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Neunzehnter Blitz - Abhandlung über die Sparsamkeit

 

Abhandlung über die Sparsamkeit

 

(handelt von Sparsamkeit und Genügsamkeit, von Verschwendung und Vergeudung)

 

 

»Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Allbarmherzigen. Esst und trinkt, aber verschwendet nicht!« (Sure 7, 31)

Diese ehrenwerte Ayah erteilt uns eine sehr wichtige Lektion über die Weisheit, indem sie uns kategorisch befiehlt, sparsam zu sein und uns Verschwendung ganz klar verbietet. Diese Fragestellung besteht aus sieben Punkten.

 

Erster Punkt Der Barmherzige Schöpfer wünscht, dass wir Ihm als Gegenleistung für die Wohltaten, die Er dem Menschengeschlecht erwiesen hat, unsere Dankbarkeit erweisen. Was aber die Verschwendung betrifft, so ist sie der Dankbarkeit entgegengesetzt, ist eine Geringschätzung der Wohltaten Gottes und bringt Verlust. Sparsamkeit hingegen ist der Respekt, den wir für Gottes Wohltaten erweisen, und bringt Gewinn. Sparsamkeit ist in der Tat eine Art der Dankbarkeit für Gottes Gute Gaben und zeigt unseren Respekt vor der göttlichen Barmherzigkeit. Sie ist ferner mit Sicherheit Grund und Quelle der Segensfülle für uns. Sie ist ferner für den Körper gleich der Enthaltsamkeit ein Brunnen der Gesundheit. Sie ist ferner Grund und Basis einer Würde, die uns davor bewahrt, innerlich gleichsam betteln zu gehen. Sie ist ferner ein mächtiger Grund, die Freude zu erfahren, die in den Wohltaten Gottes enthalten ist, als auch den Genuss an den Wohltaten Gottes zu verkosten, die äußerlich ziemlich freudlos erscheinen. Was aber die Verschwendung betrifft, so ist sie den bekannten Weisheiten entgegengesetzt und hat schwerwiegende Konsequenzen.

 

 

Zweiter Punkt Der Allweise Schöpfer (Fatir-i Hakim) hat den menschlichen Körper in Gestalt eines wundervollen Schlosses erschaffen, wie er einer wohlverwalteten Stadt gleicht. Unser Geschmacks- und Geruchssinn in Mund und Nase gleicht einem Torwächter, die Nervenbahnen, die Venen und Arterien gleichen Telefon- und Telegraphenleitungen. Über diese Kommunikationswege stellen die Sinne eine Nachrichtenverbindung zum Magen in der Mitte des Leibes her und benachrichtigen ihn so über die in den Mund geratenen Dinge. Sind sie für den Körper, für den Magen nicht von Nutzen, so sagen sie: »Das ist verboten!« und werfen sie wieder hinaus. Und manchmal, wenn sie keinen Nutzen für den Körper haben und zugleich gefährlich und scharf oder bitter schmecken, wirft er, ja spuckt er sie unmittelbar wieder aus.

Da also nun einmal der Geschmackssinn der Pförtner im Mund ist, so ist er vom Standpunkt der Verwaltung des Körpers und des Magens aus betrachtet ein Herrscher und ein Herr. Wenn also nun Geschenke im Schloss oder in der Stadt ankommen, zu ihrem Herrscher gebracht werden und hundert Lira wert sind, dann sind davon fünf Lira, mehr sollte es nicht sein, für den Pförtner als eine Art Trinkgeld, damit er nicht eingebildet wird, oder auf Abwege gerät, seine Pflichten vergisst und Aufständische in den Palast hinein lässt, die ihm noch mehr Trinkgeld anbieten.

So wollen wir uns denn nun auf Grund dieses Geheimnisses (in unserem Mund) zwei Bissen vorstellen. Der eine enthalte eine nährstoffreiche Kost, wie Käse und Eier im Werte von vierzig Para. Der andere bestehe aus einem Stückchen Baklava vom Feinsten, im Werte von zehn Kurusch (= vierhundert Para)... Diese beiden Bissen unterscheiden sich, bevor sie in unseren Mund kommen, hinsichtlich unseres Körpers in nichts voneinander. Sie sind einander gleich. Auch nachdem sie bereits die Kehle hinuntergerutscht sind, haben sie noch immer den gleichen Nährwert für den Körper. Ja manchmal hat ein Stückchen Käse im Wert von vierzig Para sogar den größeren Nährwert. Nur hinsichtlich seines Gaumenkitzels besteht ein Unterschied von einer halben Minute. So kannst du denn nun einen Vergleich ziehen und daraus entnehmen, welch sinnlose Verschwendung das ist und wie viel Schaden es verursacht, wenn man um dieser halben Minute willen die Kosten von vierzig Para auf zehn Kurusch erhöht.

Obwohl also nun das Geschenk für den Herrscher, das im Palast ankommt vierzig Para wert ist, würde ein Trinkgeld für den Pförtner, das neun Mal höher wäre, ihn korrumpieren. Er könnte nun erklären: »Der eigentliche Herrscher hier bin ich.« und würde jedem, der ihm noch mehr Trinkgeld gibt und ihm eine größere Freude macht, erlauben, den Palast zu betreten, eine Revolution anzustiften oder Feuer zu legen. Er müsste dann schreien: »Hilfe! Ein Doktor soll kommen, mein Fieber senken und mein Feuer löschen!«

So ist denn also Sparsamkeit und Zufriedenheit in Übereinstimmung mit der göttlichen Weisheit. Sie behandelt unsere Sinne wie Torwächter, der sein Trinkgeld erhält. Was aber die Verschwendung betrifft, so erhält sie schon bald ihre Ohrfeige, da sie ja der Weisheit entgegengesetzt ist, den Magen ganz durcheinander bringt und den gesunden Appetit verdirbt. Sie erregt durch eine Reihe verschiedener Speisen einen trügerischen Appetit, sodass wieder Nahrung aufgenommen wird, was aber Verdauungsprobleme bewirkt und schließlich krank macht.

 

 

Dritter Punkt Hier hatten wir bereits im Zweiten Punkt gesagt, dass der Geschmacks- (und der Geruchssinn) die Torwächter sind. Und für die Leute der Gottvergessenheit und die, welche im spirituellen Bereich keine Fortschritte gemacht haben und auch im Bereich der Dankbarkeit nicht vorangekommen sind, gleichen sie tatsächlich den Torwächtern. Um deren Sinne zu befriedigen sollte man nicht so verschwenderisch den Preis von eins auf zehn steigern. Für die wahrhaften Leute der Dankbarkeit, die Leute der Wahrheit und die Leute des Herzens ist der Geschmacks- und Geruchssinn jedoch, wie wir das vergleichsweise im Sechsten Wort erklärt haben, gleich einem Küchenchef oder Inspektor in der Küche der göttlichen Barmherzigkeit. Dem Geschmacks- und Geruchssinn obliegt es, die verschiedenen Arten göttlicher Gnadengaben nach der Anzahl der Speisen wahrzunehmen, zu wägen und zu erkennen und dann den Körper, also den Magen in Form einer inneren Dankbarkeit davon in Kenntnis zu setzen. In dieser Hinsicht kümmert sich der Geschmacks- und Geruchssinn nicht nur um den physischen Magen, sondern hat vielmehr, da er auch mit Herz, Geist (ruh) und Verstand Kontakte pflegt, seine Position, seine Stellung (makam) über dem Magen. Unter der Bedingung, dass er nicht der Verschwendung dient, sondern nur seine Aufgabe, dankbar zu sein, wahrnimmt und die verschiedenen göttlichen Gnadengaben wahrzunehmen und zu empfinden, und unter der weiteren Bedingung, dass alles im Rahmen des Erlaubten bleibt und nicht in Erniedrigung und Bettelei ausartet, darf er sogar seiner eigenen Lust folgen. Ja Zunge und Nase, als Träger des Geschmacks- und Geruchssinns damit beauftragt, ihren Dank darzubringen, mögen dabei durchaus geschmackvolle Speisen bevorzugen. Die folgende Beschreibung eines Wunders (keramet), das Scheychu-l’Ghaus (Geylani) gewirkt hat, unterstreicht noch diese Wahrheit:

Es gab da einmal den einzigen Sohn einer alten, ziemlich empfindsamen Frau, der von Hasret Ghaus-i Adham Scheych Geylani (Gott heilige sein Geheimnis) unterrichtet wurde. Die ehrwürdige Alte ging und sah, wie ihr Sohn in seiner Zelle ein Stückchen altes, schwarzes Brot aß. Seine Schwäche, hervorgerufen durch seine Askese, erregte das Mitleid (schefkat) seiner Mutter... Und sie bedauerte ihn. Sie ging also zu Hasret-i Ghaus, um sich bei ihm zu beklagen und sah, dass Hasret-i Ghaus ein gebratenes Hähnchen aß. In ihrer Betroffenheit sagte sie: »Ustadh! Mein Sohn stirbt vor Hunger und du isst Hähnchen!« Da sagte Hasret-i Ghaus zu dem Hähnchen: »Mit Gottes Erlaubnis stehe auf und erhebe dich!« Da sammelte das gebratene Hähnchen seine Knochen zusammen, wurde wieder zu einem Hähnchen und sprang vom Teller. Dies wurde einstimmig von vielen zuverlässigen Personen aus gesicherten Quellen als Wunder (keramet) dieser Persönlichkeit berichtet, die Hasret-i Ghaus war und durch das Wirken solch außerordentlicher Wundertaten in aller Welt berühmt wurde. Hasret-i Ghaus sagte damals dazu: »Sobald auch dein Sohn diese Stufe erreicht hat, wird auch er Hähnchen essen können.« So ist denn die Bedeutung der Worte von Hasret-i Ghaus folgende: Wann immer der Geist (ruh) deines Sohnes seinen Leib, das Herz seine Seele (nefs), sein Verstand seinen Bauch beherrschen kann und nach einem Genuss verlangt, um dafür Dank sagen zu können, wird er auch derartige Köstlichkeiten genießen dürfen...

 

 

Vierter Punkt

 

 

»Wer sparsam ist, wird in der Versorgung seiner Familie mit dem notwendigen Lebensunterhalt kein Ungemach erleiden.«

Entsprechend der Bedeutung der Ehrenwerten Hadith

»Wer gut wirtschaften kann, braucht sich um den Unterhalt seiner Familie nicht viel Mühen und Sorgen zu machen.«

Es gibt in der Tat zahl- und grenzenlos viele gesicherte Beweise dafür, dass Sparsamkeit Ursache für Fülle und Segen und zugleich die Quelle für ein ausreichendes Einkommen ist. So kann ich z.B. auf Grund dessen, was ich in eigener Person gesehen und was auch andere Personen bezeugt haben, die mir in Dienst und Freundschaft verbunden waren, sagen: durch Sparsamkeit habe ich manchmal zehnfach Segen erfahren und auch meine Freunde konnten das bezeugen. So hat sich ein Teil der vor neun (also nun dreißig) Jahren mit mir nach Burdur verbannten Stammesfürsten große Mühe gegeben, mich dazu zu bringen, Sekat von ihnen anzunehmen, damit ich nicht aus Geldmangel in Elend und Armut verfalle. Ich sagte damals zu diesen reichen Stammeshäuptern: »Ich bin tatsächlich sehr knapp dran mit meinem Geld. Doch ich bin sparsam und es gewohnt, mich mit nur wenigem zu begnügen. So bin ich also reicher als ihr.« Ich habe ihre wiederholten, dringlichen Angebote zurückgewiesen. Es verdient jedoch, erwähnt zu werden, dass einige derer, die mir Sekat angeboten hatten, zwei Jahre später bereits verschuldet waren, weil sie nicht wirtschaften konnten. Dank sei Gott, war mein kleines Kapital durch die Fülle, die sich aus meiner Sparsamkeit ergab, auch sieben Jahre später noch immer für mich ausreichend. So habe ich niemals mein Gesicht verloren. Ich brauchte mich nicht zu erniedrigen, noch war ich gezwungen, den Leuten meine Notlage offen zu legen. Ich habe nie den Grundsatz meines Lebens aufgegeben, von den Leuten nicht abhängig sein zu wollen und bin niemals von diesem Wege abgewichen.

Wer nicht auf Sparsamkeit achtet, ist ein Kandidat für den Bettelstab und seinen Sturz in Armut und Not. In dieser Zeit ist Geld als Quelle der Verschwendung sehr teuer. Als Gegenwert wird manchmal ein Bestechungsgeld verlangt, das in der eigenen Würde und der Achtung vor sich selbst besteht. Manchmal werden auch die Heiligtümer des eigenen Glaubens als Gegenleistung angenommen und dafür ein unheilvolles Geld gegeben. Das aber heißt, dass materielle Güter im Werte von hundert Para für einen immateriellen Verlust von hundert Lira in Empfang genommen werden.

Wenn jemand jedoch sparsam ist, seine Bedürfnisse bis auf das Wesentliche vermindert, begrenzt und beschränkt, so wird er entsprechend der Ayah

 

 

»Fürwahr, Gott ist es, der euer Versorger ist, der Herr aller Macht und Stärke.« (Sure 51, 58)

und der ausdrücklichen Bedeutung der Ayah

 

 

»Und es gibt kein Tier auf Erden, das nicht von Gott seine Versorgung erfährt.« (Sure 11, 6)

auf unerwartete Weise so viel an Versorgung erhalten, dass er davon leben kann. Denn diese Ayah bürgt dafür. So gibt es in der Tat zwei Arten der Versorgung:

Die erste ist der wahre Unterhalt, der ausreicht, um davon leben zu können. Nach der Aussage dieser Ayah ist der Unterhalt durch eine Bürgschaft Gottes garantiert. Solange die Neigung des Menschen zum Bösen sich da nicht einmischt, wird er in jedem Fall seinen notwendigen Unterhalt finden. Er wird nicht dazu gezwungen sein, seinen Glauben, seine Ehre oder seine Selbstachtung dafür zu opfern.

Die zweite ist eine Art der Versorgung im übertragenen Sinne, wodurch infolge Missbrauchs Bedürfnisse an nicht notwendigen Dingen zu Bedürfnissen an notwendigen Dingen werden. Modeerscheinungen werden zum Übel einer Sucht, die sie nicht mehr aufgeben können. Weil aber nun diese Art der Versorgung nicht mehr von der Bürgschaft des Herrn abgedeckt wird, wird ihre Befriedigung außerordentlich kostspielig, besonders in heutiger Zeit. Ein solch unheilvolles Gut ist ohne Segen und wird zunächst dadurch erworben, dass man seine Selbstachtung zum Opfer bringt, seine Erniedrigung akzeptiert, zuweilen innerlich auf die Stufe eines Bettlers herabsinkt, so als würde man einem gemeinen Menschen auch noch die Füße küssen, ja manchmal sogar die Heiligtümer seines Glaubens opfert, die doch eigentlich das Licht des ewigen Lebens sind.

Überdies verbittert in dieser Zeit der Armut und Not das Leid der Hungrigen und Bedürftigen den Leuten des Gewissens, wenn sie denn noch ein Gewissen haben, durch ihr Mitleid für ihre Mitmenschen, sowohl das eigene Leid, als auch die Freude, die sie durch das illegaler Weise verdiente Geld erworben hatten. In einer so merkwürdigen Zeit wie der unseren muss man sich bei zweifelhaften Dingen mit dem Notwendigsten begnügen. Denn nach dem Geheimnis

 

 

»Fürwahr, der Umfang der Notwendigkeit wird bestimmt durch ihre Begrenzungen.«

darf man selbst verbotene (haram) Güter im Rahmen seiner Notwendigkeit zu sich nehmen. Mehr als das darf man aber nicht nehmen. In einer Notlage darf man selbst von Verendetem (murdar) etwas essen. Doch man darf sich davon nicht satt essen. Man darf nur soviel davon essen, dass man nicht stirbt. Des Weiteren darf man in Gegenwart von hundert hungrigen Menschen auch nicht mit vollem Genuss essen.

Die folgende Erzählung zeigt uns, dass Sparsamkeit ein Grund von Würde und Vollkommenheit ist.

Eines Tages gab Chatim Tay, der für seine Großzügigkeit weltberühmt war, ein großes Gastmahl. Nachdem er an seine Gäste überreichlich Geschenke ausgeteilt hatte, wandte er sich, um in der Wüste spazieren zu gehen. Da erblickte er einen armen alten Mann, der ein Bündel Dornsträucher und noch andere Pflanzen auf seinem Rücken trug. Die Dornen durchstachen ihm die Haut, sodass er blutete. Da sagte Chatim zu ihm: »Chatim Tay gibt heute ein großes Festmahl und verteilt Geschenke. Gehe dorthin und du wirst fünfhundert Kurusch für deine Last erhalten, die doch nur fünf Kurusch wert ist.« Der Alte aber war ein sparsamer Mensch und antwortete ihm: »Ich habe mir diese Dornsträucher aufgeladen und trage sie mit Würde. Ich werde nicht zu Chatim Tay gehen, um mir bei ihm eine Dankesschuld aufbürden zu lassen.« Als später einmal Chatim Tay gefragt wurde: »Bist du je (in deinem Leben einem Menschen) begegnet, der mehr Großmut und Würde gezeigt hätte als du?« antwortete er: »Dieser bescheidene alte Mann, den ich in der Wüste getroffen habe, war noch würdevoller, hoheitsvoller und großmütiger als ich.«

 

 

Fünfter Punkt Gott der Gerechte in Seiner vollkommenen Freigiebigkeit lässt den ärmsten Menschen genauso wie den reichsten Menschen und einen Bettler genauso wie einen König die Freude an seinen Gnadengaben empfinden. Ja die Freude, die ein Armer auf Grund seines Hungers wie auch seiner Sparsamkeit aus einem Stückchen schwarzen Brotes schöpft, ist in der Tat größer, als die Freude eines Königs oder eines reichen Menschen, der in seiner Verschwendung ein Stückchen der allerfeinsten Baklava müde und ohne jeden Appetit verspeist.

Es ist schon reichlich erstaunlich, doch einige Leute beschuldigen in ihrer Verschwendung und Vergeudung andere, sparsam und wirtschaftlich denkende Menschen, geizig zu sein. ...bewahre! Sparsamkeit ist verbunden mit Würde und Großzügigkeit. Geiz und Würdelosigkeit sind das innere Gesicht der augenscheinlich mannhaften Haltung von Leuten, die verschwenderisch sind und vergeuden. Es gibt da ein Ereignis, das diese Tatsache bestätigt. Es hat sich im Jahr der Niederschrift dieser Abhandlung in meiner Kammer in Isparta ereignet, und zwar folgendermaßen:

Einer meiner Schüler bestand darauf, dass ich entgegen allen meinen Regeln und Grundsätzen ein Geschenk von fast zweieinhalb Okka (= etwa 3 kg) Honig annehmen sollte. Und wie sehr ich auch auf meinen Grundsätzen bestand, so konnte ich ihn doch nicht überzeugen. Als er mir nun sagte, wenn ich schon sparsam sein wolle, so könne ich doch meine drei Mitbrüder die dreißig, vierzig Tage in den Monaten Scha’ban und Ramadan von meinem Honig mitessen lassen und wir blieben dann doch nicht ohne etwas Süßes. Auch könne dann der, welcher ihn brachte, die Verdienste davon ernten. Also sagte ich ihm, dass ich ihn nehmen würde. Doch hatte ich auch selbst noch ein Okka Honig. Obwohl nun meine drei Mitbrüder eigentlich bescheiden waren und die Sparsamkeit zu würdigen wussten, so boten sie doch einander von dem Honig an, erwiesen einander die Ehre und jeder bevorzugte den anderen vor sich selbst, was ja an und für sich eine gute Eigenschaft ist, vergaßen dabei, sparsam zu sein, und wie es so geht: in drei Nächten waren sie mit den zweieinhalb Okka Honig fertig. Lachend sagte ich: »Ich hätte euch für dreißig, vierzig Tage an dem Geschmack des Honigs teilnehmen lassen. Und nun habt ihr diese dreißig Tage auf drei Tage verkürzt. Na denn, wohl bekomm’s!« Derweil ging ich mit meinem einen Okka Honig sparsam um. Während der ganzen Monate Scha’ban und Ramadan aß sowohl ich selbst davon und gab, Dank sei Gott!, auch noch einem jeden der Brüder jeden Abend zum Iftar (Fastenbrechen) einen ziemlich großen Teelöffel voll, woraus doch auch noch eine gute Tat (sevab) erwuchs. Und dabei haben doch diejenigen, welche mein Verhalten beobachtet haben, gedacht, ich sei geizig und das Verhalten meiner Mitbrüder während dreier Nächte sei Großzügigkeit. In Wahrheit aber sah ich, dass sich unter diesem offensichtlichen Geiz eine hohe Würde, ein großer Segen und sehr viel Sevab verborgen hielt. Hätten sie nicht damit aufgehört, wäre es auf etwas hinausgelaufen, was noch mehr als ein wenig Geiz weit unterhalb von Großzügigkeit und Verschwendung gelegen hätte, nämlich eine Art Bettelei und wie man mit Augen voll Gier und Erwartung die Hand des anderen beobachtet.

 

 

Sechster Punkt Zwischen Sparsamkeit und Geiz besteht ein großer Unterschied. So wie Bescheidenheit als eine lobenswerte Eigenschaft oberflächlich betrachtet der Unterwürfigkeit ähnelt und sich doch von dieser schlechten Eigenschaft unterscheidet, und Würde eine lobenswerte Tugend ist und oberflächlich betrachtet dem Hochmut ähnelt und sich doch von dieser schlechten Eigenschaft unterscheidet, so ist auch die Sparsamkeit eine der erhabenen Eigenschaften des Propheten und die Quelle jener Weisheit, aus der die Ordnung des Universums erwächst und zu der keine Verwandtschaft mit dem Geiz besteht, der eine Mischung aus Habsucht, Unersättlichkeit, Elend und Begierde ist. Zwischen ihnen besteht lediglich eine äußerliche Ähnlichkeit. Der folgende Vorfall bestätigt diese Wahrheit.

Abdullah Ibn Omar, einer der berühmten Sahabis und bekannt als einer der »sieben Abdullahs«, war der größte und bedeutendste Sohn des Kalifen des Propheten, Faruqu-l’Adham Hasret-i Omar (mit dem Gott zufrieden sein möge), und einer der hervorragendsten Gelehrten unter den Sahabis. Während er eines Tages auf dem Marktplatz weilte, verhandelte er um der Sparsamkeit willen und um das Vertrauen und jene Ehrlichkeit zu wahren, welche die Basis des Handels ist, ziemlich hitzig über einen Betrag von etwa vierzig Para. Einer der Sahabis beobachtete ihn dabei, und weil er sich nun den Sohn Omars, des berühmten Nachfolgers des Kalifen über das Erdenrund vorstellte, wie er da so um vierzig Para feilschte und ihn für ungewöhnlich geizig hielt, so folgte er ihm, um sein Verhalten verstehen zu können. So sah er denn, wie Hasret Abdullah sein gesegnetes Haus betreten wollte. Dabei erblickte er vor seiner Türe einen armen Mann. Er wechselte ein paar Worte mit ihm, verabschiedete ihn, ging. Danach kam er durch eine andere Türe aus seinem Haus und sah dort einen anderen armen Mann. Auch mit ihm wechselte er ein paar Worte, verabschiedete ihn, ging. Der Sahabi, der ihn von weitem beobachtet hatte, wurde nun neugierig. So ging er denn zu den beiden Armen und fragte jeden: »Der Imam ist eine Weile bei dir stehen geblieben. Was hat er dabei gemacht?« Da antwortete jeder der beiden: »Er gab mir ein Goldstück.« Da dachte der Sahabi bei sich selbst: »Gepriesen sei Gott! Wie ist das möglich, dass er auf dem Marktplatz so um vierzig Para feilschte und danach vor seinem Hause mit einer solchen Zufriedenheit seiner Seele (nefs) zweihundert Kurusch weggeben konnte, ohne dass irgendjemand davon erfuhr?«

So ging er denn zu Abdullah ibn Omar und sagte zu ihm: »Oh Imam! Löse mir doch dieses Rätsel: auf dem Marktplatz hast du so gehandelt, während du dich vor deinem Hause ganz anders verhalten haben sollst.« Abdullah antwortete ihm und sagte: »Mein Verhalten auf dem Marktplatz war nicht Geiz, sondern entsprach einem wirtschaftlichen und vollkommen vernünftigen Denken und diente dazu, Vertrauen und Ehrlichkeit zu bewahren, welche die Grundlage und der Geist allen Handels und Wandels ist. Mein Verhalten vor meinem Hause entsprang hingegen der Liebe (schefkat) meines Herzens und der Vollkommenheit meines Geistes (ruh). Weder war mein erstes (Verhalten) Geiz noch das zweite Verschwendung.«

Der Große Imam (Abu Hanifa) bemerkt dazu als einen Hinweis auf dieses Geheimnis

 

 

»Es gibt keine Verschwendung im Guten, sowie es auch in der Verschwendung nichts Gutes gibt.«

Das heißt: So wie es in aller Güte und in allen Guten Werken keine Verschwendung gibt, insoweit es sich dabei um Bedürftige handelt, so liegt auch nichts Gutes in der Verschwendung.

 

 

Siebenter Punkt Verschwendung führt zu Gier und Gier hat drei Dinge zur Folge.

 

Die erste ist die Unzufriedenheit. Was aber diese Unzufriedenheit betrifft, so verdirbt sie die Lust zur Arbeit. Sie verführt dazu, sich zu beklagen, statt dankbar zu sein und endet in Faulheit. (Der Mensch) vernachlässigt seinen Besitz, der, wenn auch nur gering, so doch nach weltlichem wie religiösem Recht legal (meschru ve helal) ist. * So sucht er nach Gütern, die nicht legal (meschru), aber mühelos zu bekommen sind. Und auf diese Weise bringt er seine Selbstachtung, ja sogar seine Ehre zum Opfer.

 

Die zweite Folge führt (den Menschen) von der Gier über die Enttäuschung zum Verlust und der Zweck entgleitet ihm. Man missachtet ihn. Man bemüht sich nicht, es ihm leichter zu machen. Hilfe bleibt ihm versagt. Ja er bestätigt sogar das Sprichwort:

 

 

»Der Gierige hat keinen Erfolg, sondern erleidet einen Verlust.«

Das heißt: »Gier ist die Ursache von Verlust und Misserfolg.« Die Wirkungen von Gier und Zufriedenheit gehen in der Welt der Lebewesen mit sehr weitreichenden und umfassenden Grundsätzen einher. Zum Beispiel: Wenn die naturgemäße Zufriedenheit der Bäume, die ihres Unterhalts bedürfen, ihren Unterhalt zu sich hin in Bewegung setzt, während die Tiere gierig, unter Anstrengungen inmitten ihres Mangels hinter ihrem Unterhalt her jagen, so zeigt sie auf diese Weise, welch großen Schaden die Gier hervorruft und welch einen gewaltigen Vorteil die Zufriedenheit mit sich bringt.

Ferner beweisen auch all die vielen hilflosen Jungtiere, wenn sie in ihrer Zufriedenheit nach ihrer Art ohne Worte eine bestens bekömmliche Nahrung, wie z.B. Milch, auf nicht vorhersehbare Weise zu sich hin strömen lassen, während die wilden Tiere in ihrer Gier ihre mangelhafte und schmutzige Versorgung erjagen, in glänzender Weise unsere Behauptung.

Ebenso zeigt die zufriedene Haltung der fetten Fische das Mittel ihrer vollkommenen Versorgung, während so intelligente Tiere wie Füchse und Affen dünn und mager aussehen, weil sie nicht genügend Nahrung finden können, obwohl sie sie doch mit Gier verfolgen (sichtbar macht) in welchem Maße Gier die Ursache aller Anstrengungen und Zufriedenheit Ursache eines ruhigen (Lebens) ist.

Ferner sind viele Gelehrte * und Literaten * auf Grund der Gier, die ihnen aus ihrer Intelligenz erwuchs, der Armut verfallen, während viele doch recht einfältige und ganz unvermögende Leute durch ihre Haltung einer ganz natürlichen Zufriedenheit reich werden, was wiederum beweist, dass legaler (helal) Unterhalt aus Armseligkeit und Schwäche erwächst und nicht aus einer Fähigkeit und dem Willen. Vielmehr steht eine legale Versorgung im umgekehrten Verhältnis zu Fähigkeit und Wille. Denn je mehr Kinder ihre Fähigkeiten entfalten und ihr Wille wächst, desto mehr verringert sich ihr Unterhalt, entfernt sich von ihnen, wird immer schwieriger zu erlangen.

Nach dem Geheimnis der Hadith

 

 

»Zufriedenheit ist wie Bodenschätze, die sich nie erschöpfen.«

ist Zufriedenheit wie ein Bergwerksstollen, der guten Unterhalt und Sicherheit im Leben bietet. Was aber die Gier betrifft, so ist sie eine Ursache für Verlust und Erniedrigung.

 

Dritte Folge: Gier zerstört die Aufrichtigkeit... Sie vernichtet die Handlungen für das Jenseits. Denn wenn ein gottesfürchtiger Mensch unter Habsucht leidet, so wird er sich die Aufmerksamkeit der Leute wünschen. Und wer die Aufmerksamkeit der Leute in Betracht zieht, kann nicht mehr so ganz aufrichtig sein. Die Folge davon ist von einer solchen Wichtigkeit, dass sie es verdient, besonders angemerkt zu werden.

 

Zusammenfassung: Verschwendung führt zu einem Mangel an Zufriedenheit. Ein Mangel an Zufriedenheit aber zerstört die Begeisterung für die Arbeit. Die Folge davon ist Trägheit. Das öffnet ein Tor für Klagen über das Leben und bewirkt, dass der, der unzufrieden ist, sich ständig beklagt. *

Das zerstört auch die Aufrichtigkeit, öffnet der Heuchelei das Tor, vernichtet die Selbstachtung und weist den Weg zur Bettelei.

Was aber Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit betrifft, so führt sie zur Zufriedenheit. Nach dem Geheimnis der Hadith

 

 

»Hochgeschätzt wird, wer zufrieden ist und gering geschätzt, wer geizig ist.«

erwächst Zufriedenheit aus der Selbstachtung. Sie ermuntert zudem zu Anstrengung und Arbeit. Sie steigert die Begeisterung und drängt zum Schaffen. Zum Beispiel: jemand hat einen Tag lang gearbeitet. Weil er nun am Abend so zufrieden ist mit seinem bescheidenen Lohn, arbeitet er am nächsten Tag wieder. Weil aber ein verschwenderischer, unbescheidener Mensch nicht zufrieden war, arbeitete er auch am nächsten Tag nicht. Wenn er aber arbeitet, so tut er es ohne jede Begeisterung.

Ferner öffnet die Zufriedenheit, die aus der Sparsamkeit erwächst, das Tor zur Dankbarkeit und schließt das Tor zur Klage. So wird man also sein Leben lang dankbar sein. Ferner wird der, welcher durch seine Zufriedenheit von anderen unabhängig ist, nicht deren Aufmerksamkeit suchen. So steht das Tor zur Aufrichtigkeit offen und das Tor der Heuchelei ist geschlossen...

Welch furchtbaren Schaden Verschwendung und Vergeudung im weiten Rahmen (anrichten können), habe ich selbst beobachtet. Folgendermaßen: Vor neun Jahren besuchte ich eine wohlhabende (bereket) Stadt. Da es aber noch Winter war, konnte ich die Quelle ihres Reichtums nicht entdecken. Mehrere Male sagte der dortige Mufti – Gott erbarme sich seiner! – zu mir: »Unsere Leute sind arm.« Diese Worte berührten mich tief. Fünf, sechs Jahre lang empfand ich stets Mitleid für die Bewohner dieser Stadt. Acht Jahre später war es Sommer, als ich wieder in diese Stadt kam. Ich erblickte Weinberge und erinnerte mich dabei wieder an diese Worte des verstorbenen Mufti. »Gepriesen sei Gott!« sagte ich da. »Die Ernteerträge aus diesen Weinbergen übersteigen bei weitem den Haushalt dieser Stadt. Die Bewohner dieser Stadt müssten doch eigentlich sehr reich sein.« So war ich erstaunt. Dann aber verstand ich auf Grund einer Tatsache (hakikat), an die ich mich erinnerte, und diese (Erinnerung) hat mich noch nie getäuscht und ist mir stets ein Wegweiser (rehber) im Verständnis der Wahrheit (hakikat) gewesen, dass die Wohlhabenheit (dieser Stadt) durch Verschwendung und Vergeudung entschwunden ist, so sehr, dass ihr Mufti trotz aller Quellen des Wohlstandes sagte: »Unsere Leute sind arm.«

Gleich wie Sekat geben und sparsam sein in der Tat erwiesenermaßen Grund für Wachstum und reichen Segen ist, so lehrt auch die Erfahrung mit zahllosen Beispielen, dass Verschwendung und die Unterlassung des Sekat-gebens die Ursache dafür sind, dass dieser Segen wieder weggenommen wird...

Der Platon aller islamischen Weisen, Scheich der Ärzte und Ustadh der Philosophen Abu Ali Ibn-i Sina erklärt die Ayah

 

 

»Esst und trinkt, doch verschwendet nicht.« (Sure 7, 31)

aus medizinische Sichtweise folgendermaßen:

 

 

»Ich kann die Wissenschaft der Medizin in zwei Sätzen zusammenfassen. Dabei liegt die beste Aussage in ihrer Kürze: Wenn du isst, so iss wenig und dann vier oder fünf Stunden lang nicht wieder. Die Gesundheit liegt in der Verdauung. Das heißt: iss so viel wie du leicht verdauen kannst. Der schwierigste und ermüdendste Zustand für Geist (nefs) und Magen ist es, Mahlzeit über Mahlzeit zu essen.« *

Eine staunenswerte und lehrreiche Übereinstimmung: In allen Abschriften dieser Abhandlung über die Sparsamkeit, geschrieben von fünf oder sechs verschiedenen Schreibern, drei von ihnen ungeschult, die an verschiedenen weit voneinander entfernten Orten von unterschiedlichen Vorlagen kopierten und die alle eine andere Handschrift hatten, ergab es sich, dass sich einundfünfzig Mal bei einem Elif (am Zeilenanfang) eine Übereinstimmung zeigt, obwohl sie darauf doch gar nicht geachtet hatten, ohne das Gebet am Ende mitzuzählen, bzw. dreiundfünfzig Übereinstimmungen, wenn man das Gebet am Ende mitzählt.

Diese Zahlen stimmen mit dem Jahr überein, in dem diese Abhandlung über die Sparsamkeit geschrieben und kopiert worden ist, nämlich dem Jahr (13)51 Rumi = (13)53 Hidschri, was ohne Zweifel kein Zufall mehr sein kann. Es ist ein Hinweis darauf, dass der Segen der Sparsamkeit sich bis zu einem Wunder (keramet) gesteigert hat und dass dieses Jahr geeignet ist, das »Jahr der Sparsamkeit« genannt zu werden.

Dieses Wunder der Sparsamkeit wurde in der Tat zwei Jahre später während des zweiten Weltkrieges bestätigt durch einen weit verbreiteten Hunger, Zerstörung und Verwüstung, sodass die Menschheit und jeder einzelne gezwungen war, sparsam zu sein.

 

 

»Gepriesen seist Du! Wir haben kein Wissen, außer dem, das Du uns gelehrt hast. Denn Du bist der Allwissende, der Allweise.« (Sure 2, 32)

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