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50 Lehrer für 50 000 Islam-Schüler

 

Die Einführung des islamischen Religionsunterichts auf Deutsch wird noch viele Jahre am Lehrermangel scheitern

Von Andreas Lochner

 

BRAUNSCHWEIG. Islamischer Religionsunterricht auf Deutsch ist ein erklärtes Ziel von Ministerpräsident Christian Wulff. Bis 2010 sollten dafür eigentlich die rechtlichen Hürden überwunden sein. Selbst wenn das klappt, bleibt ein Problem: Viel zu wenige Lehrer.

Offiziell heißt es im Kultusministerium, dass man sich mit der Lehrer-Frage nicht beschäftige. Eine Sprecherin sagt: "Es ist einfach noch zu früh." Es gebe derzeit ja auch nur den Schulversuch, an dem nach Angaben des Ministeriums derzeit 1400 Grundschüler teilnehmen. Dafür reichen die 23 Lehrer, die bereits unterrichten.

Die evangelische Religionspädagogin Ingrid Wiedenroth-Gabler sagt: "Das ist verwunderlich, da der ursprüngliche Plan ja lautete, bis 2010 das Fach flächendeckend einzuführen." Das heißt: Bis in zwei Jahren sollte der islamische Religionsunterricht für 50 000 Schüler eingeführt werden.

Davon ist das Ministerium offenbar abgerückt, jedenfalls machte die Sprecherin gegenüber unserer Zeitung keine Angabe dazu, wann der Islam-Unterricht regulär eingeführt werden soll. Wiedenroth-Gabler sagt dazu: "Inzwischen hat man wohl erkannt, dass dies aufgrund der geringen Anzahl von Lehrern nicht möglich ist."

Die Braunschweiger TU-Dozentin Ingrid Wiedenroth-Gabler hat seit dem Jahr 2006 mit den Schulversuchs-Lehrern tun. Sie erklärt: "Ich bin vom Kultusministerium mit der wissenschaftlich orientierten Fortbildung der Lehrkräfte im Schulversuch beauftragt."

Will man 50 000 Schüler unterrichten, schätzt Ingrid Wiedenroth-Gabler, muss es in Niedersachsen mindestens zehn Mal so viele Islam-Lehrer geben, also weit mehr als 200.

Eins ist klar: Bis 2010 wird das nichts, auch wenn die Landesregierung bis dahin die rechtlichen Rahmenbedinungen geschaffen haben sollte. Das heißt, wenn sie mit den Muslimen einen Staatsvertrag abgeschlossen hat.

Bis 2010 wird es aber höchstens doppelt so viele Lehrer geben wie jetzt, also nicht einmal 50. Der Grund dafür ist in Osnabrück zu finden: Dort gibt es seit einem Jahr den Studiengang "Islamischer Religionsunterricht".

Bisher gibt es dort 4 Studenten. Für das nun anstehende neue Wintersemester wurden die Zugangsvoraussetzungen gesenkt, die Universität hat nun nach eigenen Angaben 17 Anmeldungen.

Da die Lehrer Muslime sein müssen, ist der Kreis derjenigen, die "Islamischen Religionsunterricht" studieren können, begrenzt. Dazu kommt: Es ist bislang nur ein Aufbau-Studiengang. Das heißt: Man muss bereits ein paar Jahre Lehrerstudium und einen ersten Abschluss hinter sich haben, um dort anfangen zu dürfen. Das verengt den Kreis der möglichen Bewerber weiter. Die Universität Osnabrück geht trotzdem davon aus, dass die Studierendenzahlen langfristig zunehmen.

Auf Jahre hinaus werden deshalb Lehrer fehlen, da sich auch aus anderen Bundesländern keine anlocken lassen. Wiedenroth-Gabler sagt: "Aus welchen Ländern soll das sein? Ausbildungen gibt es an den Unis Münster für Nordrhein-Westfalen und Erlangen-Nürnberg für Bayern. Die Lehrer werden dort wohl selbst gebraucht."

Der Schulversuch "Islamischer Religionsunterricht" läuft bis zum Jahr 2012. Bereits in diesem Jahr wird die Projektform aber überflüssig: Denn in Kürze soll nach Angaben des Kultusministeriums die wissenschaftliche Auswertung abgeschlossen sein. Klar ist schon jetzt: "Der Schulversuch ist ein großer Erfolg", so eine Ministeriums-Sprecherin.

Mit diesem Wissen ließe sich das erklärte Ziel der Landesregierung, ein regulärer Unterricht, angehen. Avni Altiner sagt: "Das ist ein Riesenwunsch von uns." Altiner ist Vorsitzender von Schura Niedersachsen, einem der beiden großen muslimischen Verbände im Land.

Natürlich soll dieser Riesenwunsch schnell in Erfüllung gehen, aber Altiner gibt sich realistisch: "Es wird mindestens zehn Jahre dauern, bis es dazu kommt."

Ingrid Wiedenroth-Gabler hofft, dass es einen islamischen Religionsunterricht geben wird, der die gleichen Standards wie der christlich-konfessionelle erfüllen wird. Auch hier sieht sie den Islam-Unterricht noch am Anfang: Wie vermittele ich die Grundsätze des Islam? Was verstehen Erstklässler schon?

Nicht zuletzt um ihrer selbst willen hofft sie aber, dass diese inhaltlichen Fragen den Islam-Unterricht nicht auch noch verzögern. Wiedenroth-Gabler sagt: "Ohne seine Einführung sehe ich langfristig die gesellschaftliche Akzeptanz und den christlich-konfessionellen Unterricht gefährdet." Ihr geht es um die Frage der Gleichberechtigung. Diese fordert auch Avni Altiner ein.

 

newsclick, 27.09.2008

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