möglich die Situation aus meiner Sicht zu schildern, ohne die Absicht meinen Freund X vor euch, vor ALLAH c.c. oder vor sonst irgendjemandem schlecht zu machen (haschah, das ist wirklich das letzte was ich mit diesem Thema beabsichtige). Es ist nur meine objektive, neutrale Siche der Dinge und ich werde versuchen sie so wertungsfrei wie möglich darzulegen erbitte von euch Ratschläge, wie ich mit der Situation umgehen soll. Es würde mich sehr freuen, wenn diese Ratschläge mit TEXT-BELEGEN aus dem heiligen Kuran oder aus Hadisen belegt wären, so dass ich ein Argumentationsfundament habe, auf dass ich mich geistlich stützen kann.

 

 

- Mein Freund lebt seit etwa 1 Jahr (und immernoch andauernd) in einer Beziehung mit seiner Freundin, die er im Chatroom über das Internet kennengelernt hat. Sie ist auch Muslima - beide haben jedoch keine religiöse Trauung vollzogen und die Familien der beiden wissen auch nichts über diese Beziehung. Es ist jedoch so, dass mein Freund jeden Tag bei ihr ein- und ausgeht und auch bei ihr übernachtet. Sie leben also in einer Beziehung wie Mann und Frau, jedoch ohne religiöse Trauung vor Allah. In seiner Jugend (also noch bis vor 1-2 Jahren) hatte er regelmäßige Affären und kurzzeitige Beziehungen zu verschiedensten Frauen. Nun hat er seit 1 Jahr seine feste Freundin, die er beabsichtigt (irgendwann mal) zu heiraten.

 

 

- Seit nun etwa 4 Monaten hat mein Freund eine Glaubensrichtung eingeschlagen, die ich so von ihm nicht kannte. Er meint, dass er seitens Allah erleuchtet wurde und dass man ihm den Auftrag gegeben hat, alle Menschen zu warnen und aufzuklären. Seitdem vergeht kein Tag indem er mir oder meinem Mitbewohner nicht vorhält, was für große Sünden wir begehen und dass wir verloren sind und in die Hölle kommen werden. Mein Freund (welcher ja polnischer Katholik ist) hätte sowieso absolut keine Chance als Ungläubiger (Zitat: "Alle Nicht-Muslime sind automatisch Ungläubig und kommen direkt in die Hölle") und ich (oder andere aus unserem Freundeskreis) würden den Islam auch nicht richtig praktizieren, würden regelmässig sündigen und würden, wenn wir so weitermachen, auch in die Hölle kommen. Er verurteilt eigentlich mehr oder weniger alles, was nicht bis 3 auf dem Baum ist (entschuldigt die platte Ausdrucksweise), kehrt dabei seine eigenen Fehler unter den Teppich und tut alles dafür, damit die Fehler und Sünden anderer Menschen an die Öffentlichkeit getragen werden. Zum Beispiel sagt er Sachen wie "Als ich letztens in der türkischen Moschee von Diyanet war, hab ich Leute gesehen, also 90%, die beten garnicht richtig. Die beten, gehen dann raus, und begehen wieder Sünde" oder "Guck mal der, der verpasst sein Gebet; guck mal, der hört Musik; guck mal, der macht das und das...- der ist verloren und wird in der Hölle brennen". Ich habe schon mehrmals mit ihm über diese Sachen geredet und versucht ihm zu sagen, dass nur der allmächtige und barmherzige :Allah: weiss, was mit den Menschen nach dem Tode geschieht und wie er sie richten wird und das jeder Mensch für sich selbst verantwortlich ist und individuell gerichtet wird und dass es keinem Menschen zusteht über andere Menschen und ihre Fehler/Sünden zu urteilen. Er hält jedoch vehement an seinem Standpunkt fest und sagt "Doch na klar kann ich das, steht ja so im Kuran, dass sie brennen werden, also kann ich auch sagen, dass wenn sie so weitermachen, in die Hölle kommen". Gestern hatte ich sogar eine Diskussion mit ihm, die mich sehr sehr traurig gemacht hat. Wir haben über die milde, Güte und Barmherzigkeit Gottes gesprochen (mit meinem polnischen Mitbewohner zusammen) und dann hat mein Freund X gemeint "Gott ist nicht barmherzig zu jedem, er kann zwar verzeihen, aber wenn man nicht betet und Sünde macht, dann hast du keine Chance, Gott verzeiht dir nicht alles" - es ging dann so weit, dass ich 1:1 Hadise und Kurantexte zitiert habe um Gottes allumfassende Barmherzigkeit (mit Ausnahme von "Shirk" versteht sich) zu unterstreichen was er wiederum nicht einsehen wollte und mehr oder weniger verneint hat, dass Gott zu denjenigen barmherzig ist, die nicht zu 100% alle Pflichten erfüllen und Sünde begehen. Er meinte ich solle mir Videos von einem gewissen "Pierre Vogel" im Internet ansehen und mich dadurch weiterbilden (die Frage ist nur, was mir dieser Mensch lehren kann, was ich nicht aus dem Kuran oder den Hadisen entnehmen kann?) - das ironische (oder traurige?) an der ganzen Sache ist, dass er zum Ende des Gespräches, wo er knapp 3 Stunden über die Menschen, die verloren sind, weil sie Sünde begehen und den Islam nicht praktizieren geurteilt hat, sagt: "So Leute, ich gehe jetzt zu meiner Freundin" und dort dann übernachtet. Ich werde mir hierzu kein urteil erlauben, ich schildere nur die Fakten. Als mein polnischer Freund (welcher sich auch mit der Bibel und dem Kuran beschäftigt) ihn nach der "Zina" fragte, die er ja dadurch begeht, dass er die Freundin hat meinte er "Ja, das stimmt. Ist eine sünde, aber ich bete 5x am Tag und jedesmal wenn ich bete werden mir so und so viele Sünden abgezogen, dadurch gleiche ich das aus - aber bald werde ich sie sowieso heiraten und dann verzeiht mir Gott das, was ich bis dahin gemacht habe"...ich lasse das unkommentiert.

 

 

- Auch zeigt er seit dieser Zeit eine extreme Intoleranz gegen Andersgläubigen, ja sogar gegenüber andersdenkenden Muslimen. Die Anhänger bzw. Befürworter von Said Nursi (auf türkisch "Nurcu"-Gruppen) nennt er "Spinner, die jeden Blödsinn tolerieren und das nix mit dem Islam zutun hat" - es versteht sich von selbst dass auch diese seiner Meinung nach in die Hölle kommen, wenn sie so weitermachen und einfach keine Ahnung haben, wie man den Islam richtig praktizierst - er nennt solche Leute "Moslems auf dem Papier" oder "Zu 10% Moslem".

 

 

- Es ist also leider Gottes schon soweit gekommen, dass ich mit diesem Menschen, den ich wirklich sehr gemocht und respektiert habe, keine gedanklichen Überschneidungen mehr feststellen kann. An Wochenenden, wenn ich meine Familie besuchen fahre, und ihn frage ob er mitkommt (unsere Familien kommen aus der selben stadt), sagt er "Nein, ich bleib bei meiner Freundin" und wenn seine Mutter ihn fragt wieso er nicht zu Besuch kommt, sagt er "Ich habe wichtige Klausuren, für die ich lernen muss". Wenn seine Mutter mich dann fragt "Ich habe gehört ihr schreibt wichtige Klausuren" kann ich sie einfach nicht anlügen, ich bringe es nicht über das Herz weil ich sie fast so sehr schätze wie meine eigene Mutter und sage "Ich weiss es nicht, es kann sein dass er Klausuren schreibt", da ich ihn auf der anderen Seite auch nicht verraten will - ich hoffe Gott verzeiht mir dies.

 

 

- Nun plant er zusammen mit seiner Freundin, in ein paar Monaten die religiöse Trauung zu vollziehen, natürlich ohne das Wissen und den Segen der jeweiligen Familien (Der Vater von ihr hält sie wohl noch für zu jung und würde wohl definitiv kein Verständnis für die Beziehung haben) und er sagt, ich solle ihn trauen und ein paar andere Muslime sollen die Zeugen sein.

 

 

Nun stehe ich also vor dem großen Zwiespalt: Auf der einen Seite würde ich, indem ich ihn traue (wobei ich nichtmal weiss ob ich die Qualifikation dafür besitze), ihn aus seinem Zustand der Zina herausholen und ihre Beziehung hätte Gottes Segen. Auf der anderen Seite müsste ich vor :Allah: eine Eheschließung durchführen, die ihr Fundament auf Zina hat (1 Jahr uneheliches geschlechtliches Zusammenleben) sowie, zumindest vorerst, ohne den Segen der jeweiligen Familien auskommen muss, da das alles versteckt ist und die Familie nicht gefragt wird.

Ich habe Angst, wenn ich irgendwann vor :Allah: stehe, dass ich mich rechtfertigen muss, wieso ich die Ehe geschlossen habe und damit die Eltern der beiden belogen habe (Da die Eltern ja garnicht von der Beziehung wissen und eine Beziehung verschweigen, ist auch Lügen). Ich weiss natürlich jedoch nicht, wie :Allah: dies bewerten wird.

 

 

Was ich von euch Brüdern und Schwestern verlange ist folgendes:

 

Ratschläge und Hilfestellungen zu meinem zukünftigen Umgang mit meinem ehemaligen guten Freund, der sich zur Zeit auf einem Weg der Gedanken befindet, mit dem ich mich leider nicht identifizieren kann. Ich suche am besten konkrete Zitate und Deutungen aus Kuran und Sunna über die von mir angesprochenen Problematiken wie "Zina vor der Ehe", "Urteilen über die Menschen und ihre Sünden von anderen menschen" , "Allah's bamrherzigkeit und seine Eigenschaft, Sünden zu vergeben" , "Eheschließung ohne Einverständnis der Eltern", "Belügen der Eltern" etc. etc.

 

Halt diese Kernpunkte. Ich bin leider nicht so ein Wissender, als dass ich mir diese Fragen selbst beantworten kann, ich lese und studiere viele religiöse Quellen, finde jedoch leider nicht immer die Antwort auf meine Fragen oder kann die Texte nicht richtig deuten.

 

Wie gesagt, ich wiederhole ausdrücklich: Ich distanziere mich von sämtlichen Urteilen, auch gegenüber meinen Freund. Ich habe versucht, die Situation, die objektiven Fakten so wahrheitsgetreu wie möglich zu schilden. Das Urteil gebührt einzig und allein :Allah: dem allmächtigen und Allerbarmer. Falls ich an gewissen Stellen unwissenderweise Sachen geschildert haben, die so nicht zu 100% der Wahrheit entsprechen, bzw. die ich falsch aufgefasst haben sollte (auch wenn ich dies nicht so denke, da die objektiven tatsachen doch sehr eindeutig sind), möge mir :Allah: inschaallah verzeihen.

 

 

 

Ich bedanke mich im Vorraus für eure Geduld, diesen Text gelesen zu haben und eure Ratschläge und Hilfestellungen, liebe Brüder und Schwestern.

 

 

Vesselam,

Ali

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

[Webmaster]

Esselamu Aleikum lieber Ali,

 

eine heikle Situation in der du steckst. Allah möge dir Mut und Stärke geben.

 

Also gegen die Trauung spricht eigentlich nichts. Wie du schon selber schreibst, befreiest du sie damit vor Zina. Nur muss man hier einwenden, warum die Eltern es nicht erfahren dürfen. Wenn es keinen trichtigen Grund gibt, ist es nach der hanefitischen Lehre sowieso nicht erlaubt zu heiraten. Es muss also einen guten Grund geben, warum die Erlaubnis der Eltern nicht eingenommen wird.

 

Was die "Erleuchtung durch Allah" angeht. Das ist ganz gefährlich. Da kann er selber zum Ungläubigen werden, da er damit Gefahr läuft, Allah etwas anzuhängen. Oder wie genau meint er das mit der Erleuchtung?

[Ali33]

Esselamu Aleikum lieber Ali,

 

eine heikle Situation in der du steckst. Allah möge dir Mut und Stärke geben.

 

 

Also gegen die Trauung spricht eigentlich nichts. Wie du schon selber schreibst, befreiest du sie damit vor Zina. Nur muss man hier einwenden, warum die Eltern es nicht erfahren dürfen. Wenn es keinen trichtigen Grund gibt, ist es nach der hanefitischen Lehre sowieso nicht erlaubt zu heiraten. Es muss also einen guten Grund geben, warum die Erlaubnis der Eltern nicht eingenommen wird.

 

 

Der Grund ist halt, dass sie ihre Beziehung ihren Eltern bis jetzt verheimlich haben, da sie sich sicher waren, dass die Eltern dagegen sein werden, v.a. der Vater von dem Mädchen, welcher wohl schon mehrmals ausdrücklich betont hätte, dass sie noch viel zu jung zum heiraten ist und er sie nicht hergeben wird (sie ist 19 Jahre alt) - diesen Schein, den sie nun seit etwa 1 Jahr vor ihren Eltern bewahren wollen sie nicht aufgeben, indem sie zu ihrer Beziehung stehen sondern wollen weiterhin heimlich zusammen sein - und damit das ganze nicht weiter Zina ist soll ich die religiöse Trauung durchführen. Nur wie ich gesagt habe, habe ich da meine moralischen Bedenken bei dem Gedanken an die Eltern, die belügt werden.

 

 

Was die "Erleuchtung durch Allah" angeht. Das ist ganz gefährlich. Da kann er selber zum Ungläubigen werden, da er damit Gefahr läuft, Allah etwas anzuhängen. Oder wie genau meint er das mit der Erleuchtung?

 

Er meint er habe im Traum (bzw. er meint es war kein Traum sondern eine "Erscheinung") ein feuerähnliches Wesen gesehen, was nach der Aussage von Leuten die er befragt hätte, der Todesengel Azrail gewesen ist. Der Todesengel Azrail hätte ihn dazu aufgefordert zu beten. Ich weiss um ehrlich zu sein nicht, inwiefern diese Geschichte mit dem Kuran vereinbar ist, würde gerne eine Meinung von euch Experten dazu hören.

 

Seit dem hat er auf jeden Fall diese Einstellung und wirft allen Menschen an den Kopf, dass sie alle in der Hölle brennen werden, wenn sie sich nicht ändern und dass er durch diese Erscheinung den Auftrag bekommen hat, jeden Menschen über die religiöse Wahrheit aufzuklären. Andersdenkende werdem seitdem von ihm vehement als Ungläubige oder "Verlorene" betitelt.

 

 

Wie gesagt, mir würde es wirklich SEHR, SEHR am Herzen liegen wenn soviele Mitglieder wie möglich mit geeigneten Stellen aus Kuran und Sunna weiterhelfen und mir Ratschläge geben könnten. Ich versuche auch so viel wie möglich rauszufinden, allerdings oft nur mit mässigem Erfolg.

 

Ich bedanke mich recht herzlich für die Antwort vom Webmaster und freue mich auf weitere Hilfestellungen eurerseits.

 

Vesselam,

Ali

[Talha]

Könnte man nicht versuchen, mit den Eltern zu sprechen?