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"Nach Auschwitz werde ich nicht fahren"

 

 

14 Fragen an den Bischof der Piusbruderschaft Richard Williamson

 

Williamson wollte sich nicht auf ein direktes Interview einlassen, sondern bestand darauf, dass ihm die Fragen per Fax nach Argentinien geschickt wurden; seine Antworten kamen per E-Mail zurück. Sie wurden in einem Telefonat von Williamson und dem Anwalt der Piusbruderschaft bestätigt.

 

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SPIEGEL: Der Vatikan fordert, dass Sie die Leugnung des Holocaust widerrufen, und droht damit, Sie nicht mehr als Bischof einzusetzen. Wie werden Sie reagieren?

 

Williamson: Ich habe in meinem ganzen Leben immer die Wahrheit gesucht. Deshalb bin ich zum Katholizismus konvertiert und Priester geworden. Ich kann auch jetzt nur etwas erklären, von dem ich überzeugt bin. Weil ich einsehe, dass es viele ehrliche und kluge Menschen gibt, die anders denken, muss ich nun die historischen Beweise nochmals einsehen. Ich habe das ja in dem Interview mit dem schwedischen Fernsehen gesagt: Es geht um historische Beweise, nicht um Emotionen. Und wenn ich diese Beweise finde, dann werde ich mich korrigieren. Aber das wird Zeit brauchen.

 

 

SPIEGEL: Wie kann ein gebildeter Katholik den Holocaust leugnen?

 

Williamson: Ich hatte mich mit dem Thema in den achtziger Jahren beschäftigt. Damals hatte ich verschiedene Schriften gelesen. Im Interview habe ich den Leuchter-Report zitiert, er schien mir plausibel. Nun sagt man mir, dieser sei wissenschaftlich widerlegt. Damit werde ich mich jetzt auseinandersetzen.

 

 

SPIEGEL: Sie könnten doch persönlich nach Auschwitz fahren.

 

Williamson: Nein, nach Auschwitz werde ich nicht fahren. Ich habe mir das Buch von Jean-Claude Pressac bestellt, auf Englisch heißt das "Auschwitz. Technique and operation of the gas chambers". Es ist nun zu mir als Ausdruck unterwegs, ich werde es lesen und studieren.

 

 

SPIEGEL: Die Bruderschaft hat Ihnen ein Ultimatum bis Ende Februar gestellt. Nehmen Sie auch einen Bruch in Kauf?

 

Williamson: Im Alten Testament sagt der Prophet Jona zu den Seeleuten, als das Schiff seinetwegen in schwerer Seenot ist: "Nehmt mich und werft mich ins Meer, damit das Meer sich beruhigt und euch verschont. Denn ich weiß, dass dieser gewaltige Sturm durch meine Schuld über euch gekommen ist." Die Bruderschaft hat eine religiöse Mission, die meinetwegen Schaden nimmt. Ich prüfe jetzt die historischen Beweise. Wenn diese mich nicht überzeugen, dann tue ich alles, was in meiner Kraft liegt, um unter keinen Umständen die Kirche und die Priesterbruderschaft weiter zu beschädigen.

 

 

SPIEGEL: Was bedeutet für Sie die Aufhebung der Exkommunikation durch Papst Benedikt XVI.?

 

Williamson: Wir wollen immer nur katholisch sein, nichts anderes. Wir haben ja keine eigenen Lehren entwickelt, sondern bewahren nur das, was die Kirche immer gelehrt und praktiziert hat. Und als in den sechziger und siebziger Jahren alles im Namen dieses Konzils verändert wurde, da war das plötzlich ein Skandal. So sind wir an den Rand der Kirche gedrängt worden, und nun, wenn das Scheitern dieser Veränderungen an den leeren Kirchen und dem überalterten Klerus deutlich wird, rücken wir wieder in die Mitte. Das ist so bei uns Konservativen: Wir behalten recht, wir müssen nur lange genug warten.

 

SPIEGEL: Im Vatikan wurde behauptet, man kenne Sie nicht. Ist dem so?

 

Williamson: Die meisten Kontakte laufen über Bischof Fellay und den Generalrat, dem ich nicht angehöre. Aber drei von uns vier Bischöfen waren 2000 bei Kardinal Castrillón Hoyos zu einem privaten Essen. Es war eher ein Kennenlernen, sicher sprachen wir auch über theologische Fragen und philosophierten ein wenig. Der Kardinal war sehr freundlich.

 

 

SPIEGEL: Zu den großen Errungenschaften der katholischen Kirche zählt das Zweite Vatikanische Konzil. Warum erkennen Sie es nicht in vollem Umfang an?

 

Williamson: Es ist absolut unklar, was wir da anerkennen sollen. Ein wichtiges Dokument heißt "Gaudium et spes", Freude und Hoffnung. Darin wird von der völkerverbindenden Wirkung des Massentourismus geschwärmt. Man wird von einer konservativen Gemeinschaft aber kaum verlangen können, den Ballermann gut zu finden. Dann geht es um die Ängste und Nöte. Hier wird ein Atomkrieg zwischen den Supermächten genannt. Sehen Sie, davon ist vieles schon überholt. Diese Konzilstexte sind immer wieder zweideutig. Weil keiner wusste, was das eigentlich bedeuten soll, begann kurz nach dem Konzil jeder zu tun, was er wollte. Das führt zu diesem theologischen Chaos, das wir heute haben. Was sollen wir nun anerkennen, die Zweideutigkeit oder das Chaos?

 

 

SPIEGEL: Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass Sie die Kirche mit Ihren extremen Ansichten spalten?

 

Williamson: Nur die Verletzung der Dogmen, also der unfehlbaren Lehrsätze, zerstört den Glauben. Das Zweite Vatikanische Konzil hat selbst erklärt, keine neuen Dogmen zu verkünden. Heute tun die liberalen Bischöfe so, als sei es eine Art allumfassendes Superdogma, und begründen damit eine Diktatur des Relativismus. Das widerspricht den Texten des Konzils.

 

 

SPIEGEL: Ihre Position zum Judentum ist durchgehend antisemitisch.

 

Williamson: Der heilige Paulus formuliert das so: Die Juden sind geliebt um der Väter willen, aber unsere Gegner um des Evangeliums willen.

 

 

SPIEGEL: Wollen Sie sich bei Ihrem Antisemitismus allen Ernstes auf katholische Tradition und die Bibel berufen?

 

Williamson: Unter Antisemitismus wird mittlerweile sehr viel verstanden. Etwa, wenn man das israelische Vorgehen im Gaza-Streifen kritisiert. Die Kirche verstand unter Antisemitismus immer, Juden deshalb abzulehnen, weil sie jüdische Wurzeln haben. Das ist kirchlich verurteilt. Das versteht sich übrigens in einer Religion, deren Gründer und alle wichtigen Personen ihrer Frühgeschichte Juden waren, von selbst. Was aber wegen dieser vielen Judenchristen im Frühchristentum auch klar ist: dass alle Menschen zu ihrer Erlösung Christus bedürfen, alle Menschen, auch die Juden.

 

 

SPIEGEL: Der Papst reist demnächst nach Israel und besucht die Holocaust-Gedenkstätte. Lehnen Sie das auch ab?

 

Williamson: In das Heilige Land zu pilgern ist eine große Freude für Christen. Ich wünsche dem Heiligen Vater das Beste dabei. An Jad Waschem stört mich, dass dort Papst Pius XII. angegriffen wird, obwohl niemand während der Nazi-Zeit mehr Juden gerettet hat als er. Er ließ etwa Taufbescheinigungen für verfolgte Juden ausstellen, um sie vor der Verhaftung zu bewahren. Diese Fakten werden ins Gegenteil verdreht. Ansonsten wünsche ich mir, dass der Papst auch Blick und Herz für die Frauen und Kinder hat, die im Gaza-Streifen verletzt wurden, und dass er sich für die christliche Bevölkerung in Betlehem verwendet, die mittlerweile eingemauert ist.

 

 

SPIEGEL: Ihre Äußerungen haben große Verletzungen und Empörungen in der jüdischen Welt verursacht. Warum entschuldigen Sie sich nicht?

 

Williamson: Sollte ich erkennen, dass ich mich geirrt habe, werde ich das tun. Ich bitte jeden Menschen darum, mir zu glauben, dass ich nicht absichtlich etwas Unwahres gesagt habe. Ich war aufgrund meiner Recherchen in den achtziger Jahren von der Richtigkeit meiner Äußerungen überzeugt. Ich muss nun alles nochmals prüfen und mir die Beweise ansehen.

 

 

SPIEGEL: Erkennen Sie zumindest die universellen Menschenrechte an?

 

SPIEGEL WISSEN: DIE PIUSBRÜDERSCHAFT UND ANTISEMITISMUS

 

* Piusbruderschaft

* Antisemitismus

 

Die Piusbruderschaft ist eine der bedeutenderen Abspaltungen der katholischen Kirche. Sie wurde 1970 von dem konservativen und später exkommunizierten Erzbischof Marcel Lefebvre gegründet und lehnt ab, zentrale Beschlüsse des Zweiten Vatikanischen Konzils umzusetzen: Sie verweigert sich gegen die Anpassung an die moderne Welt, weshalb die Piusbrüder ihre Messen bis heute auf Latein lesen, und lehnt Religionsfreiheit und Ökumene ab. Nach jahrelangem Streit mit Rom kam es 1988 zum Schisma. Papst Johannes Paul II. exkommunizierte den Gründer Lefebvre und vier weitere Bischöfe. Im Januar hob Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation auf.

Leitende Brüder der konservativen Piusbruderschaft halten daran fest, dass die Juden kollektiv schuld am "Gottesmord", der Kreuzigung Jesu Christi, sind – ein zentrales Motiv des Antisemitismus.

Indem Papst Benedikt XVI. die Piusbrüder zurück in den Schoß der katholischen Kirche aufnahm, geriet er selbst unter Antisemitismusverdacht.

Besonders belastet wurde die Beziehung zwischen Vatikan und jüdischen Organisationen jedoch durch einen Ausspruch des britischen Piusbruders Bischof Richard Williamson: Er hatte in einem TV-Interview den Holocaust und die Existenz von Gaskammern geleugnet.

Williamson: Als in Frankreich die Menschenrechte proklamiert wurden, sind in ganz Frankreich Hunderttausende umgebracht worden. Wo die Menschenrechte als eine objektive Ordnung verstanden werden, die der Staat durchsetzen soll, da kommt es immer zu einer antichristlichen Politik. Wenn es darum geht, dem Einzelnen die Freiheit seines Gewissens gegen den demokratischen Staat zu erhalten, da erfüllen die Menschenrechte eine wichtige Funktion. Der Einzelne bedarf dieser Rechte gegen einen Staat, der sich als Leviathan geriert. Das christliche Verständnis vom Staat ist aber ein anderes, so dass die christlichen Menschenrechtstheorien mehr betonen, dass die Freiheit nicht Selbstzweck ist. Es geht nicht um Freiheit von etwas, sondern um Freiheit für etwas. Für das Gute.

 

 

SPIEGEL: Ihre Äußerungen und die Rücknahme Ihrer Exkommunikation haben weltweit Proteste hervorgerufen. Können Sie das nachvollziehen?

 

Williamson: Ein einziges Interview im schwedischen Fernsehen ist nun seit Wochen ein Hauptthema in Deutschland. Ja, das wundert mich schon. Ist das bei allen Gesetzesverletzungen in Deutschland so? Wohl kaum. Nein, ich bin hier nur das Werkzeug, damit gegen die Priesterbruderschaft und den Papst agiert werden kann. Offenbar hat der deutsche Linkskatholizismus es Ratzinger noch nicht verziehen, dass er Papst geworden ist.

 

Die Fragen stellten die SPIEGEL-Redakteure Peter Wensierski und Steffen Winter.

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