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(16.07.2017) Die Entstehung und Bedeutung der Hadithe in der islamischen Tradition

Die Entstehung und Bedeutung der Hadithe in der islamischen Tradition

Die Überlieferungen des Propheten (Hadithe) gehören zu den wichtigsten Quellen des Islam. Sie erklären den Koran, zeigen seine praktische Umsetzung und bewahren das Beispiel des Propheten für die kommenden Generationen.

 

Deshalb wird auch im Koran darauf hingewiesen, sich an den Propheten zu halten:

·         „Wenn ihr Allah liebt, dann folgt mir (dem Propheten Muhammed). So liebt euch Allah und vergibt euch eure Sünden“ (Koran, 3:31)

·         „Wenn ihr miteinander über etwas streitet, dann bringt es vor Allah und den Gesandten, wenn ihr wirklich an Allah und den Jüngsten Tag glaubt. Das ist am besten und am ehesten ein guter Ausgang“ (Koran, 4:59)

·         „Hierauf haben wir dich (den Propheten Muhammed) auf eine Richtung in der Angelegenheit (der Religion) festgelegt“ (Koran, 45:18)

·         „Und er (der Prophet Muhammed) redet nicht aus (eigener) Neigung. Es ist nur eine Offenbarung, die eingegeben wird“ (Koran, 53:3-4)

·         „Was nun der Gesandte euch gibt, das nehmt; und was er euch untersagt, dessen enthaltet euch“ (Koran, 59:7)

 

Daher sind seine Überlieferungen zentral, um dem Koran zu verstehen. Ein Blick auf ihre Entstehungsgeschichte zeigt, wie sorgfältig die Gemeinschaft darauf achtete, diese Aussagen rein und unverfälscht zu bewahren.

Was als Hadith bezeichnet wird

Hadith bedeutet aus dem Arabischen wortwörtlich übersetzt “Erzählung“. Im islamisch-theologischen Sinne ist damit jede Aussage, Handlung oder stillschweigende Zustimmung des Propheten Muhammed gemeint. Dazu gehören auch seine Charakterzüge und seine Art zu leben.

Die Muslime betrachteten sein Verhalten als praktische Auslegung der göttlichen Botschaft. Deshalb sammelten sie nicht nur seine Worte, sondern auch seine Gewohnheiten, seine Entscheidungen und seine Reaktionen auf verschiedene Situationen.

Hadithe zu Lebzeiten des Propheten

Zu Lebzeiten des Propheten, machten sich einige Gefährten Notizen über seine Aussagen. Doch die systematische Verschriftlichung war noch nicht üblich. Die arabische Gesellschaft verfügte über eine starke mündliche Tradition. Das Gedächtnis und das Auswendiglernen hatten einen hohen Stellenwert. Deshalb wurden die meisten Aussagen mündlich weitergegeben.

Der Prophet untersagte das Aufschreiben seiner Worte zunächst. Der Grund war die Sorge vor einer Vermischung mit dem Koran. Die Offenbarung stand im Mittelpunkt und musste rein und eindeutig überliefert werden. Die Gefahr bestand, dass manche Menschen nicht klar unterscheiden, was göttliche Offenbarung und was prophetische Erklärung ist.

Später erlaubte er das Schreiben jedoch. Die Gefährten hatten inzwischen gelernt, sorgfältig zu unterscheiden, und der Koran wurde deutlich von seinen Worten getrennt.

Warum die systematische Sammlung erst später begann

Nachdem der Prophet gestorben war, wuchs die muslimische Gemeinschaft schnell. Neue Regionen kamen hinzu, neue Menschen traten ein und hatten Fragen. Die Gefährten zogen weit in verschiedene Gebiete. Dadurch bestand die Gefahr, dass einzelne Überlieferungen verloren gehen. Gleichzeitig tauchten in politischen Auseinandersetzungen erfundene Aussagen auf. Gelehrte begannen deshalb, Überlieferungswege zu prüfen und klare Maßstäbe festzulegen.

Außerdem war der Koran inzwischen vollständig als Buch gefestigt. Es gab keine Verwechslungsgefahr mehr. Daher konnten Gelehrte sorglos Material sammeln, filtern und schriftlich fixieren.

Stieg die Zahl der Hadithe an?

Oft wird hinterfragt, weshalb in der frühesten Phase der islamischen Gemeinschaft lediglich einige hundert Hadithe schriftlich fixiert wurden, während in den späteren Jahrhunderten umfangreiche Korpora mit mehreren tausend Überlieferungen entstanden.

Der Grund liegt nicht darin, dass neue Hadithe erfunden wurden. Die frühen Gefährten hatten keinen Auftrag, systematische Sammlungen zu erstellen. Sie lebten dicht beieinander, kannten den Propheten persönlich und brauchten keine großen Archive. Vieles wurde mündlich bewahrt, weil die arabische Kultur eine außergewöhnlich starke Erinnerungstradition besaß.

Dass zur Frühzeit nur einige hundert Hadithe existierten, bezieht sich deshalb nur auf frühe schriftliche Notizen einzelner Personen, nicht auf den gesamten Wissensbestand der Gemeinschaft. Als der Islam sich ausbreitete und die Gefährten in verschiedene Regionen auszogen, entstand die Gefahr, dass Überlieferungen verloren gehen. Die Gelehrten späterer Generationen reisten von Ort zu Ort, sammelten alle Varianten jedes Hadiths und hielten sie schriftlich fest. Dadurch entstanden die großen Sammlungen mit mehreren tausend Einträgen. Es ist also kein Wachstum an neuen Aussagen, sondern eine Ausweitung der Dokumentation. Die Wissenschaftler machten sichtbar, was vorher mündlich im Umlauf war.

Die berühmtesten Sammler

Im zweiten Jahrhundert nach der Hidschra entstanden dann die großen Sammlungen. Zu den wichtigsten Gelehrten gehören Bukhari, Muslim, Abu Dawud, Tirmidhi, Nasa’i und Ibn Madscha. Sie reisten durch verschiedene Regionen, sprachen mit Tausenden von Überlieferern und prüften jeden einzelnen sorgfältig. Obwohl sie hunderttausende Hadithe kannten, schrieben sie nur die auf, die sie für gesichert und authentisch einstuften. Ihre Arbeit bildete die Grundlage der späteren islamischen Wissenschaften. Dadurch entstand die Kutub al Sitta (Die sechs Bücher).

Die Kutub al Sitta

Die Kutub al Sitta entstand nicht als ein gemeinsames Projekt, sondern wuchs Schritt für Schritt, weil die Gemeinschaft im Laufe der Zeit erkannte, welche Werke sich als besonders zuverlässig durchgesetzt hatten.

Die einzelnen Sammlungen wurden im zweiten und dritten Jahrhundert nach der Hidschra von verschiedenen Gelehrten unabhängig voneinander erstellt. Erst spätere Hadithwissenschaftler stellten fest, dass sich sechs von ihnen in Methode, Qualität und Verbreitung besonders bewährt hatten. Sie ordneten diese Werke zu einer festen Gruppe zusammen, damit Studenten und Gelehrte klar wussten, welche Quellen als Kernbestand gelten. Auf diese Weise entstand eine Art Kanon, nicht durch ein offizielles Dekret, sondern durch wissenschaftliche Anerkennung und durch die breite Nutzung in der islamischen Welt.

Die folgenden sechs großen Werke werden als Kutub al Sitta bezeichnet. Sie gelten als die bedeutendsten Sammlungen sunnitischer Tradition.

  • Sahih al Bukhari enthält etwa 7.252 Überlieferungen mit Wiederholungen, ca. 4000 ohne Wiederholungen.
  • Sahih Muslim enthält etwa 7.500 Überlieferungen mit Wiederholungen, ohne Wiederholungen ca. 3033.
  • Sunan Abu Dawud umfasst ungefähr 4.800 Überlieferungen.
  • Sunan at Tirmidhi umfasst etwa 4.000 Überlieferungen mit Wiederholungen.
  • Sunan an Nasa’i umfasst ungefähr 5.700 Überlieferungen.
  • Sunan Ibn Madscha umfasst etwa 4.300 Überlieferungen.

Warum die Zahlen variieren

Die Werke unterscheiden sich nicht nur in ihrer Methodik. Sie verwenden auch unterschiedliche Kriterien bei der Zählung. Manche zählen jede Wiederholung als einzelnen Hadith. Andere fassen Varianten zusammen. Einige Sammler konzentrieren sich streng auf zuverlässige Überlieferungen. Andere nehmen auch schwächere auf, damit die Wissenschaft sie später bewertet.

Die Entstehungsgeschichte der Hadithe (plural auch Ahadith) zeigt, dass die Muslime großen Wert auf Authentizität legten. Sie wollten nicht nur Worte sammeln, sondern sicherstellen, dass jedes Wort wirklich zum Propheten zurückzuführen ist. Die Sorgfalt dieser frühen Gelehrten bildet bis heute das Fundament der islamischen Wissenschaften.

Musnad von Ahmad ibn Hanbal

Außerhalb der Kütüb-i Sitte existiert eine sehr große Zahl weiterer Überlieferungen. Die bekannteste Sammlung ist der Musnad von Ahmad ibn Hanbal.

Ahmad ibn Hanbal wird in den klassischen Quellen als jemand beschrieben, der eine Million Überlieferungen kannte. Die Angabe einer Million bezieht sich vermutlich nicht auf eine Million unterschiedlicher Aussagen. Gemeint ist wahrscheinlich die Gesamtzahl aller Varianten, aller Überlieferungswege und aller unterschiedlichen Ketten. Wenn ein einziger Hadith fünfzig verschiedene Überlieferer besitzt, zählt man hierbei fünfzig Hadithe. In dieser Methode kamen die frühen Gelehrten schnell auf sehr hohe Zahlen.

Zudem hat Ibn Hanbal diese Million Überlieferungen nicht vollständig aufgeschrieben. Sein Werk, der Musnad, enthält etwa 30.000 Hadithe mit Wiederholungen. Damit ist es eine der umfangreichsten Quellen überhaupt. Das sind die Überlieferungen, die er für wertvoll genug hielt, um sie in seiner Sammlung festzuhalten. Er hat also bewusst ausgewählt. Vieles blieb deshalb nur in seinem Gedächtnis oder in Notizen, die nicht in den Musnad eingingen.

Die Hadithe im Musnad werden nicht automatisch als authentisch (sahih) bezeichnet. Ahmad ibn Hanbal sammelte nach einer breiteren Methode. Er nahm authentische Überlieferungen auf. Er nahm auch gute und akzeptable Überlieferungen auf. Und er notierte zusätzlich manche schwächere, wenn sie zur historischen Einordnung oder zur Kenntnis der Tradition nützlich waren. Sein Ziel war es, das gesamte Material zu bewahren, nicht eine reine Sammlung ausschließlich einwandfreier Hadithe zu erstellen.

Die Bewertung der einzelnen Hadithe überließ er den späteren Gelehrten. Deshalb findet man im Musnad starke, mittlere und schwächere Überlieferungen. Das macht dieses Werk so bedeutend, weil es zeigt, wie breit und vielfältig das Material der frühen Tradition wirklich war. Sie ist nicht als reine Authentizitätssammlung gedacht, sondern als umfassendes Archiv, aus dem die Hadithgelehrten bis heute schöpfen.

Weitere Sammlungen

Weiterhin gibt es den Muwatta von Imam Malik mit etwa 2.000 Überlieferungen. Dazu kommen große Sammlungen wie Musannaf Ibn Abi Schaiba und Musannaf Abdurrazzaq. Auch die geschichtlichen Werke wie Tarikh von Tabari und zahlreiche kleinere Musnads, Hadithhefte einzelner Gefährten und thematische Sammlungen erweitern den Bestand deutlich.

Zählt man alles zusammen, erreicht die gesamte Überlieferungstradition weit über 100.000 Hadithe. Ein großer Teil davon besteht aus Varianten, verschiedenen Überlieferungswegen oder Wiederholungen. Die hohe Zahl zeigt, wie breit das Material überliefert wurde. Sie bedeutet nicht, dass der Prophet 100.000 verschiedene Aussagen sprach, sondern dass die Tradition jede Version einzeln dokumentierte, damit später eindeutig nachvollzogen werden kann, wer was wann überliefert hat.

Die Hadithwissenschaft in der Gegenwart

Heute gehört die Hadithwissenschaft zu den präzisesten und strengsten Disziplinen der islamischen Theologie. Gelehrte untersuchen jede Überlieferung bis ins kleinste Detail. Sie prüfen die Überlieferungskette Schritt für Schritt. Jede Person in dieser Kette wird biografisch analysiert. Man schaut, ob sie religiös vertrauenswürdig war, ob sie ein gutes Gedächtnis hatte, ob sie zur fraglichen Zeit tatsächlich am angegebenen Ort war und ob sie den vorherigen Überlieferer persönlich treffen konnte. Diese akribische Prüfung verhindert Lücken, Widersprüche und unzuverlässige Aussagen.

Parallel dazu wird auch der Inhalt des Hadiths bewertet. Man fragt, ob er sprachlich und inhaltlich zum Propheten passt, ob er mit dem Koran vereinbar ist und ob er im Einklang mit anderen authentischen Überlieferungen steht. Moderne Forscher nutzen zusätzlich historische Methoden, vergleichen verschiedene Versionen eines Hadiths und analysieren Manuskripte aus unterschiedlichen Jahrhunderten. Dadurch entsteht ein wissenschaftliches Werkzeug, das einmalig in der Religionsgeschichte ist. Die Hadithwissenschaft vereint spirituelle Verantwortung mit methodischer Strenge und sorgt dafür, dass das prophetische Erbe klar, überprüfbar und vertrauenswürdig bleibt.

Fazit

Die Geschichte der Hadithe zeigt, wie bewusst und verantwortungsvoll die muslimische Gemeinschaft mit dem Erbe des Propheten umging und umgeht. Seine Worte wurden zunächst zurückhaltend niedergeschrieben, um sie klar vom Koran zu trennen. Erst als der Koran vollständig gesichert war, öffnete sich der Weg für eine systematische Sammlung. Die Gelehrten des zweiten Jahrhunderts nach der Hidschra entwickelten strenge Prüfmethoden, damit keine verfälschten oder politisch motivierten Aussagen Eingang finden. Die großen Sammlungen entstanden aus dem Wunsch, das prophetische Vorbild rein, überprüfbar und nachvollziehbar zu bewahren. Dass die Zahlen der Überlieferungen variieren, zeigt nicht Unsicherheit, sondern die unterschiedliche Art der Zählung und Methodik. Am Ende steht ein reiches wissenschaftliches Erbe, das deutlich macht, wie sorgfältig die Muslime die Worte ihres Propheten weitergegeben haben.

Dr. Cemil Şahinöz

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