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Staatskirchenrechtler: Wichtiger Schritt für rechtliche Integration

der Muslime

 

 

Frankfurt a.M. (epd). Der Kirchenrechtsexperte Gerhard Robbers sieht

in der Bildung eines Koordinierungsrates der Muslime in Deutschland

einen wichtigen Schritt zu deren weiterer rechtlicher Integration.

Zur Anerkennung als öffentlich-rechtliche Körperschaft nach dem

Vorbild der Kirchen müssten jedoch weitere Bedingungen erfüllt

werden, erläuterte Robbers in einem epd-Interview. Mit dem an der

Universität Trier lehrenden Professor für Öffentliches Recht und

Kirchenrecht sprach Rainer Clos.

 

epd: Vor einigen Tagen haben vier islamische Dachverbände

klargestellt, dass sie enger zusammenarbeiten wollen. Ist dieser

Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland ein erster Schritt zur

rechtlichen Integration der Muslime?

 

Robbers: Es ist nicht der erste, aber es ist ein wichtiger Schritt

für die weitere rechtliche Integration der Muslime in Deutschland.

Selbstverständlich galt schon bisher volle Religionsfreiheit für

Muslime. Wichtig ist aber, dass jetzt die Repräsentation der Muslime

klarer und umfassender sein kann.

 

epd: Der Koordinierungsrat reklamiert für sich, seine

Mitgliedsverbände repräsentierten "die absolute Mehrheit" der

Moscheegemeinden, in denen islamisches Gemeindeleben in Deutschland

stattfinde. Kann daraus schon gefolgert werden, dass diese

Kuppelorganisation die Anerkennung als öffentlich-rechtliche

Körperschaft beanspruchen kann?

 

Robbers: Die bloße Zahl der Mitglieder reicht für den Status einer

Körperschaft des öffentlichen Rechts nicht aus. Voraussetzung ist

dann etwa, dass der Koordinierungsrat tatsächlich eine

Religionsgemeinschaft wäre und nicht nur ein lockerer und letztlich

unverbindlicher Gesprächskreis. Wichtig ist für diesen Zweck, dass

der neue Koordinierungsrat durch seine Verfassung und durchaus auch

durch die Zahl seiner Mitglieder die Gewähr der Dauer bietet und

insgesamt rechtstreu ist. Andererseits ist keineswegs erforderlich,

dass alle Muslime in Deutschland vor einer einzigen Institution

repräsentiert werden. Auch die Christen bilden viele verschiedene

Gemeinschaften mit dem öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus:

die römisch-katholische Kirche etwa, die EKD, die Landeskirchen und

viele andere.

 

epd: Worin bestehen die Anforderungen des bundesdeutschen

Staatskirchenrechtes oder Religionsrechtes, um dessen rechtliche

Möglichkeiten - etwa staatlicher Einzug eines Mitgliederbeitrages,

konfessioneller Religionsunterricht, Vertretung in den Organen des

öffentlich-rechtlichen Rundfunks - wahrnehmen zu können?

 

Robbers: Jede dieser Möglichkeiten hat besondere und zum Teil

komplexe Voraussetzungen. Staatlich eingezogen werden kann nur die

Kirchensteuer, nicht ein allgemeiner Mitgliederbeitrag. Und das setzt

etwa voraus, dass die Religionsgemeinschaft den Status einer

Körperschaft des öffentlichen Rechts hat und eine solche Steuer auch

von sich aus erheben will. Für den staatlichen Einzug muss die

Religionsgemeinschaft dem Staat auch eine Art Gebühr von meistens

vier Prozent des jeweiligen Kirchensteueraufkommens zahlen. Und

außerdem muss die Religionsgemeinschaft eine je nach Land

unterschiedlich große Mitgliederzahl haben.

 

Für den konfessionellen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen

braucht die Religionsgemeinschaft nicht Körperschaft des öffentlichen

Rechts zu sein. Wichtig ist aber, dass sie wirklich auf Dauer besteht

und dauerhaft repräsentativ ist - Schule ist ja für die Schüler schon

eine längerfristige Angelegenheit und sie müssen verlässliche Noten

bekommen. Für die Vertretung in Organen des öffentlich-rechtlichen

Rundfunks wird es in der Sache besonders auf die Zahl der

repräsentierten Muslime ankommen.

 

epd: In der Vergangenheit wurde immer wieder argumentiert, es fehle

auf islamischer Seite ein repräsentativer Ansprechpartner für die

Politik, um die Bedingungen für islamischen Religionsunterricht an

öffentlichen Schulen klären zu können. In anderen Ländern gibt es

bereits, teilweise mit staatlicher Mithilfe derartige Muslimräte als

Vertretungsgremien. Worin unterscheidet sich die Situation in

Deutschland mit rund 3,5 Millionen Muslimen von derjenigen etwa in

Frankreich, Belgien, den Niederlanden oder Großbritannien?

 

Robbers: In jedem dieser Länder ist die Rechtslage ganz

unterschiedlich. Die Traditionen sind ganz anders. In Frankreich gibt

es zum Beispiel grundsätzlich - mit einzelnen Ausnahmen - keinen

Religionsunterricht an den öffentlichen Schulen, da stellt sich die

Frage von Grund auf anders. In England gibt es an den öffentlichen

Schulen einen allgemeinen Religionskundeunterricht, an dessen

Gestaltung die regional vorherrschenden Religionsgemeinschaften,

besonders die anglikanische Kirche, neben dem Staat beteiligt sind;

dort sind oft auch Muslime auf regionaler Ebene vertreten.

 

In Deutschland ist wichtig, dass die Muslime einen angemessenen

Religionsunterricht bekommen. Das integriert die Kinder auch in den

allgemeinen Werthorizont der Verfassung, weil dann der

Religionsunterricht Teil der Schule ist und nicht mehr in die

Hinterhöfe abgedrängt wird. Wir haben immerhin etwa 700.000

muslimische Schülerinnen und Schüler in Deutschland.

 

 

 

Evangelischer Pressedienst (epd)

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