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Die neue Rechte - 14 | 9 | 2011

Politically Incorrect

 

Im Netz der Islamfeinde

 

 

Diese Karikatur stammt aus dem Umfeld von Politically Incorrect. Sie

zeigt einen zur Moschee umgestalteten Reichstag, mit dem vor einer

Übernahme der deutschen Politik durch Islamisten gewarnt werden soll.

Von Steven Geyer und Jörg Schindler

Sie nennen sich Politically Incorrect, sie kämpfen gegen die

Islamisierung Europas. Hinter dem erfolgreichen Internetportal steht

ein internationales Netz von Islamfeinden und Volksverhetzern.

Als die anti-islamische Gemeinde Deutschlands am 3. September zur

Jahreshauptversammlung nach Berlin lud, richteten sich alle Augen auf

den Chefideologen Geert Wilders. Gegen 13.50 Uhr betrat der

hochgewachsene Holländer unter Gejohle den Festsaal des Maritim-Hotels,

gefolgt von einem Tross Gleichgesinnter.

Ganz hinten in der Reihe lief ein ebenso schlanker und ebenso gut

gebräunter Mann. Ohne viel Aufhebens nahm er in der ersten Reihe Platz,

schwieg und beklatschte sein Idol. Die wenigsten im Saal beachteten den

sportlichen Mittvierziger. Dabei hätte Stefan Herre durchaus größere

Aufmerksamkeit verdient.

Stefan Herre ist Sportlehrer, Amerikafreund und dezidierter Islamfeind.

Der Kölner bezeichnet sich selbst als Gründer und Moderator des

Internet-Blogs Politically Incorrect (PI), der es im Laufe seines

siebenjährigen Bestehens zum Zentralorgan der deutschen Islamphobiker

gebracht hat. Herre betont gerne und oft, dass der Blog auf dem Boden

des Grundgesetzes stehe und nur friedliebenden Menschen ein Forum biete.

Im Übrigen sei PI eine Art Nachrichtenportal für Meldungen, die sonst

keiner bringe. Das ist gelinde gesagt untertrieben.

Dokumente, die der Frankfurter Rundschau zugespielt wurden, belegen,

dass PI weit mehr ist als eine harmlose Internetseite. Es handelt sich

vielmehr um eine Organisation, die zum Teil hochkonspirativ an der

Verteufelung einer ganzen Glaubensgemeinschaft arbeitet. Die in einem

internationalen Netzwerk von Islamhassern eine entscheidende Rolle

spielt und diese noch auszuweiten gedenkt. Die Gewaltverherrlichern und

Rassisten, deren Weltbild dem des norwegischen Massenmörders Anders

Breivik ähnelt, ein Forum bietet. Und in der die Person Stefan Herre

weit mehr ist als ein bloßer Moderator.

Herre, 46 Jahre alt, gründete PI im November 2004, eine Woche nach dem

Mord an dem holländischen Islamkritiker Theo van Gogh. Vorwiegend als

Fanseite für US-Präsident George W. Bush gedacht, verwandelte sich der

Blog schnell in ein Sammelbecken für Muslimfeinde, die zwischen Islam

und Islamismus nicht unterscheiden.

In der PI-Welt dominiert die Überzeugung, dass es nur gewaltbereite

Muslime gibt und solche, die sich bis zum Ausbruch einer islamischen

Revolution in Europa zum Schein friedlich geben. PI versteht sich als

Bollwerk gegen diese Umwälzung. Der Islam, sagt Herre, sei keine

Religion, sondern eine Gewalt-Ideologie, die genauso behandelt werden

müsse. Nach und nach gewann er mit solchen Thesen zahlreiche

Mitstreiter, darunter eine Reihe enttäuschter CDU/CSU-Leute.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die Strippenzieher der Organisation -

wer zum inneren Zirkel gehört.

Der innerste Führungszirkel lässt es zu, dass in dem Blog Muslime als

Gesindel, Abschaum und Türkendreck beschimpft und zum bewaffneten Kampf

gegen den Islam aufgerufen werden kann. Und das mitnichten nur in den

Kommentarspalten. Auch in den redaktionellen Beiträgen finden sich

hetzerische und rassistische Aussagen. Heute hat die Seite bis zu 60.000

Besucher täglich. Die Macher und Autoren des Blogs jedoch bevorzugen die

Anonymität und legen gezielt falsche Fährten.

So behauptet etwa Herre, weil er mehrfach bedroht worden sei, habe er

seinen Blog vor vier Jahren an eine Person aus dem Ausland verkauft

und sei nur noch gelegentlicher Autor. Tatsächlich ist er nach wie vor

der entscheidende Strippenzieher der Organisation. Bei der Person aus

dem Ausland handelt sich um die Schweizer Pfarrerin Christine Dietrich,

die offiziell schon vor Jahren als PI-Mitstreiterin ausgeschieden sein

soll.

Tatsächlich wird die anti-muslimische Predigerin aus der Gemeinde

Siselen, das belegen unzählige Mails, von Herre, in alle relevanten

Führungsentscheidungen eingebunden und ist nach wie vor als Autorin

tätig. Dietrich, die unter dem Pseudonym Thorin Eisenschild firmiert,

hat direkten Zugriff auf den PI-Server der Firma Liquid.

Unterstützt werden Herre und Dietrich von etwa einem halben Dutzend

engster Mitarbeiter, darunter Polizeioberkommissar Torsten Groß, der zu

den Führungsfiguren der Rechtsaußen-Partei Bürger in Wut zählt. Diese

sorgte im Frühjahr mit ihrem Wiedereinzug in die Bremer Bürgerschaft

bundesweit für Schlagzeilen. Ebenfalls zum innersten PI-Zirkel gehört

Michael Stürzenberger alias byzanz, ein früherer CSU-Mann und

Ex-Sprecher der Strauß-Tochter Monika Hohlmeier. Und Christian Jung

alias Nockerl, der bis vor kurzem in der Ausländerabteilung des

Kreisverwaltungsreferats München arbeitete. Dass Jung und Stürzenberger,

der den Nationalsozialismus auf PI eine linke Bewegung nannte,

Führungsfunktionen in der islamfeindlichen Partei Die Freiheit

innehaben, ist kein Zufall.

Seit Gründung der Freiheit im Herbst 2010 durch den Berliner

CDU-Renegaten Rene Stadtkewitz pflegen Herre & Co. engste Kontakte zu

der anti-islamischen Ein-Themen-Partei. Die Duz-Freunde Herre und

Stadtkewitz haben Wilders ersten Berlin-Auftritt gemeinsam organisiert

und beraten regelmäßig über die strategische Ausrichtung der Partei, die

sich mit einem Triumph bei der Berlinwahl am kommenden Sonntag im

wachsenden Kreis der europäischen Rechtspopulisten etablieren will.

Das Ziel von Herre und den restlichen Freiheit-Kämpfern ist eindeutig:

Unter dem Deckmantel des Kampfes für Menschenrechte sollen der Zuzug von

Muslimen gestoppt, ihre Unterstützer mundtot gemacht und Europa zu einer

rein jüdisch-christlichen Wagenburg ausgebaut werden. Um dieses Ziel zu

erreichen, ist den Gegnern der so genannten political correctness

anscheinend jedes Mittel und jede Allianz recht.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die internationalen Kontakte von PI.

So unterhalten Herre und der Freiheit-Vorstand nicht nur enge

Beziehungen zum anti-islamischen Verein Bürgerbewegung Pax Europa

sowie zu etlichen Rechtsaußen-Parteien in ganz Europa. Der bekennende

Israelfreund Herre hat es offenbar auch in Jerusalemer Politikkreisen

schon weit gebracht. So schrieb er in einer Mail vom 25. November 2010

an Stadtkewitz: Wir waren dort zu zwei Gesprächen mit hochrangigen

Vertretern des Ministeriums gemeint ist das israelische

Außenministerium. Interessant ist das auch deshalb, weil gewaltbereite

Organisationen wie die Jüdische Verteidigungsliga bereits mehrfach

Werbeplatz auf Herres PI-Seite zur Verfügung gestellt bekamen.

Auch nach Amerika hat das PI-Team längst seine Fühler ausgestreckt. Am

5. April 2011 ließ Herre per Mail wissen: Ich stehe seit ein paar

Wochen in ständigem Kontakt zum amerikanischen Pastor Terry Jones.

Jones, Sprecher einer obskuren christlich-fundamentalistischen Gruppe

namens Stand Up America!, sorgte im Herbst 2010 weltweit für Aufsehen,

als er ankündigte, öffentlich den Koran zu verbrennen. Auf der Suche

nach einem Partner, der ihm ein europäisches Forum bieten könnte, stieß

er auf PI.

Dessen Macher Herre bot hocherfreut an, einen Jones-Auftritt in

Deutschland zu organisieren. Als möglichen Kooperationspartner wählte

der wendige Extremsportler in diesem Fall ausgerechnet die PRO-Bewegung,

deren Führung von ehemaligen Kadern rechtsextremistischer Parteien

durchsetzt ist und die in Berlin ein ähnliches Wählersegment umwirbt wie

Die Freiheit. Dass Letztere um als bürgerlich gemäßigt zu gelten und

vom Verfassungsschutz in Ruhe gelassen zu werden ein nahezu manisches

Abgrenzungsverhalten gegenüber klassischen Rechtsextremisten an den Tag

legt, scheint Herre egal zu sein.

Der Kölner mit dem ungeheuren Geltungsdrang holt vielmehr ins Boot, was

auf seinem langen Weg zu Europas Befreiung vorbeigeschwommen kommt.

Unter den Dokumenten, die der Frankfurter Rundschau vorliegen, befinden

sich mal mehr, mal weniger intensive Korrespondenzen mit etlichen

Organisationen und Privatpersonen. Darunter hierzulande sattsam bekannte

Islamkritiker wie Ralph Giordano oder Henryk M. Broder was seltsam

ist: Bestreitet Broder doch eine Nähe zu Politically Incorrect.

Die Strahlkraft des Blogs scheint inzwischen sogar bis in lupenrein

demokratische Parteien zu reichen. Anders jedenfalls ist es nicht zu

erklären, dass auch der Stresemann-Club ein rechtslastiger Verein

innerhalb der FDP Kontakt mit dem lieben Stefan aufgenommen hat.

Gleiches gilt für die Senioren-Union der CDU Deutschlands. Deren

Geschäftsführer Dirk Hülsenbeck wandte sich am 19. Mai an das PI-Team,

weil er Sympathie für Ihr Engagement empfindet. Es gebe viele in der

CDU, die die Union von innen erneuern möchten, so Hülsenbeck, der einen

islamfeindlichen Blog dafür offenbar als Mittel zum Zweck erachtet.

Daher bot er PI an, gelegentlich brauchbare Infos zu liefern.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Wie Herre Islamkritiker und fanatische

Islamfeinde vernetzt.

Und so bastelt Herre nach und nach an einer Organisation, die

Islamkritiker und fanatische Islamfeinde eng miteinander vernetzt. Zu

Letzteren gehört auch der Rechtsaußen-Publizist Michael Mannheimer,

bei dem es sich um den Heilbronner Karl-Michael Merkle handelt. Er ist

geschätzter Gastautor auf PI und ein weiterer Duz-Freund von Herres.

Mannheimer gilt spätestens seit April dieses Jahres als gefährlicher

geistiger Brandstifter innerhalb der Islamhasser-Szene. Damals

veröffentlichte er einen Aufruf zum allgemeinen Widerstand des

deutschen Volkes. Gegen Islamversteher und alle so genannten

Gutmenschen, so Mannheimer, sei die Inkraftsetzung und schonungslose

Anwendung des Widerstandsrechts legitim inklusive des bewaffneten

Kampfes.

Mannheimer bewarb auch mehrfach die vor einigen Monaten lancierte

Website Nürnberg 2.0, einen perfiden Internet-Pranger, der allen

Multikulti- und Integrations-Befürwortern mit einem zweiten Nürnberger

Kriegsverbrecherprozess droht. Wer hinter dieser Seite steckt, ist

unklar. Ein Link führt allerdings zu einem Netzwerk Demokratischer

Widerstand und von dort aus zu einer Seite namens PI-Gruppen.

Zufall?

Auch innerhalb des Politically Incorrect-Teams ist durchaus

umstritten, dass sich Herre zunehmend politisch einmischt und bei der

Partnerwahl vollkommen willkürlich entscheidet. Ende 2010 kam es deshalb

zu einer Meuterei zweier Mitstreiter der ersten Stunde. Herres

Geltungssucht habe den Blog auf einen fragwürdigen Weg geführt,

schreiben die beiden, die der PRO-Bewegung nahestehen und Herres

Verbrüderung mit der Freiheits-Partei daher rigoros ablehnen. Ein Kurs

sei nicht mehr erkennbar, bei all der Fremdeinmischung politischer

Interessengruppen und eitler Selbstdarsteller, die Stefan mit allerlei

Versprechen auf große Karriere zu ihrem willfährigen Hofberichterstatter

machten. Herre las es und schloss die Weggefährten vorübergehend

aus.

Auch andere Kritik an seinem Kurs lässt der Blog-Wart nicht gelten.

Wiederholt beschwerten sich regelmäßige Autoren zuletzt über zu krasse

Muslim-Hetze, Schwulenfeindlichkeit oder rechtsextreme Beiträge. So

schimpfte der Stammautor Frank Furter, der in der Partei Freiheit

unter seinem, der Redaktion bekannten, Klarnamen mitmischt: Es schadet

uns allen, wenn PI so auftritt wie rechte Hetzerseiten a la Altermedia.

Vor allem ein Autor namens Kewil schieße ständig übers Ziel hinaus. Er

sei im Grunde der Moslem auf PI. Er kommt, integriert sich nicht, will

ständig extra Würste, baut nen haufen Scheisse und wundert sich dann

noch über das Echo der ,Mehrheitsgesellschaft.

Herre ließ es an sich abtropfen und beschimpfte mosernde Mitstreiter wie

Frank Furter hinter deren Rücken als Gehirngewaschene, auf die er

zur Not auch verzichten könne. Er halte es für völlig falsch, PI

moderater zu machen, schrieb er in einer Mail an seine Kritiker.

Tatsächlich hat er wohl etwas ganz anderes vor. Schon heute ist PI weit

mehr als ein virtueller Treffpunkt von Fanatikern. In etwa 50 deutschen

Städten, aber auch in Österreich, der Schweiz und Tschechien, gibt es

PI-Gruppen, deren Führer eine Verpflichtungserklärung unterzeichnen

sollen und deren Aufgabe darin besteht, sich regelmäßig konspirativ zu

treffen, um Strategien für die Beeinflussung der Öffentlichkeit zu

entwerfen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Die Strategien der PI-Anhänger.

Ein ganzes Arsenal davon haben die PI-Anhänger mittlerweile entwickelt:

etwa die lautstarke Störung von Diskussionsrunden über den Islam, die

gezielte Verunglimpfung von Gutmenschen in den Kommentarspalten

verhasster Medien oder die Versendung unzähliger Hassmails an

vermeintlich linke Meinungsmacher.

Wes Geistes Kind die PI-Fußtruppen sind, zeigt anschaulich eine Rundmail

aus der PI-Gruppe Innsbruck vom 26. Juli dieses Jahres. Nur vier Tage

nach dem Massaker des Islamhassers Anders Breivik schreibt der

Verfasser, in Norwegen gebe es so viel Multikulti, das tut schon weh.

Ein leichtes Spiel für einen Massenmörder, nicht nur diesen Breivik. Für

den PI-Führungszirkel sind solche Äußerungen fatal. Versucht man doch

öffentlich alles, um als friedliebende Gemeinschaft dazustehen, die im

Dienst von Menschenrechten und Meinungsfreiheit den Islam kritisiert.

So befahl Herre kurz nach dem Massaker, keiner bei PI solle Breivik

ungefragt erwähnen. Bei Fragen zu dem Attentäter gelte:

uneingeschränktes Bekenntnis zum Grundgesetz und klare Distanzierung

von jeglicher Gewaltanwendung. Intern freilich war Breivik tagelang

Gesprächsthema Nummer 1. Selbst Co-Chefin Dietrich räumte ein, dass

Breiviks wirre Thesen auch in diesem Forum stehen könnten.

Dass die Texte und Kommentare auf PI mitunter juristischen Sprengstoff

enthalten, ist den Verantwortlichen offenbar schon lange bewusst. Zudem

treibt sie die Frage um, wie sie verhindern können, für jede Aktion der

zahlreichen PI-Gruppen haftbar gemacht zu werden. Herres damaliger

Anwalt entwarf daher bereits im Frühjahr 2010 ein Gründungskonzept für

einen PI-Verein, dessen Satzung jedes einzelne Mitglied abzeichnen

müsste.

Es sei von Vorteil, so der Jurist, wenn jede PI-Gruppe

eigenverantwortlich handeln und lediglich die Namens- und Markenrechte

von PI erhalten würde. Rockerbanden wie die Hells Angels und Bandidos

machten das auch so: Wird eine Ortsgruppe als kriminelle Vereinigung

verboten, bleiben die anderen weiter erlaubt Davon kann man lernen.

Über den Namen eines solchen Vereins hat man sich intern auch schon

Gedanken gemacht. Allerdings nicht zu jedermanns Zufriedenheit. Hallo

Stefan, schrieb im August 2010 ein befreundeter Unternehmensberater:

Den vorgesehenen Namen Politically Incorrect Germans PIG e.V. halte

ich für nicht ideal, weil schon das Kürzel PIG gewisse Zweifel an der

Ernsthaftigkeit des Projekts aufkommen lässt.

Und die kann nach sieben Jahren PI eigentlich niemand mehr haben.

 

Artikel URL:

www.fr-online.de/die-neue-rechte/-politically-incorrect--im-netz-der-islamfeinde,10834438,10835026

.html

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Parteien, Populisten, Publizisten

 

http://www.berlinonline.de/imperia/md/images/berlinerzeitung/styles/icon_zoom.gifhttp://www.berlinonline.de/imperia/md/images/berlinerzeitung/110914_prodeutschland_dpa_420_240.jpg Foto: dpa

PI- Gründer Herre pflegt Kontakt mit dem Pro-Köln- Bundesvorsitzenden und rechten Multifunktionär Manfred Rouhs (Ex-Kader von NPD, REPs und weiteren).

Von Jörg Schindler und Steven Geyer

Berlin - Sie nennen sich "Politically Incorrect" und kämpfen gegen die "Islamisierung Europas". Sie veröffentlichen Nachrichten, die von den Medien angeblich unterdrückt werden. Hinter dem erfolgreichen Internetportal steht in Wahrheit ein international agierendes Netzwerk von Islamfeinden und Volksverhetzern. Jörg Schindler und Steven Geyer haben hinter den Kulissen von PI recherchiert. Sie stießen auf Extremisten, Populisten, Gewaltverherrlicher – und auf prominente Autoren, Christdemokraten und Liberale.

 

 

Pro Deutschland:

 

Als die Fußtruppen der Islamhasser gegen die "Islamisierung" von Europa, Deutschland und Köln-Deutz durch die Domstadt zogen, fehlte bei dem "Marsch für die Freiheit" ironischerweise die Partei gleichen Namens: "Die Freiheit". Das lag daran, dass zu dem europäischen Szenetreff - so waren auch FPÖ und Vlaams-Belang zu Gast - Pro-NRW gerufen hatte. Die 1996 gegen einen Moscheebau in Köln gegründete Partei wurzelt in der rechtsextremen Szene, wimmelt vor Ex-NPD-Mitgliedern und wird vom Verfassungsschutz wegen "Verdachts auf Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung" überwacht.

 

 

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Spätestens als Pro-NRW-Generalsekretär Markus Wiener als Gastredner einer Republikaner-Tagung deren Mitglieder zum Marsch einlud, musste "Die Freiheit" passen: Sie meidet offene Nähe zu Neonazis. Darum forderten ihre Funktionäre auch von ihrem Duzfreund Stefan Herre, sein Blog "Politically Incorrect" (PI) möge sich von "Pro" distanzieren. Immerhin schreiben die Freiheit-Leute gratis für PI, beliefern Herre mit Themen, sehen PI als ihren publizistischen Arm. Herre handhabt das anders: Er pflegt Kontakt nicht nur mit Wiener, sondern auch mit dem Pro-Köln-Gründer und rechten Multifunktionär Manfred Rouhs (Ex-Kader von NPD, REPs und weiteren) und dessen Weggefährten Bernd Schöppe.

 

Auch mit ihnen ist er per Du, bot ihnen einen Aufruf zum "Marsch" auf PI an, veröffentlicht Texte von Pro-Aktivisten. Da wirkt es absurd, dass Kandidaten vor Beitritt zu Ortsgruppen von PI geloben müssen, "rechtsextremistisches und ausländerfeindliches Gedankengut" abzulehnen.

 

 

Die Freiheit:

 

Am 9. April 2011 erhalten die Führungsleute von "Politically Incorrect" eine Mail. "Lieber Stefan, liebe Christine", schreibt der Absender, er wende sich an sie, "da PI-News eines der wichtigsten Glieder der deutschen Islamkritik ist". Dann kommt er zum Thema. Dass PI führenden Vertretern der PRO-Bewegung - und damit auch ehemaligen Kadern rechtsextremistischer Parteien - ein Forum biete, schade der gemeinsamen Sache. "Du willst eine islamkritische Wende in Deutschland vollziehen, aber dann musst du auch die breite Mitte der Gesellschaft ansprechen.. Du brauchst den bürgerlichen Grünen-Wähler, der den Islam ätzend findet. Auch den nationalen Linksparteiwähler. Auch die ganzen Sarrazin-Anhänger in der SPD. Und auch die Nationalliberalen in der FDP."

 

So schreibt es Marc Doll, Vizechef der Partei "Die Freiheit". Dass Doll sich so beschwörend an PI wendet, ist kein Zufall. Tatsächlich sind die Partei, die sich als grundgesetztreue Hüterin des wahren Konservatismus vermarktet, und der Blog eng verzahnt. Auf Anfrage sagte Doll zwar: "Keiner von uns ist bei PI drin." Aber das stimmt nicht. Mit Michael Stürzenberger und Christian Jung gehören zwei führende "Freiheit"-Funktionäre zum engsten PI-Zirkel. PI-Macher Stefan Herre und Freiheit-Chef René Stadtkewitz stimmten sich schon vor Gründung der "Freiheit" im Herbst 2010 eng ab und tun das bis heute - zum Teil hinter dem Rücken anderer Spitzenleute der "Freiheit". Dass PI gleichwohl Kontakt zu Rassisten und Rechtsextremisten pflegt, wirft auch ein Licht auf das "Freiheit"-Bekenntnis, mit solchen Personen nichts zu tun zu haben.

 

 

Europas Rechtspopulisten:

 

Auf der politischen Landkarte von Geert Wilders, Europas berühmtestem Islamgegner, ist Deutschland noch ein weißer Fleck. Er will das ändern. Seit einigen Jahren schon trommelt der Niederländer für seine "International Freedom Alliance", die nichts anderes sein soll als ein schlagkräftiges und grenzübergreifendes Bündnis gegen den angeblich weltweiten Vormarsch eines gewaltbereiten Islam. Wilders’ wichtigste Bündnispartner in Deutschland: Stefan Herres PI und Rene Stadtkewitz’ "Freiheit". Am Sonntag in Berlin will die ihren Siegeszug durch Deutschland beginnen. Daraus wird vermutlich nichts werden - die Umfragewerte sind miserabel.

 

An ihrem internationalen Netzwerk aber stricken die deutschen Islamfeinde unverdrossen weiter. Schon jetzt gibt es beste Kontakte zu einer Reihe ultranationalistischer und rechtspopulistischer Parteien. Dazu zählen die Schweizer , der belgische Vlaams Belang, die Schwedendemokraten und Israel Beitenu, deren ehemaliger Knessetabgeordneter Eliezer Cohen gern gesehener Gast der deutschen Anti-Islamisten ist. Auch die English Defence League gehört zum Dunstkreis der Allianz, eine aus der Hooligan-Szene entsprungene Partei, die wegen ihre Nähe zu gewaltbereiten Rechtsextremisten immer mal wieder auffällt.

 

Die europäischen Teilgliederungen des Netzwerks eint neben ihrer Islamphobie im Übrigen auch die Ablehnung der EU. Sie sind sich sicher, dass ihnen der derzeitige Streit um Euro und Rettungsschirme weiteren Zulauf bescheren wird.

 

 

Henryk M. Broder & Die "Achse des Guten":

 

Im August 2005 trafen sich 60 Gleichgesinnte in einem Münchner Lokal zur Kennenlern-Party: Der Blog "Achse des Guten", den der Publizist Henryk Broder mit zwei Kollegen betreibt, lud zum "Pro-westlichen Heimatabend". Zu Gast: Stefan Herre, Chef von PI, den Broder bis 2007 auch auf seiner Website empfahl. Zwar wurden Herre und Broder - dessen Polemik gegen Islam und "linksreaktionäres Gutmenschenpack" die PI-Fans verzückt - keine Freunde.

 

Zumindest sind sie per Sie - auch in den mindestens 30 Mails, die sie 2010 und 2011 austauschten. Dass sie sich überhaupt so oft schreiben, überrascht: Broder distanziert sich bisher von PI. "Was Politically Incorrect macht, ist meine Sache nicht", sagte er in 3 Sat. Als eine Bekannte Herre damit konfrontierte, schrieb der: "Mit Broder telefonier und email ich ab und zu. Dass er öffentlich was anderes über PI sagt, naja, damit muss ich leben." Auch Broders E-Mails sprechen nicht für große Distanz: Er bestellt Grüße an Geert Wilders oder bespricht mit Herre eine gemeinsame Veranstaltung mit Thilo Sarrazin. Umgekehrt fragt Herre den prominenten Autor um Rat.

 

So schickte er ihm am 9. Februar 2011 den Link zu einer PI-Veröffentlichung mit den Worten: "So ok?" Broders Antwort: "prima. b" Nur das PI-Forum, schrieb er Herre vor drei Wochen, sei "unter aller Sau". Gemeinsame Freunde sind auf Broders "Achse"dennoch willkommen: Jüngst ließ er Detlef Alsbach ausbreiten, wieso es in Deutschland "von Nachteil ist, Deutscher und von Vorteil ist", Türke zu sein. Alsbach ist Mitglied von Pro Köln - und Duzfreund von Herre.

 

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