Zum Inhalt springen
Qries Qries Qries Qries Qries Qries

Empfohlene Beiträge

:selam:

 

Erstmal bin ich so frei, mir selbst auf die Schulter zu klopfen - inzwischen schaffe ich es tatsächlich, täglich hier im Forum vorbei zu schauen und ab und an auch etwas zu schreiben :-D

 

So, ich hatte euch vor gefühlten 7 1/2 Ewigkeiten mal versprochen, euch von meinen beiden Reisen in den Irak im Jahr 2010 zu berichten. Ich hatte mir vorgenommen, heute damit anzufangen, jedoch weiß ich nicht, wo genau ich anfangen soll... Daher dachte ich mir, ich frag einfach mal euch, ob ihr Fragen habt, ob euch irgendwas Bestimmtes interessiert etc. Das würde mir den Einstieg erleichtern. Wenn ich sie auf meiner Festplatte endlich mal ein biiiiisschen geordnet habe, stelle ich auch gern ein paar Fotos ein (meine Facebook-Kontakte sind hier bislang klar im Vorteil :-D ).

 

Vielleicht, um es doch ein wenig einzugrenzen, nur der grobe Rahmen meiner Reisen:

Die erste Reise war im Februar 2012 und es handelte sich um eine Pilgerreise, an deren Organisation ich beteiligt war (und wir organisieren fleißig weiter hehe), da waren wir eine kleine, aber feine Gruppe von 27 Leuten, überwiegend Studenten, und haben die (für uns) bedeutendsten Stätten im Irak besucht.

Die zweite Reise fand im Juli 2012 statt (die 55 bis 60 Grad tagsüber waren gar nicht mal sooo schlimm, gut, dass die Wüstenhitze so trocken ist). Der Anlass war eine internationale Konferenz in Kerbela, zu der Vertreter der Shia aus aller Welt geladen waren - ich vertrat Deutschland. Eine große Aufgabe, und aus politischer Sicht nicht ganz repräsentativ, aber vor Ort war man mit mir alhamdulillah recht zufrieden :-D

 

Soooo, jetzt fangt bitte an zu fragen ;-) Ansonsten muss ich mein armes rauchendes Köpfchen ganz schön anstrengen, derzeit befinde ich mich mental eher im Ersten Weltkrieg und müsste dann umdenken :roll:

 

 

Wassalam

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

:selam:

 

Also seit 2010 hat sich natürlich nochmal manches geändert.

 

In den Gegenden, in denen ich mich aufgehalten habe, ist Militär allgemein wenig präsent. Abgesehen von den irakischen Soldaten an den Checkpoints an den Schreinkomplexen und zwischen den Provinzen. An denen sind wir auch meist ohne besondere Kontrolle vorbeigekommen, da wir Sondergenehmigungen der Schreine hatten.

 

Aber in Kerbela und Najaf waren eh nie wirklich Amis - so komisch das klingt, in diesen Provinzen waren die Polen stationiert ^^

Als wir nach Babil gefahren sind, war es schon etwas schwieriger, da gabs auch den einen oder anderen sichtbaren ausländischen Soldaten (Provinz Babil müssten die Briten gewesen sein, da mussten wir vorher ne Genehmigung einholen).

 

Ansonsten begegnete man aber eigentlich im Alltag keinen ausländischen Soldaten. Das kam erst bei der Einfahrt zum Flughafen in Bagdad, da mussten wir Frauen uns und unsere Koffer von schrankähnlichen US-Soldatinnen durchsuchen lassen. Die Männer halt in ner anderen Baracke von Männern. Die männlichen Soldaten hab ich nun nicht gesehen, bei den weiblichen kann ich aber nur sagen - sie sahen bedrohlich aus, waren aber auch recht freundlich und respektvoll, sowohl zu uns als auch zu einheimischen Frauen. Also sie schienen schon bemüht, Intimsphäre und religiöse Gefühle nicht mehr zu verletzen als nötig. Ist schwer zu beschreiben hehe. Was ich aber auffällig fand - keine von ihnen war weiß, sie waren entweder Afroamerikanerinnen und zum Teil sehr offensichtlich nahoststämmig.

 

Zu den Menschen kann ich nur sagen - kommt auf die Region an hehe. In Kerbela und Najaf sieht man ausschließlich Frauen im Tschador, teils auch mit Gesichtsschleier. Auf die Männer hab ich nicht so geachtet. Aber es waren alle sehr sehr freundlich mashallah, und vor allem auch irgendwie sehr stolz. Also das merkte man an ihrer Haltung, ihrem Verhalten etc. Viele von ihnen haben sehr sehr viel verloren, aber keiner, egal wie übel ihm mitgespielt wurde, hat sich das Rückgrat brechen lassen. In anderen Gegenden sieht das anders aus, aber ich glaube, Kerbela und Najaf haben Einfluss auf die Persönlichkeitsstärke der Menschen (unabhängig übrigens von Shia und Sunni).

Ich muss aber dazu sagen, dass diese beiden Provinzen bei Weitem nicht repräsentativ sind. Dort geht es den Menschen durch die Unterstützung der Schreine, die quasi ein eigenes Sozialsystem aufrecht erhalten (was der Tatsache geschuldet ist, dass diese Provinzen mehr oder weniger ihr eigenes Ding durchziehen können), vergleichsweise gut. Es gibt nur sehr wenige Bettler, wobei an sich keine Notwendigkeit besteht, da ein jeder dort versorgt ist. Wir haben eine Waisenstiftung in Kerbela besucht und ich fand die Tatsache, dass sie ihre Ressourcen für Kinder und Frauen in anderen Regionen als Kerbela und Najaf einsetzen, schon sehr aufschlussreich.

 

Wenn man in andere Provinzen geht, wie Babil zum Beispiel, sieht es ganz ganz anders aus. Dort sieht man die Armut quasi in jeder Mauerritze, und das tut schon weh.

 

Im Juli war ich dann auch in Bagdad/Kazimiya und Samara. Bagdad ist vergleichsweise "modern", aber es gibt wirklich katastrophale Elendsviertel (wer Interesse hat, Familien in diesen Vierteln in Bagdad und Basra zu unterstützen, die durch den Krieg ihre Ernährer verloren haben, kann mich gern privat anschreiben - ich stehe in engem Kontakt mit einer deutschen Schwester, die vor Ort ein Spendenprojekt für Waisenkinder leitet). Der Vorort Kazimiya wirkt wieder wie eine andere Welt.

 

Je weiter man nach Norden kommt, desto mehr Spannung liegt in der Luft. In Samara schwelt seit den Anschlägen auf die Schreine durch wahhabitische Terroristen ein Konflikt in der Bevölkerung, es ist mehr oder weniger ein Pulverfass. Wir sind da echt schnell rein, ne Stunde geblieben, wieder raus - zu gefährlich. Da sieht man auch deutlich mehr Soldaten als anderswo.

 

Blauhelme (optisch) habe ich aber keinen einzigen gesehen (die Soldatinnen am Flughafen trugen keine Kopfbedeckungen hehe), während beider Reisen nicht. Der Bruder, der dort studiert, meinte auch, die hielten sich eher in ihren Kasernen auf als anderswo.

 

Interessant fand ich die Haltung gegenüber den Amerikanern, die war nämlich gar nicht mal so eindeutig, wie man hierzulande vermuten würde. Der Tenor ist im Großen und Ganzen: Wir findens ja nett, dass sie uns Saddam vom Hals geschafft haben, aber so langsam dürfen sie sich auch wieder verziehen. Also es ist keine absolute Dankbarkeit, was angesichts der Verluste irakischer Familien (mehr als ein Drittel der Bevölkerung sind Witwen und Waisen) ja vollkommen verständlich ist. Aber es ist auch nicht Verachtung oder gar Hass, es ist ganz komisch. Und die Bevölkerung differenziert überraschend genau zwischen normalen Soldaten und solchen, die ihren Gewalttrieben freien Lauf lassen. Ihnen war aber auch bewusst, dass die von den Amis bewachten Provinzen in ihrem Momentzustand nicht so stabil waren wie die von den Polen bewachten. Die Polen waren halt irgendwie da, haben sich aber nicht groß eingemischt.

 

Es war aber auf jeden Fall sehr anders als man von den Medienberichten her - egal ob westlich oder arabisch - vermuten könnte. Die Medien zeichnen eben doch sehr schwarz-weiß, aber der Irak ist in dieser Hinsicht eher grau bis bunt.

 

Eher hatte man interne Probleme zwischen Sadris und Nichtsadris. Davon wiederum hört man in den Medien eigentlich gar nichts.

 

Wassalam

Bearbeitet von Amira
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Was ist mit Krankheiten?

Durch das eingesetzte Uran von Amerika sollen 160.000 Menschen u.a. Krebs haben.

 

Die USA haben laut einem Bericht der Umweltorganisation “Green Peace” während der Besetzung des Irak seit dem Jahr 2003 über 2’000 Tonnen abgereichertes Uran militärisch eingesetzt, nachdem sie bereits 800 Tonnen abgereichertes Uran gegen das Land während des Golfkriegs im Jahr 1991 eingesetzt hatten. Das irakische Volk habe daher immer häufiger mit bösartigen Tumoren und verschiedenen Arten von Krebs zu kämpfen.

http://www.gegenfrage.com/usa-verantwortlich-fur-160000-krebsfalle-im-irak/

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

:selam:

 

Ich habe davon ehrlich gesagt nichts gesehen. Vermutlich wurde es nicht flächendeckend, sondern nur in bestimmten Regionen eingesetzt (wie gesagt war ich überwiegend in den Provinzen Najaf und Kerbela; dort gibt es vergleichsweise kaum Kriegsschäden - die meisten Gebäudeschäden stammen noch von Saddam - und da war auch weit weniger los als weiter südlich in und um Basra, weiter nördlich in und um Bagdad oder noch weiter nördlich bis nach Kurdistan). Zum Anderen müsste man da denke ich die Langzeitentwicklung betrachten, wenn etwas ins Grundwasser gelangt ist etc. Ich weiß nur, dass man mich warnte, dem Euphratwasser nicht zu nahe zu kommen, da ich sonst direkt ins Wadi us Salam gebracht werden könne. Aber ich glaube, der Euphrat war und ist auch ohne Zutun der Amis ziemlich verdreckt...

 

Ich war wohl einfach nicht genug in amerikanisch kontrollierten Ecken unterwegs. Gott sei Dank...

 

Wassalam

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Edit:

Krankheiten allgemein habe ich über das "normale" Maß hinaus nicht mitbekommen. Teilweise sah man halt Menschen mit Schussverletzungen oder Nachwirkungen von Sprengstoff, allerdings war das in den mir bekannten Fällen eher in Basra oder Bagdad passiert (wenn es Kriegsverletzungen waren) oder bei Anschlägen von Wahhabiten auf den Straßen zu den Pilgerstätten (also de facto auch USraelisch verschuldet).

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Wer gibt Amerika das Recht in Irak stationiert zu sein.

 

Tausende Menschen sind gestorben, wegen einer verdummten/absurden Ideologie “George Bush“.

 

(Nicht, dass man mich jetzt als “Amerikaner-Hasser“ abstempelt: Ich bin nur gegen Amerikas Politik/Regierung und gegen die, die “bewusst“ dieses System unterstützen. Nicht gegen die unschuldigen Amerikaner/amerikanischen Bürger.)

 

Also: Unternimmt die Regierung/Politik Iraks nichts? Die Poltik/Regierung Iraks muss Grenzen setzen, aber keine radikalen.

Bearbeitet von K36
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Rückführend zu den Krankheiten:

Das Erbgut vieler neu geborener Babys soll sich durch die Strahlung/bzw. durch den Uran geändert haben.

Dies führt zu.... (Möge ALLAH (C.C.) / GOTT diesen Menschen helfen, inshALLAH)

 

Ich würde gerne wissen, ob die neu geborenen Babys/ Kleinkinder im Irak im Großen und Ganzen

gesund aussehen. (Du warst nicht in diesen “Krisengebieten“, deshalb nehme ich mal an, dass du dazu keine Stellung nehmen kannst.)

Bearbeitet von K36
Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

:selam:

 

Dazu kann ich in der Tat nicht wirklich etwas sagen. Ich muss jedoch anmerken, dass meine Intention zu diesem Thread eher ein spirituell motivierter Reisebericht war ;-)

 

Dennoch möchte ich natürlich auch andere Aspekte nicht unbeantwortet oder unkommentiert lassen.

 

Also zu den Krankheiten: Ich habe zunächst mal nicht viele neugeborene Babies gesehen, was einfach daraus resultiert, dass ich mich an Pilgerstätten aufgehalten habe (abgesehen von Durchfahrten und Kurzaufenthalten). Aber die Babies, die ich gesehen habe (ich war ja auch bei einigen Familien zu Gast) waren alhamdulillah kerngesund. Auch aus Basra habe ich bisher nichts in der Richtung gehört, und Basra hat schon einiges mehr erlitten. Ich kann nur mutmaßen, dass - wenn - solcherlei weiter im Norden eher auftreten könnte, einfach anhand des Gefechtsverlaufs. Nördlich von Bagdad begibt sich aber kaum ein Schiite freiwillig (schon gar nicht, wenn er ausländischer Zivilist ist - die Entführungsrate da oben ist recht hoch), wenn er nicht grad kurz nach Samara will oder eben in den nördlicheren Regionen lebt. Insofern habe ich mich dort aus Sicherheitsgründen nicht aufgehalten. Ich kann aber nicht ausschließen, dass es solche Folgen durch den Einsatz bestimmter Kampfstoffe gibt.

Wobei ich es da schwierig finde, heraus zu filtern, was davon die Amis und was Saddams Schergen verursacht haben. Die waren mit Kampfstoffen aller Art nämlich auch nicht zimperlich.

 

Zum Thema irakische Regierung und US Militär:

Das ist nicht ganz so einfach, wie man es gerne hätte. Man darf die irakische Regierung nicht so sehen wie andere. Es ist alles sehr fragil - nach den letzten Wahlen hat es Ewigkeiten gedauert, bis eine Regierung gebildet war; wir haben schon gewitzelt, dass der Imam der Zeit wohl eher erscheint als dass der Irak seine Regierung zusammen bekommt - es gibt etliche interne Konflikte. Ethnische Konflikte zwischen Kurden und Arabern, interkonfessionelle Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten, intrakonfessionelle Konflikte bei den Sunniten (Wahhabiten und Normalsunniten) und den Schiiten (Sadris und Nichtsadris)... Man bekommt das hier nicht so mit, aber es ist ein einziges Chaos. Auch um dieses muss die Regierung sich kümmern. Hinzu kommen die sozialen Probleme, die Versuche, die Waisen- und Witwenproblematik anzugehen etc. Keiner dort ist begeistert von der Präsenz ausländischen Militärs, aber bei dem Tohuwabohu - und das sehen viele Iraker selbst so - wäre es genauso problematisch, sie einfach auszuweisen. Im Alltag hält sich das ausländische Militär ja auch sehr zurück (von einzelnen tragischen Zwischenfällen abgesehen), zumindest was die normalen Soldaten angeht.

 

Es braucht seine Zeit, die Politik im Irak zu stabilisieren, bislang versuchen aber zu viele Kräfte mit zu vielen auseinandergehenden Interessen (und ich meine hier ausschließlich die irakischen Kräfte, nicht die ausländischen) irgendwie was vom großen Machtkuchen abzubekommen.

 

Mindestens drei Viertel des Landes sind froh, Saddam los zu sein (ein Fakt, den das Volk allein wohl auch erst nach vielen Jahren und unter großen Verlusten erreicht hätte; und ja, ich weiß, dass Saddam von den Amis erst gepusht wurde, schließlich war er nützlich gegen den Iran, irgendwann wurde er lästig und wurde entsorgt - ein Vorgehen, dass ich auch ziemlich naja finde, ich glaube dazu muss ich nichts sagen; Fakt ist aber, dass es gut ist, dass er weg ist!), und viele nehmen die Anwesenheit ausländischer Streitkräfte (es sind nicht nur Amerikaner) dafür in Kauf. Klar wollen sie, dass die Ausländer langsam mal verschwinden, aber den Irakern ist im Gegensatz zu vielen Geschwistern, die von Weitem zugucken, sehr klar, dass es eben nicht so einfach ist.

 

Für Außenstehende ist es unverständlich, und auch ich habe gedacht wie du. Aber wenn man hört, was die Menschen erzählen, von vor 2003 und davon, was sich danach entwickelt hat, ändert man seine Meinung ein wenig...

 

Wie gesagt würde ich aber diesen Thread lieber für spirituelle Aspekte nutzen. Vielleicht kann man für den Rest neue Themen eröffnen.

 

Wassalam

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Vielen Dank Amira,

 

das ist ein Reisebericht den man einem Verleger präsentieren sollte. Äusserst warmherzig und trotzdem realistisch und vor allem bildhaft geschrieben. Man kann sich deine Reise förmlich vor die Augen führen. :-)

Respekt!

 

Ich freu mich auf die Fortsetzung

Link zu diesem Kommentar
Auf anderen Seiten teilen

Dein Kommentar

Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.

Gast
Auf dieses Thema antworten...

×   Du hast formatierten Text eingefügt.   Formatierung jetzt entfernen

  Nur 75 Emojis sind erlaubt.

×   Dein Link wurde automatisch eingebettet.   Einbetten rückgängig machen und als Link darstellen

×   Dein vorheriger Inhalt wurde wiederhergestellt.   Editor leeren

×   Du kannst Bilder nicht direkt einfügen. Lade Bilder hoch oder lade sie von einer URL.

×
×
  • Neu erstellen...