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Qries Qries Qries Qries Qries Qries

Das weiße Pferd


Lamya

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:bism:

 

:selam:

 

Die nachfolgende Geschichte trug sich zur Zeit Laotses in China zu und Laotse liebte sie sehr.

 

Einst lebte ein alter Mann in einem kleinen Dorf in China. Er war sehr arm, doch gar Könige beneideten ihn wegen seinem Besitz, denn er besaß ein wunderschönes weißes Pferd, welches die Augen eines jeden Menschen erstrahlen ließ.

Die reichsten unter den Königen boten ihm die fantastischsten Summen, doch er widerstand und entgegnete: „Mein Pferd ist für mich mein Freund, und wie könnte ich einen Freund für etwas Geld der Welt verkaufen? Das werde ich nie und nimmer tun.“

Der Mann war arm, doch sein Pferd verkaufte er nie.

 

Eines Morgens fand er sein Pferd nicht im Stall. Das ganze Dorf versammelte sich und die Leute sagten: „Du dummer alter Mann! Wir haben immer gewusst, dass das Pferd eines Tages gestohlen würde. Es wäre besser gewesen, du hättest es verkauft. Welch ein Unglück!"

Der alte Mann sagte: „Geht nicht so weit, das zu sagen. Saget einfach: Das Pferd ist nicht im Stall. Soviel ist Tatsache; alles andere ist Urteil. Ob es ein Unglück ist oder ein Segen, weiß ich nicht, weil dies ja nur ein Bruchstück ist. Wer weiß, was darauf folgen wird?"

Die Leute lachten den Alten aus. Sie hatten schon immer gewusst, dass er ein bisschen verrückt war.

 

Nach fünfzehn Tagen kehrte eines Abends das Pferd plötzlich wieder heim. Es war nicht gestohlen worden, sondern in die Wildnis ausgebrochen. Und nicht nur das, es brachte auch noch ein Dutzend wilder Pferde mit sich.

Wieder versammelten sich die Leute und sie sagten: „Alter Mann, du hattest Recht. Es war kein Unglück, es hat sich tatsächlich als ein Segen erwiesen." Der Alte entgegnete erneut: „Wieder geht Ihr zu weit. Sagt einfach: Das Pferd ist zurück... wer weiß, ob das ein Segen ist oder nicht? Es ist nur ein Bruchstück. Ihr lest nur ein einziges Wort in einem Satz - wie könnt Ihr so das gesamte Buch beurteilen?"

Dieses Mal wussten die Leute nicht viel einzuwenden, aber innerlich wussten sie, dass der Alte Unrecht hatte. Zwölf herrliche Pferde waren gekommen...

 

Der alte Mann hatte einen einzigen Sohn, der die Wildpferde zu trainieren begann. Schon eine Woche später fiel er vom Pferd und brach sich die Beine.

Wieder versammelten sich die Leute und wieder urteilten sie. Sie sagten: „Wieder hattest Du Recht! Es war ein Unglück. Dein einziger Sohn kann nun seine Beine nicht mehr gebrauchen und er war die einzige Stütze deines Alters. Jetzt bist Du ärmer als je zuvor."

Der Alte antwortete: „Ihr seid besessen vom Urteilen. Geht nicht so weit. Sagt nur, dass mein Sohn sich die Beine gebrochen hat. Niemand weiß, ob dies ein Unglück oder ein Segen ist. Das Leben kommt in Fragmenten und mehr bekommt Ihr nie zu sehen."

 

Es begab sich, dass das Land nach ein paar Wochen einen Krieg begann. Alle jungen Männer des Ortes wurden zwangsweise zum Militär eingezogen. Nur der Sohn des alten Mannes blieb zurück, weil er verkrüppelt war. Der ganze Ort war von Klagen und Wehgeschrei erfüllt, weil dieser Krieg nicht zu gewinnen war und man wusste, dass die meisten der jungen Männer nicht nach Hause zurückkehren würden.

Sie kamen zu dem alten Mann und sagten: „Du hattest Recht, alter Mann - es hat sich als Segen erwiesen. Dein Sohn war zwar verkrüppelt, aber immerhin ist er noch bei dir. Unsere Söhne sind nun für immer fort."

Der alte Mann antwortete wieder und sagte: "Ihr hört nicht auf zu urteilen. Niemand weiß! Sagt nur dies: Dass man Eure Söhne in die Armee eingezogen hat und dass mein Sohn nicht eingezogen wurde. Doch nur Gott, nur das Ganze weiß, ob dies ein Segen oder ein Unglück ist."

 

Im Urteilen sind wir nicht eins mit dem Ganzen. Wir sind mit Bruchstücken beschäftigt und aus kleinen Dingen ziehen wir voreilige Schlüsse. Im Urteilen bleiben wir stehen und trennen uns vom Wachstum. Der Verstand neigt zum schnellen Urteilen, denn für ihn ist es immer beunruhigend, in Bewegung zu bleiben. Tatsächlich ist die Reise nie zu Ende. Der Pfad endet - ein anderer beginnt, die eine Tür schließt sich, eine andere öffnet sich. Wir erklimmen einen Gipfel, es gibt einen höheren Gipfel. Der Weg zu Allah(swt) ist eine endlose, aber wunderbare Reise. Die Menschen, die mutig genug sind, sich über das Ziel keine Sorgen zu machen, die mit der Reise zufrieden sind, einfach nur im Augenblick leben und in ihn hineinwachsen, diese Menschen sind fähig mit dem Ganzen zu gehen.

 

Möge Allah(swt) uns Verstand geben! Amin!

 

:vesselam:

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