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Menschenbild im Islam im Kontext der Seelsorge

Das Menschenbild, die Wahrnehmung des Menschen in seiner Not, ist ein zentrales Thema in der Seelsorge. Denn der Seelsorger begegnet zunächst einmal dem Menschen in seiner reinsten Form. Daher ist es grundlegend zu schauen, wie der Mensch betrachtet wird, welches Menschenbild herrscht.

Der Islam geht davon aus, dass die gesamte Schöpfung, Lebewesen sowie leblose Körper, Kunstwerke eines Künstlers sind, Bücher eines Autors sind. Der Mensch wird dabei als die höchste Frucht dieses Kunstwerkes bezeichnet. So heißt es z.B. im Koran „Wir haben den Menschen ja in schönster Gestaltung erschaffen“ (Koran, 95:4).

Im Koran bezeichnet Gott den Menschen auch als seinen Stellvertreter auf Erden (Koran, 2:30) und gibt ihm damit einen Stellenwert, der seine Wertschätzung vor Gott signalisiert. Gott hat dem Menschen Eigenschaften gegeben, die er selbst auch hat. Sehen, hören, aber auch Entscheidungen zu treffen. Und das unterscheidet ihn von anderen Lebewesen, die nur kurzfristig instinktiv entscheiden können. Der Mensch plant für die Zukunft, trifft langfristige Entscheidungen. Und aus diesen Entscheidungen, diesem freien Willen, entstehen Konsequenzen. Denn er ist verantwortlich für das, was er tut und manchmal auch für das, was er nicht tut.

Damit wären wir bei einem weiteren Faktor im Menschenbild des Islams. Der Mensch ist ein Wesen, der, auf Grund seines freien Willens, geprüft wird. Der Schöpfer, der Künstler also, prüft in diesem Falle seine Kunst und schaut, für welche Option er sich entscheidet. Wenn Gott ihm Gesundheit, Reichtum, Gaben gewährt, zeigt der Mensch Dankbarkeit? Wenn er krank ist oder in der Not, zeigt er Geduld und Gottvertrauen? Dass heißt, sowohl scheinbar positive als auch scheinbar negative Ereignisse werden als eine Art der Prüfung betrachtet. Der Mensch ist in der Lage, alle Attribute Gottes zu erkennen.

Im Kontext der Seelsorge bedeutet dies, dass der Mensch, der laut einem Koranvers für den Gottesdienst erschaffen wurde (Koran, 51:56), der Klient gegenüber dem Seelsorger, nicht als etwas Negatives, Gescheitertes oder Verlorenes betrachtet wird, nur, weil er in einer Krise oder Not ist. Der Mensch in der Not ist, unabhängig von seinen anderen Faktoren wie Beruf, Status oder Herkunft jemand, dem Hilfe in seiner Prüfung geleistet werden soll. In diesem Sinne lässt der Seelsorger in seinem Tun und Handeln die Barmherzigkeit des Schöpfers wirken.

Dieses Menschenbild, dieses Verständnis, führt in der Seelsorge dazu, dass dem Menschen offen, wertschätzend, vorurteilsfrei und nicht verurteilend begegnet wird. Jeder Mensch wird gleichbehandelt und da abgeholt, wo er sich persönlich befindet. Und das wiederum ist eine Bedingung, damit eine gute, effektive Seelsorge stattfinden kann.

 

Dr. Cemil Şahinöz, Islamische Zeitung, Juni 2021

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