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Sind die Imame an der Gewalttätigkeit der Jugendlichen verantwortlich?

Die Ergebnisse des Kriminologon Prof. Christian Pfeiffer sorgen weiterhin für Furore. Laut der Studie sind “religiöse“ Muslime gewalttätiger und haben weniger deutsche Freunde als Menschen, die weniger “religiös“ sind. Die Schuldigen für diese Gewalttätigkeiten sind schon längst ergriffen: Die Imame in Deutschland.

Diese Schlussfolgerung, was jenseits jeder soziologischen Erklärung ist, ist wie folgender bekannter Analogieschluss: In einem Dorf, in dem es viele Störche gibt, gibt es mehr Neugeborene, als in Dörfern mit weniger Störche. Also bringen die Störche die Kinder!

Zunächst einmal widmen wir uns dem Begriff “religiös“. Dieser Begriff ist eins der am schwierigsten zu erfassenden Begriffe in der Wissenschaft. Es ist nicht wirklich möglich, Menschen in Kategorien wie “religiös“, “weniger religiös“ etc. zu unterteilen. Dies ist schlicht und einfach nicht möglich. Denn es gibt keine Maßstäbe dafür. Wann ist jemand religiös? Wann ist jemand nicht religiös? Man kann dies an keinem Merkmal festhalten. Deswegen wird in jeder wissenschaftlichen Studie diese Ausprägung mit folgender o.ä. Frage ermittelt: „Wie religiös schätzen Sie sich ein?“

Es ist also eine Selbsteinschätzung. Wie sich jedes Individuum selbst einschätzt, darum geht es hier. Nur dies kann erfasst werden. Auch in der Studie von Pfeiffer wurde dies – richtigerweise – so gehandhabt. Deshalb muss die Aussage, wenn schon lauten: „Diejenigen, die gewalttätig sind, schätzen sich als religiös ein.“ Nicht mehr und nicht weniger. Sie selbst schätzen sich so ein.

Aber die Aussage oder das Ergebnis „je religiöser, desto gewaltbereiter“ ist eine eindeutige Fehlinterpretation der Ergebnisse.

Auch ist es falsch zu sagen, „Unter denen, die sich als religiös empfinden, ist Gewalt verbreiteter als unter denen, die sich nicht als religiös empfinden.“ Auch dieses Ergebnis ist falsch. Denn hierfür müsste man als Ausgangslage Menschen nehmen, die sich als religiös und nicht-religiös einschätzen, da man diese miteinander vergleicht. Dies ist hier eindeutig nicht der Fall. Im Zentrum dieser Studie stehen Menschen, die gewalttätig sind. Das ist die Ausgangslage.

Andernfalls müsste man in der Studie auch diejenigen befragen, die sich als religiös und nicht-religiös einstufen aber nicht gewalttätig sind. Dann hätte man ein Vergleichsmuster, eine Vergleichsgruppe.

Wenn man die Menschen, die sich als religiös einstufen und die nicht gewalttätig sind, befragen würde, ob sie die Menschen, die sich als religiös sehen und gewalttätig sind, als religiös bezeichnen, würde man mit sehr großer Wahrscheinlichkeit zu hören bekommen, dass man diese gewaltbereiten Jugendlichen nicht als religiös einstuft. Dann hätte man ein noch größeres Problem. Wissenschaftlich ist demnach das jetzige Ergebnis ebenfalls nicht richtig.

Vielleicht sollte man fragen, was die gewaltbereiten Jugendlichen unter dem Wort “religiös“ verstehen?

Wie dem auch sei…. Widmen wir uns nun den Hauptverdächtigten: den Imamen.

Pfeiffer hierzu: „Imame solle nur in Deutschland arbeiten dürfen, wenn sie die deutsche Sprache beherrschen, Kenntnisse der deutschen Kultur haben und die im Grundgesetz verankerte Gleichberechtigung von Mann und Frau akzeptieren. Andernfalls muss ihnen die Einreise ins Land verweigert werden. Die muslimischen Gemeinden stehen in der Pflicht. Sie müssen selbst ein Interesse daran haben, Imame zu bekommen, die in Deutschland verankert sind.“

Zunächst einmal, ja, Imame sollten deutsch sprechen, Kenntnisse der deutschen Kultur haben, Grundsetz und Geleichberechtigung beachten. Darüber braucht man nicht zu diskutieren. Ganz im Gegenteil, dies ist eine Notwendigkeit. Doch dieses Defizit als Ursache für die Gewalttätigkeit von muslimischen Jugendlichen zu sehen, ist ein fataler Fehler. Wegen dieser Fehlinterpretation kann das eigentliche Problem nicht gelöst werden, weil die Wurzel des Problems nicht hier liegt.

Selbstverständlich sollten als Ansprechpartner für muslimischen Jugendliche, die in Deutschland geboren sind, hier aufgewachsen sind, hier zur Schule gegangen sind, Imame fungieren, die ebenfalls hier geboren und sozialisiert sind und die daher das Alltagsleben der Jugendlichen kennen. Um aber diese Imame in Deutschland auszubilden und in den knapp 3000 Moscheen in Deutschland einzusetzen braucht man realistisch gesehen viel Zeit und Geduld.

Trotzdessen sind es immer noch die Imame in den Moscheen, die Radikalisierungen entgegen wirken und gewalttätige Jugendliche davon abbringen. Viele Studien zeigen, dass radikale, extremistische oder gewalttätige Jugendliche eben nicht in eine Moscheegemeinde eingebunden sind, ja sogar diese bewusst meiden.

Das Problem der Gewalttätigkeit liegt also woanders: Das Gefühl nicht zur Gesellschaft dazuzugehören. Ich betone: Gefühl. Es geht nicht darum, ob sie tatsächlich ausgegrenzt werden oder nicht. Es geht darum, dass sie es so fühlen.

Und es ist ein höchst menschliches Gefühl – also weder christlich, muslimisch oder sonst religiös oder ideologisch – dass sich Menschen überall auf der Welt, wenn sie sich ausgegrenzt fühlen, sich in einem nächsten Schritt selbst ausgrenzen und abkapseln. Oftmals greifen sie dann eben zu der einzigen vermeintlichen Alternative: Gewalt.

Daher sollte man hier an der Wurzel des Problems arbeiten. Dass man also diesen Jugendlichen, die sich ausgegrenzt fühlen, eben nicht dieses Gefühl gibt und sie als Teile dieser Gesellschaft fühlen lässt. Dass sie sehen, dass nicht Gewalt eine Alternative ist, sondern dass es andere Alternativen gibt.

Am Aufzeigen dieser Alternativen, darin liegt unsere Aufgabe.

 

Cemil Sahinöz, Islamische Zeitung, 07.06.2010

http://www.islamische-zeitung.de/?id=13425

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