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01.12.2008 Appell: Hetzern gegen Muslime entgegentreten. Von Gitta Düperthal

Kampagne gegen antiislamischen Rassismus

(junge Welt). Konservative Kräfte arbeiten in Hessen daran, Muslime zu kriminalisieren. Ziel sei, eine Minderheit auszugrenzen und dafür einen breiten gesellschaftlichen Konsens herzustellen. Am Beispiel der Hetze gegen den Moscheebau im Frankfurter Stadtteil Hausen diskutierte ein Workshop des 4. Hessischen Sozialforums, geleitet von Pfarrer Hans Christoph Stoodt, am Wochenende in der Bankenmetropole über mögliche Gegenwehr. Stoodt ist Sprecher der Antinazikoordination, die derzeit darüber nachdenkt, im Landtagswahlkampf gemeinsam mit Migrantenorganisationen eine Kampagne gegen den antiislamischen Rassismus zu starten. Ein Konglomerat von Rechtsextremen bis hin zu gemäßigten Christdemokraten versuche, so Stoodt, Ängste zu streuen. Dabei verwende man populistische Argumente, die im Widerspruch zur eigenen politischen Ausrichtung stünden: Dem Islam werde pauschal patriarchale Unterdrückung von Frauen, Diskriminierung der Homosexualität, Antisemitismus und Fundamentalismus nachgesagt.

 

Wie sich die Diskreditierung des Islams auswirkt, machte Stoodt mit einer Anekdote deutlich: Ünal Kaymakci, Generalsekretär der türkisch-pakistanischen Hazrat-Fatima-Gemeinde und deutscher Staatsbürger, sei bei einer Ortsbeiratssitzung zum Thema der umstrittenen Moschee in Hausen gefragt worden: Was er denn zur Verfolgung der Christen in seinem Land meine? Erstaunt habe Kaymakci geantwortet: In Deutschland werden Christen nicht verfolgt! Lokalpolitiker von CDU bis zu den Grünen hätten den Islam zum neuen Feindbild erkoren, berichtete Stoodt. Grünen Sprecher Olaf Cunitz habe bei derselben Sitzung, in der eine Mehrheit ihr Mißfallen an der Moschee kundtat, die Muslime in Frankfurt zur »Öffnung« aufgefordert.

 

Die Verhältnisse spitzen sich zu: Anonyme rassistische Blogger formieren sich im Internet und rufen zur Bürgerwehr auf: Ein »Hausener Bub« forderte »ein paar aufrechte Jungens und dem Abendland treue Mädels auf, mit einigen Kumpels bei Nacht und Nebel mit einer Wurzelbürste beizugehen«. So wolle man »den Musels vor Ort zeigen, wer in Deutschland das Sagen hat«. Oder so: »Es wird aktionistischen Widerstand geben und dieser Widerstand wird sich auch gegen die richten, die diesen Verhältnissen durch ihre politische Unvernunft und extremistischen Denkweisen Vorschub geleistet haben und leisten.«

 

Neben diesem extremen Lager gruppiert sich ein Pulk der »Bürger in Wut«. In deren unmittelbarer Nähe halte sich auch die »Koranexpertin« Hiltrud Schröter auf, so Stoodt. Tatsächlich gehe es diesem Bündnis nicht darum, eine Religion zu kritisieren, sondern rassistische Stimmung in die Bevölkerung zu tragen. Jeder Sure martialischen Inhalts, die nach Schröters Auffassung der Demokratie widerspräche, könne man eine entsprechende Bibelstelle zuordnen, kontert der Pfarrer.

 

Das rechtspopulistische bürgerliche Lager rüstet auf. Ein hessischer Landesverband der »Bürgerbewegung Pax Europa« ist in Frankfurt aktiv. Die Gründung von »pro hessen« steht bevor. Kostprobe aus deren Programm: »Migranten muslimischen Glaubens lehnen (…) den bundesdeutschen Wertekonsens ab und sehen sich nicht in der Pflicht, sich in Deutschland zu integrieren. pro Hessen fordert von Zuwanderern ein klares Bekenntnis zu Deutschland.«

 

Außerdem hat erst kürzlich wieder die SPD-Landesvorsitzende Andrea Ypsilanti den CDU-Ministerpräsident Roland Koch auffordern müssen, »Grenzüberschreitungen Einhalt zu gebieten«. In einem Brief an Koch bezog sich die Sozialdemokratin auf eine Äußerung des CDU-Landtagsabgeordneten Clemens Reif, der gewarnt habe, mit einem Kommunalwahlrecht für Nicht-EU-Bürger würden »deutsche Interessen geopfert«.

 

Die NPD Hessen habe sich nicht nur darauf eingeschworen, Muslime zu diskriminieren. Deren Funktionär Sascha Söder, Student an der Universität Mainz, habe kürzlich auf einem Video in die Kamera hineingefragt: »Können wir nicht alle Juden human erschießen«. Darüber wird auf der Internetseite der Antinazikoordination (www.antinazi.wordpress.com) informiert. Und: Anläßlich eines Neonazi-Aufmarschs in Wetzlar habe Söder gefordert, den Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit »an die Wand zu stellen«.

 

Beim Sozialforum wurde vorgeschlagen, eine Kampagne gegen die antiislamische Hetzpolitik zu initiieren, mit der sich auch Atheisten identifizieren können. Kleinster gemeinsamer Nenner sei, zu verhindern, daß Grundrechte für Minderheiten außer Kraft gesetzt werden. Der Bau einer Moschee sei nach Baurecht, nicht nach rassistischen Gesichtspunkten zu entscheiden.

 

* Der Artikel wurde erstmals in der Ausgabe der "jungen Welt" vom 02.12.2008 veröffentlicht.

 

http://islamische-zeitung.de/?id=11112

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