Adem Geschrieben 25. November 2008 Teilen Geschrieben 25. November 2008 Das Leid in der Welt und die Barmherzigkeit Gottes - ein Widerspruch? - Mesut Sahin - Manche Leute und vor allem viele Jugendliche sind der Meinung, ein barmherziger Gott dürfte und würde es nicht zulassen, dass die Menschen in vielen Teilen dieser Welt so unermessliches Leid und so unerträgliche Ungerechtigkeit erdulden müssen. Sie möchten gern an Gott glauben, deshalb sehnen sie sich nach einer plausiblen Erklärung für diesen scheinbaren Widerspruch. Zunächst einmal sollten wir uns vor Augen halten, dass diese Welt nur unser zeitweiliger Wohnsitz ist. Unser wahrer Bestimmungsort ist das Leben nach dem Tod. Auf jenes Leben sollten unsere Bemühungen in erster Linie ausgerichtet sein. Und alles, was uns in dieser Welt widerfährt, sollte mit den Maßstäben des ewigen Lebens gemessen werden. Mit anderen Worten: Was hier auf Erden geschieht, ist nur die eine Seite der Medaille. Tatsächlich ist die Welt förmlich von Unrecht durchdrungen. Aber genau deshalb gehen gläubige Menschen fest davon aus, dass es einen Ort geben muss, an dem alle offenen Rechnungen beglichen werden. Gott ist der Allmächtige, und es kann kein Zweifel daran bestehen, dass Er dazu in der Lage ist. Er räumt dem Unterdrücker die Zeit und die Gelegenheit ein, andere Menschen zu unterdrücken, doch wird Er ihn dafür einst zur Rechenschaft ziehen. Gottes Barmherzigkeit ist so allumfassend, dass sie selbst den Unterdrücker mit einschließt. Sie gibt ihm die Chance, seine Fehler wiedergutzumachen und am Tag des Jüngsten Gerichts errettet zu werden. Den Regeln unserer irdischen sozialen Systeme entsprechend, ist eine verspätete Gerechtigkeit keine Gerechtigkeit. Gottes Gerechtigkeit aber unterscheidet sich von unserer. Sie wird sogar grundsätzlich erst später gewährt, weil sie uns ermöglichen will, dass wir uns bei den Schwächeren und Ärmeren für unsere Fehler entschuldigen. Ein zweiter Aspekt liegt darin, dass nicht die Schöpfung selbst von Übel ist, sondern die freie Entscheidung des Menschen, Übel anzurichten. Gott hat uns mit einem freien Willen ausgestattet, von dem wir während unseres irdischen Daseins Gebrauch machen sollen. Dieser freie Wille trifft oft die richtige Wahl. Manchmal aber lässt er sich auch - angestachelt von unseren materiellen Begierden - dazu verführen, egoistisch zu handeln. Dann begehen wir Unrecht und sündigen. Unsere Taten und deren Konsequenzen werden von Gott erschaffen. Schließlich sind wir Menschen ja nicht einmal in der Lage, unseren eigenen Körper zu steuern. Unser freier Wille ist eine sehr empfindliche Einheit, die in Prozessen der Entscheidungsfindung einen beschränkten Spielraum besitzt. Haben wir die Entscheidung dann getroffen, so wird deren Resultat von Gott hervorgebracht. Er allein hat die Macht über alle Dinge. Ein einfaches Beispiel wird dies verdeutlichen: Der Vater setzt sich sein Kind auf die Schulter und fordert es auf, ihm zu sagen, wo es hinmöchte. Er sagt: „Ich werde dich tragen, wohin du möchtest, und dir jeden Wunsch erfüllen.“ Dazu aber gibt er dem Kind noch einige Ratschläge mit auf den Weg, was es tun und was es besser unterlassen sollte. Nun entscheidet das Kind, den Vater in einen Süßigkeiten-Laden zu lenken. Dort schlägt es sich den Bauch mit Schokolade voll, und ihm wird schlecht. Es stimmt, der Vater hat das Kind zu dem Laden getragen; und doch war es die freie Entscheidung des Kindes, dorthin zu gehen und zu viel Schokolade zu essen. Wer also trägt die Schuld daran, dass dem Kind nun schlecht ist? Gott verleiht uns die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen, und erschafft dann Handlungen, die aus unserer Wahl hervorgehen. Wenn die Konsequenzen unserer Handlungen negativ sind, so sind ausschließlich wir selbst dafür verantwortlich, und nicht derjenige, der sie hervorgebracht hat. Gewiss herrschen heute in vielen Teilen dieser Welt Ungerechtigkeit und Unterdrückung. Aber mit Sicherheit entspricht dies nicht dem Willen Gottes, des Barmherzigen. All die Grausamkeiten, die Menschen anderen Menschen zufügen, resultieren aus fehlerbehafteten Entscheidungen von Menschen. Und so schenkt uns Gott in Seiner Güte Zeit, unsere Fehler zu korrigieren. Es gibt aber auch noch einen dritten Aspekt: Wenn wir schwierige Zeiten durchleben, sollten wir uns am Beispiel der Propheten Gottes orientieren. Sie alle haben ihr Leben lang gelitten. Sie wurden auserwählt, um den Menschen die Botschaft Gottes zu überbringen, und mit ihrem Dienst und ihrer Hingabe an Gott waren sie in allen Zeitaltern die besten Menschen. Trotzdem litten sie in vielen Fällen so entsetzliche Qualen, dass gewöhnliche Menschen an ihrer Stelle den Glauben verloren hätten. Man nehme nur einmal die Propheten Hiob und Jonas, Abraham und Moses oder auch Jesus - Friede sei mit ihnen allen. Diese von Gott erwählten Menschen ertrugen ihr hartes Schicksal geduldig. Darauf weist auch der Koran in vielen seiner Verse hin: Und wie viele Propheten kämpften gegen (einen Feind,) gefolgt von vielen Gottesfürchtigen. Aber sie verzagten nicht bei dem, was sie auf Allahs Weg traf, und sie wurden weder schwach noch ließen sie sich demütigten. Und Allah liebt die Geduldigen. (3:146) Schon ein kurzer Blick auf das Leben dieser Menschen genügt, um zu dem Ergebnis zu kommen, dass ein von Mühsal geplagtes Leben nicht unbedingt eine Strafe Gottes darstellen muss und dass es darüber hinaus auch nicht der Barmherzigkeit Gottes widerspricht. Sonst hätten Seine geliebten auserwählten Menschen, die Gesandten, doch das angenehmste Leben auf Erden führen müssen. Das Gegenteil ist der Fall. Alle Gesandten Gottes mussten sich schwieriger Prüfungen unterziehen und wurden vor allem von ihren eigenen Völkern gepeinigt: Und gewiss werden Wir euch prüfen durch etwas Angst, Hunger und Minderung an Besitz, Menschenleben und Früchten. Doch verkünde den Geduldigen eine frohe Botschaft, die, wenn sie ein Unglück trifft, sagen: „Wir gehören Allah und zu Ihm kehren wir zurück.“ Auf diese lässt ihr Herr Segnungen und Barmherzigkeit herab, und diese werden rechtgeleitet sein. (2:155-157) Für jede Schwierigkeit, der sich ein gläubiger Mensch ausgesetzt sieht, erwartet ihn im Jenseits ein gerechter Lohn - vorausgesetzt, er ist in Zeiten der Not geduldig und verliert nicht den Glauben an Seinen Herrn. Diese frohe Kunde überbringt der Prophet Muhammad allen Gläubigen im folgenden, von Abu Sa’id und Abu Hurayra überlieferten Ausspruch: Nie wird ein Gläubiger von einer Unannehmlichkeit, einer Krankheit, einer Angst, Trauer, Sorge oder auch nur vom Stich eines Dorns gepeinigt, ohne dass Gott ihm aufgrund seiner Geduld seine Sünden auslöschen wird. (Bukhari, Muslim) Abschließend noch eine weitere Analogie, die mir zu verstehen half, warum es trotz der allumfassenden Barmherzigkeit Gottes so viel Unrecht in der Welt gibt: Wer im Monat Ramadan fastet, wird wissen, dass das Fasten in den ersten Tagen schwerfällt; solange, bis sich der Körper daran gewöhnt hat. Wenn wir übertreiben möchten, dann können wir und das entsprechende Gefühl im Magen als einen Schmerz vorstellen. Je näher die Zeit des Fastenbrechens rückt, desto stärker drückt uns dieser Schmerz. Wenn wir dann aber am Abendtisch die ersten Bissen zu uns nehmen, wird uns bewusst (und unsere Geschmacksnerven werden uns da zustimmen), dass uns in dem Moment selbst ein Stück trockenes Brot besser schmeckt als das fürstlichste Mahl außerhalb des Ramadans. Wer fastet, genießt das Essen so sehr, dass er sagt: „Das Leiden, das ich heute über mich ergehen ließ, war es wert. Nicht nur weiß ich nun das Essen hier auf dem Tisch zu schätzen, sondern ich weiß auch, dass Gott am heutigen Tag zufrieden mit mir ist.“ Wir Menschen sehen uns hier auf Erden oft mit unbarmherzigen Leiden konfrontiert. Das alles ist aber nichts weiter als ein Fasten, für das wir einst mit einem Tisch entschädigt werden, der reich gedeckt sein wird mit den Gunstbeweisen Gottes, des Barmherzigen. Wenn wir dann den Lohn für unsere Geduld und Standfestigkeit auf Erden vor uns sehen, werden wir völlig überwältigt sein und im Nu vergessen, was auch immer uns zugestoßen sein mag. Wir werden sagen: „O Gott, ich bin so unendlich dankbar für alles, was Du mir hast zukommen lassen. Welch Leid ich auch ertragen musste - ich wurde im Übermaß belohnt.” Vertrauen wir also auf die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes. Denn Er ist der Herr über die Ewigkeit in der Vergangenheit und die Ewigkeit in der Zukunft. Führen wir uns vor Augen, dass Er immer über uns wacht; selbst dann, wenn wir unfair behandelt werden und wenn wir zu schwach sind, um uns zu verteidigen. Eine gute Nachricht, die der Koran für uns bereithält, lautet: Gott erwartet uns mit einem überaus reichen Lohn. Das sollten wir nie vergessen, und es sollte uns auch helfen, geduldig zu sein: Und wetteifert nach der Vergebung eures Herrn und nach einem Garten, dessen Breite der von Himmel und Erde entspricht, der für die Gottesfürchtigen vorbereitet ist. (3:133) Fontaene.de Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Gast Geschrieben 26. November 2008 Teilen Geschrieben 26. November 2008 lieber Bruder Adem, Vielen Dank für diese wunderbaren und sehr, sehr guten Gedanken, die auch mir persönlich eine Antwort auf meine vielen Fragen gaben. Man sollte diesen Artikel soviel als möglich unter den Menschen verbreiten, damit auch sie Antworten auf die natürlichsten Fragen, die ein denkender und humanistisch orientierter Mensch hat, finden. Leider spukt in vielen Köpfen -auch vor allem in christlichen- noch immer das Bild von der "Vorherbestimmung" herum. Persönlich bin ich aber -wie der Schreiber des Artikels- davon überzeugt, dass ALLAH (t) dem Menschen die Willensfreiheit gab und dass ER letzlich alles zu einem guten Ende führen wird. Nochmals DANKE für diese guten Gedanken WASALAM Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Adem Geschrieben 27. November 2008 Autor Teilen Geschrieben 27. November 2008 Bitte Bruder. Dieses Problem ist ein JJ langes Phänomen und man nennt es Theodizee. Ich hab alle Philosophien, Religionen, Mystiker deren Einstellung dazu studiert und die rationalste unter allem war Islam. Dieses Thema ist wichtig und wie du richtig erkannt hast eine Modeerkrankung in diesem Jahrhundert. Die Frage erzweigt sich in mehreren Fragen und alle haben einen Antwort. Wenn du diesbezüglich weitere Fragen hast kann ich versuchen diese zu beantworten. Denn ich hatte versucht mich mit dem Thema auseinanderzusetzen und hab viele Informationen in allen möglichen Fragen gesammelt. Vesselam Adem Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
Empfohlene Beiträge
Dein Kommentar
Du kannst jetzt schreiben und Dich später registrieren. Wenn Du ein Konto hast, melde Dich jetzt an, um unter Deinem Benutzernamen zu schreiben.