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Türkische Gemeinde wirft Koch Rassismus vor

 

Proteststurm gegen Roland Koch: Die Türkische Gemeinde Deutschlands wirft ihm vor, seine Jugendgewalt-Kampagne ebne einem neuen Rassismus den Weg. Und der hessische CDU-Regierungschef hat noch ein Problem - sein Land ist Schlusslicht bei der Verurteilung der Täter.

 

Frankfurt/Main - Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde Deutschlands, Kenan Kolat, hat den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch(CDU) heftig attackiert. Er wirft Koch vor, mit seinen Äußerungen zur Jugendkriminalität einem neuen Rassismus in Deutschland den Weg zu ebnen.

 

Enttäuscht sei er auch über Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Kochs Position unterstützt. Er habe Bundespräsident Horst Köhler gebeten, sich in die Debatte einzuschalten, sagte Kolat heute in Berlin. Schnellstmöglichst müsse ein neuer Integrationsgipfel einberufen werden, sagte Kolat.

 

Roland Koch musste inzwischen einräumen, dass die Straftaten Jugendlicher durch Hessens Gerichte zu langsam bearbeitet werden. "Das Problem ist da", sagte Koch gestern Abend in der ARD-Sendung "Hart aber fair". Er bestätigte Recherchen, nach denen die hessischen Amts- und Landgerichte bei Jugendstrafsachen im Bundesländervergleich ganz hinten liegen. "Wir arbeiten an der Frage, wir müssen Wege finden. Das ist eine der Hausaufgaben, die wir noch haben." Es gebe "intensive Diskussionen" mit der Richterschaft über die langsame Bearbeitung der Fälle.

 

Nach Angaben von "hartaberfair" dauert die Bearbeitung von Straftaten Jugendlicher vom Eingang bei der Jugendstrafkammer des Amtsgerichtes bis zum Urteil im Bundesdurchschnitt 3,1 Monate; Hessen ist mit 4,1 Monaten Letzter. Am schnellsten arbeiten demnach die Jugendrichter in Bayern mit 2,3 Monaten. Auch bei schweren Verbrechen wie Raub, Totschlag oder Mord, die vor dem Landgericht landen, schneidet Hessen unter den Flächenländern mit durchschnittlich acht Monaten am schlechtesten ab. Länger dauert es nur im Stadtstaat Bremen (12,3 Monate), am schnellsten geht es in Thüringen mit 3,5 Monaten. Der bundesweite Schnitt liegt bei 5,4 Monaten.

 

Koch sagte in der Sendung, es gebe "intensive Diskussionen" mit der Richterschaft über die langsame Bearbeitung der Fälle. Der Vorsitzende des hessischen Richterbundes Ingolf Thiemann kritisierte allerdings die Ausstattung der Justiz in Hessen. "Bis zu 30 Prozent mehr Richterstellen wären erforderlich", sagte er der ARD. Für die Sendung wurden Daten aus 14 der 16 Bundesländer ausgewertet, Brandenburg und Hamburg konnten keine Vergleichszahlen übermitteln.

 

Seine Forderung, schwerkriminelle Jugendliche auszuweisen, weitete Koch heute aus. In der "Passauer Neuen Presse" forderte er, auch Jugendliche aus EU-Ländern in ihre Heimat zurückzuführen: "Das ist bei schweren unzumutbaren Verstößen gegen die öffentliche Ordnung möglich. Das EU-Recht steht dem nicht entgegen." Der hessische Innenminister Volker Bouffier kündigte in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" an, man werde den Maßnahmenkatalog gegen Jugendkriminalität "noch verdichten und ergänzen". So sei man sich einig, dass die Videoüberwachung in U- und S-Bahnen, Bussen oder an Bahnhöfen und das Wachpersonal im Nahverkehr deutlich ausgebaut werden müssten.

 

Die Innenminister der unionsregierten Länder kommen heute Abend zu einer Sonderkonferenz in Wiesbaden zusammen, um über weitere Schritte gegen Jugendgewalt zu beraten.

 

Heute früh war bekannt geworden, dass mehr als hundert Migrantenverbände einen offenen Beschwerdebrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und Koch geschrieben hatten. Das Schreiben stammt laut "Frankfurter Rundschau" vom Migranten-Forum des Paritätischen Wohlfahrtverbands, der die Interessen von rund 100 Zuwanderer-Organisationen vertritt. Darin heißt es nach Angaben des Blattes: "Wo offene, konstruktive Gespräche und an der Sachlage orientierte Lösungsvorschläge nötig wären, richten Sie durch Wahlpolemik erheblichen Schaden an." Ein kurzfristiger Erfolg in einem Landtagswahlkampf dürfe es nicht wert sein, dass Vorurteile "neu geschürt" würden. Dadurch werde die Gesellschaft weiter gespalten.

 

Kritik des Zentralrats der Juden an seinem Wahlkampf wies Ministerpräsident Koch zurück. Trittbrettfahrer wie die NPD könne er nicht verhindern, sagte er der "Passauer Neuen Presse". "Aber gerade die etablierten Parteien müssen die brennenden Probleme ansprechen und lösen und dürfen diese Themen nicht den Rattenfängern am rechten Rand überlassen." Der Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, hatte den Wahlkampf des CDU-Politikers mit dem der NPD verglichen.

 

Auch innerhalb der CDU gibt es erstmals Kritik an Kochs Kampagne zur Ausländer- und Jugendgewalt. (mehr...) Der Vorsitzende des deutsch-türkischen Forums in der CDU, Bülent Arslan, wies in der "Berliner Zeitung" die Forderung nach schnellerer Ausweisung krimineller jugendlicher Ausländer zurück. "Das sind junge Leute, die mit ihren Herkunftsländern überhaupt nichts mehr zu tun haben." Die CDU müsse Migranten stärker einbinden. Dazu eigne sich Kochs Strategie nicht. Pauschale Ausweisungsdrohungen erschwerten es der CDU, Zuwanderer an sich zu binden.

 

Spiegel - 10.01.2008

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Schwere Rassismus-Vorwürfe gegen Roland Koch

 

Die Türkische Gemeinde in Deutschland ist über den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch entsetzt. Seine Äußerungen zu Jugendkriminalität schürten einen "neuen Rassismus in Deutschland", sagte der Vorsitzende Kenan Kolat. Auch andere Migrantenorganisationen zeigen sich empört.

 

Die Türkische Gemeinde Deutschlands hat den hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch(CDU) heftig attackiert. Ihr Bundesvorsitzender Kenan Kolat warf Koch in Berlin vor, mit seinen Äußerungen zur Jugendkriminalität einem neuen Rassismus in Deutschland den Weg zu ebnen. Enttäuscht sei er auch über die Äußerungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die sich auf Kochs Seite gestellt habe. Er habe Bundespräsident Horst Köhler gebeten, sich in die Debatte einzuschalten, sagte Kolat. Die Türkische Gemeinde plädiere dafür, schnellstmöglich einen Integrationsgipfel einzuberufen.

Insgesamt wächst unter Zuwanderern der Unmut über die von der Union angeheizte Debatte über den Umgang mit jungen Kriminellen. Eine Dachorganisation von Zuwanderern beklagte sich nach einem Zeitungsbericht in einem Brief an Merkel und Koch über die Fokussierung auf ausländische Täter.

 

Auch im Deutsch-türkischen Forum der CDU regt sich Kritik. Koch, der die Debatte über eine Strafrechtsverschärfung im Landtagswahlkampf besonders vorantreibt, will die Auseinandersetzung gegebenenfalls vor der Bundestagswahl weiterführen.

 

Der Brief an Merkel und Koch stammt nach Angaben der „Frankfurter Rundschau“ vom Migranten-Forum des Paritätischen Wohlfahrtverbands, der die Interessen von rund 100 Zuwanderer-Organisationen vertritt. Darin heißt es nach Angaben des Blattes: „Wo offene, konstruktive Gespräche und an der Sachlage orientierte Lösungsvorschläge nötig wären, richten Sie durch Wahlpolemik erheblichen Schaden an.“

 

Der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums der CDU, Bülent Arslan, wies unter anderem Kochs Forderung nach schnellerer Ausweisung krimineller Jugendlicher zurück. „Das sind Produkte unserer Gesellschaft“, sagte er der „Berliner Zeitung“. Die CDU müsse Migranten stärker einbinden - dazu eigne sich Kochs Strategie nicht.

Koch verteidigt sein Vorpreschen in der Gewaltdebatte

Koch verteidigte seine Strategie. In der Hannoverschen „Neuen Presse“ drohte er: „Der Bundestagswahlkampf 2009 ist weit weg. Dennoch: Wenn die SPD sich weiter verweigert, werden wir das Thema Jugendgewalt leider auch in Zukunft offensiv ansprechen müssen.“

 

Er widersprach auch der Befürchtung des Zentralrats der Juden, dass die Debatte den Rechtsextremisten nützen könnte. Die NPD hatte Koch schon Beifall gezollt. Trittbrettfahrer könne er nicht verhindern, sagte Koch der „Passauer Neuen Presse“. Der „Schwäbischen Zeitung" sagte er, wenn man das Thema „im demokratischen Spektrum anspricht, gräbt man den Radikalen das Wasser ab“. Hessen tue auch viel gegen rechte Gewalt. „Für unser Bundesland kann ich sagen, dass wir dieses Problem im Griff haben.“

 

Mit der Jugendgewalt befassen sich auch die Innenminister von CDU und CSU. Sie kommen auf Einladung von Hessens Ressortchef Volker Bouffier (CDU) nach Wiesbaden. Bouffier kündigte bereits an, dass die Forderungen noch ausgeweitet werden sollten. So müsse die Videoüberwachung in Bahnen und Bussen ausgebaut werden, sagte er der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Für mehr Wachpersonal könnten die Verkehrsbetriebe einen „kleinen Sicherheits-Zuschlag von den Fahrgästen erheben“. Zudem sollten Sanktionen gegen Serien-Straftäter bereits ab 12 statt wie bisher ab 14 Jahren möglich werden.

 

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) räumte in der ARD-Sendung „Hart, aber fair“ ein, dass es ein Problem mit der Jugendgewalt gebe. Dies sei aber nur durch bessere Bildungs-, Arbeits- und Integrationschancen zu lösen, nicht durch härtere Strafen. Die von der Union auch erhobene Forderung nach einem Warnschussarrest zusätzlich zur Bewährungsstrafe wies sie zurück. Bereits die Rückfallquote des Jugendarrests sei zu hoch, sagte sie dem Fernsehsender N24.

 

In der „Braunschweiger Zeitung“ verwies sie auf ihren Gesetzentwurf zur Sicherungsverwahrung für Jugendliche. Der Bundestag werde ihn voraussichtlich bis zum Sommer beschließen, sagte sie. Der Regierungsentwurf sieht die Möglichkeit der dauerhaften Sicherungsverwahrung ab einer Jugendstrafe von sieben Jahren vor, die CDU verlangt dies bereits ab fünf Jahren.

Koch weist Kritik des Zentralrats der Juden an Wahlkampf zurück

Mit Unverständnis reagierte Roland Koch auf die Vorwürfe des Zentralrats der Juden an seinem Wahlkampf und der Thematisierung ausländischer jugendlicher Gewalttäter als gesellschaftliches Problem. Trittbrettfahrer in der Debatte, wie etwa die NPD, könne er nicht verhindern, sagte der CDU-Politiker der „Passauer Neuen Presse“ zu der von ihm angestoßenen Debatte über Kriminalität von Jugendlichen.

 

„Aber gerade die etablierten Parteien müssen die brennenden Probleme ansprechen und lösen und dürfen diese Themen nicht den Rattenfängern am rechten Rand überlassen“, sagte Koch den Angaben zufolge. „Wir lassen nicht zu, dass die Rechten dieses Thema missbrauchen.“ Jugendkriminalität sei ein Thema in der Mitte der Gesellschaft.

 

Die Jüdische Gemeinde in Berlin distanzierte sich nach einem Bericht der „Hannoverschen Allgemeinen“ von der Kritik an Koch. Gideon Joffe, Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Berlin, sagte der Zeitung, die Äußerungen vom Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, Stephan Kramer, seien „emotional und genauso kontraproduktiv wie Kochs Äußerungen“ gewesen. Kramer hatte den Wahlkampf des CDU-Politikers mit dem der NPD verglichen.

 

Joffe sagte der „HAZ“, es stehe fest, dass die Jugendgewalt ein dringendes Problem sei. Unter den jugendlichen Gewalttätigen gebe es antisemitische Strömungen, nicht zuletzt in Berlin: „Wer mit offenen Ohren durch die Bezirke Schöneberg oder Neukölln geht, kann tagtäglich hören, dass sich Jugendliche gegenseitig als Juden beschimpfen.“

 

Die Welt - 10.01.2008

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