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Neue Osnabrücker Zeitung: Eine Emsländerin unter dem Kopftuch

Farina Stockamp fand beim Sprachenlernen zum Islam

Papenburg. Farina Stockamp ist getauft, konfirmiert – und konvertiert. Im Jahr 2009 wechselte sie vom Christentum zum Islam. Ein ungewöhnlicher Weg, insbesondere im katholisch geprägten Emsland.

Trage ein Kopftuch, und du wirst nicht mehr für diejenige gehalten, die du bist! Farina Stockamp aus Papenburg hat genau das mehrfach erlebt. In ihrem Heimatland. „Ich wurde schon auf Urlaubstürkisch oder mit: ,Sie sprechen aber gut Deutsch‘ angesprochen“, berichtet die 21-Jährige. Ganz leicht schüttelt sie dabei ihren Kopf, den bis auf das Gesicht ein buntes Tuch umhüllt. „Die Zugehörigkeit zu einer Religion ist doch nicht automatisch mit einer Nationalität verbunden“, sagt sie und wundert sich, dass sie mit ihrem Kopftuch manchmal nicht mehr als Deutsche angesehen wird.

Allerdings entstammt die heute 21-Jährige einer protestantischen Familie. „Bei uns hat Religion im Alltag nie eine große Rolle gespielt“, sagt Stockamp, die ihren Wechsel selbst gar nicht so ungewöhnlich findet. Tisch- oder Abendgebete habe es in ihrer Familie beispielsweise nicht gegeben. In der Schule gehörte sie mit ihrer früheren Konfession (evangelisch-lutherisch) immer zur Minderheit. Also nahm sie je nach Angebot am evangelischen oder katholischen Religionsunterricht teil. Später, auf dem Gymnasium Papenburg, wählte sie das konfessionsfreie Fach „Werte und Normen“.

Zum Islam habe sie dann eher zufällig gefunden, sagt Stockamp. „Oder er hat mich gefunden.“ Fest steht, dass es während der Abiturzeit passierte. In einer Phase, in der die meisten Gymnasiasten ausschließlich für die ersehnte Bescheinigung der Hochschulreife

 

büffeln, schrieb sich Farina Stockamp aus freien Stücken zusätzlich für einen Arabisch-Kurs an der Volkshochschule ein. Warum? „Ich liebe Sprachen“, sagt sie. Nachdem sie in der Schule außer Latein und Englisch bereits Französisch und Spanisch gelernt hatte, „wollte ich unbedingt etwas machen, was aus der Reihe fällt“. Das zusätzliche Lernen parallel zum Abiturstress habe ihr nichts ausgemacht, im Gegenteil. Offen gesagt, sei es ihr in dem Zwei-Stunden-pro-Woche-Kurs sogar etwas zu langsam vorangegangen. Also tauchte Stockamp in die unendlichen Weiten des Internets ein und klickte sich durch Arabisch-Lernseiten. Vieles dort sei mithilfe des Korans erklärt worden. „Bis dahin wusste ich außer ein paar Bruchstücken aus dem Konfirmandenunterricht praktisch nichts über den Islam“, erklärt Stockamp. Sie räumt ein, dass sie Vorurteile gehabt habe. „Ich wollte mehr wissen, habe mich mit meinen Vorurteilen auseinandergesetzt und den Koran gelesen.“

Anders als die christlichen hätten sie die Lehren des Islam überzeugt. Die Konvertitin findet es zum Beispiel unglaubwürdig, dass ein Gott einen Sohn haben kann, wie es die Christen glauben. Sie teilt die Auffassung des Islam, nach der Gott nicht teilbar ist. Allah als Gott und sowohl Mohammed als auch Jesus als seine Propheten – das findet die Papenburgerin viel plausibler.

Ebenfalls überzeugt haben Stockamp die lebensnahen Regeln. „Es gibt keine Erbsünde. Jeder ist nur verantwortlich für das, was er selbst tut“, betont sie. Die Regeln helfen ihr, sich nicht von unbedeutenden Dingen ablenken zu lassen. „Gerade heute prasseln jeden Tag unzählige Eindrücke auf einen ein, sodass man Gefahr läuft, vom Weg abzukommen.“

Ruhepunkte und Oase im Alltag sind für sie deshalb auch die täglich fünf Gebetseinheiten am Tag zu festgelegten Zeiten. „Sie geben dem Tag eine feste Struktur.“ Die Gebetszeiten hält Farina Stockamp ebenso ein wie den Fastenmonat Ramadan. Mit weiteren Lebensregeln des Korans wie dem Alkoholverbot und dem Verzicht auf Schweinefleisch hatte die Papenburgerin im Übrigen von vornherein kein Problem. Sie lebte nach eigenen Angaben schon vor ihrem Übertritt zum Islam nahezu abstinent und ist seit acht Jahren überzeugte Vegetarierin.

Die Entwicklung des Glaubens ist für die Studentin dennoch ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist. Dazu gehört auch das Kopftuch, das Stockamp erst seit einem Jahr trägt. Sie hält es für ihre Pflicht. „Ich stehe zu meiner Religion“, sagt die 21-Jährige. Das Tuch sei ein äußerliches Zeichen ihres Glaubens. „Es sagt aber nichts darüber aus, was für ein Mensch man ist.“ Stockamp trägt das Kopftuch, wenn sie von Männern und Fremden umgeben ist. Zu Hause, in der Familie oder unter weiblichen Vertrauten legt sie es ab. Und doch mussten sich auch ihre Eltern und ihre beiden jüngeren, 17 und 19 Jahre alten Brüder an Stockamps Religionswechsel gewöhnen. „Aber zum Glück ist meine Familie sehr tolerant“, sagt die Studentin. Ihre Mutter ist bei der Diakonie als Sozialarbeiterin angestellt und vertritt seit November die Grünen im Papenburger Stadtrat, ihr Vater ist Gartenbau-Ingenieur. Außerhalb der Familie sei schnell klar gewesen, wer ihre wahren Freunde seien.

An die verstohlenen Blicke manch anderer Mitmenschen, zum Beispiel beim Joggen, und Getuschel hinter ihrem Rücken hat sich die Emsländerin gewöhnt. „Ich kann oberflächlich ablehnende Haltung verstehen. Ich hatte ja schließlich selbst Vorurteile.“ Sehe sie sich mit negativen Reaktionen konfrontiert, probiere sie meistens, mit

 

Freundlichkeit zu kontern. „Ich wünsche dann einen schönen Tag und versuche zu lächeln. Damit bin ich gut gefahren.“

Einmal habe tatsächlich jemand „Achtung, Bombe!“ gerufen, als er Stockamp erblickt habe. „Das war wohl irgendein Halbstarker“, sagt die Papenburgerin und kann darüber mittlerweile lachen. In die Ecke fundamentalistischer Fanatiker sieht sie sich jedenfalls nicht gedrängt. „Ich glaube nicht ernsthaft, dass mich jemand für eine islamistische Terroristin halten würde.“ Für sie hat der Koran im Übrigen nichts mit Fundamentalismus zu tun. Das gilt nach ihrer Auffassung sowohl für Attentäter, die vorgeben, im Namen Allahs zu handeln, als auch für Zwangsheiraten muslimischer Frauen.

Umso mehr freut sich Farina Stockamp immer, wenn über die äußeren Zeichen ihres Glaubens interessante Gespräche zustande kommen. „Also bevor einer nur blöd guckt, soll er mich lieber direkt anhauen und fragen. Ich antworte gerne“, sagt sie.

http://www.noz.de/lokales/60009069/eine-emslaenderin-unter-dem-kopftuch-farina-stockamp-fand-beim-sprachenlernen-zum-islam

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