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Das Haus der Wahrheit

Von Sulaiman Wilms, Berlin

 

 

„Die Sprache verweigert uns noch ihr Wesen: dass sie das Haus der Wahrheit des Seins ist. Die Sprache überläßt sich vielmehr unserem bloßen Wollen und Betreiben als ein Instrument der Herrschaft über das Seiende. Dieses selbst erscheint als das Wirkliche im Gewirk von Ursache und Wirkung.“ (Martin Heidegger)

 

Wenn wir in der Lage sind, eine Sprache zum Zwecke der Vermittlung wesentlicher Wahrheiten zu definieren und zu klären, wird es leichter, sich zu verständigen und sich über spirituelle Inhalte auszutauschen. Verwirrung, Streit und Missverständnisse können vermieden werden, wenn wir unsere Wörter genauer abwägen.

 

Konfuzius, der antike chinesische Weise, definierte eine Eigenschaft gerechter Herrschaft wie folgt: „Die erste Handlung des regierenden Herrschers ist es, die Dinge mit ihrem richtigen Namen zu benennen.“ Im negativen Sinne haben gerade Muslime in Deutschland die Erfahrung machen müssen, dass Herrschaft - zuerst über den Diskurs und dann im weiteren Sinne - damit beginnt, Begriffe festzulegen. Der inflationäre Gebrauch von Un-Worten wie „Islamismus“ oder gar „Islam-Faschismus“ belegt diese Wahrnehmung eindrücklich.

 

Der - ansonsten eher deprimierende - Philosoph Wittgenstein meinte: „Die Grenzen meiner Sprache bedeuten die Grenzen meiner Welt“ (Tractatus 5.6) Und der Römer Cicero äußerte vor 2.000 Jahren die Ansicht, dass man sich vor dem Streit um eine Sache auf die verwendeten Begriffe verständigen müsse. Die entscheidende Bedeutung der Begriffe besteht darin, dass aus Worten Annahmen werden können und aus diesen sich immer Schlussfolgerungen entwickeln. In der klassischen Logik beginnen die Schwierigkeiten, wenn von falschen Annahmen (oder Wörtern, die sie ausdrücken) ausgegangen wird.

 

Der Noble Qur’an ist das direkte Wort von Allah „in klarer arabischer Sprache“. Die Ausdrucksmacht seiner Schlüsselbegriffe liegt sowohl darin begründet, wie diese Worte in ihren verschiedenen qur’anischen Kontexten verwendet werden, aber auch genauso in der etymologischen Ableitung ihrer Bedeutungen aus arabischen Wurzeln. Beide Faktoren hätten dazu geführt, so Kabir Helminski in „The Book of Language“, dass die Bedeutungen des qur’anischen Arabisch über die Zeit hinweg stabil geblieben sind. Dieses geschah im Gegensatz zu Wörtern europäischer Sprachen, die keinen religiös-transzendenten Bezugspunkt mehr hätten und einem konstanten Wechsel ihrer Bedeutungen unterworfen seien. Die sich verändernde Natur von Bedeutungen in anderen Sprachen sei daher, so Helminski, eine der Herausforderungen, den unverfälschten qur’anischen Text zu verstehen.

 

Jene Verzerrungen sind nicht selten fatal und haben durchaus reale Auswirkungen, wenn Wohlmeinende glauben, eine antiquierte ideologisierte Sprache vergangener Jahrzehnte auf den lebendigen Din des Islam anwenden zu müssen. Ergraute Schlagworte wie der so genannte „Islamische Staat“ sind aus der irregulären Vermischung revolutionärer, jakobinischer Begriffe des europäischen Denkens mit einer islamischen Tradition entstanden, die für derartige Worte eigentlich nicht empfänglich ist.

 

Wie notwendig diese harte Arbeit im Steinbruch der Sprache ist, zeigen manche - ältere wie neuere - Übersetzungen der Bedeutungen des Qur’an in europäische Sprachen. Lassen wir die orientalistischen Übersetzungen einmal außer Acht, die allein wegen ihrer erkenntnistheoretischen Begrenzung nicht zur authentischen Übertragung qur’anischer Bedeutungen geeignet sind, so fällt ein starker Einschlag in eine veraltete christliche Sprache auf. Ein Beispiel hierfür ist die Verwendung des Wortes „Reue“. Dieser zutiefst christliche Begriff schmeckt - im übertragenen Sinne - verdächtig nach „Schuld“ und „Sünde“. Auch im zeitgenössischen europäischen Sprachraum verbinden die allermeisten damit christliche Bilder und Bedeutungen - mit den entsprechenden unbewussten Assoziationen. Die qur’anische „Tauba“ ist, anders als die „Reue“, kein neurotisches Verharren bei der falschen Handlung, sondern beschreibt die Hinwendung hin zu Allah und so einen neuen Anfang, den Allah uns in Seiner Barmherzigkeit in jedem Augenblick unseres Lebens anbietet.

 

Quelle: islamische Zeitung

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