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Dreiundzwanzigstes Wort - Der Wert des Glaubens

 

Diese Abhandlung besteht aus zwei Kapiteln.

 

 

»Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen. Wahrhaftig, Wir haben den Menschen erschaffen und ihm den höchsten Wert verliehen; dann erniedrigten Wir ihn zum Geringsten aller Geringen, ausgenommen diejenigen, die glauben und gute Werke tun.« (Sure 95, 4-6)

Erstes Kapitel

In den folgenden fünf Punkten werden wir nur fünf Werte des Glaubens unter tausenden erklären.

 

Erster Punkt: Durch das Licht des Glaubens steigt der Mensch zur höchsten Höhe auf und erreicht einen Wert, der ihn für das Paradies qualifiziert. In der Dunkelheit des Unglaubens steigt er hinab zum Niedrigsten der Niedrigen und nimmt eine Form an, die ihn für die Hölle geeignet macht. Denn Glaube ist eine Beziehung, die den Menschen mit seinem erhabenen Meister verbindet. Der Wert des Menschen entsteht aus der göttlichen Kunst und den Ornamenten der Gottesnamen, die an ihm im Lichte des Glaubens beobachtet werden. Unglaube trennt diese Verbindung, sodass die Kunst des Herrn nicht mehr sichtbar ist und der Wert des Menschen reduziert wird auf den Preis seiner bloßen physischen Existenz, wobei diese physische Existenz des Menschen fast keinen Wert hat, denn sie besteht nur aus einem zeitlichen, vergänglichen und sterblichen tierischen Leben. Wir werden dies durch einen Vergleich erklären.

Auch bei den von Menschenhand geschaffenen Kunstwerken unterscheidet sich der Materialwert vom Kunstwert. Zuweilen können beide wie gleich erscheinen, zuweilen kann der Materialwert höher als der Kunstwert sein. Zuweilen geschieht es auch, dass man bei einem Materialwert von fünf Pfennig, zum Beispiel für Eisen, ein Kunstwerk im Werte von fünf Pfund entdeckt. Ja, zuweilen können Antiquitäten Millionen wert sein während ihr Materialwert kaum fünf Pfennig beträgt. Bringt man solch ein antikes Kunstwerk zu einer Antiquitätenmesse, kann es für eine Million verkauft werden, wenn man es als Werk eines alten Meisters ausstellt, wenn man dabei diesen begnadeten Künstler erwähnt, der es geschaffen hat. Andererseits, bringt man es zum Schrotthändler, so kann es zum Preis von fünf Pfennig als Eisen gekauft werden.

In gleicher Weise ist der Mensch ein einzigartiges Kunstwerk Gottes des Gerechten und das eleganteste, gnadenvolle Wunder Seiner Macht, da er den Menschen wie eine Welt im kleinen erschuf und ihn zur Verkörperung der Erscheinungen und Ornamente all Seiner Namen machte.

Wenn das Licht des Glaubens in ihn einströmt, können all diese bedeutsamen Ornamente in ihm entziffert werden. Ein Gläubiger entziffert sie im Bewusstsein seines Verstandes. Und in dieser seiner Beziehung lässt er sie entziffern. Das heißt, die göttliche Kunst, die im Menschenwesen enthalten ist, manifestiert sich selbst durch solche Aussagen wie: »Ich bin das Werk des Erhabenen Meisters, Sein Geschöpf und die Verkörperung Seines Mitleides und Seiner Freigiebigkeit.« Glaube besteht also in der Beziehung zum Meister, offenbart die gesamten Kunstwerke im Menschen. Insoweit die göttliche Kunst im Menschen sichtbar wird, bestimmt sie des Menschen Wert. Er entspricht dem Spiegelbild der Einzigartigkeit Gottes. So erhebt sich der Mensch aus seiner Bedeutungslosigkeit auf diese Weise über alle Geschöpfe zum Gesprächspartner Gottes und Gast des Herrn, würdig des Paradieses.

Wenn der Unglaube, der im Abbruch dieser Beziehung besteht, in den Menschen eingeht, sinken alle diese bedeutsamen Ornamente der Gottesnamen ins Dunkel, können nicht mehr entziffert werden. Denn wenn der Meister in Vergessenheit gerät, können auch die spirituellen Aspekte in ihrer Beziehung zum Meister nicht mehr verstanden werden. Es ist, als würde alles auf den Kopf gestellt. Viele bedeutsame und erhabene Künste und Ornamente des Geistes verbergen sich auf diese Weise. Ein Teil dessen, was übrig bleibt und mit den Augen wahrgenommen werden kann, wird geringfügigen Ursachen zugeschrieben, der Natur oder dem Zufall, verfällt schließlich. Obwohl jedes einzelne für sich ein funkelnder Diamant ist, erscheint es wie trübes Glas. Ihr Wert wird nur noch in der animalischen Substanz gesehen. Aber Ziel und Ergebnis dieser Substanz ist, wie gesagt, ein Leben von sehr kurzer Dauer zu führen, unerheblich, als das schwächste, hilfsbedürftigste und unglücklichste aller Tiere, und am Ende zu verfallen und zu verwesen. So ruiniert Unglaube das Wesen des Menschen und verwandelt einen Diamanten in Kohle.

 

Zweiter Punkt: Der Glaube ist in gewisser Weise ein Licht. Er erleuchtet den Menschen, lässt alle die oben aufgeführten Ewigen Briefe lesbar werden. Genauso erleuchtet er auch das Universum. Vergangene und zukünftige Zeiten werden aus der Dunkelheit errettet. Dies Geheimnis erklären wir durch ein Gleichnis, das ich in einer geistigen Schau in Bezug auf ein Geheimnis der Ehrwürdigen Ayah

 

 

»Allah ist der Freund der Gläubigen und führt sie aus der Finsternis in das Licht.« (Sure 2, 257)

gesehen habe. Es war dies wie folgt:

In einer Schau, die ich erlebte, sah ich: Zwei hohe Berge standen sich gegenüber… zwischen ihnen war furchterregend eine Brücke gespannt. Unter der Brücke eine tief eingeschnittene Klamm… ich befand mich auf dieser Brücke. Und die Welt lag in dichter Finsternis - Dunkel ringsumher. Ich schaute nach rechts. In unendlicher Finsternis erblickte ich ein großen Grabmal, d.h. es tauchte aus meiner Phantasie auf. Ich schaute nach links. Es war, als erblickte ich riesige Stürme inmitten fürchterlicher Wellen von Finsternis, Unruhen und heraufziehende Katastrophen. Ich schaute von der Brücke hinunter. Ich meinte, einen sehr tiefen Abgrund zu erblicken. Gegen diese schreckliche Finsternis hatte ich nur eine schwache Taschenlampe. Ich schaltete sie ein, schaute mich in ihrem Zwielicht um. Eine ganz fürchterliche Situation tauchte vor mir auf. Ja, sogar vor mir auf dem Brückenkopf und darum herum wurden schreckliche Drachen, Löwen und Wölfe sichtbar. »Hätte ich doch diese Taschenlampe nicht bei mir gehabt! Ich hätte diese Schrecken nicht gesehen!« sagte ich mir. Wann immer ich auch meine Lampe irgendwohin richtete, überliefen mich von dort diese Schrecken. »Oh Gott«, sagte ich, »diese Lampe ist das Unglück über meinem Haupte!« Ich war auf sie böse. Ich schleuderte die Taschenlampe zu Boden, zerbrach sie. Als hätte ich mit ihrer Zerstörung den Schalter zur großen elektrischen Lampe der Beleuchtung der Welt bedient, wurde plötzlich die Finsternis vernichtet. Und alles wurde von dem Lichte dieses Scheinwerfers erfüllt. Die Wirklichkeit aller Dinge wurde mir gezeigt. Ich sah:

Die Brücke, welche ich erblickt hatte, war eine Straße durch eine Ebene in einer wohlgepflegten Gegend. Und ich bemerkte:

Das große Grabmal, das ich zu meiner Rechten gesehen hatte, war von Anfang an ein Versammlungsplatz für Anbetung, Gottesdienst, Gespräch und Gottesgedenken unter der Führung erleuchteter Menschen in einem schönen, grünen Garten gewesen. Und das, was ich zu meiner Linken für Bergesgipfel und Abgründe, erfüllt von Stürmen und Unruhen, gehalten hatte, erwies sich mir in meiner inneren Schau als ein gewaltiges Festmahl, ein schöner Park, ein erhabener Aufenthaltsort zur Erquickung der Seelen hinter schönen, lieblichen, reizvollen Bergen. Und ich sah, dass jene Geschöpfe, die ich für fürchterliche Wölfe und Drachen gehalten hatte, friedliche Haustiere waren wie Kamele, Rinder, Schafe und Ziegen.

 

 

»Aller Lobpreis und Dank sei Allah für das Licht des Glaubens.«

sagte ich, zitierte die Ayah:

 

 

»Allah ist der Freund der Gläubigen und führt sie aus der Finsternis in das Licht.« (Sure 2, 257)

Und so erwachte ich aus dem Gesicht, das ich erschaut hatte. So sind also diese beiden Berge Anfang und Ende des Lebens… d.h. die irdische Welt und die Schattenwelt. Was die Brücke betrifft, so ist sie der Weg des Lebens. Ihre rechte Seite aber Vergangenheit, ihre Linke die Zukunft. Die Taschenlampe ist das menschliche Ego, das in seiner Selbstgefälligkeit dem eigenen Wissen vertraut und nicht auf die Offenbarung des Himmels hört. Was mir wie Wölfe erschien, sind die staunenswerten Gebilde und Ereignisse in der Schöpfung. Der Mensch also, der auf sein Ego vertraut, in finstere Gottvergessenheit gestürzt und dem Dunkel seiner Irreleitung verfallen, gleicht meinem ersten Zustand in dieser Schau, sieht die Vergangenheit in seiner, einer Taschenlampe entsprechenden mangelhaften und irrigen Kenntnis in Form eines riesigen Grabmals und dem Dunkel des Nichtseins. Die Zukunft erscheint ihm als Einöde, von fürchterlichen Stürmen durchtobt, abhängig vom Zufall. Jedes einzelne Ereignis und Geschöpf, welches doch ein gehorsamer Diener Gottes, des Weisen und des Barmherzigen ist, erweist sich ihm als Wolf, der ihm schaden will. Er erfährt sich als Gegenstand der Ayah:

 

 

»Die Ungläubigen sind die Freunde derer, die sich widersetzen und ihn aus dem Licht in die Finsternis führen.« (Sure 2, 257)

Erreicht ihn die Führung Allahs, tritt der Glaube in sein Herz ein, wird das pharaonische Ego * zerbrochen; hört er und gehorcht dem Buche Allahs, so gleicht er meinem zweiten Zustand in dieser Schau. So erhält die ganze Welt plötzlich die Farben des Tages, wird vom Lichte Gottes erfüllt. Die Welt vermag die Ayah

 

 

»Allah ist das Licht der Himmel und der Erde.« (Sure 24, 35)

zu entziffern. Dann ist die Vergangenheit kein riesiges Grabmal mehr für ihn, vielmehr sieht er mit den Augen des Herzens, wie die Gemeinschaft der reinen Seelen, nachdem sie unter der Führung eines Propheten oder Gottesfreundes eines jeden Jahrhunderts ihre Geschöpfespflicht erfüllt und ihre Aufgaben im Leben beendet haben, mit den Worten »Allahu Ekber« (Allah ist unvergleichlich groß) sich zu den erhabenen Stufen aufschwingen und auf die Seite der Zukunft hinüberwechseln. Zur linken Seite hinüberblickend, bemerkt er von weitem im Lichte des Glaubens in den Weingärten des Paradieses das Gastmahl der Barmherzigkeit, das in den Schlössern der Glückseligkeit bereitet ist, hinter manchen bergesgleichen Umwälzungen der Schattenwelt und des Jenseits *. Und er erkennt, dass Ereignisse wie Stürme, Beben und Seuchen jede für sich ein gehorsamer Diener sind. Er sieht, dass Frühlingsstürme und Regengüsse äußerlich zwar rauh und hart sein mögen, in Wirklichkeit aber eine Quelle mildester Weisheit sind. Und sogar den Tod sieht er als Beginn des ewigen Lebens, und das Grab als Tor zur Ewigen Seligkeit. Man mag sich die übrigen Aspekte selbst ausdeuten. Bringe die Wirklichkeit in Übereinstimmung mit dem Gleichnis!

 

Dritter Punkt: Der Glaube ist sowohl Licht als auch Kraft. Ja, derjenige, der den wahren Glauben in Händen hält, vermag der ganzen Welt Widerstand zu leisten und sich je nach der Stärke seines Glaubens vom Druck aller Geschehnisse zu befreien. »Ich vertraue auf Allah.«, sagt er und durchkreuzt mit dem Schiffe des Lebens in vollkommener Sicherheit die haushohen Wogen der Geschehnisse. Er vertraut all seine Last der mächtigen Hand der grenzenlosen Allmacht (Gottes), durchquert ruhig diese Welt, rastet im Zwischenreich. Danach vermag er sich in das Paradies aufzuschwingen, um in die Ewige Glückseligkeit einzugehen. Andererseits, wenn er die Last dieser Welt nicht Gott anvertraut, behindert sie nicht nur seinen Aufschwung, sondern zieht ihn zum Niedrigsten der Niedrigen herab. Das will besagen: Glaube (iman) führt zu Einheit (tauhid), Tauhid zu Hingabe (teslim), Teslim zu Vertrauen, Vertrauen zu Glückseligkeit in den beiden Welten (Diesseits und Jenseits) Das darf man jedoch nicht falsch verstehen! Vertrauen bedeutet nicht, die Ursachen vollständig außer Acht zu lassen. Es heißt vielmehr, die Ursachen hinter dem Schleier der Hand des Allmächtigen (Gottes) zu erkennen und anzuerkennen. Von den Ursachen auszugehen heißt, dies als eine Art tätigen Gebetes anzusehen, die Ergebnisse aber nur von Gott dem Gerechten zu erwarten, die Folgen als von Ihm kommend zu erkennen und Ihm dankbar zu sein. Als Beispiel für einen, der sich Gott anvertraut und einen, der dies nicht tut, steht folgendes Gleichnis:

Es waren einmal zwei Männer. Sie hatten sich Rücken und Kopf mit schweren Lasten beladen, eine Fahrkarte gelöst und ein großes Schiff bestiegen. Der eine stellt seine Last auf dem Schiff ab, sobald er es betreten hat und setzt sich darauf, um sie zu bewachen. Der andere, weil er sowohl dumm als auch stolz ist, stellt seine Last nicht ab. Jemand sagt zu ihm: »Überlass deine schwere Last dem Schiff und mache es dir bequem!« Er antwortet: »Nein, das tue ich nicht. Vielleicht kommt sie zu Schaden. Ich bin stark. Ich werde meinen Besitz auf meinem Rücken und auf meinem Kopf bewahren.« Noch einmal sagt jemand zu ihm: »Du bist auf diesem Schiff des Sultans in Sicherheit. Es ist stärker als du und trägt dich und uns. Es bewahrt noch besser, vielleicht wirst du, wenn dir schwindlig wird, mitsamt deiner Last ins Meer stürzen. Außerdem wird deine Stärke allmählich nachlassen. Dieser gebeugte Rücken, dieser Kopf ohne Verstand wird diese allmählich schwerer werdende Last nicht mehr tragen. Zudem wird der Kapitän, wenn er dich in diesem Zustand sieht, sagen, du seiest verrückt und dich vom Schiff weisen. Oder er wird sagen, du seist ein Verräter, der unser Schiff beleidigt und uns auslacht, und Befehl geben, dich einzusperren. Überdies hast du dich zum Narren gemacht. Du hast dich selbst zum Gespött gemacht mit deiner Eitelkeit, die dem Aufmerksamen deine Schwachheit offenbart, mit deinem Stolz, der deine Jämmerlichkeit zur Schau stellt, und mit deinem gekünstelten Verhalten, das deine Heuchelei und Nichtswürdigkeit entschleiert. Jeder lacht über dich.« Nachdem ihm dies gesagt worden war, kam der arme Kerl zur Besinnung. Er stellte seine Last ab, setzte sich darauf und sagte: »Oh, möge Gott Wohlgefallen an dir haben! Ich bin vor Mühsal, Gefangenschaft und Gespött bewahrt worden.«

Nun, oh Mensch, der du kein Vertrauen zu Gott hast! Komme auch du wie dieser Mann zur Besinnung! Vertraue auf Gott! Nur so wirst du vor der Bedrängnis in der Gefangenschaft des Diesseits bewahrt bleiben, davor, vor aller Welt ein Bettler zu sein, vor jedem Ereignis zu zittern, vor eitlem Ruhm und Spott, vor Qual im Jenseits.

 

Vierter Punkt: Glaube macht den Menschen zum Menschen. Sogar den Menschen zum Sultan (König). Wenn das so ist, dann ist des Menschen ursprüngliche Aufgabe der Glaube und das Gebet. Unglaube macht den Menschen zu einem völlig kraftlosen wilden Tier.

Unter tausenden Beweisen in dieser Streitfrage gibt alleine der Unterschied, wie Menschen und Tiere zur Welt kommen, einen klaren Beweis und ein sicheres Zeugnis dafür. Ja, der Unterschied, wie Menschen und Tiere zur Welt kommen, zeigt, dass Menschlichkeit durch Glaube Menschlichkeit ist. Denn in dem Augenblick, in dem ein Tier zur Welt kommt, ist es seinen Anlagen entsprechend vollkommen, so, als habe man es aus einer anderen Welt bereits vervollkommnet gesendet. In zwei Stunden oder zwei Tagen oder zwei Monaten lernt es alle seine Lebensbedingungen, seine Beziehungen zur Umwelt und die Gesetze des Lebens kennen und seine Anlagen zu gebrauchen. Wenn der Mensch die Fähigkeit, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen und einen Beruf auszuüben, in zwanzig Jahren erwirbt, erlangt sie ein Tier wie der Spatz oder die Bienen in zwanzig Tagen; es wird ihm gleichsam eingegeben.

Das heißt, die Hauptaufgabe eines Tieres besteht nicht darin, sich durch Lernen zu vervollkommnen und durch den Erwerb von Kenntnissen zu entwickeln und in seiner offensichtlichen Schwäche um Hilfe zu bitten oder zu beten. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, seinen Anlagen entsprechend zu handeln, tätig zu sein, in aktivem Dienst und in der Anbetung. Was den Menschen betrifft, so muss er, wenn er zur Welt kommt, alles lernen, und unkundig der Gesetze des Lebens vermag er seine Lebensumstände noch nicht einmal in zwanzig Jahren zur Gänze zu lernen und zu begreifen. Vielmehr muss er bis zum Ende seines Lebens lernen und vermag ferner - in einer so bescheidenen und schwachen Gestalt zur Welt gesandt - erst im Alter von ein, zwei Jahren sich auf die eigenen Füße zu stellen. Erst mit fünfzehn Jahren unterscheidet er Schaden und Nutzen. Und erst mit Hilfe der Gesellschaft erlangt er Vorteile und vermeidet Nachteile.

Das heißt, die natürliche Aufgabe des Menschen besteht darin, sich durch Lernen zu vervollkommnen, durch Gebet zu dienen und anzubeten. Nämlich: »Durch wessen Barmherzigkeit werde ich mit solcher Weisheit geleitet? Durch wessen Großmut werde ich mit solcher Güte erzogen? Wessen Wohlwollen ist es, durch das ich mit solch einem Feingefühl ernährt und versorgt werde?« Dies gilt es zu wissen, und der, welcher unter tausenden seiner Bedürfnisse nicht eines zu befriedigen vermag, sollte in der Sprache seiner Schwäche und Armut zu dem Herrn und Richter über seine Bedürfnisse zu flehen, zu Ihm bitten und beten, das heißt sich mit den Flügeln seiner Schwäche und Armut zu den höchsten Stufen des Dienens und der Anbetung emporschwingen.

Der Mensch ist in die Welt gekommen, um sich mit den Mitteln der Wissenschaft und des Gebetes zu vervollkommnen, entsprechend seinem Wesen und seinen Anlagen hängt alles von der Wissenschaft ab. Einer jeden wahren Wissenschaft Basis, Quelle, Licht und Geist ist die Erkenntnis Allahs und das Fundament dieser Basis ist der Glaube an Allah.

Da der Mensch in seiner grenzenlosen Schwäche grenzenlosen Plagen ausgesetzt und den Angriffen zahlloser Feinde ausgeliefert und bei seiner grenzenlosen Armut gleichzeitig in grenzenloser Not befangen ist und grenzenlose Wünsche zu befriedigen sucht, ist seine natürliche Hauptaufgabe nach dem Glauben das Gebet. Das Gebet ist aber die Grundlage von Dienst und Anbetung. Ein Kind, das einen Wunsch auf dem Herzen hat, den es nicht zu befriedigen vermag, sagt dies entweder oder weint, d.h. es äußert sich in der Sprache seiner Schwäche durch das Gebet seiner Handlungen oder in Worten. So verhilft es seinem Wunsch zum Erfolg. In gleicher Weise ist der Mensch unter allen Geschöpfen der Welt wie ein liebes, nettes und höfliches Kind. Entweder muss er vor dem Throne des Erbarmers, des Barmherzigen, in seiner Armseligkeit und Schwäche weinen, oder beten in seiner Armut und Not, damit ihm sein Wunsch erfüllt werde und er sich für die Erfüllung dankbar erweise. Anderenfalls ist er wie ein dummes und unartiges Kind, das sich vor einer Fliege fürchtet und sagt: »Ich unterwerfe diese nicht zu unterwerfenden seltsamen Dinge, die tausendfach stärker sind, meiner Macht, mache sie mir nach meinen Vorstellungen und mit meiner Geschicklichkeit dienstbar.« So verkehrt er in sei-ner Undankbarkeit die Grundnatur des Menschen ins Ge-genteil und zieht sich selbst eine fürchterliche Strafe zu.

 

Fünfter Punkt: Der Glaube erfordert das Gebet als unanfechtbares Fahrzeug, und die menschliche Natur verlangt es mit Macht. Auch erlässt Gott der Gerechte entsprechend der Frage die Verfügung: »Wenn ihr nicht betet, welchen Wert habt ihr dann noch?« und befiehlt:

 

 

»Sprich: Mein Herr würde sich nicht um dich kümmern, wäre es nicht um deines Gebetes willen.« (Sure 25, 77)

 

 

»Rufe mich an! Ich werde dir antworten.« (Sure 40, 60)

Wenn du sagst: »Wir beten oft, aber unsere Gebete werden nicht angenommen. Die Ayah gilt jedoch allgemein und besagt, dass es für jedes Gebet eine Antwort gibt.«

 

So lautet die Antwort: Auf das Gebet zu antworten ist das eine, es anzunehmen das andere. Es gibt für jedes Gebet eine Antwort. Aber es anzunehmen und genau das Verlangte zu geben hängt von der Weisheit Gottes des Gerechten ab. Zum Beispiel: Ein krankes Kind ruft: »Herr Doktor, schauen Sie mal her!« Der Arzt: »Ja, bitte, was möchtest du?« Das Kind: »Geben Sie mir diese Medizin!« Der Arzt wird ihm entweder geben, was es verlangt hat, oder er wird ihm in diesem Falle etwas Besseres geben, oder er wird es ihm, wenn es zur Verschlimmerung der Krankheit führen würde, nicht geben. Darum beantwortet Gott der Gerechte, der vollkommene Allweise, der Allschauende, immer Gegenwärtige, das Gebet Seiner Diener und Anbeter. Er verwandelt die Schrecken der Einöde und Menschenleere durch Seine stete Bereitschaft zu antworten in Vertrautheit. Aber Er gibt dem Menschen nicht, was dessen Lust und Laune gebietet, sondern so, wie es die Weisheit des Herrn erfordert: entweder, was er verlangt hat, oder etwas Besseres oder nichts.

Weiter ist das Gebet Dienst und Anbetung. Dienst und Anbetung aber trägt seine Frucht im Jenseits. Weltliche Gründe bestimmen die Zeit für eine Art des Gebetes und der Anbetung. Diese Gründe sind nicht dessen Ziel. Zum Beispiel: Das freie und das rituelle Gebet um den Regen ist eine Anbetung. Die Zeit der Dürre ist die Zeit dieser Anbetung. Andererseits sind Gebet und Anbetung nicht dazu da, den Regen herabzuziehen. Bestünde ihre Absicht allein darin, wäre das Gebet nicht rein und aufrichtig und verdiente es nicht, angenommen zu werden. So ist die Zeit des Sonnenunterganges die Zeit für das Abendgebet. So ist die Zeit der Sonnen- und Mondfinsternis bestimmt für zwei rituelle Gebete, »kusuf« und »husuf« genannt. Weil nämlich die Verfinsterungen des Tages- und Nachtgestirns auf eine Art die Größe Gottes sichtbar zu machen dienen, lädt Gott der Gerechte Seinen Diener zu dieser Zeit zu einer Art Anbetung ein. Andererseits dient das Gebet (namaz) nicht dazu, die Verfinsterung von Sonne und Mond aufzuheben, deren Beginn und Ende durch astronomische Berechnungen ermittelt werden kann. Das gleiche gilt auch während einer Dürreperiode für das Gebet um Regen.

Während eines Unglückszustandes oder drohender Gefahr ist die Zeit für einige besondere Gebete, weil der Mensch zu dieser Zeit seine Schwäche begreift und in Gebet und Fürbitte zum Throne des Grenzenlos-Allmächtigen Zuflucht nimmt. Wenn trotz aller Gebete ein Unglückszustand nicht enden will, darf man nicht sagen: »Das Gebet wurde nicht erhört.« Vielmehr muss man sagen: »Die Zeit zu beten ist noch nicht vorüber.« Wenn Gott der Gerechte in Seiner Gnade und Freigiebigkeit einen Unglückszustand beendet, Licht über Licht… dann ist die Zeit für das Gebet zum Ende gekommen, vorübergegangen. So ist das Gebet ein Geheimnis des Dienstes und der Anbetung.

Dienst und Anbetung dient aber allein dazu, »das Antlitz Allahs« zu schauen. Man muss vor Ihm allein seine Schwäche offen legen, zu Ihm allein seine Zuflucht nehmen. An Seiner Herrschaft soll der Mensch keinen Anteil zu nehmen versuchen. Ihm soll er die Vorsorge überlassen. Seiner Weisheit soll er vertrauen. An Seiner Barmherzigkeit darf er nicht zweifeln. Ja, es steht in der Tat durch die Klarlegung der »klaren Zeichen« fest: Von allen Wesen preist Ihn jedes in seiner Art, betet zu Ihm jedes auf seine Weise, hat jedes seine Form, sich vor Ihm niederzuwerfen; so ist alles, was von der ganzen Welt zum Throne Gottes aufsteigt, ein Gebet. Dies geschieht entweder als Ausdruck der Entwicklungsfähigkeit - wie die Gebete aller Pflanzen und Tiere, die - jede für sich - aus der grenzenlosen Fülle (Gottes) eine Gestalt erheischen, um als ein Ausdruck der Namen (Gottes) geoffenbart zu werden - oder in der Sprache der naturgegebenen Bedürfnisse [Die Gebete aller Lebewesen in ihren zwingenden Bedürfnissen, die zu befriedigen nicht in ihrer Macht steht, die - jedes für sich - in der Sprache ihrer naturgegebenen Bedürfnisse von der grenzenlosen Freigiebigkeit (Gottes) zur Erhaltung ihres Lebens etwas zu ihrer Versorgung erheischen] oder als Ausdruck einer Notlage. (Jedes beseelte Wesen betet in einer Notlage inständig und nimmt zu seinem unsichtbaren Schutzherrn Zuflucht… vielmehr wendet es sein Antlitz dem Herrn der Barmherzigkeit zu.) Diese drei Arten des Gebetes werden immer angenommen, wenn kein Hindernis dazwischen liegt.

Die vierte Art ist die bekannteste: unser Gebet. Es gibt zwei Arten. Die erste durch Tat und Verhalten, die zweite mit Herz und Mund. Zum Beispiel: Wenn man von den Ursachen ausgeht, ist es ein Gebet der Tat. Es genügt nicht, wenn bestimmte Umstände zusammentreffen, um das Ergebnis hervorzubringen; es handelt sich vielmehr darum, jene Haltung einzunehmen, mit der Gott der Gerechte zufrieden ist, wenn man in der Sprache des Verhaltens ein Ergebnis wünscht. Zu pflügen bedeutet also, an die Pforte der Schatzkammer der Barmherzigkeit zu klopfen. Diese Art, durch die Tat zu beten, erreicht meistens ihre Annahme, weil sie sich an Name und Attribut des Grenzenlos-Freigiebigen (Gottes) richtet. Die zweite Art zu beten ist mit Herz und Mund; darum zu bitten, etwas zu erlangen, was die Hände nicht erreichen können. Davon ist der bedeutendste Gesichtspunkt, das schönste Ziel und die süßeste Frucht diese: »Ein Mensch, der betet, begreift, dass es jemanden gibt, der zu erlauschen vermag, was sein Herz bewegt, dessen Hand alles erreichen kann, der jeden seiner Wünsche zu erfüllen weiß… der Mitleid mit der Schwäche hat, ihm in seiner Armseligkeit zu Hilfe kommt.«

Nun also, oh du schwacher Mensch! Du armseliges Geschöpf! Lass nicht deinen Händen entgleiten, was - wie das Gebet - der Schlüssel ist zur Schatzkammer der Barmherzigkeit und ein Angelpunkt grenzenloser Kraft. Ergreife ihn, steige auf zur höchsten Höhe der Menschlichkeit; wie ein König nimm die Gebete der ganzen Welt auf in dein eigenes Gebet. Sage wie ein universeller Diener, wie ein Generalvertreter:

 

 

»Dich allein bitten wir um Hilfe.« (Sure 1, 4)

Sei ein schönes Beispiel für die ganze Welt!

 

 

 

Zweites Kapitel Hier werden fünf Anmerkungen behandelt über das Glück und Unglück des Menschen.

Als Allah den Menschen erschuf, verlieh Er ihm den höchsten Rang und Wert und gab ihm eine recht umfangreiche Veranlagung mit. Darum ist er in eine Stätte der Prüfung geworfen, wo er vom Geringsten aller Geringen zum Höchsten aller Hohen, von der Erde bis zum Himmel, von dem Atom bis zur Sonne der Reihe nach die Ränge und Stufen empor zu klimmen oder hinunterzustürzen vermag. Wie ein Wunder der Allmacht, als endgültiges Ergebnis der Schöpfung und ein Meisterwerk in diese Welt gesandt, öffnen sich vor ihm die beiden Wege, die zu grenzenloser Erniedrigung oder Erhöhung führen. Wir wollen nun das Geheimnis dieses erstaunlichen Fortschritts und Rückschritts des Menschen in »fünf Anmerkungen« erklären.

 

Erste Anmerkung: Der Mensch ist auf die meisten Arten der Schöpfung angewiesen und steht in einer Beziehung zu ihnen. Seine Bedürfnisse erstrecken sich bis an aller Welt Enden, und seine Sehnsüchte reichen bis in die Ewigkeit. So wie er sich eine Blume wünscht, so wünscht er sich auch einen weltweiten Frühling. Und so wie er nach einem Garten verlangt, so verlangt er auch nach dem Paradies. So wie er sich danach sehnt, einem Freund zu begegnen, so sehnt er sich auch danach, der Schönheit und Größe (Gottes) zu begegnen. So wie der, welcher seine Geliebte in einer anderen Wohnung besuchen will, die Türe dieser Wohnung öffnen muss, so muss er, um seine Freunde zu besuchen, von denen neunundneunzig Prozent ins Zwischenreich übergesiedelt sind, um sich vor ewiger Trennung zu retten, seine Zuflucht nehmen zum Throne der unendlichen Allmacht (Gottes), welche die Pforte zur ungeheuren Welt schließt und das Tor zum Jenseits, das ein wundervoller Versammlungsort ist, öffnet, welche diese Welt aufheben und statt ihrer das Jenseits begründen und erbauen wird. Wer nun einem Menschen in solcher Lage der in Wahrheit Angebetete sein kann - und das kann nur der Eine Allmächtige und Allgewaltige (Gott), der Eine, die Barmherzigkeit und Schönheit (Gottes), der Eine, die vollkommene Weisheit (Gottes) sein - der hält die Zügel aller Dinge in Seinen Händen, besitzt alle Schätze und den Blick für alle Dinge, ist an jedem Ort anwesend und von keinem Ort abhängig, von Fehlern und Schwächen frei und heilig, erhaben über allen Mangel. Denn nur der vermag die grenzenlosen Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen, der grenzenlose Macht und umfassendes Wissen besitzt. So ist also nur Er allein der Anbetung würdig.

Nun denn, oh Mensch! Wenn du nur Ihn allein anbetest und Ihm allein dienst, wirst du einen Rang über allen Geschöpfen erwerben. Wenn du von dem Dienst und der Verehrung Abstand nimmst, wirst du ein verachtenswerter Sklave von schwachen Geschöpfen sein. Wenn du auf dich selbst und deine Fähigkeiten stolz bist, es aufgibst, auf Gott zu vertrauen und zu beten, dich in Stolz und Anmaßung verirrst, sinkst du auf eine Stufe unterhalb der Bienen und Ameisen in ihrer Nützlichkeit und Genialität, bist du schwächer als Spinnen und Fliegen. Hinsichtlich deiner bösen und unheilvollen Taten wirst du schwerer wiegen als ein Berg und schlimmer sein als eine Seuche.

Ja, oh Mensch! In dir sind zwei Grundzüge: der eine Grundzug ist Genialität, wahres Sein, Wohltätigkeit, Lebensbejahung, Handlungsfähigkeit. Der andere Grundzug ist Unheil, Verneinung, Übel, Lebensverneinung, Passivität. Hinsichtlich des ersten Grundzuges stehst du noch unter Biene und Sperling, bist du schwächer als Spinne und Fliege. Hinsichtlich des zweiten Grundzuges übertriffst du den Berg, die Erde, die Himmel. Du trägst eine Last, vor der sie den Mut verlieren, ihre Schwäche zeigen. Du wirkst in einem weiteren und größeren Bereich als sie. Denn wenn du tust, was gut und genial ist, kannst du nur innerhalb deiner Schwingungsweite und soweit deine Hand reicht, deine Kraft es vermag, genial und gut sein. Wenn du aber Übel und Unheil anrichtest, werden das Übel und das Unheil sich wie eine Seuche ausbreiten.

Zum Beispiel: Unglaube ist ein Übel, ein Unheil, eine Verneinung. Aber diese eine einzige Schuld beinhaltet eine Beleidigung der ganzen Schöpfung, eine Geringschätzung aller Gottesnamen, eine Entwürdigung der ganzen Menschheit. Denn alles Geschaffene hat einen hohen Rang und eine wichtige Aufgabe. Denn es ist ein Brief des Herrn, ein Spiegel des Hochgelobten, beauftragt von Gott. Was aber den Unglauben betrifft, so bewirkt er, dass all dies seinen Rang der Spiegelgleichheit, des Auftrags und der Bedeutsamkeit verliert und dann die Stufenleiter der Sinnlosigkeit, zu einem Spielzeug des Zufalls und mit dem Unheil des Untergangs und der Trennung auf die Stufe der vergänglichen Dinge herabsinkt, die rasch zugrunde gehen und zerfallen, der Bedeutungslosigkeit, der Wertlosigkeit, der Nichtigkeit. Desgleichen schätzt er die Gottesnamen gering, deren Ornamente, Anmut und Schönheit in der gesamten Schöpfung und im Spiegelbild des Geschaffenen erscheinen, indem er sie leugnet. Und er wirft den Menschen, der den Rang eines Kalifen der Erde bekleidet - eine Kasside (Lobgesang) der Weisheit in Versen, welche die Erscheinung aller Gottesnamen wundervoll aufzeigt, ein Wunder der ozeangleichen Macht (Gottes), einem Samenkorn gleich, das die Anlage zu einem immerwährenden Baum in sich trägt - und der, weil er so große Verantwortung für das ihm anvertraute Gut übernimmt, über Himmel, Erde und Berge erhöht wird und dadurch einen Vorzug vor den Engeln erwirbt, auf eine Stufe herab, noch niedriger, schwächer, kraftloser und armseliger als ein niederes, vergängliches und verlorenes Tier. Und er lässt ihn auf die Stufe einer gewöhnlichen Tafel herabsinken, bedeckt mit Bedeutungslosem, Hingekritzeltem, Leicht-Vergänglichem.

 

Zusammenfassung: Die eigenwillige Seele kann in ihrer übelwollenden, unheilvollen Art zahllose Verbrechen begehen, aber ihre Fähigkeit, genial und gut zu sein, ist sehr schwach und unbedeutend. Ja, sie vermag ein Haus an einem Tag zu zerstören, aber nicht in hundert Tagen zu bauen. Wenn sie jedoch ihren Egoismus aufgibt, von Gott die Führung zum Guten und zum wahren Sein erbittet, sich von Übel, Unheil und Selbstüberhebung abwendet, um Vergebung bittet, ein vollkommener Diener und Verehrer (Gottes) wird, dann erlangt sie das Geheimnis:

 

 

»Allah wird seine Schuld in Gutes verwandeln.« (Sure 25, 70)

Ihre grenzenlose Fähigkeit zum Schlechten wandelt sich in eine grenzenlose Fähigkeit zum Guten. Sie nimmt den Wert eines »Ahsen-i Taqvim« (Schönsten in der Schöpfung) an und steigt zur höchsten Höhe auf.

Nun denn, oh du unbedachter Mensch! Betrachte die Fülle und die Freigiebigkeit Gottes des Gerechten! Obwohl es billig und gerecht wäre, für eine einzige Schuld tausend zu schreiben und für eine gute Tat eine oder gar nichts zu schreiben, schreibt Er für eine Schuld nur eine, für eine gute Tat dagegen zehn, manchmal siebzig, manchmal siebenhundert, manchmal siebentausend. Ziehe also aus dieser Anmerkung den Schluss, dass in die furchtbare Hölle zu kommen billig und gerecht, der Lohn deiner Taten ist, ins Paradies einzugehen aber lautere Freigiebigkeit.

 

Zweite Anmerkung: Der Mensch hat zwei Gesichter. Das eine betrifft sein Ego und ist dem weltlichen Leben zugewandt. Das andere betrifft den Dienst und die Anbetung und blickt auf das Ewige Leben. Hinsichtlich des ersten Gesichtes ist er ein so hilfloses Geschöpf, dass sein Grundkapital nur ein bedeutungslos schwacher Wille - ein Wille, dünn wie ein Haar - ein geringes Vermögen Macht, eine schnell verlöschende Flamme Vitalität, eine schnell vergehende Spanne Leben und ein rasch verfallendes Stückchen Dasein ist. Zugleich befindet er sich in diesem Zustand als ein empfindliches und schwaches Exemplar unter ungezählten anderen Exemplaren innerhalb der unendlich großen Familie, die über alle Schichten der ganzen Welt verstreut ist.

Hinsichtlich des zweiten Gesichtes und besonders, was seine Schwäche und Armseligkeit betrifft, die auf Dienst und Anbetung ausgerichtet ist, verfügt er über eine besonders große Schwingungsweite. Und er besitzt eine besonders große Bedeutung. Denn: Der weise Schöpfer hat den Menschen in der Geistigkeit seines So-Seins mit einer unendlich großen Schwäche und einer grenzenlos weiten Armseligkeit ausgestattet. So sei er wie ein universeller Spiegel des Barmherzigen in Seiner grenzenlosen Macht und des Herrn allen Reichtums und aller Freigiebigkeit in Seinem grenzenlosen Reichtum, ein universeller Spiegel, der die zahllosen Erscheinungen des Allmächtigen sammelt. Ja, der Mensch ähnelt einem Samenkorn. Gleich ihm sind dem Samenkorn von der Macht (Gottes) bedeutende geistige Anlagen und von der Bestimmung (Gottes) ein fein abgestimmtes und kostbares Programm mitgegeben worden. So soll es unter der Erde arbeiten, aus dieser engen Welt emporwachsen, in die weite, luftige Welt hineinwachsen und von seinem Schöpfer in seiner Fähigkeit unausgesprochen erbitten, ein Baum zu werden, jene Vollkommenheit zu erreichen, die ihm gebührt. Wenn dieses Korn auf Grund seiner schlechten Anlage die ihm gegebenen innerlichen Funktionen dazu missbraucht, einige unter der Erde liegende Giftstoffe an sich zu ziehen, wird es nach kurzer Zeit an diesem engen Orte fruchtlos vergehen und verderben. Wenn dieses Korn seinen innerlichen Funktionen, gemäß dem Befehl (Gottes)

 

 

»Er lässt das Weizenkorn und den Dattelkern keimen.« (Sure 6, 95)

entspricht und sie richtig anwendet, wird es aus dieser engen Welt emporwachsen, ein großer, fruchtbarer Baum werden, und sein kleines Stückchen Wahrheit, sein geistiges Antlitz, wird die Gestalt einer großen und ganzen Wahrheit annehmen.

In gleicher Weise sind nun auch den menschlichen Wesen von der Macht (Gottes) wichtige Funktionen und von der Bestimmung (Gottes) ein kostbares Programm anvertraut worden. Wenn der Mensch auf dieser engen irdischen Welt, gleichsam wie unter der Erde des diesseitigen Lebens, seine geistigen Anlagen nach seinen egoistischen Launen missbraucht, wird er - gleich wie das verdorbene Korn - nach einem kurzen Leben für einen bedeutungslosen Genuss an einem engen Ort unter mühevollen Umständen vergehen und verderben. Nachdem er moralische Schuld auf seine unglückliche Seele geladen hat, wird er von der diesseitigen Welt Abschied nehmend heimkehren.

Wenn er dieses Korn der Begabung mit dem Wasser des Islam und dem Lichte des Glaubens in der Erde des Dienstes und der Anbetung aufzieht, seine geistigen Anlagen im Gehorsam gegenüber dem Auftrag des Qur´an auf die wahren Ziele ausrichtet, wird er ein Korn sein, das die Anlagen zu einem ewigen Baum und einer immerwährenden Wirklichkeit in sich trägt sowie dazu, unendliche Gnade und Vollkommenheit im Paradies zu erlangen und ein hervorragendes Werkzeug und eine gesegnete und erleuchtete Frucht am Baume der Welt zu werden.

Ja, der Fortschritt besteht in Wirklichkeit darin, das Gesicht der dem Menschen verliehenen Sinne wie Herz, meditative Wahrnehmung, Geist, Verstand, ja sogar Traumvorstellung und andere dem Ewigen Leben zuzuwenden, damit jeder von ihnen mit der ihm eigenen Aufgabe des Dienstes und der Anbetung betraut werde. Andererseits, was diejenigen, die sich im Irrtum befinden, als ihren Fortschritt ansehen, nämlich: sich in alle Verästelungen des irdischen Lebens zu verstricken, jede Art von Vergnügungen, bis hin zu den größten Ausschweifungen, zu genießen und dabei alle feineren Empfindungen, Herz und Verstand als Gehilfen ihrer selbstsüchtigen Seele in den Dienst zu nehmen, ist nicht Fortschritt, sondern Rückschritt. Diese Wahrheit habe ich in einer geistigen Schau unter folgendem Gleichnis beobachtet:

Ich kam in eine Großstadt. Ich sah, dass es in dieser Stadt große Schlösser gab. Ich betrachtete die Tore mancher Schlösser. Ein Fest wie eine glanzvolle Theatervorstellung lenkte die Aufmerksamkeit auf sich. Es war eine große Vergnügung und alle amüsierte sich. Ich wurde darauf aufmerksam, dass der Schlossherr ans Tor gekommen war, mit einem Hund spielte und sich an dessen Spiel beteiligte. Die Damen plauderten charmant mit einfachen jungen Leuten. Die Töchter des Hauses aber leiteten die Spiele der Kinder. Und der Pförtner tat wie ein Schauspieler, der sie alle kommandierte. Da sah ich, dass das Innere dieses riesigen Schlosses gähnend leer war. Alle bedeutsamen Aufgaben waren vernachlässigt worden. Die Moral der Leute war so verfallen, dass sich vor der Pforte dieses Bild ergab.

Dann ging ich weiter, traf ein anderes großes Schloss. Ich sah, dass sich vor dem Tor ein treuer Hund ausgestreckt hatte. Es gab dort einen ernsten, rauhen, verschlossenen Pförtner. Die Lage war ruhig. Ich wurde neugierig. Warum ist dies so? Jenes so? Ich trat ein. Ich sah, dass es innen sehr festlich war.

Die Bewohner des Schlosses in den verschiedenen Stockwerken waren mit verschiedenen bedeutsamen Aufgaben beschäftigt. Die Männer im ersten Geschoss verwalteten das Schloss und trafen ihre Anordnungen. Ein Stockwerk höher wurden die Knaben und Mädchen unterrichtet. Darüber beschäftigten sich die Frauen mit allen schönen Künsten und Handfertigkeiten. Ganz oben sah ich, wie des Schlosses Herr mit dem König Verkehr pflegte und sich mit persönlichen wie erhabenen Aufgaben beschäftigte, um die Ruhe des Volkes zu sichern und seine eigene Entwicklung und Vervollkommnung zu fördern. Weil sie mich nicht sehen konnten, verbot mir niemand die Besichtigung. Dann ging ich hinaus und sah mich um. Überall in der Stadt gab es diese zwei Arten von Schlössern. Als ich danach fragte, sagte man mir: »Die Schlösser, deren Tore festlich und deren Inneres leer ist, gehören den Vorstehern der Ungläubigen und denen, die sich im Irrtum befinden. Die anderen den aufrichtigen Großen unter den Muslimen.« Dann fand ich in einer Ecke noch ein Schloss. Ich erblickte darüber den Namen »Said«. Ich wurde neugierig. Als ich es genauer in Augenschein nahm, schien es mir, als erblickte ich meine Gestalt darauf. Ich war so überrascht, dass ich aufschrie, meine Sinne wiederfand und erwachte. Ich werde nun diese geistige Schau ausdeuten. Möge es Allah wohlgefällig sein!

Was also diese Stadt betrifft, so bedeutet sie das gesellschaftliche Zusammenleben der Menschen und den Ort ihrer Zivilisation. Jedes einzelne dieser Schlösser ist ein Mensch. Die Schlossbewohner aber sind die Sinne des Menschen wie Auge, Ohr, Herz meditative Wahrnehmung, Geist und Verstand und Erscheinungen wie Lust, Laune, Liebe und Zorn. In jedem Menschen hat jede Empfindung eine andere Aufgabe, zu dienen und anzubeten. Jede hat ihre eigene Lust und ihren Schmerz. Lust, Liebe, Laune und Zorn sind wie der Pförtner und sein Hund. So heißt denn diese hohen Empfindungen der Lust und Laune unterwerfen und ihre eigentlichen Aufgaben in Vergessenheit geraten lassen sicherlich Rückschritt und nicht Fortschritt. Die anderen Aspekte kann man sich selber ausdeuten.

 

Dritte Anmerkung: Hinsichtlich seiner Handlungen, Taten und körperlichen Leistungen ist der Mensch nicht mehr als ein schwaches Tier und ein hilfloses Geschöpf. Hinsichtlich dessen, was er besitzt und worüber er verfügen kann, ist sein Rahmen so eng gesteckt, dass er ihn mit einer Hand zu umspannen vermag. Und sogar bei den Haustieren, die sich der Mensch gezähmt hat und von denen ein jedes seinen Anteil an der Schwäche, Hilflosigkeit und Faulheit des Menschen erhalten hat, bemerken wir im Vergleich mit den ihnen entsprechenden wild lebenden Tieren einen gewaltigen Unterschied (z.B. Ziegen und Ochsen, die als Haustiere oder in freier Wildbahn leben). Aber der Mensch ist als ein ehrenwerter Pilger in der Herberge dieser Welt in einer solchen Lage, dass er bitten, fragen und annehmen muss, ohne selbst etwas dazu beitragen zu können. So wurde er ein Gast des Freigiebigen (Gottes), der ihm Seine Schatzkammer unendlichen Erbarmens geöffnet hat. Und Er hat ihm zahllose einzigartige Geschöpfe als seine Diener zur Verfügung gestellt. Und Er hat diesem Gast zu seiner Erholung, zu seinem Vergnügen und zu seinem Nutzen einen so großen Lebensraum geschaffen und bereitgestellt, einen Kreis, der sich vom Zentrum bis zur Peripherie erstreckt, so weit das Auge reicht, ja darüber hinaus so weit und breit, wie er es sich nur zu erträumen vermag.

Wenn also der Mensch auf sein Ego vertraut, nur im weltlichen Leben sein Ideal sieht, sich nur um seinen Unterhalt sorgt und nur für einige vergängliche Vergnügungen arbeitet, wird er in einem sehr engen Lebenskreis untergehen. Alle ihm verliehenen Anlagen, Sinne und Fähigkeiten werden ihn vor der Versammlung (am Tage des Gerichtes) anklagen und als Zeugen gegen ihn auftreten. Sie werden seine (Prozess)gegner sein. Wenn er sich aber als ein Gast weiß, als Gast des freigiebigen Herrn, im erlaubten Rahmen das Kapital seines Lebens ausgibt, arbeitet er innerhalb eines so weiten Rahmens gut für ein langes ewiges Leben. Dort kann er aufatmen und sich ausruhen. Und sodann bis zu den höchsten Höhen aufsteigen.

Und auch alle ihm verliehenen Anlagen und Fähigkeiten werden mit ihm zufrieden im Jenseits seine Zeugen sein. Ja alle dem Menschen verliehenen außerordentlichen Anlagen sind ihm nicht für dieses wertlose diesseitige Leben, sondern für ein sehr wertvolles bleibendes Leben verliehen worden. Denn wenn wir den Menschen mit dem Tier vergleichen, sehen wir, dass der Mensch hinsichtlich seiner Anlagen und Fähigkeiten sehr reich ist. Hundertfach reicher als das Tier. Genießt er das diesseitige animalische Leben, fällt er hundertfach tiefer; denn jeder Genuss, den er durchlebt, trägt die Spur tausender Schmerzen. Der Schmerz gegenüber der Vergangenheit, die Angst vor der Zukunft und auch der Schmerz nach jedem Genuss, nimmt ihm den Reiz, hinterlässt eine Spur in seinem Genuss. Nicht so das Tier! Es genießt ohne Schmerz, noch beängstigt es die Angst vor der Zukunft. Es lebt und schläft in Ruhe, dankt seinem Schöpfer.

Das heißt also, dass der Mensch, der als ein Musterbeispiel der Schöpfung erschaffen wurde, noch hundertfach unter ein Tier wie den Sperling herabsinkt, obwohl er doch von seiner Substanz her dem Tier hundertfach überlegen wäre, wenn er sich in seinem Denken auf das rein Irdische beschränkt. Ich hatte diesen Tatbestand bereits weiter oben in einem Gleichnis erklärt. Ich möchte in diesem Zusammenhang dieses Gleichnis noch einmal anführen. Es war dies wie folgt:

Ein Herr gibt seinem Diener zehn Goldstücke und befielt ihm: »Lassen Sie sich einen Anzug aus einem Stoff von guter Qualität schneidern!« Einem zweiten gibt er tausend Goldstücke, steckt ihm einen Zettel in die Tasche, auf dem verschiedene Dinge aufgeschrieben stehen und schickt ihn zum Basar. Der erste Diener kauft für zehn Goldstücke einen vollendeten Anzug aus bestem Stoff. Der zweite Diener in seiner Verrücktheit schaut dem ersten Diener hinterdrein, gibt einem Kaufmann die tausend Goldstücke und verlangt, ohne den Zettel zu lesen, der in seiner Tasche steckt, einen Anzug. Aber der gewissenlose Kaufmann gibt ihm einen Anzug aus einem alten, schäbigen Stoff. Der unglückselige Diener tritt vor seinen Herrn hin. Er wird zornig zur Rede gestellt und streng bestraft. Wer also ein bisschen Verstand besitzt, begreift, dass dem zweiten Diener die tausend Goldstücke nicht gegeben wurden, um damit einen Anzug zu kaufen, sondern um damit ein bedeutendes Geschäft abzuschließen.

Desgleichen gilt: Der Mensch verfügt über geistige Anlagen und menschliche Sinne, deren jeder im Vergleich mit einem Tier hundertfach weiter ausgebildet ist. Wozu gebraucht der Mensch seine Anlagen und Fähigkeiten, wie z.B. das Auge, welches alle Schattierungen der Schönheit zu unterscheiden vermag, oder die Geschmacksempfindungen seiner Zunge, welche alle die verschiedenen Geschmacksrichtungen einer Mahlzeit gesondert wahrzunehmen vermag, oder den Verstand, welcher in alle Feinheiten der Wahrheit eindringt, oder das Herz, welches sich nach jeder Art Vollkommenheit sehnt? Wozu gebraucht das Tier seine weit weniger, vielleicht nur ein, zwei Stufen entwickelten Fähigkeiten? Der Unterschied besteht nur darin, dass das Tier eine Fähigkeit für seinen eigenen Gebrauch besonders entwickelt hat. Doch diese Entwicklung ist für es eine spezifische. Der Reichtum des Menschen an Fähigkeiten erhellt aus folgendem Geheimnis:

Die Sinne und Empfindungen des Menschen wurden durch seinen Verstand und seine Vorstellungskraft weit entwickelt und ihr Bereich ausgedehnt. In seiner Notlage entstanden ihm zahlreiche verschiedene Empfindungen. Und seine Empfindsamkeit hat sich in verschiedenster Hinsicht entfaltet. Die Zusammengesetztheit seiner Natur hat dazu beigetragen, seine Wünsche auf sehr viele Ziele zu richten. Und weil er sehr viele natürliche Aufgaben vorfand, haben sich seine Anlagen und Fähigkeiten gewaltig ausgebildet. Und weil er seiner Natur nach zu jeder Art Anbetung geschaffen war, wurde ihm jene Fähigkeit verliehen, welche den Samen zu jeglicher Vollkommenheit in sich enthält. Doch wurde ihm ein so großes Kapital und ein solcher Reichtum an Fähigkeiten sicherlich nicht dazu verliehen, um lediglich dieses bedeutungslose, vergängliche irdische Leben kennen zu lernen.

Vielmehr besteht die Grundaufgabe des Menschen darin, seine auf zahllose verschiedene Ziele gerichteten Verpflichtungen wahrzunehmen, seine Schwäche, Armseligkeit und Fehlerhaftigkeit in Dienst und Anbetung zum Ausdruck zu bringen, in seiner Weitsichtigkeit den Lobpreis allen Seins zu betrachten und zu bezeugen, in allen Gaben die Hilfe der Barmherzigkeit (Gottes) zu erkennen, dafür zu danken, die Wunder der Allmacht des Herrn in Seinen Werken zu schauen und aus diesem Anblick die Lehre zu ziehen und darüber nachzudenken.

Oh du unbedachter Mensch, der du die Welt anbetest, das irdische Leben liebst und das Geheimnis um deinen Rang und Wert in Seiner Schöpfung vernachlässigst! »Der alte Said« hat die Wirklichkeit dieses Lebens in einer geistigen Schau gesehen. Höre das Gleichnis der Schau, das ihn in einen »neuen Said« verwandelt hat:

Ich schaute: Ich bin ein Reisender. Ich gehe einen langen Weg, d.h. ich bin ihn gesandt. Seine Exzellenz hatte mir von den für mich bestimmten sechzig Goldstücken von Zeit zu Zeit eine kleine Summe Geldes zur Verfügung gestellt. Während ich noch davon lebte, gelangte ich zu einer Herberge. Es war eine Vergnügungsstätte, in der ich während einer Nacht zehn Goldstücke zum einen für Spiel und Spaß verschwendete, zum anderen, um mir damit einen Namen zu machen. Am Morgen hatte ich kein Geld mehr in meiner Hand. Ein Geschäft hatte ich nicht abgeschlossen. Ich hatte nichts erworben, was ich am Ziel meiner Reise hätte verwenden können. Von dem Geld, für das ich mir Schmerzen, Sünden und Vergnügungen erworben hatte, blieben mir nur Wunden, blaue Flecken und Kummer übrig. Plötzlich, während ich mich noch in diesem traurigen Zustand befand, tauchte ein Mann vor mir auf. Er sagte zu mir: »Du hast dein ganzes Vermögen verloren. Schläge hättest du verdient. Bankrott wirst du ans Ziel gelangen! Du gehst mit leeren Händen. Aber wenn du Verstand hast, steht dir die Tür zur Verzeihung offen. Bewahre dir von den fünfzehn Goldstücken, die du noch bekommst, jedes Mal nach Erhalt die Hälfte als Rücklage auf. Kaufe dir davon einige Dinge, die du benötigen wirst, wenn du am Ziel bist.« Ich sah, dass meine Seele nicht damit einverstanden war. »Ein Drittel«, sagte er. Auch dem leistete meine Seele nicht Folge. Danach sagte er: »Ein Viertel!« Ich sah, dass meine Seele ihre liebgewordene Gewohnheit nicht aufgeben wollte. Da wandte sich der Mann ärgerlich ab und ging.

Plötzlich änderte sich die Szene. Ich erblickte mich in einem Zug, der mit Fallgeschwindigkeit durch einen Tunnel raste. Ich befand mich in Panikstimmung. Es gab keinen Ausweg. Man konnte nirgendwohin fliehen. Das Seltsame aber war, dass sich zu beiden Seiten des Zuges zauberhaft schöne Blumen und wohlschmeckende Früchte zeigten. Ich sah sie an wie ein unerfahrener Rekrut und streckte meine Hand nach ihnen aus. Ich versuchte, die Blumen zu pflücken, griff nach den Früchten. Aber die Blumen und Früchte waren mit Disteln und Dornen bedeckt und stachen mir die Hände blutig, wenn ich sie berühren wollte. Der Zug entriss sie mir im Vorbeifahren, und sie zerschnitten mir die Hände. Es kam mir sehr teuer zu stehen. Plötzlich sagte ein Bahnarbeiter zu mir: »Gib mir fünf Kurush! Du kriegst so viele Blumen und Früchte, wie du willst. Du wirst dir mit deinen zerschnittenen Händen statt für fünf Kurush für hundert Kurush Schaden antun. Außerdem bekommst du noch eine Strafe. Du darfst sie nicht ohne Erlaubnis pflücken.«

In meiner Bedrängnis streckte ich den Kopf hinaus und blickte nach vorne, um zu sehen, wann der Tunnel zu Ende sei. Aber an Stelle der Tunnelausfahrt erblickte ich viele Löcher. Leute wurden aus dem langen Zug in diese Löcher hineingeworfen. Ich sah ein Loch vor mir. Zu seinen beiden Seiten waren ein Paar Grabtafeln aufgestellt. Ich schaute neugierig hin. Ich sah, dass darauf mit großen Buchstaben der Name »SAID« geschrieben stand. »Ach«, seufzte ich traurig und betroffen. Plötzlich hörte ich die Stimme des Herrn, der mir vor der Tür jener Herberge einen Rat erteilt hatte, sagen: »Bist du nun zu Verstand gekommen?«

»Ja«, sagte ich, »Aber ich habe keine Kraft mehr. Es gibt keinen Ausweg.«

»Bitte um Verzeihung«, sagte er, »und vertraue (dich Gott an)!«

»Das habe ich bereits getan.«

Ich erwachte… Da war »der alte Said« verschwunden. Ich fand mich als »neuer Said« wieder.

Ich werde von dieser geistigen Schau ein, zwei Teile ausdeuten. Möge es Allah wohlgefällig sein. Die übrigen Aspekte mag man selber deuten.

Was die Reise betrifft, so ist sie eine Reise, die aus der Welt der Seele, dem Schoß der Mutter, durch Jugend und Alter, Grab und Zwischenreich, Auferstehung und Brücke in die Ewigkeit führt. Was aber die sechzig Goldstücke betrifft, so bedeuten sie die sechzig Jahre Lebenszeit. Als ich dieses Gesicht schaute, war ich schätzungsweise fünfundvierzig Jahre alt. Ein Zeugnis darüber habe ich nicht. Aber die verbliebenen fünfzehn Jahre für die Ewigkeit zu wirken, dazu hat mir ein aufrichtiger Schüler des weisen Qur´an Anleitung gegeben. Die Herberge ist für mich wohl Istanbul. Der Zug aber ist die Zeit. Jedes einzelne Jahr ist ein Wagen. Der Tunnel ist das irdische Leben. Die dornigen Blumen und Früchte sind die verbotenen Genüsse. Die verbotenen Vergnügungen bereiten bei der Vorstellung ihres Endes Schmerzen, während man sich ihnen hingibt, und lassen das Herz bluten, zerreißen es, wenn man Abschied nehmen muss. Zudem folgt ihnen die Strafe. Der Bahnarbeiter hatte gesagt: »Gib fünf Kurush. Dafür gebe ich dir soviel wie du willst.« Die Bedeutung dessen ist: Was man durch legale Arbeit im erlaubten Rahmen an Genuss und Vergnügen erhält, genügt für das Wohlbefinden. Es ist nicht notwendig, etwas Unerlaubtes zu tun. Die übrigen Teile kann man sich selber ausdeuten.

 

Vierte Anmerkung: Der Mensch gleicht in dieser ganzen Welt einem zarten und zierlichen Kindlein. Dabei besitzt er in seiner Schwäche eine große Kraft und in seiner Hilflosigkeit eine große Macht. Denn es ist die Kraft in seiner Schwäche und die Macht in seiner Hilflosigkeit, die ihm alles Sein dienstbar macht. Wenn der Mensch seine Schwäche begreift, mit seinen Worten, Taten und durch sein Verhalten betet und im Bewusstsein seiner Hilflosigkeit um Hilfe bittet, erweist er zur rechten Zeit seine Dankbarkeit für diesen Dienst und erlangt zu gleicher Zeit die Erfüllung seiner Wünsche; seine Ziele werden ihm erreichbar; und das alles in einer Weise, wie er es aus eigener Kraft nicht zu einem Hundertstel vermocht hätte. Aber manchmal schreibt er fälschlicherweise die Erfüllung eines Wunsches nach einem Gebet der Tat seiner eigenen Kraft zu. So lässt zum Beispiel die Stärke in der Schwäche eines Kükens eine Henne einen Löwen angreifen, und ein gerade zur Welt gekommenes Löwenjunges macht diesen reißenden, hungrigen Löwen sich selbst dienstbar und lässt ihn hungern, um selbst satt zu werden. Ist diese Stärke in der Schwäche nicht bemerkenswert und das Aufscheinen der Barmherzigkeit (Gottes) nicht einer Betrachtung wert?…

In gleicher Weise, wie ein verwöhntes Kind seinen Wünschen mit Weinen oder Betteln oder einem traurigen Gesicht zum Erfolg verhilft und sich so die Starken unterwirft, so vermöchte es mit tausendfacher Stärke jedoch nicht einen unter tausend Wünschen zu erfüllen. Weil also seine Schwäche und Hilflosigkeit zu Liebe und Fürsorge bewegt, so kann es sich mit seinem kleinen Finger selbst große und starke Leute dienstbar machen. Wollte aber nun ein solches Kind diese Liebe verleugnen und die Fürsorge zurückweisen und in törichtem Stolze sagen: »Ich unterwerfe diese Leute meiner Macht!«, so würde es sicherlich eine Ohrfeige bekommen. In gleicher Weise zieht sich auch der Mensch, der die Barmherzigkeit seines Schöpfers verleugnet und dessen Weisheit verwirft und wie Qarun (Er revoltierte gegen Moses. - A.d.Ü.) undankbar gegenüber der Gabe (Gottes) sagt:

 

 

»Ich habe das durch mein eigenes Wissen und meine eigene Macht erhalten.« (Sure 28, 78)

sicherlich selbst auch eine solche »Ohrfeige« zu. Wie wir also gesehen haben, wurden ihm solche Werte wie menschliche Königsherrschaft, persönliches Wachstum und kulturelle Vollkommenheit nicht als sein Verdienst, nicht infolge eines Sieges, nicht durch Kampf gegeben, sondern das alles wurde ihm auf Grund seiner Schwäche unterworfen; ihm wurde auf Grund seiner Hilflosigkeit geholfen; es wurde ihm auf Grund seiner Armut als Wohltat erwiesen, auf Grund seiner Unwissenheit eingegeben, auf Grund seiner Bedürftigkeit als Gastgeschenk verehrt. Und der Grund seiner Königsherrschaft ist nicht Macht und wissenschaftliches Können, es ist vielmehr die Güte und das Erbarmen des Herrn, die Barmherzigkeit und Weisheit Gottes, die ihm alle Dinge dienstbar gemacht hat. Ja, was den Menschen, den solches Ungeziefer wie ein Skorpion ohne Augen oder eine Schlange ohne Beine zu besiegen vermag, sich in die Seide einer kleinen Raupe kleiden und den Honig eines giftigen Insektes essen lässt, ist nicht seine Macht, es ist vielmehr die Unterwerfung des Herrn als Folge menschlicher Schwäche und ein Gastgeschenk der Barmherzigkeit (Gottes).

Oh Mensch! Da dies nun einmal die Wahrheit ist, gib deinen Stolz und deine Selbstgefälligkeit auf! Bringe vor dem Throne Gottes deine Schwäche und Hilflosigkeit um Hilfe bittend, deine Armseligkeit und Bedürftigkeit flehend und betend zum Ausdruck und erweise dich als Anbeter und Diener! Sage:

 

 

»Allah ist unser Genügen und unser bester Anwalt.« (Sure 3, 173)

und schwinge dich empor!

Sage aber nicht: »Ich bin nichts. Welchen Wert hätte ich denn, dass der Allweise mir diese ganze Welt dienstbar machen wollte und von mir für all dies einen Dank erwartete?«

Tatsächlich giltst du ja nichts, wenn man deine Gestalt und deine Seele betrachtet. Aber hinsichtlich deines Auftrages und deines Ranges bist du ein Besucher in dieser ganzen großartigen Welt und ihr aufmerksamer Beobachter, ein sprachgewandter und beredter Sprecher dieses geheimnisvollen Daseins, ein verständnisvoller Leser im Buche der Welt, ein staunender Betrachter der lobpreisenden Schöpfung und ein achtungsgebietender Werkmeister der anbetenden Werke (Gottes).

Ja, oh Mensch! Du bist im Hinblick auf das Leben der Pflanzen und deines Körpers und in Anbetracht deiner tierischen Seele ein winzig kleiner Bruchteil, ein armseliges Geschöpf, wie ein schwaches Tier, das inmitten der Wellen des ganzen fürchterlichen Daseinsstromes hin und her geworfen wird. Wenn du dich aber, erleuchtet vom Lichte des Glaubens, das die Strahlen der Liebe Gottes in sich enthält, durch islamisches Verhalten vervollkommnest, wirst du als Mensch, Diener und Anbeter wie ein König sein, als ein Teilchen wie ein Ganzes, trotz deiner Kleinheit eine Welt, trotz deiner Geringfügigkeit von hohem Rang, ein Stellvertreter in einem großen und weiten Bereich sein, der sagen kann: »Der Barmherzige, mein Herr hat mir die Welt zur Heimstatt bereitet. In diesem Heim machte Er Sonne und Mond zur Leuchte, den Frühling zu einem Rosenstrauß, den Sommer zu einem Gastgeschenk bei Tisch und die Tiere zu Dienern. Und Er gab mir die Pflanzen als Schmuck und Versorgung in meinem Haus.«

Nachsatz: Wenn du auf dein Ego horchst und auf den Teufel, sinkst du zum Niedrigsten der Niedrigen herab. Wenn du auf die Wahrheit und den Qur´an horchst, steigst du zum Höchsten der Hohen auf und wirst der ganzen Welt ein Musterbeispiel sein.

 

Fünfte Anmerkung: Der Mensch wurde in diese Welt gesandt als ein Gast und ein Beauftragter, und ihm wurden sehr wichtige Fähigkeiten mitgegeben. Und diesen Fähigkeiten entsprechend wurden ihm auch sehr wichtige Aufgaben anvertraut. Damit aber der Mensch sein Ziel erreiche und seine Aufgabe erfülle, wurden ihm nachhaltige Anregungen erteilt und furchtbare Drohungen ausgesprochen. Wir werden hier die Grundsätze über die Aufgaben des Menschen, seinen Dienst und seine Anbetung, die wir an anderer Stelle bereits erklärt haben, noch einmal zusammenfassen, um das Geheimnis des Menschen um seinen höchsten Rang und Wert verstehen zu können.

So hat der Mensch - nachdem er in diese Welt gekommen ist - in zweifacher Hinsicht Dienst und Anbetung zu verrichten. In erster Hinsicht ist es Dienst und Anbetung in der »dritten Person«, ein Nachsinnen. In der zweiten ist es Dienst und Anbetung in der Gegenwart, der »zweiten Person«, eine Hingebung.

 

Erste Hinsicht, die Königsherrschaft (Gottes) über das Universum zu sehen, im Gehorsam zu bekräftigen und zu Seiner Vollkommenheit und Schönheit bewundernd aufzublicken.

Danach zeigen sich die Menschen, um einander zu belehren, die einzigartigen Kunstwerke, bestehend aus den Ornamenten der heiligen Namen Gottes, machen sie bekannt, rufen sie aus.

Danach wägen sie die Juwelen der Gottesnamen, von denen jeder einzelne eine verborgene Schatzkammer des Geistes ist, mit der Waage der Einsicht und schätzen lobpreisend ihren Wert mit dem Herzen als Schatzmeister der Werte.

Danach lesen sie die Seiten von Himmel und Erde aus dem Buch des Seins, Briefe (der Schöpfung), geschrieben mit der Feder der Macht (Gottes), und sinnen bewundernd darüber nach.

Und während sie die Verzierungen und Feinheiten an den Kunstwerken des Seins bewundern und preisen, sehnen sie sich danach, ihren Schöpfer kennen zu lernen, der alle Schönheit besitzt, und verlangen danach, in die Gegenwart ihres vollkommenen Meisters einzugehen und Seine Liebe und Freundlichkeit zu erlangen.

 

Zweite Hinsicht: Hier geht es um die Gegenwart (Gottes) und das Gespräch (des Menschen mit Gott). Der Weg führt vom Werkstück zum Meister. Man sieht: Ein erhabener Meister möchte sich selbst durch Seine wunderbaren Kunstwerke mitteilen und zu erkennen geben. Glaube und Erkenntnis kommen ihm als Antwort entgegen.

Danach sieht man: Ein barmherziger Herr möchte ob der schönen Früchte Seiner Barmherzigkeit selbst geliebt werden. Wenn man seine Liebe auf Ihn allein beschränkt und seine Anbetung Ihm allein zueignet, um Ihm allein zu dienen, wird man auch selbst von Ihm geliebt.

Danach sieht man: Er, der freigiebig die Geschenke Seiner Gnade erteilt, umhegt den Menschen mit geschmackvollen Geschenken für Leib und Seele. Dieser bringt Ihm in seinen Taten, seiner Handlung, seinen Worten, ja wenn es ihm möglich wäre mit allen seinen Empfindungen und Fähigkeiten Lob, Preis und Dank entgegen.

Danach sieht man: Er, der Gewaltige in Seiner vollkommenen Schönheit zeigt Seine Größe, Vollkommenheit, Erhabenheit und Schönheit im Spiegel des Daseins, in ihm die Blicke des aufmerksamen Betrachters einfangend. Dieser begegnet Ihm demütig bewundernd mit den Worten: »Allahu Ekber!« (Allah ist unvergleichlich groß!) »Subhanallah!« (Allah sei gepriesen!) und wirft sich in liebender Anbetung nieder.

Danach sieht er: Er, der Vollkommen-Reiche zeigt in vollendeter Freigiebigkeit die Schatzkammern Seines unendlichen Vermögens. Der Mensch entgegnet Ihm rühmend und verehrend, erbittet und erfragt von Ihm in völliger Armseligkeit.

Danach sieht er: Der erhabene Schöpfer hat die Erde einer Ausstellung gleich erschaffen. Dort hat Er die ganzen antiken Kunstwerke ausgestellt. Der Mensch entgegnet Ihm voll Staunen und Hochachtung: »Mashaallah!« (so hat es Allah gewollt!), »Barekallah!« (Allah hat gesegnet!); »Allahu Ekber!« (Allah ist unvergleichlich groß!), und Seine vollkommene Güte preisend kommt er Ihm antwortend entgegen.

Danach sieht er: Der Eine * prägt im Schlosse des Universums mit Seinem unnachahmlichen Münzsiegel, Seinem nur Ihm eigenen Siegel der Propheten, Seinem nur Ihm zubestimmten königlichen Siegel, kraft königlichen Privilegs allem Sein den Stempel Seiner Einheit (Vahdet) auf. Und Er malt und stickt die Wunderzeichen Seiner Einheit (Tauhid) und richtet an den Enden des Weltenhimmels die Fahne Seiner Einheit (Vahdaniyet) auf und verkündet Seine Herrschaft. Der Mensch begegnet Ihm mit einer Affirmation, im Glauben, in der Einheit (Tauhid), in der Einsicht, mit dem Zeugnis, seinem Dienst und seiner Anbetung und kommt Ihm so antwortend entgegen.

So also wird er durch diese verschiedenen Arten der Anbetung und des Nachsinnens zum wahren Menschen, und er zeigt, dass er »Musterbeispiel der Schöpfung« geworden ist. Ausgestattet mit der Kraft und dem Segen des Glaubens wird dem Menschen eine Seele anvertraut als ein Gut, und er wird so ein treuer Kalif der Erde.

Oh du unbesonnener Mensch, der du mit dem höchsten Grad und Wert der Schöpfung erschaffen wurdest und in deiner Böswilligkeit auf die Seite der Niedrigsten der Niedrigen hinübergehst! Höre mich! Auch ich habe so wie du in der Trunkenheit meiner Jugend und in meiner Gottvergessenheit die Welt für schön und angenehm gehalten. In dem Augenblick, da ich an der Schwelle des Alters aus der Trunkenheit meiner Jugend erwachte, erkannte ich, wie hässlich jenes Antlitz der Erde war, das dem Jenseits abgewandt ist und das ich für schön gehalten hatte, und wie schön ihr wahres Antlitz ist, welches in das Jenseits hinüberschaut.

Betrachte nun die beiden Tafeln der Wahrheit, die ich im Zweiten Kapitel des »Siebzehnten Wortes« beschrieben habe, und siehe selbst:

 

Erste Tafel: beschreibt die Wirklichkeit der Welt der Gottvergessenen, so als ginge ich selbst auf Irrwegen und so wie ich sie durch den Schleier der Gottvergessenheit gesehen habe, jedoch ohne betrunken zu sein.

 

Zweite Tafel: zeigt die wahre Welt derer, die recht geleitet und sich der göttlichen Gegenwart bewusst sind.

Ich habe sie so gelassen, wie ich sie damals beschrieben habe. Sie sehen wie ein Gedicht aus, sind aber kein Gedicht…

 

 

»Gepriesen seist Du! Wir haben kein Wissen, außer dem, das Du uns gelehrt hast. Denn du bist der Allwissende, der Allweise!« (Sure 2, 32) »Herr! Mache mir die Brust weit und meine Angelegenheiten leicht! Löse das Band meiner Zunge, damit sie meine Worte verstehen! Oh Allah! Gib Deinen Frieden und gieße aus Deinen Segen über Mohammed, der Sonne im Himmel der Geheimnisse, der Verkörperung der Lichter, dem Brennpunkt der Erhabenheit, dem Polarstern am Firmament der Schönheit. Oh Allah, bei Deinem Geheimnis, bei Deiner Gegenwart, bei seiner Himmelfahrt: gib mir Sicherheit in meiner Furcht, entwurzele mich, wenn ich zögere, vertreibe meine Sorge und meine Gier! Sei mit mir! Nimm mich von mir weg hin zu Dir! Gewähre mir, mich von mir selber zu lösen und lass nicht zu, dass ich in mich selbst vernarrt werde, beschämt werde durch meine Sinne! Entschleiere mir jedes verborgene Geheimnis! Oh Lebendiger! Oh Beständiger! (Ya Hayy! Ya Qayyum!) Erbarme Dich meiner! Erbarme Dich meiner Freunde! Erbarme Dich Deiner Gläubigen und derer, denen Du den Qur´an herabgesandt hast! Amen - Oh Erbarmer der Barmherzigen! Oh Großzügigster der Großzügigen!

Und der Schluss unseres Gebetes sei: »Aller Lobpreis und Dank gebührt Allah, dem Herrn der Welten!«

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