Selim Geschrieben 14. Juni 2010 Teilen Geschrieben 14. Juni 2010 Die Islamische Universität Rotterdam hat sich das Ziel gesetzt, eine muslimische akademische Elite in den Niederlanden ausbilden. Die private Hochschule steht religiös der türkischen Nurcu-Bewegung nahe, ist aber zugleich Ort eines innerislamischen Diskurses. Jan Felix Engelhardt hat sie besucht. Tural Koç ist guter Laune. Der Verwaltungschef der Islamischen Universität Rotterdam (IUR) ist dem Ziel, seine Hochschule zu einer staatlich anerkannten Universität zu machen, einen großen Schritt näher gekommen: Nach eingehender Prüfung von Inhalten und Formalia hat die niederländische Akkreditierungsbehörde jetzt den ersten Studiengang der IUR offiziell anerkannt. Studenten im Masterprogramm "Islamische Seelsorge" können ab sofort einen staatlich anerkannten Studienabschluss erlangen. Damit sei die Universität auf bestem Wege ihren Anspruch zu erfüllen: Die Ausbildung einer muslimisch akademischen Elite in den Niederlanden, so Koç. Auf diesem Weg befindet sich die Islamische Universität seit dem Jahr 2003, als man ein repräsentatives, ehemaliges Schulgebäude im Zentrum Rotterdams bezog. Dessen unmittelbare Nachbarschaft zu einer reformierten und einer katholischen Kirche reflektiert dabei das noch immer existente holländische Säulensystem, nach dem Bildungs-, Gesundheits- und soziale Institutionen nach Konfessionen organisiert wurden. "Wir fügen uns in dieses System ein", erläutert Koç, "und arbeiten an der Integration einer muslimischen Säule in die holländische Gesellschaft." Die IUR soll ein Teil davon sein. Ob sie es dauerhaft bleiben kann, hängt maßgeblich von der offiziellen Anerkennung ab. Kurse in Islamischem Recht, Geschichte und Kalligrafie Um diese zu erreichen, spielen die Akteure der Islamischen Universität perfekt auf der Klaviatur der integrationswilligen Institution: Sie organisieren Veranstaltungen zum interreligiösen Dialog, laden ein zum Fastenbrechen im Ramadan, richten Konferenzen aus zum Thema Toleranz im Islam, halten engen Kontakt zu Vertretern aus Kirchen und Politik. Die führende Rolle bei all dem spielt der Rektor der Universität, Prof. Ahmed Akgündüz. Die Vorgaben des 55-Jährigen, der bereits an türkischen und US-amerikanischen Universitäten vor allem zum islamischen Recht arbeitete, werden befolgt, seine Ansichten haben Gewicht. Die 1997 gegründete IUR soll eine Universität von Muslimen für Muslime sein. Zurzeit sind etwa 200 Studenten eingeschrieben. Das Lehrangebot umfasst Fächer wie Islamische Theologie, Islamische Künste und Muslimische Seelsorge, Arabische Sprache, Recht, Geschichte des Islam und Vergleichende Religionswissenschaften. Unterrichtssprachen sind Niederländisch und Arabisch. Neben einer Bibliothek, die eine umfangreiche Sammlung klassischer Werke der islamischen Theologie und des islamischen Rechts umfasst, beherbergt die Universität ein kleines Atelier, in dem Kalligrafie und Ebru, die türkische Kunst Papier zu marmorieren, unterrichtet werden. Privates Netzwerk aus Förderern Bei der IUR ist viel Idealismus im Spiel. Da es ohne komplette Anerkennung keine staatliche Förderung gibt, ist die Universität auf Spender angewiesen. Das sind Privatleute, Stiftungen, fromme Unternehmer aus der Türkei, die meisten speisen sich aus dem persönlichen Netzwerk von Rektor Akgündüz. Namen werden zwar nicht genannt, man lege die Finanzierungsstruktur den Behörden gegenüber aber offen, sagt er. Bis diese jedoch der IUR Mittel zuschießen, werden wohl noch manche Semester vergehen. Auch in Holland mahlt der Wissenschaftsbetrieb langsam. Wettbewerb mit staatlichen Hochschulen Mangelnde Finanzierung ist denn auch eines der größten Hindernisse für eine hochwertige Lehre an der IUR, meint Nico Landman von der Theologischen Fakultät der Universität Utrecht. Vor allem, wenn es sich auf die Qualität des Studiums auswirkt und damit auf die Wettbewerbsfähigkeit gegenüber anderen Institutionen. Denn wer in den Niederlanden Islamische Theologie oder Seelsorge studieren will, ist auf die IUR nicht angewiesen. Auch die Universitäten in Utrecht, Amsterdam, Den Haag und Leiden bieten diese Studiengänge an, mit offiziellem Abschluss und Studienfinanzierung, die in Holland jeder Student an einer staatlichen Hochschule erhält. Und die Dozenten verfügen über wissenschaftliche Qualifizierungen, wie sie nur wenige Lehrkräfte an der Islamischen Universität aufweisen können. Anerkannte Studienabschlüsse, Studienfinanzierung, hohe wissenschaftliche Qualität: drei Faktoren, mit denen die Islamische Universität im Wettbewerb mit den staatlichen Hochschulen hart zu kämpfen hat. Sie sieht sich dennoch im Vorteil. Denn, so Rektor Akgündüz: "Islamische Theologie, Kunst und Seelsorge können am besten von Muslimen selbst unterrichtet werden." Im Gegensatz zu den staatlichen Hochschulen sei eben nur die IUR eine genuin muslimische Institution, in der sich islamische Denkrichtungen aus aller Welt vereinten. Die Nurcu-Bewegung Ob sich Studieninteressierte von dieser Argumentation überzeugen lassen, wird sich in den nächsten Jahren zeigen. Noch entscheiden sie sich eher für die staatlichen Hochschulen. Wohl auch, weil die Islamische Universität im Ruf steht, der Nurcu-Bewegung nahe zu stehen. Begründer dieser islamischen Bewegung war der türkische Gelehrte Said Nursi, der einst die Wissenschaft, die er als das Studium der Schöpfung Gottes verstand, zum einzigen Weg erklärt hatte, um den Islam in der Moderne zu bewahren. Bis heute haben die zumeist türkischen Anhänger der Nurcu-Bewegung hunderte Bildungseinrichtungen weltweit gegründet. An der IUR streitet man eine geistige Nähe zur Bewegung nicht ab, im Gegenteil: Im eigenen Buchladen werden die Schriften Said Nursis in verschiedenen Übersetzungen verkauft. "Positive, konstruktive Rolle" im multikulturellen Holland Doch obwohl die Universität den Ideen der Nurcus offensichtlich nahesteht, spiegeln Lehrkräfte und Studenten unterschiedliche Interpretationen des Islams wider. Verschiedene Überzeugungen treffen an der IUR aufeinander, etwa wenn Studenten, deren Eltern aus Marokko, der Türkei, Indonesien oder Pakistan stammen, mit Dozenten aus Ägypten oder Syrien Fragen der religiösen Praxis diskutieren. Zum Beispiel, inwieweit muslimische VerkäuferInnen in Holland Schweinefleisch und Alkohol kassieren dürfen – ja, so das mehrheitliche Votum, denn das gehöre zum Beruf –, oder welche Position holländische Muslime zur Homosexualität einnehmen sollten – gutheißen müssten sie sie nicht, akzeptieren schon, lautet der Tenor. Zu solchen Fragen biete sich mit der IUR eine Institution, unter deren Dach alle in Holland lebenden Muslime religiöse Positionen entwickeln könnten, meint Rektor Akgündüz. Dem stimmt auch Nico Landman von der Universität Utrecht zu: "Die Diversität der Lehrenden und Studenten macht die IUR zu einem Ort des innerislamischen Diskurses", meint der Wissenschaftler und attestiert ihr eine "positive, konstruktive Rolle" im multikulturellen Holland. Jan Felix Engelhardt © Qantara.de 2010 Redaktion: Lewis Gropp/Qantara.de Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
carpe_fortunam Geschrieben 14. Juni 2010 Teilen Geschrieben 14. Juni 2010 das ist inshaAllah die erste universität im europäischen vaterland, die ich als "unsere universität" betrachte und auch bezeichne. egal, ob man der universität(sleitung) zuschreibt der nurcu-bewegung nahe zu stehen - letztlich ist die alhamduliallah ein ort der wissenschaft, der lehre, des lernens und des wohlfühlens (in der tat; eine kleine uni und eine überschaubare zahl von studierenden vermittelt einem das gefühl eine familie zu sein vor allem der herzliche und nahe kontakt zu den dozenten wie auch zu den professoren - einmalig! - aber nichtsdestotrozt wünsche ich unserer universität große studierendenschaften, die in scharen kommen, sich auf dem "campus" (gibt´s den schon?) tummeln....) jazakallahu khairan ya ustad ahmad akgunduz...! Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
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