Webmaster Geschrieben 30. September Teilen Geschrieben 30. September Islamische Sicht auf Umweltschutz und Nachhaltigkeit. Ein langer Blick auf eine ewige Verantwortung Schon zu Beginn der islamischen Geschichte war die Beziehung zwischen Mensch und Umwelt ein zentrales Thema. Wer den Koran aufmerksam liest, erkennt schnell, dass Natur, Tiere, Wasser und Pflanzen nicht bloß Kulisse sind, sondern Zeichen. Sie sind Hinweise auf den Schöpfer. Sie fordern Verantwortung. Die Umwelt ist keine Bühne, auf der sich der Mensch entfalten kann, wie er will. Sie ist eine anvertraute Gabe. Wer sie zerstört, zerstört mehr als nur ein Stück Erde. Er verrät einen Auftrag. Die Erde als Spiegel des Schöpfers Wer die Welt mit offenen Augen betrachtet, erkennt mehr als Bäume, Tiere oder Himmel. Er sieht ein Buch. Ein Buch, das gelesen werden will. Jeder Berg, jede Blume, jede Schneeflocke ist ein Vers. In der islamischen Weltanschauung ist die gesamte Schöpfung ein Kunstwerk. Kein beliebiges, sondern eines mit Aussage. Alles, was existiert, beschreibt seinen Schöpfer. Nicht mit Sprache, sondern mit seiner bloßen Existenz. Der Islam betrachtet dieses Universum als ein riesiges Zeichen. Jedes Detail, jede Farbe, jede Ordnung verweist auf den, der es erschuf. Said Nursi, ein großer islamischer Gelehrter, beschrieb diese Perspektive treffend. Er spricht von drei Quellen, die uns Kunde vom Schöpfer geben (2002, S. 406). Das erste ist das Buch des Universums, die gesamte Schöpfung. Das zweite ist der Prophet Muhammed. Das dritte ist der Koran. Wer also die Natur achtlos behandelt, vernachlässigt auch eines dieser drei Bücher. Die Welt ist nicht einfach da, sie ist anvertraut und voller Bedeutung. Schöpfung als Verantwortung Im Islam ist die Welt kein Eigentum des Menschen. Sie ist ihm anvertraut. Gott hat den Menschen zum “Treuhänder auf Erden“ (Khalifa, Stellvertreter) gemacht. Damit ist eine wichtige Aufgabe verknüpft. Es geht nicht darum, alles auszuschöpfen, sondern alles zu schützen. Der Mensch ist kein Beherrscher der Natur, sondern ihr Wächter. Diese Rolle bedeutet also nicht Herrschaft, sondern Verantwortung. Nicht Ausbeutung, sondern Bewahrung. Die Erde gehört Gott. Der Mensch hat sie nur leihweise erhalten. Wer glaubt, die Schöpfung diene ihm bedingungslos, irrt. Diese Perspektive verändert alles. Der Koran spricht klar: „Errichtet keine Unordnung auf der Erde, nachdem sie in Ordnung gebracht worden ist“ (Koran, 7:56). Wer die Umwelt zerstört, handelt also gegen die Ordnung Gottes. Wer erkennt, dass er vor Gott Rechenschaft ablegen muss, handelt anders. Die islamische Tradition verlangt eine Haltung der Achtsamkeit. Sie fordert Respekt vor jedem Lebewesen. Diese Schöpfung soll bewahrt und geschützt werden. Der Muslim soll einen Beitrag dazu leisten, die Erde nicht zu zerstören oder zu verunreinigen, sondern sie zu bewahren und zu schützen. Denn der Islam betont, dass die Welt für alle Lebewesen geschaffen wurde und dass die Menschen als Verwalter und Hüter der Umwelt und der Tiere dienen sollten, in dem sie z.B. verantwortungsvoll mit der Umwelt umgehen. Die islamischen Gelehrten argumentierten daher, dass die Muslime Verantwortung für die Erhaltung und den Schutz der Umwelt und der Tiere tragen und dass die Umwelt und die Tiere uns als Geschenk von Gott gegeben wurden, um uns zu bereichern. Maß und Gleichgewicht Im Islam hat alles seinen Platz. Alles ist im Gleichgewicht. Im Koran heißt es: „Gewiss, wir haben alles in (bestimmtem) Maß erschaffen“ (Koran, 54:49) und „Es gibt nichts, dessen Schatzkammern nicht bei uns wären. Und wir senden es nur in bestimmtem Maß hinab“ (Koran, 15:21). Dieses Maß zu stören, ist eine Sünde. Überfluss, Gier, Maßlosigkeit, all das sind Gefahren für das (ökologische) Gleichgewicht, das Gott geschaffen hat. Die Umwelt zu schonen ist also keine Mode, sondern ein Gebot. Die Erde gehört nicht dem Menschen. Sie gehört dem Schöpfer. Der Mensch ist Gast, kein Herr. Der Prophet sagte: „Diese Welt ist hübsch und grün. Allah hat euch zu seinen Treuhändern auf Erden gemacht, so dass er euch beobachten mag, wie ihr euch verhaltet“ (Müslim; Nawawi, Nr. 70, Buch 1, Kapitel 6). Der Mensch ist also nicht nur ein Beobachter, sondern auch ein Beobachteter. Alles ist ihm anvertraut. Und was anvertraut ist, muss geschützt werden, in dem man z. B. dafür sorgt, dass es angemessen weiter existiert. Bäume pflanzen als Gottesdienst Es gibt eine besondere Hadithüberlieferung, die den Kern des islamischen Umweltverständnisses fasst. Der Prophet sagte: „Wenn ein Muslim einen Baum pflanzt und daraus Menschen und Tiere Früchte essen, ist das ein Sadaqa für ihn“ (Bukhari, 5, 5666). Jede Frucht, jedes Blatt, selbst wenn es gestohlen wird, bringt ihm Lohn: „Wenn ein Muslim einen Baum pflanzt, dann ist das, was von dem Baum gegessen wird, eine Sadaqa für ihn, und was auch immer davon gestohlen wird, ist auch eine Sadaqa für ihn, und auch was davon verloren geht“ (Müslim). Der Prophet ging noch weiter: „Selbst wenn du weißt, dass der Tag des Gerichts morgen kommen wird, pflanze den Bäumling in deiner Hand“ (Ahmad bin Hanbal, Musnad, 3, 191). In diesem einen Satz liegt das ganze Vertrauen, die ganze Hoffnung, die ganze Verantwortung. Es geht nicht darum, wie lange ein Baum lebt. Es geht darum, ob du bereit bist, Gutes zu pflanzen, auch wenn du weißt, dass du seine Früchte nicht mehr siehst. Die historische Wurzel Diese muslimische Haltung ist keine moderne Interpretation, nur weil Umwelt- und Klimaschutz gegenwärtig ein Thema geworden sind. Nein, sie hat eine Geschichte. Schon im 14. Jahrhundert schrieben islamische Gelehrte über den Schutz der Umwelt. Sie verfassten Fatwas über Tierschutz (Şahinöz, 2025, S. 150ff), Wasserrechte und den Erhalt von Grünflächen. Sie erinnerten daran, dass die Tiere und Pflanzen Teil der göttlichen Ordnung sind. Es gab klare Regeln zum Umgang mit Wasser, dem wertvollsten Gut der Wüste. Brunnen durften nicht blockiert werden. Tiere mussten Zugang zum Wasser haben. Schon in der Frühzeit des Islams wurden Parks und Gärten angelegt, nicht nur zur Erholung, sondern als Ausdruck von Respekt gegenüber der Schöpfung. Die Gelehrten entwickelten ein tiefes Verständnis für Maß und Mitte. Sie wussten, dass Überfluss nicht segnet, sondern verdirbt. Nachhaltigkeit bedeutete damals nicht ein politisches Ziel, sondern eine religiöse Pflicht. Denn die Gelehrten erkannten früh: Wer achtsam mit der Natur umgeht, achtet damit auch den Schöpfer. Waqf als ökologische Institution Mit der Ausbreitung der islamischen Zivilisation entstanden zahlreiche Waqf-Stiftungen. Dabei handelt es sich um gemeinnütziges Stiftungseigentum, das nicht verkauft oder vererbt werden darf. Viele dieser Stiftungen dienten dem Umweltschutz. Es gab Waqfs, die Wälder schützten, Weideflächen sicherten oder Wasserquellen pflegten. Manche Stiftungen legten sogar fest, dass Tiere dort Zuflucht finden konnten, wo Menschen nicht bauen durften. Die islamischen Gemeinschaften erlaubten keine private Aneignung von Ressourcen, die der Allgemeinheit dienen. Luft, Wasser, Sonne und Weideflächen galten als gemeinsames Gut. Wer sie verschmutzte, griff in das Recht der Gemeinschaft ein. Ihrer Zeit weit voraus Die muslimischen Gesellschaften waren also in ihrer Auffassung von Natur, Umwelt und Schöpfung ihrer Zeit weit voraus. Während in vielen anderen Teilen der Welt Umweltzerstörung, Tierquälerei oder achtloser Umgang mit natürlichen Ressourcen kaum beachtet oder gar toleriert wurden, entwickelten muslimische Gelehrte bereits früh ein tiefes Bewusstsein für ökologische Verantwortung. Ihre Umweltethik beruhte auf den Prinzipien des Islam, der die Schöpfung als anvertrautes Gut betrachtet und die Menschen als verantwortungsvolle Verwalter der Erde einsetzt. Diese tiefe spirituelle und ethische Verbundenheit mit der Natur führte zu konkreten Maßnahmen: Es wurden Schutzgebiete errichtet, Tiere und Pflanzen respektiert und verschwenderisches Verhalten in jeglicher Form vermieden. Viele Außenstehende, die dieses umweltfreundliche Verhalten nicht verstanden oder nicht nachvollziehen konnten, belächelten diese Praxis. Sie hielten sie für übertrieben oder weltfremd. Doch in Wahrheit zeugte sie von einer weit entwickelten ökologischen Reife, die in der heutigen Zeit, angesichts globaler Umweltkrisen, als beispielhaft gilt. Die Welt als Spiegel der Namen Gottes Im islamischen Denken besitzt jedes Element der Natur einen tieferen Sinn. Dies bringt eine noch feinere Sicht auf die Natur hervor. Muslime betrachten die Schöpfung als Spiegel Gottes. Jeder Stein, jede Pflanze, jedes Tier trägt ein Zeichen in sich. Wer achtsam hinsieht, erkennt in der Schöpfung göttliche Schönheit. Diese Sichtweise fördert eine tiefe emotionale Bindung zur Natur. Der Mensch ist nicht getrennt von ihr, sondern Teil von ihr. Das Atmen, das Wachsen, das Vergehen, alles ist ein Teil des göttlichen Rhythmus. Wer in der Natur betet, tut es mit mehr Demut. Wer Bäume pflanzt, machte Zikr mit den Händen. Die Welt zeigt nicht nur Schönheit, sondern Eigenschaften Gottes. Barmherzigkeit in der Versorgung der Tiere. Macht in der Wucht der Stürme. Weisheit im Aufbau einer Biene. Wer also die Natur zerstört, löscht Spuren der göttlichen Handschrift. Jede Schöpfung beschreibt also den Künstler. Die Welt ist kein Zufall. Sie ist Kunst. Und jedes Kunstwerk ehrt den Künstler, wenn es geschützt wird. Nachhaltigkeit als Gottesdienst Nachhaltigkeit ist kein Begriff der Moderne. Im Islam ist es gelebte Praxis. „Esst und trinkt, aber seid nicht maßlos (verschwenderisch)“ (Koran, 7:31), heißt es im Koran. Und der Prophet sagte: „Esst und trinkt, kleidet euch und spendet. Aber hütet euch vor der Verschwendung“ (Bukhari). Der Überfluss wird nicht verherrlicht, sondern kritisch betrachtet. Dankbarkeit zeigt sich nicht durch Konsum, sondern durch Maß. Wer verschwenderisch ist, zeigt Undankbarkeit. Wer bewahrt, zeigt Respekt. Und Dankbarkeit ist eine Form des Gottesdienstes. Einmal beobachtete der Prophet Muhammed seinen Gefährten Sa’d, der bei der Gebetswaschung zu viel Wasser verwendete. Er fragte ihn: „Was soll diese Verschwendung?“ Als Sa’d dann fragte, ob man bei der rituellen Waschung überhaupt verschwenderisch sein könne, antwortete der Prophet: „Ja, hüte dich vor der Verschwendung, selbst wenn du an einem Fluss stehst“ (Ibn Madscha, Tahara, 48, 1). Selbst in Fülle ist also Maßhalten Pflicht. Denn Verschwendung ist eine Undankbarkeit. Und Undankbarkeit ist, laut Koran, satanisch: „Gewiss, die Verschwender sind die Brüder der Satane; und der Satan ist gegenüber seinem Herrn sehr undankbar“ (Koran, 17:27). Islam bedeutet Hingabe. Diese Hingabe betrifft nicht nur das Gebet, sondern auch den Alltag. Wie man einkauft. Wie man konsumiert. Wie man Müll trennt oder Energie spart. All das sind Formen des Gottesdienstes. Wenn ein Muslim seine Verantwortung gegenüber der Umwelt ernst nimmt, erfüllt er nicht nur eine gesellschaftliche Aufgabe, sondern auch eine religiöse. Er schützt die Schöpfung Gottes und achtet den göttlichen Willen. Moderne Herausforderungen Heute stehen Muslime vor neuen Herausforderungen. Die Welt hat sich verändert. Der Verbrauch von Ressourcen ist explodiert. Plastikberge, Abgase, Massentierhaltung, all das steht im Widerspruch zu islamischen Prinzipien. Die Rückkehr zur ursprünglichen Haltung ist daher keine nostalgische Geste, sondern eine dringende Notwendigkeit. Islamische Gemeinden weltweit beginnen, ihre Moscheen ökologisch umzugestalten. Es entstehen Initiativen, die sich für nachhaltige Landwirtschaft, saubere Energie und bewussten Konsum einsetzen. Junge Muslime fragen nach, lesen den Koran mit neuen Augen, erkennen den ökologischen Ruf ihrer Religion. Ein Vermächtnis mit Folgen Was wir heute säen, wird morgen geerntet. Im Diesseits und im Jenseits. Die islamische Sicht auf Umweltschutz ist ganzheitlich. Sie verbindet Glauben mit Handeln. Sie trennt nicht zwischen Spiritualität und Verantwortung. Wer betet, aber gleichzeitig die Umwelt verschmutzt, hat etwas nicht verstanden. Es gibt keine Frömmigkeit ohne Fürsorge und keine Gottergebenheit ohne Rücksicht auf die Schöpfung. Ein Schluss ohne Ende Die islamische Sicht auf Umweltschutz ist keine moderne Erfindung. Sie ist tief verwurzelt in Texten, in Praxis und Geschichte. Nachhaltigkeit ist im Islam also kein Trend, sondern eine Pflicht. Die Welt ist nicht nur schön. Sie ist bedeutungsvoll. Sie ist nicht bloß Kulisse, sondern Mitteilung. Wer sie liest, erkennt etwas vom Schöpfer. Wer sie schützt, zeigt Liebe zu ihm. Wer sie zerstört, widerspricht seiner Ordnung. Der Islam ruft nicht zur Ausbeutung, sondern zur Fürsorge. Die Natur ist kein Besitz, sie ist ein Versprechen. Und dieses Versprechen gilt es zu halten. Dr. Cemil Şahinöz, Islamische Zeitung, Oktober 2025 Literatur Ahmad bin Hanbal: Musnad. Çağrı Yayınları: Istanbul, 1982 Bukhari: Sahih Bukhari. Çağrı Yayınları: Istanbul, 1992 Ibn Madscha: Sünen. Çağrı Yayınları: Istanbul, 1992 Müslim: Sahih-i Muslim. İrfan Yayınevi: İstanbul, 2014 Nawawi A.: Riyad us-Salihin. Gärten der Tugendhaften. München: SKD Bavaria, 1999, 2002 Nursi S.: Worte. Vfjh e.V. Druck: Köln, 2002 Şahinöz C.: Der Pfad des Glaubens. Said Nursis Botschaften für Herz und Verstand. BOD: Hamburg, 2025 Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
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