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“Die Jugend braucht Perspektiven”

 

Cemil Sahinöz ist deutsch-türkischer Soziologe, Journalist, Autor und Doktorand der Theologie und Islamwissenschaften. Er konnte bereits in vielen türkischen sowie deutsch-islamischen Zeitungen und Zeitschriften Kolumnen schreiben. Er ist außerdem Gründer und Chefredakteur der Ayasofya-Zeitschrift. Zudem ist er als Integrationsbeauftragter des DRK für den Kreis Güterloh und als psychologischer Familienberater zuständig.

 

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Hallo Herr Sahinöz. Sie sind Redakteur der Zeitschrift "Ayasofya". Welche Ziele haben Sie sich da gesetzt. Was wollten Sie vor der Gründung der Zeitschrift erreichen?

 

Die Ayasofya entstand als Idee im Rahmen unserer Misawa Projekte. Wir hatten das Gefühl, dass es an jungen muslimischen Autoren in Deutschland fehlt. Diese Lücke wollten wir mit der Ayasofya füllen. Die Ursprungsidee war, junge Autoren mit professionellen Autoren zusammenzubringen, um sie auszubilden. Dabei legten wir großen Wert darauf, dass die Zeitschrift unabhängig bleibt. Daher holten wir uns junge Autoren aus allen islamischen Gruppierungen und Orientierungen. Mai 2001 war es dann soweit. Die erste Ausgabe erschien. Seit dem erscheint die Zeitschrift alle drei Monate ununterbrochen. In den folgenden Jahren hat sich dann ein weiteres Ziel ergeben: ein Netzwerk an muslimischen Autoren aufzubauen. Daran arbeiten wir jetzt.

 

Schätzen Sie die Zeitschrift erfolgreich ein?

 

Ob die Ayasofya erfolgreich ist oder nicht, kann ich nicht beurteilen. Das wäre nicht objektiv. Ich kann ihnen aber sagen, dass wir Abonnenten aus vielen Ländern haben, wie z.B. Österreich, Türkei, USA, Luxemburg, Frankreich, Australien, Niederlande, England, Schweiz und natürlich Deutschland. Zudem ist die Ayasofya, so weit mit bekannt, die einzige muslimische Zeitschrift in Deutschland, die ununterbrochen seit 10 Jahren als Printausgabe erscheint. Ich denke, wenn wir bald die 10.000 Auflagen-Hürde geknackt haben, können wir erfolgreicher werden.

 

Sie sind sehr bekannt wegen ihren Beiträgen zur hiesigen Integration besonders der Muslime. Außerdem sind Sie offizieller Integrationsbeauftragter. Wie gelingt ihrer Meinung nach eine Integration?

 

Ich denke nicht und ich hoffe auch nicht, dass ich sehr bekannt bin. Popularität schadet der eigentlichen Arbeit. Ich denke Integration kann nur dann gelingen, wenn nicht mehr auf Ethnie oder die Herkunft geachtet wird. Also wenn ich als Autor angesehen werde und nicht mehr als türkischer, deutscher oder deutsch-türkischer Autor.

 

Was sind die Probleme und wie sollten Muslime vorgehen?

 

Die Probleme in der Gesellschaft sind nicht ethnisch bedingt. Sie sind eher abhängig von der sozialen Herkunft. Hier dran muss gearbeitet werden. Chancengleichheit muss auf allen gesellschaftlichen Ebenen und für alle gesellschaftlichen Güter vorhanden sein. Gleichzeitig sollten Muslime in Deutschland nicht mehr in ihre Ursprungsheimat investieren, weder materiell noch geistlich. Ein Heimatbezug zu Deutschland zu entwickeln, wird ein wichtiger Faktor für die Integration sein. Dieser großen Herausforderung müssen sich beide Seiten stellen.

 

Welche Vision sollten muslimische Jugendliche in Deutschland haben? Vielleicht eins zwei Worte zur Öffentlichkeitsarbeit und aktiver Teilnahme am gesellschaftlichen Leben?

 

Allgemein denke ich, egal ob muslimisch oder nicht, dass die Jugendlichen in Deutschland perspektiv- und ziellos sind. Es fehlt ihnen an Orientierungen und Wegen. Bei muslimischen Jugendlichen sehe ich zu oft, dass sie sehr gute Projekte auf die Beine bringen, die dann aber nach einigen Jahren, spätestens nach Beendigung des Studiums, eingestampft werden, weil die Projekte nichts anderes waren als eine Art Zeitvertreib während des Studiums und die Beteiligten auseinander driften. Daher wünsche ich mir eine muslimische Jugend in Deutschland, die zielstrebig arbeitet, sich für die gesamte Gesellschaft aktiv einsetzt und höhere Ziele hat als persönlicher materieller Reichtum, Anerkennung oder Status. Denn wir leben alle in Deutschland und sollten für die deutsche Gesellschaft, zu der Muslime als auch Nichtmuslime gehören, aktiv beitragen. Ich würde mir wünschen, dass das Zahnräder-Netzwerk, welches das Potenzial dazu hat, diese wichtige Aufgabe unter den muslimischen Jugendlichen fördert.

 

Im Rahmen ihrer Arbeiten als Buchautor; wie waren die Leserfeedbacks, auf welche Themen legen Sie besonders wert und was planen Sie sich für die Zukunft?

 

Es kommen sowohl positive Feedbacks als auch negative. Beides ist gut und wichtig. Womit man gar nichts anfangen kann sind persönliche Angriffe, Neid oder übertriebenes Lob. Das sind Extrempunkte, die zu nichts beitragen. Die Themen, mit denen ich mich beschäftige, sind soziologischer, theologischer, philosophischer und psychologischer Natur. Von den anderen Wissenschaften verstehe ich nicht viel. Daher halte ich mich raus. Übrigens würde ich mir dies von anderen Autoren ebenfalls wünschen. Ich möchte niemanden persönlich angreifen, aber es ist wohl ein deutsches Phänomen, das plötzlich Juristen, Informatiker, Wirtschaftler oder BWLer zu Theologen mutieren. Das macht nicht viel Sinn, da die Methoden und Arbeitsweisen dieser Wissenschaften sehr unterschiedlich sind. So bleiben die Debatten immer auf dem gleichen Level. Man kommt nicht weiter. Im Moment arbeite ich am Buch „Islamisches Wörterbuch“ und an einem türkischen Buch. Beide Bücher sind fertig geschrieben, so dass bald die Verlagssuche beginnen kann. Danach ist aber erst einmal Schluss mit dem Bücherschreiben. Meine Doktorarbeit schreibt sich ja nicht von selbst.

 

Das Interview führte Fatih Cicek

 

Integrationsblogger, 03.05.2011

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