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Klarstellung zu Prof. Khorchides theologischen Positionen und Aktivitäten bei Facebook in diesem Zusammenhang http://www.schurahamburg.de/templates/jsn_epic_free_2.0_j15/images/pdf_button.png http://www.schurahamburg.de/templates/jsn_epic_free_2.0_j15/images/printButton.png Nach einem Interview mit uns in der türkischen Zeitung „Türkiye“ über Passagen in seinem umstrittenen Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ von Prof. Khorchide ist eine heftige und kontroverse Diskussion entfacht worden.

Um eventuelle Missverständnisse auszuräumen und über unsere Ansichten zu diskutieren, sind wir mit Prof. Khorchide auf Einladung des ZDF in der Sendung „Forum am Freitag“ in der Hamburger Centrum Moschee zusammen gekommen. Es war ein konstruktives Gespräch in einer freundlichen Atmosphäre. Nach der Sendung haben wir gemeinsam das Abendgebet verrichtet und auch Fotos für die Sendung machen lassen. Jedoch darf die muslimische Gastfreundschaft, die wir auch Prof. Khorchide erwiesen haben, nicht darüber hinweg täuschen, dass wir inhaltlich keineswegs eine Übereinstimmung zu seinen Thesen erzielt haben.

http://www.centrum-moschee.de/plugins/editors/jce/tiny_mce/plugins/readmore/img/trans.gif Vielmehr war die Verabredung so, dass wir eine gemeinsame Erklärung verfassen wollten, um weiteren Spekulationen in der Öffentlichkeit Einhalt zu gebieten. Insofern sind wir über das einseitige Vorgehen von Prof. Khorchide im sozialen Netzwerk Facebook überrascht, da er - ohne dies mit uns abzusprechen - Fotos von uns geteilt, diese einseitig kommentiert und damit einen falschen Eindruck der Öffentlichkeit suggeriert hat. Da Herr Prof. Khorchide sich an unsere Vereinbarung nicht gehalten hat, erachten wir es für notwendig, unsere Sichtweise zu veröffentlichen.

Wir stellen erfreulicherweise fest, dass Herr Prof. Khorchide seine ursprüngliche Behauptung, dass man auch Muslim sein könne, ohne an Gott zu glauben, in dem Gespräch mit uns klar korrigiert und sich hiervon distanziert hat. (Der Filmbeitrag auf ZDF „Forum am Freitag" vom 08. März 2013 gibt insoweit nur verkürzt den tatsächlichen Verlauf des Gesprächs wieder.) Dennoch bleiben in seinem Buch unmissverständliche und klare Passagen über Gottesvorstellung, Gott-Mensch- Beziehung, Jenseitsvorstellungen, Offenbarung und Glauben, in welchem das Gottesbekenntnis und die Bedeutung der Glaubenspraxis relativiert werden, weiter bestehen.

Die Kritik an den Thesen von Prof. Khorchide rührt einfach aus der Sorge vieler Muslime heraus, dass den künftigen muslimischen Religionslehrerinnen und -lehrern und somit unseren Kindern ein Wissen vermittelt werden könnte, welches nicht im Einklang mit den Glaubensgrundsätzen steht, die von der Mehrheit der Muslime anerkannt worden sind.

Wir als Vertreter von islamischen Religionsgemeinschaften bedanken uns bei allen, die sich aufrichtig für die Einführung des islamischen Religionsunterrichts an deutschen Schulen einsetzen. Wir unterstützen dieses Vorhaben nicht nur, weil damit einem verfassungsrechtlichen Anspruch auf bekenntnisorientierten Religionsunterricht genüge getan wird, sondern weil wir darin auch die Chance sehen, die Identifikation und die Beheimatung muslimischer Jugendlicher in Deutschland zu fördern. Diese Einsicht erfolgt in einem noch andauernden Prozess, da die Empfehlungen des Wissenschaftsrates bzgl. der Vorgehensweise bei der Einführung von islamisch-theologischen Zentren an staatlichen Universitäten - vor allem die verfassungsrechtlich problematische Einschränkung bei der Einbindung der islamischen Religionsgemeinschaften - bei den Muslimen auf erhebliche Irritationen stieß. Mit dieser Entscheidung gab es unter weiten Teilen der muslimischen Gemeinschaft Befürchtungen, dass der Staat versucht sein könnte, Einfluss auf die Inhalte und Lehren des Islams zu nehmen. Diese Befürchtungen sind aufgrund der eigenartigen Konstruktion der Beiräte nachvollziehbar und längst nicht ausgeräumt.

Es ist uns auch in diesem Zusammenhang wichtig festzustellen, dass im Sinne Art. 7 Abs. 3 Grundgesetz die Inhalte des bekenntnisorientierten Religionsunterrichts „in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften“ erteilt werden. Dies gilt sowohl für den muslimischen als auch christlichen oder jüdischen Religionsunterricht.

Dies bedeutet keineswegs, dass es keine kritisch-analytische Forschung zum Thema Islam geben soll, da die Freiheit der Wissenschaft und der daraus resultierende Erkenntnisgewinn zum Wesen des Islams gehört. Daraus leiten auch vor allem die Universitäten ihre Existenzberechtigung ab. Doch möchten wir hier dringend auf die verfassungsrechtlich garantierte Sonderrolle der Theologie bzw. des Religionsunterrichtes hinweisen, wonach ihre Grundsätze - wie bereits zitiert - durch die Religionsgemeinschaften bestimmt werden. All jene, die sich mit den Glaubensgrundsätzen der Muslime identifizieren, können ihre wissenschaftliche Forschung, ohne den Anspruch bekenntnisorientierte Theologie zu betreiben, in die Islamwissenschaft oder Orientalistik verlagern und dort weiterführen. Dies ist Rechtslage in Deutschland und durch das Grundgesetz wie auch durch die langjährige Rechtspraxis des Bundesverfassungsgerichts im weltanschaulich¬neutralen Staat abgesichert.

Der Versuch, den Islam zu reformieren, indem seine Grundsätze relativiert bzw. in Frage gestellt werden, resultiert nicht selten auch aus der irrigen z.T. unbewussten Annahme, dass der Islam nicht mit rechtstaatlichen Prinzipien vereinbar sei. Diese Ansicht übernehmen paradoxerweise radikalere Gruppen, mit denen die islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland ohnehin aktuell vor einer großen Herausforderung stehen. Der Eindruck, dass sich die islamischen Religionsgemeinschaften an der Relativierung islamischer Glaubensgrundsätze beteiligten, hätte auch an dieser Stelle schwerwiegende Folgen und würde jugendliche Muslime in die Arme dieser Gruppierungen treiben.

Nicht zuletzt aus diesem Grunde betonen wir, dass wir auch weiterhin die Entwicklungen in den Islamischen Zentren sehr genau und wohlwollend und ggf. auch kritisch beobachten werden.

Ramazan Uçar Vorsitzender

Bündnis der islamischen Gemeinden

in Norddeutschland e.V.

Mustafa Yoldaş Vorsitzender

Schura - Rat der islamischen

Gemeinschaften in Hamburg e.V.

13.03.2013

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Pressemitteilung upm"Unser gemeinsamer Erfolg"

 

Türkischer Religionsattaché lobt Arbeit des Zentrums für Islamische Theologie

 

Münster (upm), 13. März 2013

 

 

 

Der türkische Religionsattaché des türkischen Generalkonsulats Münster, Suat Altunkus, hat bei einem Besuch des "Zentrums für Islamische Theologie" (ZIT) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) seine Wertschätzung für die Integration der islamischen Theologie in die akademische Landschaft Deutschlands unterstrichen. Am ZIT, das von der Bundesregierung als eines von deutschlandweit vier Islam-Zentren unterstützt wird, gelinge dies auf vorbildliche Weise. "Der Erfolg des Zentrums für Islamische Theologie in Münster ist unser gemeinsamer Erfolg", betonte der Religionsattaché.

Suat Altunkus versicherte, dass das Amt für Religiöse Angelegenheiten in der Türkei (Diyanet), der Dachverband der türkisch-islamischen Religionsvereine in Deutschland (DITIB) und das türkische Generalkonsulat die Arbeit des ZIT in jeder Hinsicht unterstütze. Der Leiter des ZIT, Prof. Dr. Mouhanad Khorchide, hob ebenfalls die vertrauensvolle Beziehung zu Diyanet und DITIB hervor: "Wir wollen keine abgehobene Theologie betreiben. Uns ist wichtig, dass unsere Arbeit gerade im Dialog mit der muslimischen Basis fruchtbar gemacht wird. Daher freuen wir uns über das Vertrauensverhältnis, das uns Diyanet und DITIB stets entgegenbringen."

WWU-Rektorin Prof. Dr. Ursula Nelles begrüßte den Besuch des Religionsattachés als ein positives Zeichen für die fruchtbare Zusammenarbeit der muslimischen Religionsgemeinschaften mit dem ZIT. "Religion und Wissenschaft stehen nicht im Widerspruch zueinander. Religionen können sehr wohl wissenschaftlich erforscht werden. Und es ist ein Zeichen der Anerkennung des Islam, dass er – wie die christlichen Theologien – wissenschaftlich erforscht und reflektiert wird."

 

 

 

 

Khorchide, 13.03.2013

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"Wenn Religion lediglich auf ihre Identitätsleistung reduziert wird, wird sie entkernt, ausgehöhlt" - Interveiw mit Mouhanad Khorchide

 

Vor einigen Wochen interviewte Mahmut Askar (Vorstand ZMD und Generalsekretär von ATIB) für die ATIB-Zeitschrift Prof. Mouhanad Khorchide – Wir lichten hier mit freundlicher Genehmigung das gesamte Interview ab:

 

Mahmut Askar: Herr Prof. Mouhanad Khorchide, in Ihrem Buch (Islam ist Barmherzigkeit) kritisieren Sie die Vorgehensweise der islamischen Theologie mit Menschen in folgendem Satz: „Ein islamische Theologie, die Gott ernst nimmt, muss den Menschen ernst nehmen.“ Was meinen Sie damit? Ich bin immer davon ausgegangen, dass der Mensch im Mittelpunkt unseren Glaubens steht. Welche Rolle spielte denn der Mensch in herkömmlicher Islamtheologie?

 

Mouhanad Khorchide: In ihrer Geschichte hat sich die islamische Theologie mit vielen Fragestellungen auseinandergesetzt, die weit weg von der Lebenswirklichkeit der Menschen stehen. Wie zum Beispiel die Frage nach der Schau Gottes, also ob man Gott im Jenseits sehen wird oder nicht, die Frage nach dem Umgang mit koranischen anthropomorphen Bezeichnungen, wie das Gesicht Gottes, die Hand Gottes, das Sitzen Gottes auf seinen Thron usw., soll man solche koranischen Stellen wortwörtlich oder allegorisch verstehen? Es ging so weit, dass diese Fragen entscheidend dafür waren, ob man als Muslim galt oder nicht. So eine Theologie geht am Menschen vorbei. Gott sagt im Koran in Sure 3, Vers 164, dass er den Menschen einen Propheten entsandte, um ihnen seine Worte zu verkünden, um die Menschen zu läutern und ihnen das Buch und die Weisheit zu lehren. Es geht also um das Läutern des Herzens, um die innere Vervollkommnung des Menschen, um den Charakter des Menschen und sein Handeln hier und jetzt in der Welt. Das ist es, was einen frommen Menschen ausmacht, sein reines Herz und aufrichtiges Handeln. Darüber wird aber nicht in dem Ausmaß geredet, wie der Koran dies tut.

 

Mahmut Askar: Ist Ihr Buch, Islam ist Barmherzigkeit, eine Antwort denjenigen, die den Islam als kriegerische und gewalttätige Religion betrachten, oder denjenigen, die, nach Ihrer Formulierung, aus Gott nur Buchhalter und Richter machen?

 

Mouhanad Khorchide: Mein Buch ist ein Angebot an beide, die Gott-Mensch-Beziehung im Islam als Liebesbeziehung zu sehen. Gott sagt im Koran, dass er nach Mitliebenden sucht, nach Menschen, die er liebt und die ihn lieben (Koran, 5:54). Gott zu lieben verwirklicht sich allerdings nicht durch ein bloßes Lippenbekenntnis, sondern durch die Liebe zu seiner Schöpfung. Ein Hadith unseres Propheten bringt es auf den Punkt: „Im Jenseits wird Gott einen Mann fragen: ›Ich war krank und du hast mich nicht besucht, ich war hungrig und du hast mir nichts zu essen gegeben, und ich war durstig und du hast mir nichts zu trinken gegeben.‹ Der Mann wird daraufhin erstaunt fragen: ›Aber du bist Gott, wie kannst du krank, durstig oder hungrig sein?!‹ Da wird ihm Gott antworten: ›Am Tag soundso war ein Bekannter von dir krank und du hast ihn nicht besucht; hättest du ihn besucht, hättest du mich dort, bei ihm, gefunden. An einem Tag war ein Bekannter von dir hungrig und du hast ihm nichts zum Essen gegeben, und an einem Tag war ein Bekannter von dir durstig und du hast ihm nichts zum Trinken gegeben.‹“ (überliefert nach Muslim, Nr. 2569)

 

Mahmut Askar: Herr Khorchide, Sie haben in einem Interview mit Die Zeit (Gott ist kein Diktator, 4.Okt. 2012) gesagt: „Wir brauchen keine Aufklärung, wie wir sie aus Europa kennen. Wohl aber eine Reform, die die Mündigkeit und die Vernunft des Menschen in den Mittelpunkt stellt.“ Sie wissen auch ganz genau, wenn es von „Reform im Islam“ die Rede ist, dann wird man spontan als „Reformist“ verteufelt. Die meisten Muslime haben davor Angst, dass, der Islam im Namen der Reformierung christianisiert wird. Deshalb würde ich Sie bitten, dass Sie das Thema für unsere Leser etwas nahebringen.

 

Mouhanad Khorchide: Angst hat nur derjenige, der sich seiner Sache nicht sicher ist. Überlegen Sie, warum der Koran an mehreren Stellen sogar Selbstkritik an unseren Propheten Muhammad übt. Gott hätte ihn auch nur persönlich ansprechen können. Er will uns beibringen, dass Selbstkritik notwendig ist, um nach vorne zu kommen. Der Koran kritisiert eine unhinterfragte Hinnahme von Traditionen sehr stark „Jedes Mal, wenn wir einen Gesandten vor dir zu einer Stadt entsandten, sagten die Unbekümmerten: ›Wir fanden unsere Väter auf einem Weg und wir treten in ihre Fußstapfen.‹“ (Koran, 43:23). Unser Problem heute, ist dass wir uns kaum mit dem Islam in seiner Tiefe auseinandersetzen. Die Muslime, die im Mittelalter Europa bereichert haben, waren viel offener als wir heute. Sie hatten keine Berührungsängste mit anderen Philosophien und Theologien. Sie waren viel selbstbewusster als viele von uns heute. Wer mein Buch unvoreingenommen liest, wird nur gute Absichten darin finden, auch wenn er nicht mit allem einverstanden ist. Und auf die Absicht kommt es an.

 

Mahmut Askar: Prof. Oliver Roy nennt die dritte Generation der muslimischen Einwanderer in Europa als „Entwurzelte Generation“; die mit Heimatslandkultur der Eltern keine Verbindung mehr haben. Religion ist für sie zwar eine Identität aber nicht aus religiösen Gründen, sondern aus Protest, weil die Mehrheitsgesellschaft sie ausgrenzt. Blosse, nackte Religion ohne Kultur, ohne Tradition ist doch die bevorstehende Krise der Religiösen der dritten muslimischen Generationen hierzulande. Was ist Ihr Konzept?

 

Mouhanad Khorchide: Ich habe schon vor mehreren Jahren in meiner Magisterarbeit auf dieses Problem, das ich „Aushöhlung der Religion“ bezeichne, hingewiesen. Wenn Religion lediglich auf ihre Identitätsleistung reduziert wird, wird sie entkernt, ausgehöhlt. Es geht dann nicht mehr um die Beziehung zu Gott, um das Läutern des Herzens, sondern nur um die Suche nach einem „Wir-Gefühl“. Ich bezeichne solche Identitäten als Schalenidentität. Religion wird lediglich zu einer Schale, die man um sich hat, um sich eine Identität zu geben. Es ist aber nur die Schale da. Sie ist dünn und zerbrechlich, daher ist sie unsicher. Wo aber bleibt der Kern? Das Eigentliche? Und genau hier knüpfe ich an und versuche den eigentlichen Kern des Islam zu betonen: eine aufrichtige Beziehung zu Gott zu haben, die Nähe Gottes anzustreben, die Liebe zu Gott, die sich im Charakter und im Handeln des Menschen widerspiegelt. Das ist der fast verlorene Kern, den ich versuche, wiederherzustellen. Ich begegne muslimischen Jugendlichen, die stark betonen, wie wichtig der Islam für sie ist, wie stolz sie sind, Muslime zu sein, die jedoch nicht einmal wissen, wie das Gebet geht, die nie im Stillen ein Gespräch mit Gott geführt haben, nie Gott im Herzen gespürt haben. Diese Spiritualität müssen wir immer stärker betonen.

 

Mahmut Askar: Es gibt ein Islam, aber unterschiedliche Muslime, wie z.B. türkische, arabische oder deutsche Muslime. Vor paar Jahren war der Begriff „Euro-Islam“ in aller Munde. Jetzt redet man von „Deutscher Islam“, den ich nicht nachvollziehen kann. Würden Sie bitte erklären, was damit gemeint sein sollte?

 

Mouhanad Khorchide: Ich verwende diese Begriffe ungern, da sie bei vielen Muslimen den Eindruck entstehen lassen, es handle sich hierbei um einen aufgesetzten Staatsislam, was keineswegs stimmt. Der Islam hat statische Elemente, wie die Glaubenssätze und die fünf Säulen des Islam, sowie ethische Prinzipien, wie Gerechtigkeit, Güte, Verantwortlichkeit usw. Diese bleiben unverändert. Es gibt aber auch dynamische Elemente im Islam, die sich an die Bedürfnisse der Menschen und den gesellschaftlichen Wandel immer neu anpassen, jedoch ohne an den Grundsätze zu rütteln. Dazu gehören Diskussionen um die Stellung der Frau, oder juristische Regelungen, vor allem bezüglich Körperstrafen. Wir wissen, dass der große Gelehrte Aschafi’i, als er vom Irak nach Ägypten auswanderte, sein Buch über das islamische Recht verworfen und neugeschrieben hat, da er sah, dass der Kontext ein anderer war. Und gerade diese Dynamik im Islam macht es möglich, ein frommer Muslim in Jakarta, aber auch in Deutschland zu sein, ohne in Konflikt mit seiner Lebenswirklichkeit oder den Grundsätzen des Islam zu geraten. Wir wollen unseren Kindern in Deutschland nicht vor die Wahl stellen, entweder Muslime oder Deutsche zu sein, daher müssen wir ihnen ein theologisches Angebot machen, das sowohl den islamischen Grundsätzen als auch der Lebenswirklichkeit unserer Jugendlichen gerecht wird, ansonsten laufen wir Gefahr, dass immer mehr Jugendliche den Islam ablehnen, weil sie in ihm womöglich eine lebensfremde Religion sehen.

 

Mahmut Askar: Haben Sie als Hochschulprofessor gegen die salafistische Bewegung unter muslimischen Migranten in Deutschland einen Vorschlag, ein Konzept? Was erwarten Sie als Hilfeleistung von muslimischen und auch von einheimischen Seiten?

 

Mouhanad Khorchide: Wenn sich junge Muslime von der Mehrheitsgesellschaft abgelehnt fühlen, wenn ihnen vermittelt wird, ihr seid die anderen, also „Wir Deutsche“ und „Ihr Muslime“, dann sind sie stärker anfällig für salafistische Angebote, die wiederum betonen, „Wir Muslime sind, weil wir Muslime sind, besser als ‚die Deutschen‘, weil sie ‚Kuffar‘ (im Sinne von Ungläubigen) sind“. Die Mehrheitsgesellschaft hat daher den Auftrag, Muslimen zu vermitteln, dass es ein großes „Wir“ gibt, zu dem auch Muslime gehören. Von muslimischer Seite sollten sowohl in den Moscheen als auch im islamischen Religionsunterricht verstärkt theologische Angebote gemacht werden, die den Kern des Islam betonen, die den Menschen einladen, Gottes Liebe und Barmherzigkeit anzunehmen, indem der Mensch als Medium der Verwirklichung von Gottes Liebe und Barmherzigkeit mit Gott kooperiert und dadurch seiner Bestimmung als „Khalif“, also als verantwortungsvoller Statthalter gerecht wird. Und genau das ist das Angebot, das ich in meinem Buch versuche darzulegen. Beunruhigend finde ich, dass wir heute salafistische Rhetorik auch bei Nichtsalafisten finden. Die unsachliche Kritik der Islamischen Zeitung zum Beispiel an meinen Positionen und der krampfhafte Versuch, mich als Häretiker darzustellen und die darin vor kurzem enthaltenen Äußerungen von Herrn Avni Altiner, dass eine Theologie, die auf die Barmherzigkeit Gottes basiert, meilenweit von der Basis der Muslime entfernt sei, sind äußerst beunruhigende Entwicklungen in Deutschland, Offensichtlich wird hier nicht gewollt, dass der Islam in Verbindung mit Barmherzigkeit gebracht wird. Solche und salafistische Strömungen, die nur polarisieren, wird es immer geben, ich denke aber, dass Muslime vernünftig genug sind, um sich ein differenziertes Bild zu machen und zwischen lebensfreundlichen und lebensfeindlichen religiösen Angeboten zu unterscheiden.

 

Mahmut Askar: Manche Wissenschaftler, wie Prof. W. Heitmeyer, voraussagen turbulente Zukunft für die muslimische Minderheit in Deutschland. Wie sehen Sie die Zukunft der Muslime hierzulande voraus?

 

Mouhanad Khorchide: Die Muslime sind hauptsächlich als Gastarbeiter nach Deutschland gekommen. Arbeitermigration bringt in der Regel einige soziale Herausforderungen mit sich. Das Problem, das wir heute haben, ist die Vermischung von sozialen und religiösen Kategorien. Soziale Probleme werden als religiöse gesehen. Sie werden „islamisiert“. Die Kategorie „Muslimsein“ wird als Erklärungsmuster für soziale Defizite gesehen. Dies geht allerdings an der Wirklichkeit vorbei. Soziale Probleme benötigen soziale Maßnahmen und keine theologischen. Wenn wir uns die empirischen Daten anschauen, dann sehen wir, dass Muslime es heute inzwischen in die Mittelschicht geschafft haben. Wir haben in Deutschland nicht nur muslimische Sportler und Künstler, es sind auch viele muslimische Akademiker, Anwälte, Ärzte, Ingenieure usw. unter uns, die die Gesellschaft stark bereichern. Und übrigens, es sind sogar mehr weibliche als männliche Muslime an den Hochschulen. Über diese positiven Entwicklungen wird leider kaum gesprochen. Durch diesen Aufstieg der Muslime kommen sie langsam raus aus dem Rechtsfertigungseck und fangen an, die Frage an sich zu stellen: Und wie können wir diese Gesellschaft bereichern, wie einst im neunten, zehnten elften und zwölften Jahrhundert?

 

 

Islam.de, 17.03.2013

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  • 2 Wochen später...

Zitate aus dem Buch:

 

Mein Vater besuchte eine christliche Schule.Read more at location 95

 

meine Großeltern meinen Vater an einer Schule anmelden wollten, stand für sie nicht die Konfession der Schule im Vordergrund, sondern die Qualität der Schule.Read more at location 101

 

mit denen ihre Familie gemeinsam unterschiedliche religiöse Feste feierte.Read more at location 104

 

Dies war kein Thema, über das man diskutieren musste; für meine Großeltern war das zentrale Kriterium, das bei der Partnersuche eine Rolle gespielt hat, die Bildung.Read more at location 108

 

Ich fragte mich nach dem Sinn und Zweck von Religion. Was will Gott von uns Menschen eigentlich? Und was will dieser Gott für sich? Warum überhaupt das Ganze? Wie kann es sein, dass dieser Gott Menschen, die ungerecht sind und andere Menschen abfällig behandeln, ins Paradies eingehen lässt, andere aber, die gerecht sind und andere Menschen respektvoll behandeln, für immer in die Hölle verbannt? Weil sie die falsche Überschrift tragen?! Weil sie sich nicht Muslime nennen?! Geht es Gott wirklich nur um Überschriften?! Geht es Gott wirklich nur darum, dass an ihn geglaubt wird? Geht es ihm darum, dass nur auf eine bestimmte Art und Weise an ihn geglaubt wird? Geht es Gott also um sich selbst? Braucht er uns, um von uns angebetet zu werden, hat er uns deshalb erschaffen? Wer sich ihm also unterwirft, den belohnt er mit dem Paradies, und wer sich ihm nicht unterwirft, dem zeigt er im Jenseits, wer das letzte Wort hat, wer der Chef ist? Geht es Gott wirklich darum, seine Macht zu demonstrieren? Ist Gott wirklich so klein? Ich kam zu der Antwort: Mit Sicherheit nicht! Gott ist kein Diktator, keinRead more at location 280

 

Mubarak oder Gaddafi. Gott ist in sich vollkommen. Er braucht unsere Anbetung nicht. Gott braucht gar keine Bestätigung, weder eine Selbst- noch eine Fremdbestätigung seiner Vollkommenheit. Warum hat er aber dann den Menschen erschaffen?Read more at location 287

 

In meiner Doktorarbeit zum Thema »Islamischer Religionsunterricht in Österreich« stellte ich fest, dass der Islam an den Schulen in erster Linie als Sammlung von Anweisungen über das Erlaubte und Verbotene vermittelt wird.Read more at location 297

 

Wer es ernst mit seinem Glauben meint, der muss, meine ich, für jeden Gedanken offen sein, auch wenn dieser Gedanke im ersten Moment »anders« als gewohnt klingt.Read more at location 310

 

In Bezug auf die Erschaffung des Menschen heißt es im Koran: »Ich habe dem Menschen von meinem Geist eingehaucht.«1 Gott erschuf den Menschen als ein Wesen, das in der Lage ist, mit ihm in Kontakt zu treten, indem er ihm von seinem Geist einhauchte. Es ist etwas Göttliches in uns Menschen, das uns erlaubt, nach dem Göttlichen zu suchen, es wahrzunehmen und das eigene Leben auf Gott hin auszurichten.Read more at location 340

 

Er will die Beziehung zu uns Menschen nicht als Herr-Knecht-Beziehung gestalten, sondern als Freundschaftsbeziehung, ja als Liebesbeziehung: »Er liebt sie und sie lieben ihn.«2SoRead more at location 345

 

Spätestens mit al-Ġazālī hat sich die aschʿaritische Gottesvorstellung unter den muslimischen Gelehrten etabliert. Problematisch an dieser Gottesvorstellung ist, dass sie Gott als willkürlichen Herrscher erscheinen lässt. So gilt es al-Ġazālī als legitim, »dass Gott von seinen Dienern verlangt, wozu sie gar nicht im Stande sind, und es ist legitim, dass er seine Diener bestraft, ohne dass sie etwas verbrochen haben, und er muss in seinen Entscheidungen und Handlungen nicht das Bessere für sie berücksichtigen. Er muss nicht das Gute belohnen und das Böse bestrafen, der Mensch ist durch seine Vernunft zu nichts verpflichtet, nur die Verkündung ist die Grundlage von Geboten und Verboten. […] Wenn Gott keine Propheten entsandt hätte [um seine Botschaft zu verkünden], wäre dies nichts Verwerfliches von Gott.«20Read more at location 453

 

Er führt dann das Beispiel eines Ungläubigen an, den Gott am Gerichtstag in die Hölle schicken müsste, und kommentiert: Würde Gott immer nach dem Guten handeln, hätte er diesen Ungläubigen aber schon als Kind sterben lassen müssen, bevor er seine Vollmündigkeit erreichtRead more at location 464

 

Für die Muʿtaziliten bedeutete Gerechtigkeit ein Handeln im Sinne des Guten und im Interesse des Menschen. Für die Aschʿariten hingegen ist jedes Handeln Gottes in seinem Eigentum Gerechtigkeit, Gerechtigkeit folgt also dem göttlichen Willen.Read more at location 479

 

Es verwundert daher nicht, dass viele Muslime sich Gott nicht als barmherzig, sondern als restriktiv und furchteinflößend vorstellen.Read more at location 485

 

Im islamischen Kontext hat diese Diktatur im Namen der Religion eine lange Geschichte, die schon auf das siebte Jahrhundert, auf die Zeit etwa dreißig Jahre nach dem Tod des Propheten Muhammad, zurückgeht (s. Kap. 9.3).Read more at location 554

 

Die Strafe hingegenRead more at location 576

 

ist ein Tatattribut, bezieht sich also auf Gottes Handlungen und nicht auf seine Eigenschaften. WennRead more at location 576

 

Gott mit Strafe droht, ist das Teil seiner Barmherzigkeit.Read more at location 576

 

Gott geht es jedoch im Grunde weder um Belohnung noch um Bestrafung. Ihm geht es darum, dass der Mensch sich vervollkommnet, um in seine Gemeinschaft zu kommen, also letztlich um Teilhabe an der ewigen Glückseligkeit bei Gott. Dafür greift Gott auf pädagogische Mittel zurück, die freilich das Gepräge der Entstehungsumstände des Koran auf der Arabischen Halbinsel im siebten Jahrhundert tragen.Read more at location 588

 

Ob ein Mensch ins Paradies oder in die Hölle kommt, hängt demzufolge ausschließlich von Gottes Entscheidung ab. Wenn Gott jemanden ins Paradies schickt, dann nur durch seine Barmherzigkeit,Read more at location 611

 

Dieser Glaube steht im klaren Widerspruch zum Koran selbst, der exemplarisch die Geschichte des Pharaos anführt, der Moses und sein Volk verfolgte. Denn »als er am Ertrinken war, sagte er: ›Ich glaube, dass es keinen Gott gibt, außer dem, an den die Kinder Israels glauben.Read more at location 623

 

eine Phase der Transformation, mit der die Menschen zur ewigen Glückseligkeit, also in die Gemeinschaft mit Gott gelangen, indem sie Gottes Barmherzigkeit in ihrer absoluten Vollkommenheit erfahren und erleben.Read more at location 641

 

Gott hat großes Interesse daran, seine ursprüngliche Intention bei der Schöpfung – nämlich Mitliebende zu haben, die er in seine Gemeinschaft einschließt – zu realisieren.Read more at location 644

 

Die Hölle ist demnach kein Ort der Bestrafung oder der Rache Gottes, sondern steht symbolisch für das Leid und die Qualen, die der Mensch im Laufe dieses Transformationsprozesses erlebt. Dabei begegnet er einerseits der unendlichen Barmherzigkeit und Liebe Gottes. Dies versetzt ihn in Scham und Demut, da ihm bewusst wird, dass er in seinem Leben Nein zu dieser Liebe und Barmherzigkeit gesagt hat.Read more at location 646

 

Das Ziel dieses Transformationsprozesses ist also, dass der Mensch von der Herrschaft der Sünde befreit und auf diese Weise vervollkommnet wird, damit er bereit ist, in die Gemeinschaft Gottes einzugehen. Denn der Mensch kann erst dann in die vollkommene Liebesgemeinschaft mit Gott eintreten, wenn alle Spuren der Bindung an das Böse in ihm restlos ausgelöscht sind.Read more at location 652

 

Dieses Verständnis des Jenseits leugnet keineswegs die Existenz von Paradies und Hölle, versucht sie aber nicht im wortwörtlichen Sinne als grünen Garten und brennendes Feuer zu verstehen, sondern im übertragenen Sinne als Symbole der Glückseligkeit bzw. des Leidens. Man kann dagegen argumentieren, dass der Koran sehr vieleRead more at location 665

 

Sie sollen abstrakte Kategorien wie Glückseligkeit oder schlechtes Gewissen veranschaulichen. DieserRead more at location 696

 

Die Beschreibung eines Ortes mit grünen Gärten, mit Strömen von Wasser, mit hübschen Frauen, die jungfräulich sind und schöne große schwarze Augen haben, oder die Beschreibung eines riesigen Raumes mit sieben Toren, in dem ein großes Feuer auf die Ungehorsamen wartet, diente im Koran als Gleichnis für die Vorstellung eines Zustands der Glückseligkeit bzw. des schlechten Gewissens.Read more at location 702

 

In seiner Beschreibung der Hölle spricht der Koran von Höllenbewohnern, die mit Gott und den Engeln diskutieren. Diese Dialoge sind jedoch schwer vorstellbar, wenn es sich tatsächlich um Menschen handeln soll, die gerade verbrennen. Diese bildhaften Beschreibungen des Paradieses und der Hölle sind also nicht wortwörtlich zu verstehen.Read more at location 707

 

müssen sie seine Bildlichkeit historisch kontextualisieren, um die durch diese Bilder transportierten, übergeordneten Prinzipien und Aussagen zu erkennen.Read more at location 713

 

Der Versuch, das Jenseits als Ort der Vervollkommnung und Transformation des Menschen zu verstehen, soll keineswegs das wortwörtliche Verständnis von Paradies und Hölle als von tatsächlich existierenden Orten ersetzen, sondern denjenigen ein weiteres Interpretationsangebot bieten, die nicht aus Angst vor einer Bestrafung bzw. Hoffnung auf eine Belohnung Gutes tun wollen und das Schlechte vermeiden, sondern, die bestrebt sind, sich in ihrem Menschsein zu vervollkommnen und selbstlos Gutes zu tun.45Read more at location 714

 

Der Gerichtstag als Ort der Abrechnung mit den »Ungläubigen« lässt hier auf der Erde ein Gefälle zwischen Muslimen und Nichtmuslimen entstehen. Muslime und Nichtmuslime können sich nach der Vorstellung der traditionalistischen islamischen Theologie nicht auf Augenhöhe begegnen, da, unabhängig von ihren jeweiligen Handlungen, heute schon feststeht, wer der »Gewinner« und wer der »Verlierer« sein wird.Read more at location 747

 

Gott aber interessiert sich nicht für Überschriften wie »Muslim«, »Christ«, »Jude«, »gläubig«, »ungläubig« usw., Gott geht es um den Menschen selbst, um seine Vervollkommnung, damit er ihn für sich, für seine ewige Gemeinschaft gewinnen und ihn in sie aufnehmen kann. Entscheidend dabei ist, ob der Mensch dieses Angebot, diese Einladung Gottes annimmt oder nicht. Die Hölle ist nichts anderes als der Zustand, in dem sich derjenige befindet, der Nein zu Liebe und Barmherzigkeit sagt, der Nein zur Gottesgemeinschaft sagt.Read more at location 751

 

Die traditionellen Vorstellungen vom Jenseits werden vonRead more at location 760

 

unterschiedlichen islamischen Gruppierungen als Druckmittel eingesetzt, »umRead more at location 760

 

Der Glaube an Gott als Richtergott erzieht die Menschen zu Richtern und motiviert sie dazu, Urteile über andere Menschen zu fällen.Read more at location 772

 

Es geht nicht um eine Einladung zum ewigen körperlichen Vergnügen bestehend aus Essen, Trinken und sexueller Befriedigung. Es wäre traurig, ja armselig, wenn der Mensch nur deshalb das Gute anstrebte, weil er sich davon körperliches Vergnügen im Jenseits erhofft. Körperliches Vergnügen als Motiv aufrichtigen und nützlichen Handelns wird der Würde des Menschen nicht gerecht. Es macht ihn zu einem Tier, das lediglich seinen körperlichen Bedürfnissen folgt. Ein guter Bekannter von mir, der seit vielen Jahren in Kanada lebt, erzählte mir von einer interessanten Begegnung mit seiner Schwester. Eines Tages, nachdem er sie über zehn Jahre nicht mehr gesehen hatte, wollte er sie in Dubai besuchen. Als er an ihrer Türe vor ihr stand, sagte er zu ihr: »Liebe Schwester, ich habe so viel gesündigt in meinem Leben, aber jetzt, wo ich alt geworden bin,Read more at location 797

 

Die vielen Bilder von Paradies und Hölle im Koran dienten dazu, die Wüstenbewohner des siebten Jahrhunderts auf der Arabischen Halbinsel dort abzuholen, wo sie waren. Ihr Leben war einfach. Der Traum von grünen Gärten, von Wein, Essen und Trinken, von körperlichem Vergnügen war für Beduinen, die jeden Tag von Neuem ums Überleben kämpfen mussten, einRead more at location 816

 

Es ist vergleichbar mit den motivierenden Worten eines Elternteils, das z. B. zu seinem neunjährigen Kind sagt: »Wenn du in der Schule gute Noten schreibst, bekommst du das Computerspiel, das du dir wünschst!«Read more at location 820

 

Unterschiedliche Lebensphasen benötigen unterschiedliche pädagogische Konzepte. Auch unterschiedliche historische Kontexte benötigenRead more at location 829

 

unterschiedliche, dem jeweiligen Kontext angepasste pädagogische Mittel.Read more at location 830

 

Es ist eine naive Vorstellung, dass Gott auf seinem Thron sitzt und den Menschen Instruktionen schickt, um zu sehen, wer sich an sie hält und wer nicht, um dann diejenigen, die ihm gehorchen, zu belohnen und sich an den Ungehorsamen zu rächen. Diese Vorstellung wird Gott in keiner Weise gerecht. Sie macht aus ihm einen Diktator, der nur auf Gehorsam aus ist, der verherrlicht werden will und nach Selbstbestätigung sucht. Die Beziehung zu solch einem »Diktator-Gott« kann nur auf Angst basieren.Read more at location 831

 

Es ist ein grundsätzliches Problem, dass Sünde lediglich rein materiell gedacht wird als Verstoß gegen ein Gebot bzw. Verbot (z. B. das Unterlassen eines Gebets oder Alkoholgenuss). Die eigentliche Sünde setzt dort ein, wo Achtung undRead more at location 890

 

Liebe für andere und für sich selbst fehlen. Sünde ist kein juristischer Begriff, sondern ein Ausdruck einer inneren Unausgeglichenheit des Menschen, die den Menschen daran hindert, Liebe und Barmherzigkeit zur Wirklichkeit zu machen. Anders ausgedrückt: die ihn daran hindert, sein Leben auf Gott hin auszurichten.Read more at location 892

 

Wenn Gott größer ist, als gedacht werden kann, kann er den Menschen nicht deshalb erschaffen haben, um vom Menschen verherrlicht zu werden. Ein vollkommener Gott ist auf jeden Fall größer als ein Gott, der die Schöpfung benötigt, um verherrlicht zu werden und sich dadurch in seiner Majestät bestätigt zu fühlen. Gott sucht nicht nach Bestätigung seiner Allmacht, auch nicht nach einer Demonstration seiner Herrlichkeit. Er ist sich selbst genug und auf niemanden angewiesen. Der Gedanke, Gott habe die Menschen erschaffen, weil er verherrlicht oder angebetet werden wolle, macht aus Gott einen von Minderwertigkeitsgefühlen geplagten, egoistischen »Diktator«, der auf der Suche nach sich selbst ist. Das ist dann aber nicht mehr Gott.Read more at location 912

 

Würde man die Zeit-Dimension außerhalb von Gott lokalisieren wollen, müsste man eine Grenze definieren, wo bzw. wann Gott aufhört, damit etwas anderes, das außerhalb von ihm ist, beginnen kann. Diese panentheistische Vorstellung unterscheidet sich von einer pantheistischen. Der Panentheismus drückt aus, dass die Welt zwar in Gott enthalten ist, Gott aber umfassender als die Welt gedacht wird. Gott und Welt sind hierbei, anders als beim Pantheismus, ausdrücklich nicht identisch. Der Panentheismus steht so in der Mitte zwischen Pantheismus (Immanenz Gottes in der Welt) und Theismus (Transzendenz Gottes zur Welt). Da Gott ewig und absolut ist, ist die zeitliche Dimension in ihm nicht irgendwann entstanden, sondern war seit jeher in ihm existent.Read more at location 928

 

Gott war also immer für die Schöpfung entschieden, und dies aus seiner absoluten Barmherzigkeit heraus, weil er Mitliebende sucht. Jedoch, wie schon gesagt, nicht deshalb, weil er Mitliebende brauchte, sondern weil er seine Liebe und Barmherzigkeit teilen will, und dies tut er eben aus seiner Liebe und Barmherzigkeit heraus. UndRead more at location 938

 

können. Will aber Gott wirklich, dass Menschen ihm dienen? Braucht er unseren Dienst? Diese Vorstellung eines restriktiven Gottes, dem es nur um sich selbst geht, unterscheidet sich kaum von der Vorstellung eines restriktiven Diktators, dem es nicht um die Interessen seines Volkes geht, sondern um die Unterwerfung der Menschen unter seinen Willen. Der Mensch ist unmündig, er ist auf die Instruktionen Gottes angewiesen. Der Koran und die prophetische Tradition werden in dieser Sichtweise als Instruktionen wahrgenommen, die Gott dem Menschen verkündet, da dieser nicht in der Lage sei, von sich aus zu erkennen, was gut und was schlecht für ihn ist.Read more at location 960

 

Der Koran und die Sunna (die prophetische Tradition) sind demnach eine Art BedienungsanleitungRead more at location 964

 

für das Funktionieren des Menschen. Diese Metapher wird sehr oft von Gelehrten benutzt, die damit die Unmündigkeit des Menschen und seine Angewiesenheit auf göttliche Instruktionen unterstreichen wollen. Ihr Argument lautet: »Wie der Konstrukteur einer Maschine diese am besten kennt und zur optimalen Nutzung eine Bedienungsanleitung beilegt, weiß Gott, der Schöpfer des Menschen, am besten, was für den Menschen gut und was schlecht ist. Daher müssen wir uns an seine Anleitung halten, auch dann, wenn uns der Sinn nicht immer einleuchtet. Man muss nicht immer alles verstehen. Wir müssen einfach nur das tun, was Gott sagt, dann ist alles in Ordnung, dann kann nichts schief gehen. Unser Verstand ist ohnehin so begrenzt, dass er nie alles wird nachvollziehen können, daher soll man nicht krampfhaft versuchen, alles zu verstehen.« Problematisch an dieser Vorstellung ist, dass im Menschen eben lediglich eine Maschine gesehen wird. Die Freiheit des Menschen, seine Selbstbestimmung und der Stellenwert seiner Vernunft, mit der er Entscheidungen treffen kann, rücken weit in den Hintergrund.Read more at location 965

 

Die Idee des Teufels steht auch metaphorisch für das Böse, dasRead more at location 1013

 

Wird Religion auf ihre ethische Dimension reduziert, so wird sie funktionalisiert und letztlich überflüssig. Ethische Grundlagen können auch aus der menschlichen Vernunft abgeleitet werden.Read more at location 1075

 

Religion muss etwas leisten, das die Vernunft nicht leistet, ansonsten wird sie ersetzbar. Religion ist mehr als eine ethische Dimension.Read more at location 1083

 

Gottes. Gott zwingt niemanden, in seine Gemeinschaft einzutreten, er lädt ein, macht dem Menschen Angebote und wirbt für die Gemeinschaft mit sich. Gott ist sehr bemüht darum, der Mensch kann sich aber in Freiheit dafür oder dagegen entscheiden. Gott ist nicht zornig, wenn jemand Nein zu ihm sagt, er freut sich jedoch, wenn er den Menschen für seine Liebe gewinnen kann.Read more at location 1098

 

4.1 Muslim ist jeder, der Ja zu Gottes Liebe und Barmherzigkeit sagt Islam bedeutet, sein Leben auf Gott hinRead more at location 1120

 

Der Mensch, der die Einladung Gottes zu Liebe und Barmherzigkeit annimmt und bereit ist, ein Medium der Verwirklichung göttlicher Intention zu sein, ist ein Muslim. Islam ist die Annahme der Liebe undRead more at location 1130

 

Barmherzigkeit Gottes.Read more at location 1131

 

Ich möchte versuchen, eine Vorstellung vom Islam jenseits eines dogmatischen Verständnisses zu vermitteln, in dem es lediglich um die Frage nach den richtigen Glaubenssätzen geht. Fundamentalisten haben sich in der Frage verloren, woran ein Muslim glauben muss, und ihre Liste beschränkt sich keineswegs auf die sechs Glaubensgrundsätze (Gott, Engel, Bücher, Propheten, Wiederauferstehung und Vorherbestimmung), sondern es kommen noch viele Glaubenssätze dazu, wie der Glaube an die Rechtschaffenheit aller Gefährten des Propheten, der Glaube an die Fürbitte des Propheten am Tag des Gerichts, der Glaube an eine Brücke, die über die Hölle geht, der Glaube an die Schau Gottes im Jenseits, der Glaube an die Existenz einer Waage am Tag des Gerichts usw. Wer an einen dieser Glaubenssätze nicht glaubt, ist ihrer Meinung nach vom Islam abgefallen. Auf der anderen Seite reduzieren sogenannte liberale Muslime den Islam auf das Glaubensbekenntnis. Beide, Fundamentalisten und sogenannte Liberale, höhlen den Islam aus. Bei beiden geht der Kern des Islam, den der Koran als den »rechten Weg« bezeichnet, verloren.Read more at location 1134

 

Das ist auch der Grund, warum der Koran von einem einzigen Glauben spricht, den er »Islam« nennt: »Die Religion bei Gott ist der Islam.«3 Er meint nicht das, was wir heute als Islam bezeichnen: die Religion, die im siebten Jahrhundert auf der Arabischen Halbinsel von Muhammad verkündet wurde. Vielmehr meint er mit Islam die Annahme von Gottes Liebe und Barmherzigkeit und deren Verwirklichung im Handeln, sowohl gegenüber den Mitmenschen als auch gegenüber Gottes Schöpfung.Read more at location 1154

 

Nach der oben dargestellten Definition des Islam ist jeder, der sich zu Liebe und Barmherzigkeit bekennt und dies durch sein Handeln bezeugt, ein Muslim, auch wenn er nicht an Gott glaubt, denn Gott geht es nicht um die Überschriften »gläubig« oder »nichtgläubig«. Gott sucht nach Menschen, durch die er seine Intention, Liebe und Barmherzigkeit, verwirklichen kann; Menschen, die bereit sind, seine Angebote anzunehmen und zu verwirklichen. Und umgekehrt ist jeder, der meint, an Gott zu glauben, jedoch Liebe und Barmherzigkeit nicht durch seinRead more at location 1163

 

Handeln bezeugt, kein Muslim.Read more at location 1167

 

Hier muss man zwischen dem Islam im Allgemeinen (als Bezeichnung für die Annahme der Liebe und Barmherzigkeit Gottes) und dem Islam als dem spezifischen Weg zur Gottesgemeinschaft unterscheiden, neben dem es noch viele andere gibt.Read more at location 1171

 

Seine Identität bekommt dieser Islam durch spezifische Elemente, die nur für Muslime gelten, wie das fünfmalige Pflichtgebet am Tag in Richtung Mekka, das Fasten im Monat Ramadan, die Pilgerfahrt nach Mekka usw. Man kann also sagen, dass gerade die fünf Säulen des Islam (Glaubensbekenntnis, Gebet, Fasten, soziale Abgabe und Pilgerfahrt) die identitätsstiftendenRead more at location 1175

 

Sie alle dienen dem höchsten Ziel: nämlich der Vervollkommnung des Menschen,Read more at location 1178

 

je vollkommener der Mensch ist, desto stärker wirkt Gott durch ihn.Read more at location 1180

 

fest: Es geht beim Begriff kāfirūn keineswegs um eine Bezeichnung von Nichtmuslimen. Aber worum geht es dann?Read more at location 1193

 

Ein Mensch, der sich weigert, die Einladung Gottes zu Liebe und Barmherzigkeit anzunehmen, ist nicht bereit, ein Medium der Verwirklichung göttlicher Intentionen zu sein. Einen solchen Menschen bezeichnet der Koran als kāfir. Kāfir kann daher ein gläubiger Muslim, Christ oder Jude sein. Ein kāfir kann ein Mensch sein, der an Gott glaubt, regelmäßig betet und fastet, sich an alle Speisevorschriften hält, jedoch die Liebe und Barmherzigkeit Gottes nicht annehmen will, indem er in seinen Handlungen alles andere als Liebe und Barmherzigkeit Wirklichkeit werden lässt. Ein Mensch, der hochmütig ist, ein Mensch, der, weil er Muslim ist, meint, besser als andere zu sein, ein Mensch, der mit dem Zeigefinger auf andere zeigt, ein Mensch, der andere Menschen nicht würdigt, ungerecht oder unbarmherzig ist usw. weigert sich auf diese Weise, die Liebe und Barmherzigkeit Gottes anzunehmen.Read more at location 1195

 

Deshalb sagte der Prophet Muhammad: »Wer einen Funken Hochmut in seinemRead more at location 1201

 

ablegen. Gerade Salafisten und andere Fundamentalisten und Extremisten, die im Namen ihres Glaubens Hass und Unfrieden auf Erden verbreiten, sind nichts anderes als kāfirūn. Der Erzteufel wurde dem Koran nach zu einem kāfir, nachdem er sich weigerte, den Menschen zu huldigen und sich vor ihm niederzuwerfen.Read more at location 1203

 

Ich würde daher den Begriff kufr keineswegs mit »Unglaube« übersetzen, sondern mit »Ablehnung« oder »Verweigerung«, und zwar Ablehnung bzw. Verweigerung der göttlichen Liebe und Barmherzigkeit. Diese Ablehnung drückt sich in der Weigerung des Menschen aus, ein Medium für Gottes Handeln und somit ein Medium der Liebe und Barmherzigkeit zu sein. Dies hat nichts mit Glaube oder Unglaube an Gott im dogmatischen Sinne zu tun.Read more at location 1210

 

Die Leitung des Menschen auf den rechten Weg geschieht also durch eine Kooperation zwischen Mensch und Gott: Weder führt Gott allein den Menschen auf den rechten Weg, noch findet ihn der Mensch von sich aus. Von Gott kommt das Angebot, vom Menschen dann die Annahme dieses Angebots oder die Zurückweisung.Read more at location 1219

 

Gott greift nicht direkt in die Welt ein, sondern handelt durch den Menschen. Der Mensch ist ein Medium der Verwirklichung göttlicher Liebe und Barmherzigkeit. Gott heilt zum Beispiel Kranke durch Ärzte und Medikamente, die die Menschen selbst entwickeln. Je mehr sich etwa Mediziner bemühen, zu forschen und Therapiemöglichkeiten und Medikamente zu entwickeln, desto mehr werden sie zum Medium für das Eingreifen Gottes bei der Heilung von Kranken.Read more at location 1237

 

Der Mensch ist also ein Medium göttlichen Wirkens, wenn er sich dafür zur Verfügung stellt. Das heißt jedoch nicht, dass Gott ihn wie ein Werkzeug nur benutzt. Denn nicht nur die Intention Gottes verwirklicht sich durch den Menschen, sondern auch der Mensch selbst. Er kommt seinem Ziel, seiner Vervollkommnung einen Schritt näher. Zwei Begriffe drücken im Koran dieses Menschenbild aus: der Begriff ̔abd (Diener Gottes) und der Begriff ḫalīf (Verwalter). Beide beziehen sich auf die Erwählung des Menschen. Gott hat den Menschen aus seiner bedingungslosen Liebe heraus erwählt. Damit der Mensch dieser Erwählung gerecht wird und in die Gemeinschaft Gottes zurückkehrt, muss er Gottes Liebe annehmen.Read more at location 1251

 

Er hat sich in Freiheit für diese Art des Eingreifens in der Welt durch den Menschen entschieden.Read more at location 1260

 

Mitmenschen zu wahren undRead more at location 1299

 

Jeder, der den Menschen, seine Würde, seine Freiheit und seine Vernunft nicht achtet, ist ein »Iblīs«, ein kāfir, auch wenn er an Gott glaubt und ihn anbetet. Im Koran wird ein weiteres Ereignis vor der Huldigung durch die Engel erwähnt: »Als ich [Gott] ihn [den Menschen] erschuf und ihm von meinem Geiste eingehaucht hatte, warfen sich die Engel vor ihm nieder.«26 Der Mensch trägt also etwas Göttliches in sich. Auch als Zeichen der Würdigung dieses Heiligen im Menschen mussten sich die Engel vor ihm niederwerfen.Read more at location 1339

 

Die größte Sünde, die der Mensch begehen kann, ist nicht die, die sich gegen Gott richtet, sondern die gegen seinen Mitmenschen. Gott ist und bleibt ja souverän, er ist der Absolute, ihn kann niemand entwürdigen.Read more at location 1348

 

Jedes Gebet bereichert den Menschen innerlich. Es geht nicht um einen Dienst an Gott oder darum, ihm einen Gefallen zu tun, auch nicht darum, Gottes Befehl zu gehorchen. Das Gebet dient dem Menschen selbst, nur er hat etwas davon. Und natürlich freut sich Gott, wenn sich der Mensch auf den Weg zu ihm macht und seine Gemeinschaft sucht. Dasselbe gilt für das Fasten. Im Koran heißt es: »Ihr Gläubigen!Read more at location 1403

 

Wer nicht betet oder nicht fastet, der macht Gott damit nicht zornig, sondern ihm selbst entgeht dadurch etwas, nämlich die Gelegenheit, sich und das eigene Leben zu reflektieren. Er versäumt auch, sich Gott zuzuwenden, der ihm die ganze Zeit zugewandt ist. Wenn man religiöse Rituale so auffasst, dann bekommen sie fürRead more at location 1416

 

den Menschen eine andere Bedeutung. Sie betreffen ihn direkt. Der Blick wird damit auf den Menschen selbst gelenkt. Die Gebote dienen dem Menschen, seiner Vervollkommnung und Glückseligkeit, und nicht Gott.Read more at location 1419

 

Es geht auch nicht mehr darum, dass ein Mensch, der betet, besser ist als einer, der nicht betet, oder der Fastende besser ist als der Nichtfastende. Nicht das Gebet und das Fasten, also nicht die Rituale selbst, sind das Kriterium, durch welches sich die Menschen voneinander unterscheiden,Read more at location 1420

 

einfach:Read more at location 1428

 

Religiöse Rituale sind nicht Gottesdienst, sondern ein Mittel zur Vervollkommnung des Menschen, damit er allererst in die Lage kommt, selbstlos und empathisch Liebe und Barmherzigkeit zu verwirklichen. Religiöse Rituale sollen uns dabei unterstützen, die göttlichen Intentionen zu verwirklichen.Read more at location 1543

 

7. Scharia als juristisches System steht im Widerspruch zum Islam selbstRead more at location 1547

 

Viele Flugbegleiterinnen können ein Lied davon singen, wie sie von vielen Männern aus diesen Ländern angestarrt und belästigt werden. In ihren Ländern verhalten sich dieseRead more at location 1558

 

Menschen anders – aber eben nur aus Angst vor einer juristischen Sanktion, nicht aus aufrichtiger Überzeugung. Diese Beobachtung beschränkt sich natürlich nicht auf Menschen aus muslimischen Ländern.Read more at location 1560

 

Der Koran spricht lediglich an vier Stellen von Verboten: Neben den oben angeführten Versen, die sich auf die Zehn Gebote beziehen23, geht die vierte Sure auf das Verbot von Inzucht ein24; die zweite Sure erwähnt das Verbot von Wucher,25 und schließlich werden in der fünften Sure die Speisevorschriften angeführt.26Read more at location 1689

 

Im Koran geht es um den Menschen, nicht um Gott. Daher spreche ich von humanistischer Koranhermeneutik: einer Hermeneutik, die im Menschen ein Medium der Verwirklichung göttlicher Liebe und Barmherzigkeit durch den freien Willen und das freie Handeln des Menschen sieht. Gott und Mensch kooperieren Seite an Seite, um Liebe und Barmherzigkeit als gelebte Wirklichkeit zu gestalten. Das ist die Basis humanistischer Koranhermeneutik.Read more at location 2323

 

Die humanistische Koranhermeneutik basiert auf der Grundidee des Gelehrten aš-Šāṭibīs (gest. 1388), der die Wahrung und Erfüllung menschlicher Interessen zur höchsten Instanz religiöser Normen erhob. Sein Grundsatz »Religiöse Lehren dienen der Erfüllung der Interessen der Menschen im Dies- und im Jenseits«18 steht im Zentrum der humanistischen Koranhermeneutik. Man kann diesen Satz auch anders formulieren: »Koranische Inhalte dienen der Erfüllung der Interessen der Menschen im Dies- und Jenseits.« BeiRead more at location 2334

 

und Barmherzigkeit zu verhindern.Read more at location 2458

 

Der Islam ist nicht der einzige Weg zur ewigen Glückseligkeit. »Diejenigen, die glauben [die Muslime], und diejenigen, die dem Judentum angehören, und die Christen und die Sabäer, alle die an Gott und den Jüngsten Tag glauben und Rechtschaffenes tun, denen steht bei ihrem Herrn ihr Lohn zu, und sie brauchen am Tag des Gerichts keine Angst zu haben, und sie werden nach der Abrechnung am Jüngsten Tag nicht traurig sein.«59Read more at location 2620

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  • 3 Wochen später...

Bewährte Methode: Eine Entgegnung auf die Vorwürfe von Prof. Dr.

Mouhanad Khorchide aus Münster

Mouhanad Khorchide unterstellt mir in einem Interview, das vor Kurzem

auf der Online-Plattform http://www.islam.de abgedruckt wurde, ein

„lebensfeindliches Verständnis“ des Islam zu propagieren und im Sinne

der Salafisten zu polarisieren. Ich wollte -so Khorchide- gemeinsam

mit den Salafisten nicht, dass der Islam mit Barmherzigkeit in

Verbindung gebracht wird und hätte behauptet, dass die theologischen

Thesen von Khorchide meilenweit von der muslimischen Basis entfernt

seien. Zu diesen Vorwürfen und Unterstellungen nehme ich

folgendermaßen Stellung:

Bis auf den letzten Punkt entspricht nichts von dem weder meiner

persönlichen Position, noch der meiner Religionsgemeinschaft, der

Schura Niedersachsen. Dies sind einseitige Unterstellungen und

befremdliche Vorwürfe eines Hochschullehrers, der anscheinend nur sich

selbst und seine Theologie für lebensfreundlich hält. Wer jedoch den

„Spaß am Leben“, wie es Khorchide selbst formuliert, gegen islamische

Grundwerte und Normen definieren möchte und dadurch die Religion zur

Beliebigkeit degradieren will, muss dies offen bekunden. Ich habe so

wenig mit den Salafisten zu tun, wie die Theologie von Khorchide

selbst mit dem islamischen Mainstream und der muslimischen Basis in

Deutschland zu tun hat.

Von einem Beamten, der mit staatlichen Geldern finanziert wird und

glaubt islamische Theologie zu betreiben, wäre jedoch zu erwarten,

dass er die islamischen Glaubensgrundsätze beachtet, wenn er die

künftigen Lehrkräfte für den islamischen Religionsunterricht und die

Imame (allgemeiner Religionsbedienstete) für die Moscheegemeinden

ausbilden möchte. Dies ist keine Zumutung und auch keine

Positionierung gegen die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit, sondern

eine Selbstverständlichkeit im weltanschaulich-neutralen Staat. Denn

seine unseren Glaubensüberzeugungen widersprechenden normativen

Hypothesen kann er im universitären Rahmen sehr wohl auch in der

Islam- oder Religionswissenschaft lehren und darlegen, womit wir

keinerlei Probleme hätten. Wer jedoch A sagt muss auch B sagen, der

Anspruch islamische Theologen auszubilden, geht mit dem Wagnis einher

sich nicht nur auf die Glaubensgrundsätze der Muslime einzulassen,

sondern diese auch zu verinnerlichen und zu teilen. Seine

randständigen Positionen als den unverfälschten Islam im wahrsten

Sinne des Wortes zu verkaufen und die Repräsentanten der islamischen

Religionsgemeinschaften als lebensfeindlich zu deklarieren, übertrifft

jede Form von Dreistigkeit.

Nicht nur ich selbst, sondern viele andere exponierte Vertreter der

Muslime in Deutschland haben sich von den Positionen Khorchides

distanziert und diese kritisiert. Neben Ditib Nord, haben sich

Vertreter von Schura Hamburg und auch Ditib Hessen ausdrücklich von

seinen Thesen abgegrenzt und ihr Befremden zum Ausdruck gebracht. Auch

Ditib-Sprecher Bekir Alboga hat diese Thesen verurteilt und sich sehr

irritiert darüber gezeigt.

Da Khorchide jede Kritik an seinem veröffentlichten Buch als

unislamisch und unwissenschaftlich bezeichnet, möchte ich klarstellen,

dass ich hier lediglich auf die von ihm veröffentlichten und mit

großem Wohlwollen der nichtmuslimischen deutschsprachigen Presse

unterstützten Positionen lediglich reagiere und hierzu Position

beziehe. Er durfte in den wichtigsten Presseorganen dieses Landes in

der nichtmuslimischen Öffentlichkeit massiv für sein Buch werben und

wurde hierbei systematisch und gut organisiert unterstützt. Selbst das

Bundesforschungsministerium wirbt mit seinem Namen deutschlandweit auf

Plakaten und baut ihn damit offenkundig als modernen, aufgeklärten

Theologen bewusst auf. Von einer neutralen Positionierung der

nichtmuslimischen Medien und staatlichen Stellen in Bezug auf rein

religiöse Glaubensdiskurse ist hier wenig zu verspüren und Khorchide

kann sicherlich keine fehlende Unterstützung für seine Thesen durch

die Medien beklagen. Im Gegenteil, selbst die Reaktionen der

nichtmuslimischen Pressevertreter (Qantara, TAZ, Deutschlandfunk etc.)

auf einen theologischen Diskurs zwischen den Muslimen (Reaktion der

Ditib Nord, Schura Hamburg, Ditib Hessen versus Khorchide) war massiv

parteiergreifend für Khorchide. Zudem veröffentlicht man ein Buch um

seine Gedanken zu verbreiten und damit hat man nicht nur positive

Rückmeldungen von Vertretern der Nichtmuslime oder säkularer

Kulturmuslime zu erwarten, sondern muss im öffentlichen Diskurs auch

mit Kritik von bekennenden und praktizierenden Muslimen und ihrer

Religionsgemeinschaften rechnen.

Unsere Aufgabe als Vertreter eben dieser islamischen

Religionsgemeinschaften ist es gerade diese Entwicklungen an

staatlichen Hochschulen kritisch zu begleiten um einen Staatsislam im

Zuge der universitären Ausbildung zu verhindern und dem

weltanschaulich neutralen Staat, der durch die Universitäten agiert,

seine Grenzen im theologischen Bereich aufzuzeigen. Jede Politisierung

der Theologie durch die Hintertür lehnen wir strikt ab und werden uns

hiergegen mit rechtsstaatlichen Mitteln wehren. Hochschullehrer sind

verwaltungstechnisch den Universitätsrektoren untergestellt, die

wiederum nicht nur durch das Wissenschaftsministerium finanziert

werden, sondern auch als oberstem Dienstherren diesen unterstehen. Der

Staat ist nach den Vorgaben des Grundgesetzes nicht berechtigt über

Hochschullehrer, die Beamte des Staates sind, Glaubensüberzeugungen

von Religionsgemeinschaften zu konstituieren oder diese einseitig

gegen ihren ausdrücklichen Willen paternalistisch weiter zu

entwickeln. Alles andere würde zu einer Staatskirche führen, was

unserem Grundgesetz eindeutig widerspricht.

Meinungsvielfalt in einem bestimmten Rahmen wurde im Islam immer

durchaus positiv bewertet. Die von nahezu allen sunnitischen,

schiitischen, mutazilitischen etc. Gelehrten geteilten

Glaubensüberzeugungen jedoch als salafistisch zu bezeichnen (vgl.

beispielsweise s.216-217 in seinem Buch) und dadurch diskreditieren zu

wollen, entspricht weder einem differenzierten wissenschaftlichen

Umgang, noch ist dies guter muslimischer Brauch. Mir persönlich als

Anhänger der mystisch geprägten Nurculuk-Bewegung eine Nähe zum

Salafismus vorzuwerfen, zeugt gleichzeitig von jedweder Unkenntnis der

islamischen Bewegungen in Deutschland. Dies bedaure ich umso mehr, da

Prof. Khorchide Leiter eines Zentrums für Islamische Theologie an

einer bedeutenden deutschen Universität ist und den Unterschied

zwischen der Nurculuk-Bewegung und dem Salafismus kennen sollte.

Mehrfach hat sich die Schura Niedersachsen, wie auch ich selbst

öffentlich von dem Salafismus distanziert und diesen kritisiert.

Gegenüber der salafistischen Theologie habe ich ähnliche Bedenken, wie

ich sie gegenüber den Thesen von Khorchide ebenfalls habe. Da

Khorchide mittlerweile sehr gut in der deutschen Presselandschaft

vernetzt ist, hätte er wenigstens diese Meldungen zur Kenntnis nehmen

können, bevor er mir über die konservative Schiene eine Nähe zum

Salafismus vorwirft. Zudem vertritt die Schura Niedersachsen in diesem

Bundesland seit fast 15 Jahren -mit Ausnahme der Salafisten-

unabhängig von ethnischer und konfessioneller Zugehörigkeit oder

Rechtsschule beinahe alle Moschee-Gemeinden außer den Ditib-Gemeinden,

die eigenständig organisiert sind.

Um was geht es genau bei meiner Kritik? Warum distanziere ich mich von

seinen Hypothesen? Ich habe vor Monaten in einem Interview gesagt,

dass Khorchide mit diesem Buch die Erwartungen der

Residenzgesellschaft bedient und mit viel Zuspruch der Nichtmuslime

rechnen darf, seine Hypothesen jedoch meilenweit von der muslimischen

Basis entfernt sind. Folgende Textstellen aus seinem eigenen Buch

belegen in der gebotenen Kürze seine marginalen

islamisch-theologischen Positionen, die ich nicht nur ablehne, sondern

auch für höchst problematisch mit Blick auf die Entwicklung der

islamischen Theologie in dieser Gründungsphase an staatlichen

Universitäten erachte. Die islamische Theologie ist in Deutschland

noch ein zartes Pflänzchen zugleicht gibt es auf muslimischer Seite

große Vorbehalte und Bedenken gegen diese universitäre Ausbildung, die

wir als islamische Religionsgemeinschaften täglich zu entkräften

versuchen. Hervorheben möchte ich auch folgendes: Für eine

authentische und glaubwürdige Entwicklung der islamischen Theologie in

einer christlich und säkular verfassten Gesellschaft, in der die

Muslime eine kleine Minderheit sind, empfinde ich für mindestens so

besorgniserregend, wie diese wissenschaftlich eingekleideten

Glaubensüberzeugungen von Khorchide, die externe, bevormundende

Einmischung von Nichtmuslimen in diesen rein religiösen Diskurs.

Nach Khorchide ist beispielsweise Gott im christlichen Duktus nichts

anderes als die Liebe und Barmherzigkeit per se. S.199 Damit reduziert

er Gott auf ein niedliches, harmloses Wesen und relativiert, ja

negiert zahlreiche eindeutige weitere strafende und ausgleichende

Attribute, Eigenschaften und Namen Allahs, die der Selbstbeschreibung

Gottes und seines Propheten in Koran und Sunna entsprechen. „Unter den

Menschen gibt es manch einen, der ohne Wissen über Gott zu haben, über

ihn streitet und dem aufrührerischen Teufel folgt.“ Koran 22/3 Im

folgenden Textabschnitt möchte ich mit unmissverständlichen und klaren

Zitaten aus dem Buch von Khorchide seine Standpunkte skizzieren, damit

jeder Leser sich sein eigenes Bild machen und Urteil bilden kann.

 

 

Glaube und Gottesvorstellungen nach Khorchide:

Nach Khorchide sind Glaubenszugehörigkeiten billige Überschriften und

Etikettierungen, die für das Jenseits unbedeutend sind. Muslime sollen

sich Gott nicht unterwerfen und ihm dienen, da dies nur ein

restriktiver Diktator verlangen könne. Jeder Muslim soll selbst

individuell entscheiden, ob und wie er eine Beziehung zu Gott aufbaut

und diesen dann eigenständig verantworten. Gott in Gehorsam zu dienen

schalte nach Khorchide die Vernunft ab und verdamme den Menschen zur

Unmündigkeit. Der Mensch sei aber zu mehr berufen, als zum Knecht

(ibada, türkisch kulluk) sein. Diese vereinfachenden Thesen alleine

widersprechen den Glaubensüberzeugungen sämtlicher Madahib.

„Ich fragte mich nach dem Sinn und Zweck von Religion. Was will Gott

von uns Menschen eigentlich? Und was will dieser Gott für sich? Warum

überhaupt das Ganze? Wie kann es sein, dass dieser Gott Menschen, die

ungerecht sind und andere Menschen abfällig behandeln, ins Paradies

eingehen lässt, andere aber, die gerecht sind und andere Menschen

respektvoll behandeln, für immer in die Hölle verbannt? Weil sie die

falsche Überschrift tragen?! Weil sie sich nicht Muslime nennen?! Geht

es Gott wirklich nur um Überschriften?! Geht es Gott wirklich nur

darum, dass an ihn geglaubt wird? Geht es ihm darum, dass nur auf eine

bestimmte Art und Weise an ihn geglaubt wird? Geht es Gott also um

sich selbst? Braucht er uns, um von uns angebetet zu werden, hat er

uns deshalb erschaffen? Wer sich ihm also unterwirft, den belohnt er

mit dem Paradies, und wer sich ihm nicht unterwirft, dem zeigt er im

Jenseits, wer das letzte Wort hat, wer der Chef ist? Geht es Gott

wirklich darum, seine Macht zu demonstrieren? Ist Gott wirklich so

klein? Ich kam zu der Antwort: Mit Sicherheit nicht! Gott ist kein

Diktator, kein Mubarak oder Gaddafi. Gott ist in sich vollkommen.“

S.25

„Die Beziehung des Menschen zu Gott wird auf eine Dimension reduziert,

nämlich die des Gehorsams. Gehorsame werden für ihren Gehorsam

belohnt, Ungehorsame entsprechend bestraft. Die Fähigkeit des

Menschen, sein Leben selbst in die Hand zu nehmen, Gotteserfahrungen

zu machen und diese zu reflektieren, eine individuelle Beziehung zu

Gott aufzubauen, eine eigene Religiosität zu entwickeln und diese

selbst zu verantworten, für sich selbst zu entscheiden, wie er sein

Leben entwerfen und auf Gott individuell ausrichten will – all das

wird ignoriert und unterdrückt. Wäre es aber nicht unfair von Gott,

uns eine Vernunft zu geben, die verstehen will, die viele Fragen hat

und vieles hinterfragen will, die dem folgen will, was ihr

einleuchtet, was sie nachvollziehen kann – aber zugleich von uns zu

erwarten, diese Vernunft zu unterdrücken? Ist dann Vernunft eine

Falle, die Gott dem Menschen gestellt hat, um zu sehen, ob er sich für

das blinde Gehorchen oder das kritische Reflektieren entscheidet?

Spielt Gott die Vernunft gegen sich selbst aus? Ist die Vernunft der

Hauptfeind des Menschen? Ist das menschliche Leben ein einziger Kampf

gegen die eigene Vernunft? Sind diejenigen Sieger, die sich für Gott

und gegen die Vernunft entschieden haben, und die Verlierer, die sich

zur Vernunft und gegen Gott gewandt haben?! Viele Gelehrte spielen

Gott gegen die Vernunft aus. Sie stellen die Menschen vor die Wahl:

entweder Gott oder die Vernunft. Diese Position wird weder Gott noch

der Vernunft gerecht. Beide gehen dadurch verloren. Aus Gott wird ein

selbstsüchtiger Diktator, und die Vernunft wird ausgeschaltet.“

S.74-75.

„Viele Muslime projizieren ihre Vorstellung von einem mächtigen

Familienoberhaupt oder von einem archaischen Stammesvater, dem man

unhinterfragt gehorchen und sich unterwerfen muss, auf ihre

Vorstellung von Gott. Demnach gestaltet sich die Gott-Mensch-Beziehung

als Beziehung zwischen einem Herrn und seinem Knecht. Der Herr braucht

seinen Knecht, er ist auf seine Dienste angewiesen, um seine

Herrlichkeit genießen zu können. Will aber Gott wirklich, dass

Menschen ihm dienen? Braucht er unseren Dienst? Diese Vorstellung

eines restriktiven Diktators, dem es nicht um die Interessen seines

Volkes geht, unterscheidet sich kaum von der Vorstellung eines

restriktiven Diktators, dem es nicht um die Interessen seines Volkes

geht, sondern um die Unterwerfung der Menschen unter seinen Willen.

Der Mensch ist unmündig, er ist auf die Instruktionen Gottes

angewiesen. Der Koran und die prophetische Tradition werden in dieser

Sichtweise als Instruktionen Gottes wahrgenommen, die Gott dem

Menschen verkündet, da dieser nicht in der Lage sei, von sich aus zu

erkennen, was gut und was schlecht für ihn ist. Der Koran und die

Sunna (prophetische Tradition) sind demnach eine Art

Bedienungsanleitung für das Funktionieren des Menschen.“ S.73

„Manche Gelehrte interpretieren die islamische Religion so, als ginge

es lediglich um die Verherrlichung Gottes. Sie berufen sich auf

folgenden koranischen Vers: „Ich habe den Menschen erschaffen und den

Dschinn (ein Geistwesen) nur deshalb erschaffen, damit sie mir

dienen“.(Koran 51/56) Dieses Verständnis von Religion kollidiert

jedoch mit dem Verständnis, dass Gott den Menschen bedingungslos aus

seiner Barmherzigkeit erschaffen hat, um seine Liebe mitzuteilen… .“

S.114

 

 

Jenseitsvorstellungen nach Khorchide:

Nach Khorchide sind die Höllen- und Paradiesvorstellungen des Korans

kontextgebundene, historisch geprägte Aussagen, die die

unterentwickelten Menschen im 7.Jahrhundert ansprechen. S.62-63

Mündigen Muslimen gehe es „nicht um eine opportunistische Haltung, die

lediglich darauf zielt, die eigene Haut vor dem Höllenfeuer zu retten

(…)“, sondern um die Gemeinschaft mit Gott. S.218 Allen andere

unterstellt er Selbstanbetung. „Man belügt sich selbst, wenn man

behauptet, man verehre Gott durch Beten und Fasten, man aber in

Wirklichkeit nur in ein Paradies voller materieller Vergnügungen

kommen möchte.“ S.62 Geschickt schreibt er die verbreitete Wahrnehmung

des Jenseits unter Muslimen neben den Mutaziliten lediglich den

Aschariten zu, spricht bewusst nicht von den Sunniten und meint

anscheinend dadurch verheimlichen zu können, dass seine Position zudem

weder dem sunnitischen noch dem schiitischen Jenseitsglauben

entspricht. Im Grunde widerspricht er damit dem Jenseitsbekenntnis

aller bekannten islamischen Strömungen einschließlich der der Ahl

as-Sunna, der Schia und der Mutazila etc.

„Der Ansatz, den ich hier vorstellen möchte, sieht im Jenseits

-anders als die Aschariten oder Mutaziliten tun- nicht nur ein

Gericht, dessen Ziel es ist, Gerechtigkeit wiederherzustellen, sondern

darüber hinaus eine Phase der Transformation, mit der die Menschen zur

ewigen Glückseligkeit , also in die Gemeinschaft mit Gott gelangen,

indem sie Gottes Barmherzigkeit in ihrer absoluten Vollkommenheit

erfahren und erleben. (…) Gott hat großes Interesse daran, seine

ursprüngliche Intention bei der Schöpfung –nämlich Mitliebende zu

haben, die er in seine Gemeinschaft einschließt.“ S.50

„Die Hölle ist demnach kein Ort der Bestrafung oder der Rache Gottes,

sondern steht symbolisch für das Leid und die Qualen, die der Mensch

im Laufe dieses Transformationsprozesses erlebt. Dabei begegnet er

einerseits der unendlichen Barmherzigkeit und Liebe Gottes. Dies

versetzt ihn in Scham und Demut, da ihm bewusst wird, dass er in

seinem Leben Nein zu dieser Liebe und Barmherzigkeit gesagt hat.“

S.50-51

„Der Versuch, das Jenseits als Ort der Vervollkommnung und

Transformation des Menschen zu verstehen, soll keineswegs das

wortwörtliche Verständnis von Paradies und Hölle als von tatsächlich

existierenden Orten ersetzen, sondern denjenigen ein weiteres

Interpretationsangebot bieten, die nicht aus Angst vor einer

Bestrafung bzw. Hoffnung auf eine Belohnung Gutes tun und das

Schlechte vermeiden, sondern, die bestrebt sind, sich in ihrem

Menschsein zu vervollkommnen und selbstlos Gutes zu tun. Eine Lesart

des Jenseits als Ort der Transformation macht den Menschen ein

Angebot, Gott nicht als Richter zu erfahren, sondern ihn in seiner

vollkommenen Barmherzigkeit zu erkennen. Wer sich aber nur dann bzw.

besser in der Lage sieht, das Gute zu tun und sich vom Bösen

abzuwenden, wenn er sich von einer jenseitigen Strafe bedroht fühlt

bzw. auf eine Belohnung im Sinne materieller Vergnügung hofft, dem

steht das Angebot, das Paradies und die Hölle als tatsächlich

existierende Orte im materiellen Sinne zu verstehen, nach wie vor

offen.“ S.56

 

 

Religionsverständnis nach Khorchide:

Der Autor stellt das ganze Konzept der Rolle und Aufgabe von Religion

und der Welt als Ort der Prüfung auf den Kopf. Nach islamischem

Glauben sendet Gott Propheten mit Büchern (religiösen Vorschriften) um

die Menschen zum rechten Weg zu leiten. Gläubige Menschen sollen diese

Glaubensüberzeugungen teilen und bestätigen und die Gebote, Verbote,

Werte etc. akzeptieren und praktizieren. Nach Khorchide aber sei es

eine „naive Vorstellung“ zu glauben, dass Gott Instruktionen schicke,

„um zu sehen, wer sich an sie hält und wer nicht, um dann diejenigen,

die ihm gehorchen, zu belohnen und sich an den Ungehorsamen zu rächen.

Diese Vorstellung wird Gott in keiner Weise gerecht. Sie macht aus ihm

einen Diktator, der nur auf Gehorsam aus ist, der verherrlicht werden

will und nach Selbstbestätigung sucht. Die Beziehung zu solch einem

`Diktator-Gott` kann nur auf Angst basieren.“ S.63-64

„Der Gedanke Gott habe die Menschen erschaffen, weil er verherrlicht

oder angebetet werden wolle, macht aus Gott einen von

Minderwertigkeitsgefühlen geplagten, egoistischen `Diktator`, der auf

der Suche nach sich selbst ist. Das ist dann aber nicht mehr Gott.“

S.70

„Es geht beim Gottesdienst somit nicht um Gott, sondern um seine

Schöpfung. Man dient Gott, indem man seiner Schöpfung dient.“ S.115

 

 

Glaubensverständnis und das Jenseits für Nichtmuslime nach Khorchide:

Nach Khorchide spielt es für das Jenseits keine Rolle, welcher

Religion jemand zugehörig ist oder welche Glaubensüberzeugung er

teilt. Im Grunde ist die Glaubensüberzeugung eines Menschen relativ

unbedeutend, da es nach Khorchide alleine auf das Handeln ankommt.

Jeder barmherzig und liebevoll handelnde Mensch ist als Medium Gottes

Muslim, auch wenn er explizit formuliert nicht an Gott glaubt. Hierbei

handelt es sich nicht um ein -wie von ihm behauptet- aus dem

Zusammenhang gerissenes Zitat, vielmehr zieht sich dieser

Gedankenstrang konsequent durch das ganze Buch. „Und wer den Glauben

leugnet, dessen Werk-Handlung-Tat ist zunichte geworden. und im

Jenseits gehört er zu den Verlierern.“ Koran 5/5.

„Der Gerichtstag als Ort der Abrechnung mit den ‚Ungläubigen‘ lässt

hier auf der Erde ein Gefälle zwischen Muslimen und Nichtmuslimen

entstehen. Muslime und Nichtmuslime können sich nach der Vorstellung

der traditionalistischen islamischen Theologie nicht auf Augenhöhe

begegnen, da, unabhängig von ihren jeweiligen Handlungen, heute schon

feststeht, wer der ‚Gewinner‘ und wer der ‚Verlierer‘ sein wird. Gott

aber interessiert sich nicht für Überschriften wie ‚Muslim‘, Christ‘,

‚Jude‘, ‚gläubig‘, ‚ungläubig‘ usw., Gott geht es um den Menschen

selbst, um seine Vervollkommnung, damit er ihn für sich, für seine

ewige Gemeinschaft gewinnen und ihn in sie aufnehmen kann.

Entscheidend dabei ist, ob der Mensch dieses Angebot annimmt oder

nicht. Die Hölle ist nichts anderes als der Zustand, in dem sich

derjenige befindet, der Nein zu Liebe und Barmherzigkeit, der Nein zur

Gottesgemeinschaft sagt.“ S.57-58

„Die Vorstellung vom Gerichtstag als Ort der Offenbarung der

Barmherzigkeit Gottes und der Wahrheit des Menschen selbst bietet

hingegen keine Grundlage für ein derartiges Machtgefälle zwischen den

Menschen. Der Gerichtstag im Sinne einer Offenbarung der

Barmherzigkeit Gottes soll uns nicht in Schrecken versetzen, sondern

uns hoffen lassen –und zwar alle, egal WELCHER RELIGION ODER

WELTANSCHAUUNG WIR FOLGEN. Gott will letztendlich alle in seine

Gemeinschaft aufnehmen, bis auf diejenigen, die Nein zu seiner Liebe

und Barmherzigkeit, Nein zu seiner Gemeinschaft sagen. Er ist wie der

liebende Vater oder die liebende Mutter, die ihren Kindern alles Liebe

der Welt wünschen.“ S.59-60

„Einige sagen: „Ich strenge mich die ganze Zeit an, vermeide diesen

oder jenen Genuss im Leben, und am Ende ist Gott zu mir genauso

barmherzig, wie zu denen, die alles genossen haben?!“ Dieses Argument

bringt eine gewisse Unzufriedenheit mit zum Ausdruck: Man empfindet es

als Last, nicht zu sündigen, man ist nicht ganz davon überzeugt, der

Verzicht auf Sünden kommt nicht von Herzen. Ein Freund von mir, der in

einem arabischen Land als muslimischer Gelehrter arbeitet, erzählte

mir von einem Engländer, der mit sechzig Jahren den Islam annehmen

wollte. Er ging zu einem Imam und fragte ihn, ob er den Islam annehmen

könne. Der Imam verneint dies. Der Engländer war sehr enttäuscht und

kam nach langer Verzweiflung zu meinem Freund und stellte ihm dieselbe

Frage. Mein Freund sagte ihm, natürlich könne er sofort zum Islam

übertreten. Als mein Freund den Imam zur Rede stellte, sagte dieser:

„Der Mann ist sechzig Jahre alt, er hat alles im Leben genossen,

schöne Mädchen, Alkohol, und nun soll er mit mir ins Paradies kommen,

der ich nichts davon gehabt habe, was er lebenslang genossen hat?! Das

geht nicht!“ S.67-68

Salafisten und alle extremistischen Muslime gelten bei Khorchide

nämlich als Kafir, die Nein zur Liebe und Barmherzigkeit Gottes sagen

und damit direkt in die Hölle kommen. „Gerade Salafisten und andere

Fundamentalisten und Extremisten, die im Namen ihres Glaubens Hass und

Unfrieden auf Erden verbreiten, sind nichts anderes als kafirun.“ S.91

„Der Mensch ist ein Medium der Verwirklichung göttlicher Liebe und

Barmherzigkeit durch sein freies handeln. Gott und Mensch arbeiten

Seite an Seite, um Liebe und Barmherzigkeit als gelebte Wirklichkeit

zu gestalten. (…) Der Mensch, die die Einladung Gottes zu Liebe und

Barmherzigkeit annimmt und bereit ist, ein Medium der Verwirklichung

göttlicher Intention zu sein, ist ein Muslim. Islam ist die Annahme

der Liebe und Barmherzigkeit Gottes.“ S.85

„Ich möchte versuchen, eine Vorstellung vom Islam jenseits eines

dogmatischen Verständnisses zu vermitteln, in dem es lediglich um die

Frage nach den richtigen Glaubenssätzen geht. Fundamentalisten haben

sich in der Frage verloren, woran ein Muslim glauben muss, und ihre

Liste beschränkt sich keineswegs auf die sechs Glaubensgrundsätze

(Gott, Engel, Bücher, Propheten, Wiederauferstehung und

Vorherbestimmung), sondern es kommen noch viele Glaubenssätze dazu,

wie der Glaube an die Rechtschaffenheit aller Gefährten des Propheten,

der Glaube an die Fürbitte des Propheten am Tag des Gerichts, der

Glaube an eine Brücke, die über die Hölle geht, der Glaube an die

Schau Gottes im Jenseits, der Glaube an die Existenz einer Waage am

Tag des Gerichts usw.“ S.86

„Der traditionellen islamischen Lehre nach muss sich jeder Muslim und

jede Muslimin zu den islamischen Glaubensgrundsätzen bekennen. Diese

bilden die so genannte islamische `Aqida.“ S.209 „Ein Verständnis von

Glückseligkeit, das diese lediglich von den richtigen Glaubenssätzen

abhängig macht, hat sich bis heute mehr oder weniger umfassend

durchgesetzt. Dieses Verständnis steht jedoch im Widerspruch zu den

koranischen Aussagen.“ S.211

„Die Verwirklichung von Gottes Liebe und Barmherzigkeit auf der Erde

verliert ihre zentrale Bedeutung, wenn wir den Islam auf Glaubenssätze

oder auf das Glaubensbekenntnis reduzieren. Nach der oben

dargestellten Definition des Islam ist jeder, der sich zu Liebe und

Barmherzigkeit bekennt und dies durch sein Handeln bezeugt, ein

Muslim, AUCH WENN ER NICHT AN GOTT GLAUBT, denn Gott geht es nicht um

die Überschriften `gläubig` oder `nichtgläubig`. Gott sucht nach

Menschen, durch die er seine Intention, Liebe und Barmherzigkeit,

verwirklichen kann; Menschen, die bereit sind, seine Angebote

anzunehmen und zu verwirklichen. Und umgekehrt ist jeder, der meint,

an Gott zu glauben, jedoch Liebe und Barmherzigkeit nicht durch sein

Handeln bezeugt, kein Muslim.“ S.87-88

Khorchide ist nicht nur mutig bei der Kritik der Glaubensgrundsätze

der Muslime, vielmehr wirft er ihnen vor den Islam im Grunde seit

Muawiya falsch verstanden und ausgehöhlt zu haben. Lediglich die

Fassade der Religion des Propheten sei heute übrig geblieben. „Von

dem Islam Muhammads“ sei „heute kaum etwas geblieben.“ S.212.

Schließlich etikettiert er mehr oder weniger die praktizierte Form des

Islam in Deutschland mit konservativ und setzt diesen dem Salafismus

gleich. „Wie konnte es passieren, dass sich einige dieser Positionen

nicht nur in salafistischen Milieus verbreitet haben, sondern auch in

anderen islamischen Kreisen, die man heute als „konservativ“

bezeichnet?! Ich wundere mich immer wieder über Muslime, die darauf

beharren, dass Gott im Islam nicht der absolut Barmherzige ist,

sondern auch der zornige und der bestrafende Gott sei,, während der

„liebende“ Gott der christliche Gott sei.“ S.216-217 Für jemanden der

das Glaubensbekenntnis hybridisiert und normativ diesen auf das

barmherzige Verhalten verlagert, gleichzeitig die Höllenstrafen de

facto negiert und verniedlicht, argumentiert er in dieser Kausalkette

folgerichtig und plausibel. Und auch in diesem Gedankengang schließt

sich nun der Kreis, da er mich persönlich zuvor auf http://www.islam.de als

konservativen Vertreter des Islam den Salafisten gleichgestellt hatte,

die er ja bekanntlich als kafir bezeichnet. Gleichzeitig braucht man

nach unserem Autor kein Muslim im herkömmlichen Sinn zu sein, um ins

Paradies und in die „Gemeinschaft Gottes“ zu kommen. Das Paradies des

Koran steht nach Khorchide auch allen Christen, Atheisten etc. zu, nur

nicht den Salafisten und allen ihnen gleichgestellten bösen

konservativen Muslimen.

 

 

Abschließende Bewertungen

Ein Buch mit solch gewagten Thesen zu verfassen, verlangt von jedem

Autor eine klare Vertiefung in die islamische Theologie und viel

intensivere Auseinandersetzung mit der reichhaltigen islamischen

Wissenschaftstradition voraus, als dies in diesem Buch geboten wird.

Diesem Wunsch liegt freilich der Gedanke zu Grunde, dass auch diese

Kompetenzen bei dem Autor vorhanden sind. Schließlich betont Khorchide

immer wieder, dass er sein Buch als islamischer Theologe schreibt und

ist bei seiner Kritik an die Muslime auch kein bisschen bescheiden

oder demütig.

An dieser Stelle wäre nach der wissenschaftlichen Qualifikation von

Prof. Khorchide zu fragen. Soweit ich informiert bin, hat er weder

einen Master, noch eine Dissertation im Bereich der islamischen

Theologie. Beide Abschlüsse hat er im Bereich der Soziologie und

Wirtschaftswissenschaften der Universität Wien zu Themen des

islamischen Religionsunterrichts und der Integration erlangt. Die

Suche nach einer Habilitation ist ebenfalls eine ganze Fehlanzeige.

Lediglich über einen B.A. Fernstudium einer Universität in Beirut

verfügt unser Autor. Zudem hat Dr. Khorchide keine Professur im

Bereich der Kerndisziplinen der islamischen Theologie, sondern der

islamischen Religionspädagogik an der Universität Münster. Wenn jemand

mit diesen Abschlüssen und solch einer bescheidenen theologischen

Ausbildung, so weitreichende Thesen in der Gründungsphase der

islamischen Theologie in Deutschland aufzustellen vermag, stellt sich

bei mir die Frage: Wie kommt das? Woher dieser Übermut und diese

Selbstüberhebung? Wo bleibt die von ihm in seinem Werk viel gepredigte

menschliche Bescheidenheit und die wissenschaftliche Mäßigung? Einzig

der Fußnotenapparat in seinem Buch ist mehr als bescheiden. Von einem

Beamten, der auch mit den Steuergeldern der Muslime finanziert wird,

hätte ich mehr Takt und vor allem noch mehr wissenschaftliche

Tiefgründigkeit für eine solche revolutionäre, humanistische und

aufgeklärte Theologie -so jedenfalls die unbescheidene

Selbstzuschreibung Khorchides- erwartet.

Jeder kann glauben, was er möchte. In diesem Land besteht Gott sei

Dank im Gegensatz zu manch einem islamisch bezeichneten Staat die

Religionsfreiheit. Jeder kann auch zu religiösen Positionen jede

Meinung vertreten und wissenschaftlich zu begründen versuchen, hier

gilt die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit. Unislamische

Glaubensüberzeugungen mit der Autorität und der Würde eines

Professorentitels an einer Universität und der Unterstützung von

nichtmuslimischen Vertretern der Medien als islamisch zu etikettieren

und dies den Muslimen als den wahren Islam aufdrücken zu wollen, kann

und werde ich jedoch nicht akzeptieren. Extremistische und

gewaltverherrlichende Positionen werden wir ebenso konsequent

verurteilen, wie auch bevormundende sogenannte Liberalisierungs- und

Verniedlichungstendenzen des Islam durch Beamte des Staates, die den

Islam tatsächlich aushöhlen und hybridisieren. Zum Abschluss möchte

ich Prof. Khorchide mit seinen eigenen Worten aufrufen darüber

nachzudenken, inwieweit das von ihm in seinem Buch favorisierte

Verständnis von Glaube, Gott, Jenseits und Religion noch islamisch

ist, und inwiefern dies eine einseitige Aufgabe religiöser

Überzeugungen zugunsten der Hingabe an den Zeitgeist darstellt.

„Es wäre ja mehr als schade, wenn man sein Leben lang einen Gott

anbetet, der sich am Ende als eine Projektion herausstellt und mit

Gott selbst so gut wie nichts zu tun hat. Dann hat man eigentlich

alles verloren, und alles ist dann umsonst gewesen: Man hat sich das

ganze Leben nur um sich selbst gedreht und mehr oder weniger seine

eigene Vorstellung angebetet: „Sollen wir euch Menschen sagen, wer die

größten Verlierer sind? Das sind diejenigen, deren Eifer umsonst war,

während sie glaubten, das Richtige zu tun.“ S.145

 

 

Landesvorsitzender der Shura Niedersachsen

Avni Altiner

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[h=1]AStA ist empörtKein Raum in der Uni für einen Vortrag über junge Muslime[/h]MÜNSTER Die Zusammenarbeit zwischen der Uni-Leitung, der studentischen Fachschaft für islamische Theologie und dem amtlichen Beirat der Muslime ist erheblich gestört. Unter anderem eht es darum, dass die Uni für den Vortrag von Eren Güvercin keinen Raum hat.

 

Wie die Kirchen über die Organisation und Inhalte der christlichen Theologien an der Uni mitentscheiden, tut das bei den bekenntnisgebundenen Islam-Studien ein „Konfessioneller Beirat“ von Religionsvertretern. Eren Güvercin, Autor des Buches „Neo-Moslems: Porträt einer deutschen Generation“, ist einer von ihnen.

 

Am heutigen Montag wollte er auf Einladung der studentischen Fachschaft einen Vortrag über Glaubensfragen junger Muslime halten.


    ber am Freitag zeigte sich plötzlich: Trotz mehrfacher Terminanfragen hat die Uni keinen Platz für ihn. Alle Räume sind angeblich belegt.
     
    Auch für die Vorträge weiterer Experten im laufenden Semester gibt es bislang keine Zusage der Uni als Hausherrin. Muslimische Studenten sowie der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) sind darüber empört und beschwerten sich am Freitag beim Rektorat.
     
    Zustimmung fehlt
     
    Uni-Sprecher Peter Wichmann erklärt die Affäre allerdings zu einem bloßen „Missverständnis“ beim Raum-Management zu Semesterbeginn. Tatsächlich aber hatte die zuständige Verwaltungsmitarbeiterin den Studenten wiederholt erklärt: Die Raumvergabe sei davon abhängig, dass der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie, Mouhanad Khorchide, die Veranstaltung für unbedenklich halte.
     
    Da die Zustimmung ausblieb, findet Güvercins Vortrag heute um 18 Uhr in der türkischen Zentralmoschee am Bremer Platz statt.
     
    Weiterer Konflikt
     
    Gleichzeitig kristallisiert sich am Beiratsmitglied Güvercin ein weiterer Konflikt zwischen der Unileitung und der muslimischen Vertretung. Mit Schreiben vom vergangenen Donnerstag wirft Rektorin Ursula Nelles Güvercin vor, seine „Loyalitätspflicht“ schwerwiegend verletzt zu haben.
     
    Güvercin hatte es auf Facebook als „Skandal“ bezeichnet, dass der Konfessionelle Beirat der Uni Münster nach mehr als einem Jahr immer noch nicht vollständig besetzt ist. Grund dafür ist, dass das Bundesbildungsministerium an der Verfassungstreue von bislang zwei Kandidaten für einen noch offenen Sitz zweifelt. Die konstituierende Sitzung des Beirats Ende März war geplatzt.
     
    Erol Pürlü vom bundesweiten „Koordinationsrat der Muslime in Deutschland“, der die Hälfte der Beiratsmitglieder stellt, sagt es so: „Wir sind nicht dafür da, Vorhaben der Uni durchzuwinken, sondern müssen sie vom religiösen Gesichtspunkt kritisch prüfen.“
     
     
    Münstersche Zeitung, 22.04.2013

 

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  • 1 Monat später...

Lieber Mouhanad Khorchide

 

Vielversprechend ist Titel Deines Buches, „Islam ist Barmherzigkeit“ – umso ernüchternder die Lektüre! Deine Herangehensweise an dieses höchst gehaltvolle, zentrale Thema unseres Glaubens ist für die grosse Mehrheit der Muslime nicht nur enttäuschend sondern empörend und das dürfte Dir klar sein. Empörend deshalb, weil Du - und das in Deiner Funktion als Dozent an einer Uni und als Ausbildner von Religionslehrern – für ein Muslimsein einstehst, das sich nicht nur von sehr vielem loszusprechen sucht, was die Gelehrten der Vergangenheit erarbeitet haben, sondern ebenso vom Kern von Qur’an und Sunna. Du trittst ein für einen „Islam“ ohne Zähne und Knochen, ein schwammiges Gebilde ohne jeden Halt, seiner Substanz entledigt.

 

Du bringst zunächst einfach alles durcheinander, was die Gelehrten der Vergangenheit – unter ihnen gewiss viele, denen wir heutige Muslime was Gottesfurcht, Menschenkenntnis und – freundlichkeit sowie ganzheitliche Ausgewogenheit anbelangt nicht das Wasser reichen können - erarbeitet und Muslime gelebt, empfunden und praktiziert haben. Die Aqida al Ascharis sei fehlerhaft, weil sie die Barmherzigkeit Gottes trotz ihrer immer wiederkehrenden Erwähnung im Qur’an, nicht als Wesensattribut Gottes bezeichnet. (Warum aber werden dann alle anderen „Namen“ und „Eigenschaften“ Allahs taala nicht auch als Wesensattribute gesehen?) Von der Scharia soll nicht mehr als die fünf Säulen und „religiöse Gebote, die vom gesellschaftlichen Wandel unabhängig sind, wie die Speisevorschriften im Koran“ übrigbleiben. (S 149) Ja, die Scharia stehe gar, als „juristisches System verstanden in klarem Widerspruch zum Islam….da es nicht Aufgabe von Religionen…. ist, Gesetze zu erlassen“ (S. 116 sowie auch 144) und schon ganz zu Anfang Deines Buches erstellst Du eine Aufspaltung zwischen einer „juristischen Beziehungsebene zu Gott“ (derjenigen des Gehorsams) versus der auf „Liebe und Vertrauen“ gründenden Ebene und suggerierst, es gehe um Entscheidung zwischen diesen beiden. Warum? Ist es nicht möglich, BEIDES zu berücksichtigen, gibt es wirklich nur die Möglichkeit, sich zu entscheiden zwischen sklavischem, unreflektiertem, unbeseeltem Gehorsam, der „die religiösen Rituale auf Pflichterfüllung reduziert und der menschlichen Fitra die Möglichkeit ihrer Entfaltung nimmt“ (S 107) einerseits oder andererseits einer Beziehung „wie die zwischen einer Mutter und ihrem Kind“ (S. 145) innerhalb derer man sich „in den Händen Gottes fallen lassen“ kann (S 33)? Meinst Du nicht, dass dies eine sehr unausgereifte Sichtweise ist, die, vereinfacht gesagt, darauf hinausläuft, die „väterliche Ebene“ aus dem Spiel zu lassen und der Sinnhaftigkeit eines wohlreflektierten, aktiven, von Liebe getragenen Gehorsams durch den alleine nämlich unser verantwortliches Handeln in der Welt gewährleistet bleibt und der durchaus auch die „dialogische Beziehung zu Gott“ beinhalten kann, den Wert abzusprechen? Ist es nicht eine unglaubliche Frivolität, menschengemachten Gesetzen dasselbe Potential an möglicher Gerechtigkeitsfindung zuzuschreiben wie göttlichen Geboten? (S 119: „Jedes Gesetz, das dem Prinzip der Gerechtigkeit gerecht wird, entspricht dem, was Gott hinabgesandt hat, auch, wenn es nicht die Überschrift „muslimisch“ trägt …“)

 

Du wirfst der Gelehrtenschaft der Vergangenheit pauschal vor, nur den Glauben, nicht aber das Handeln als relevant angesehen zu haben - eine der infamsten Verdrehungen Deines Buches, da dies den Eindruck erweckt, „traditionelle“ Muslime betrachteten die reine Zugehörigkeit zum Islamischen Glauben als ausreichend für eine Art „Garantie für Seligkeit im Jenseits“ – sowie als „Freibrief“ für beliebiges Handeln. Eine katastrophale (suggestive) Darstellung des „muslimischen Standpunktes“ für die heutige Auseinandersetzung mit nichtmuslimischen Kreisen und fast nicht vorstellbar, dass Du nicht weisst, was der Kontext war, innnerhalb dessen dem Glaubens (Iman) alleine eine dermassen zentrale Stellung zugeordnet wurde, nämlich die INNERMUSLIMISCHE Abgrenzung gegenüber denen (Khawaridsch und Mu’tazila), die behaupteten, ein Sünder wäre vom Islam abgefallen („Kafir“ oder „Manzil bainal Manzilatain“). Einzig in diesem Kontext wurde so argumentiert und ganz gewiss haben Muslime sich nie, weder in Theorie noch in der Praxis, von einem, am Glauben festgemachten, verantwortungsvollen Handeln losgesagt! Das Handeln auf Basis des „Amr bil Ma’ruf wa Nahyi anil Munkar“ – dem Gebieten des Guten und der Abwehr des Übels - auf Basis von Qur’an und Sunna war immer schon Zentrum allen Denkens und Handelns der Muslime sowie auch ihrer Gelehrten – unverständlich und unglaublich diese Fehldarstellung! (u.a. S. 145-150)

 

Eine weitere perfide, in Deinem Buch immer wiederkehrende Unterstellung an die Muslimische Gelehrtenschaft ist die angebliche Ausserachtlassung des historischen Kontext der Qur’anischen Offenbarung. Wie kommst Du darauf, dass erst Dir diese Notwendigkeit eingefallen sei? Es war, wie Du unbedingt wissen müsstest, immer schon eines der wichtigsten Anliegen der muslimischen Gelehrten, diesen Kontext auf richtige Weise zu erfassen und zu interpretieren und ohne es genau zu wissen, würde ich annehmen, dass z. B. die Wissenschaftler (vor allem des „Fiqh“ - Verständnis des Zusammenhangs der islamischen Aussagen, auch Grundlage für „Fatwas“- sowie Usul al Fiqh“- Verständnis der „Wurzeln des Fiqh“ - ) dieses Thema in hunderten, gar tausenden von Schriften behandelt haben! Nie haben sich Muslime von solch einem Vorgehen distanzieren wollen – abgesehen vielleicht von einigen Repräsentanten der „modernistischen“ Salafistischen Ausrichtung. Deine Herangehensweise jedoch will, so wie es mir aus Deinem Buch entgegenkommt, nicht den historischen Konsens richtig verstehen und auswerten, sondern will eine im höchsten Masse undifferenzierte und fahrlässige Anpassung an Gegebenheiten der heutigen Zeit, welche an sich schon – aus muslimischer Perspektive - einem schwachen Iman und einer damit einhergehenden Missachtung Islamischer Gebote (z. B. auf wirtschaftlicher Ebene) auf dem Fuss gefolgt sind. Glaubst Du wirklich, dass Du dem Islam, dessen „Aushöhlung“ Du „seit Mu’awwiyya“ feststellst, (S. 212) durch Deine Art der Diskreditierung aller in der Vergangenheit unternommener Anstrengung, Missachtung zentraler islamischer Prizipien und des undifferenzierten Herabschraubens und Nivellierens der muslimischen Inhalte auf ein konturloses, menschenzentriertes, rein esoterisch gehandhabtes Gebilde wieder Fülle zu geben vermagst? Obwohl Du auf Seite 81 bekundest: „Religion darf nicht auf ihre ethische Funktion reduziert werden..“! Aber genau das versuchst Du doch – siehe S. 117: „der …Mensch, den der Islam anstrebt, sieht sein Menschsein dann verwirklicht, wenn er sich immer für das Gute entscheidet und immer das Gute will…. (Oh, was für ein Mensch…. eine Art „Übermensch“, „Gottmensch“ gar…?! Astaghfirullah, Gott verzeih…)

Ich frage mich an dieser Stelle, inwieweit Du wirklich glaubst, dass der Wahhabitische bezw. „Salafitische“ Ansatz, so wie Du ihn in Deiner Jugend kennengelernt hast und wie er Dich sicher zum Nachteil eines ganzheitlichen Islamverständnisses geprägt hat, eine Fortführung des „traditionellen Islam“ ist und ob Du wirklich nicht weisst, was der Ursprung dieser Bewegung war, nämlich die – übrigens mit bedeutender Unterstützung von Nichtmuslimen erfolgte - Erhebung GEGEN die „TRADITIONELLEN“ Muslime und im Zuge dessen und durch (in nur wenigen Fällen berechtigte) Klassifizierung vieler Gebräuche der Muslime als „Kufr“ und „Bida’a“ die Beschneidung des gesamthaften Islam um viele seiner bis zu jenem Zeitpunkt als essentiell und als dem ganzen Islam als zugehörig vorausgesetzte Bestandteile – u. a. die des Tasawwuf (Sufismus) der „Wissenschaft des Herzens“… Nur so wäre auch annähernd zu verstehen, dass Du dem „traditionellen Islam“ ganz allgemein die Fähigkeit absprichst, dem „Menschen Sinn für sein Leben (zu) geben, ihn an sein Menschsein zu erinnern, ihm aber auch die Möglichkeit (zu) bieten, eine Beziehung (zu) Gott aufzubauen“ (S 81). Nur so auch kann auch entfernt Dein Irrtum erklärt werden, dass zwischen den beiden Funktionen des Propheten (s.s.) als Gesandter einerseits und als Staatsoberhaupt andererseits „nicht unterschieden“ worden sei. Eine klare Falschaussage, abgeleitet vielleicht aus der Praxis jener genannten Kreise, aus dem Zusammenhang gerissene Einzelahadith als Handlungsimperativ auszulegen. Nur auf dieser Basis auch ist annähernd einsichtig, dass Du meinst, mit Deiner Auslegung von „Islam“ eine „islamische Theologie (zu) etablieren, die Muslime nicht nur geistig und politisch befreit sondern ihnen auch einen Zugang zu einer dialogischen Beziehung mit Gott verschafft… die nicht auf Angst basieren kann…“ Nun, auch dies gewiss eine gewaltige Überschätzung Deiner eigenen Vorstellungen sowie fundamentale Fehleinschätzung der Gesamtsituation.

 

Es gibt bestimmt einige ausgebildete Theologen, die die „wissenschaftliche“ Antwort auf Dein Buch viel professioneller geben können als ich, z. B. letzthin der Präsident der Schura Niedersachsen, Avni Altiner in der IZ: http://www.islamische-zeitung.de/?id=16740 und vor allem Prof. Mohammed Khallouk: http://islam.de/21972

 

Ich selbst möchte vor allem Sprachrohr für den „Durchschnittsmuslim“ fungieren und als solches komme ich hier zu meinem Hauptanliegen, nämlich dazu, die Ungeheuerlichkeit anzuprangern, dass Du die Liebe des Menschen zu Allah - erhaben ist ER über das, was Ihm beigesellt wird! - als seinem Herrn (RABB) sowie zu Seinem Gesandten – Allahs Friede und Barmherzigkeit sei auf ihm (obwohl Du umgekehrt der Liebe und Barmherzigkeit VON Gott zum Menschen ja hypothetisch grosse Relevanz zuschreibst) zur Bedeutungslosigkeit zu reduzieren bezw. die zentrale Stellung der DIENERSCHAFT des Menschen gegenüber Gott zu leugnen, diese zugunsten einer Menschenzentrierung „Islamischer Prinzipien“ zu eliminieren suchst - und damit das Innerste, die Essenz des Islam quasi „kaltzustellen“ wünschst! Audhu Billah!

 

Wie kannst Du es bloss wagen, unter vielen anderen die SO zentrale Ayat 51:56 schlichtweg zu leugnen, in der es heisst:"Und Ich habe die Djinn und die Menschen zu NICHTS anderem geschaffen, als dazu, dass sie Mir dienen“!? Das gesamte islamische Verständnis hat hier seinen Kernansatz, hier ist das Herz des Muslims betroffen, hier beginnt und endet alles, was der Muslim glaubt, empfindet, weiss! Die Liebe zu ALLAH azzawajal ALS UNSEREM HERRN gepaart mit DEMUT (=Dienmut!) und Seinem Gesandten ist das Herzstück des Islam! Hat nicht Muhammad selbst immer wieder betont, dass er nichts anderes sei als ABD, Diener ALLAHS – willst Du vielleicht auch das abstreiten oder ihm – Friede sei mit ihm - sowie all den Awliyah, Gottesnahen, in Liebe zu Gott, ihrem HERRN Entflammten die Wirklichkeit der auf dieser Basis gründenden „dialogische Beziehung zu Gott“ absprechen?!? Subhana Allah und möge ER Seinen Segen über diese Menschen reichlich ausschütten und uns ihre Gesellschaft gewähren im Diesseits wie im Jenseits!

Hat nicht der Prophet – Friede und Segen sei auf ihm – gesagt: (überliefert durch Abu Huraira, Allahs Wohlgefallen auf ihm):„Ich schwöre bei Dem, in Dessen Hand mein Leben ist, dass keiner von euch sich als gläubig ansehen darf, bis seine Liebe zu mir stärker ist als seine Liebe zu seinem Vater und zu seinem Sohn.“Was für eine Herausforderung! Was für einen tiefen Glauben, was für ein Wissen um ALLAH selbst sowie um die Authentizität seines DIENERS und Gesandten Muhammad, Friede sei auf ihm - als Vermittler Seiner Wahrheit dies erfordert, das u. a. bestimmt auch weit darüber hinausgeht, Muhammad – s.s. als eine Art „bemühten Reformer“ zu sehen (S 126/127), der halt in der „medinesischen Phase“ auch noch als Politiker „so nach seinem eigenen Gutdünken“, wie man aus Deinen Ausführungen entnehmen könnte, eine (für damals halt) „verbindliche Gesellschaftsordnung zu verwirklichen“ (S 127) suchte…

 

Natürlich dürfte es Dir nicht schwer fallen, diese Ayat und auch den Hadith, so, wie du es mit anderen Ayats und Ahadith auch tust, leichtfertig vom Tisch zu wischen und tust dies auch, indem Du z. B. auf S 70 lapidar behauptest: „Wenn Gott grösser ist, als gedacht werden kann, kann er den Menschen nicht deshalb erschaffen haben, um vom Menschen verherrlicht zu werden…“ Aber – und Gott ist und bleibt dennoch hoch erhaben darüber, für Sich Selbst etwas zu „brauchen“, geschweige denn „Minderwertigkeitsgefühle“ zu haben - mit dieser Behauptung begehst Du ein kapitales Verbrechen am Islam! NICHTS ist mehr an seinem Platz, nichts kann mehr zu seinem ursprünglichen Gleichgewicht finden, wenn diese Dimension, dieses Verhältnis von uns Menschen zu unserem Schöpfer als von ABD zu RABB – Diener (Knecht!) zu Herrn geleugnet wird! Wie anders soll eine „dialogische Beziehung“ mit Gott sonst aussehen? Sind wir etwa „gleichgestellt“? Hoch erhaben ist ER darüber! Und WIE können wir item eine WIRKLICHE Beziehung zu Gott herstellen und pflegen, wenn wir nicht vom WIRKLICHEN Verhältnis von uns selbst zu IHM ausgehen und aus diesem heraus die Liebe zu IHM und Seinem Gesandten in unserem Herz aktivieren, aus ihr heraus zur Entfaltung gelangen, sie in unserem Handeln zum Ausdruck zu bringen und sie immer wieder über ALLES ANDERE in unserem Leben stellen?!

Was Du hingegen in Deinem Buch als „Liebe“ des Menschen zu Gott bezeichnest, wenn Du denn überhaupt von dieser sprichst, ist an Lauheit und Halbherzigkeit – jedenfalls innerhalb dessen, was sich noch als „religiöse Empfindung“ deklarieren will - nicht zu übertreffen und scheint letztendlich gar nichts anderes als unausgereiften Egozentrismus zu meinen. Den Menschen, der Gott als seinen "Herrn" wahrnimmt und anbetet, beschreibst Du hingegen durchwegs als „unmündigen Befehlsempfänger“ (z. B. S 73) und hörst gleichzeitig nicht auf damit, Gott Selbst mit menschlichen Masstäben zu messen (S 73 und viele andere mehr…). Zwar stellst Du z. B. – bestimmt zutreffenderweise (auf S 108) fest, dass gewisse Menschen „es versäumt haben, ihre Herzen der Liebe und Barmherzigkeit zu öffnen“, nämlich diejenigen, die „religiöse Rituale auf Pflichterfüllung reduzieren… die voller Hochmut anderen ihren Glauben absprechen und über sie (an Gottes Stelle) richten …. in Diskussionen meist aggressiv und überheblich sind“… den Islam als „Kampfansage“ missbrauchen … „oft hassgeladen“ „überwiegend von der Hölle und dem Zorn Gottes“ sprechen, „in der Religion nur das sehen, was sie sehen wollen“… Du nennst es eine „aggressive Kampfansage gegen alle Andersdenkenden“ ich würde es eher als ein „illegitimes Machtinstrument“ im weitesten Sinn bezeichnen. Aber wenn Du über die notwendige Öffnung zur Liebe und Barmherzigkeit Gottes anstelle dieser Haltung sprichst, klingt es auf Gott bezogen immer überaus lax, es geht immer und immer nur um den Nutzen, der dem Menschen daraus auf rein menschlicher Ebene erwachsen könnte. So behauptest Du auf S 101 schlichtweg: „Die grösste Sünde, die der Mensch begehen kann, ist nicht die, die sich gegen Gott richtet, sondern die gegen seinen Mitmenschen! („…Gott ist und bleibt ja souverän…..“))Das tatsächliche „Fehlverständnis religiöser Praxis“ im Sinne einer mit Hochmut gepaarten alleinigen Beachtung „äusserlicher Zeichen und Rituale“ und im Gegenzug dazu die nötige Haltung der „Liebe und Barmherzigkeit“ auch „Demut und Bescheidenheit“…stellst Du in der Folge als alleine für den zwischenmenschlichen Austausch relevant dar! Wenn Du denn „Öffnung für die Liebe und Barmherzigkeit Gottes“ überhaupt in Erwägung ziehst, tust Du dies immer bloss als Mittel zum Zweck, nämlich zum Zweck der „Vervollkommnung des Selbst“. Diese zieht sich als roter Faden durch Dein Buch, wird als DIE Beschäftigung und Aufgabe des Menschen schlechthin dargestellt, unzählige Male, bis zum absoluten Überdruss des Lesenden wiederholt. So, wie Du diese „Vervollkommnung“ darstellst, ist sie dann auch wieder vorausgesetzte Primärursache um überhaupt in die „Gemeinschaft Gottes“ aufgenommen zu werden. Siehe z. B. S. 57: „Er“ (Gott, Allah t) „möchte, dass sich die Menschen in Freiheit vervollkommnen, um sie letztendlich in seine Liebe und Barmherzigkeit und in seine Gemeinschaft aufzunehmen.“ (Also erst, wenn sie „vollkommen genug“ sind?!) Oder auf S 66: „Zu diesem …Plan Gottes gehört sein Wille zur Integration des Menschen in seine Gemeinschaft. Voraussetzung dafür ist jedoch die Vervollkommnung des Menschen….“ S. 78: „Es entspricht dem Willen Gottes, dass der Mensch vollkommen wird, weil dies die Voraussetzung dafür ist, in die Gemeinschaft Gottes aufgenommen zu werden.“!… etc. etc. Die Ayat (den Qur’anvers) 62:2 sowie auch 3: 164 interpretierst Du um indem Du den Terminus „liyuzakihim“ (allgemein übersetzt mit: um sie zu LÄUTERN) einfach mit „um sie zu VERVOLLKOMMNEN“ übersetzt. Passt besser zu Deiner Theorie, der „Einladung zur Vervollkommnung“ (S 61).Ich muss Dich hier fragen: Könntest Du Dir nicht vorstellen, dass es genau umgekehrt ist: Dass nämlich unsere eigene „Vervollkommnung“ eine FOLGE unserer Liebe zu und demütigen Hingabe an ALLAH taala wäre?! Ein Geschenk Seinerseits im Gegenzug dazu, dass wir ALLES andere hintanstellen, alleine aus Liebe zu IHM, ohne dabei an irgendeinen Nutzen zu denken - so wie ein Kind liebt, ganz und bedingungslos? Und dass wir im Kern nur durch diese bedingungslose Liebe natürlich gepaart mit der entsprechenden inneren Haltung sowie dem aufrechten Handeln zu einer Art „Vervollkommnung“ gelangen können – die sich wiederum auf unsere Beziehungen zu den Menschen durchaus positiv und segensreich auswirken wird …

 

Du hingegen propagierst eine Haltung, die den Menschen dermassen ins Zentrum allen Geschehen setzt, dass er seine „dialogischen Beziehung zu Gott“ weit hintanstellen soll. Bürdest ihm die Last auf, selbst für seine „Vervollkommnung“ zu sorgen, durch „aufrichtige Handeln“ (S 153) seine eigene Seligkeit herbeizuführen… Ja, Du bringst auch die „akrobatische Leistung“ zustande, sogar die Gerechtigkeitsfindung von Göttlichen Geboten zu lösen um sie zunächst zu einer Angelegenheit des Menschen alleine zu deklarieren, trennst gleichzeitig des Menschen Heil auch vom nötigen Dienst an Gott – um das Zentrum „Mensch“ nicht zu „beeinträchtigen. Danach aber soll das nach diesem Eigenermessen entstandene „gute Handeln“ nach den selbst erfundenen „gerechten“ Gesetzen doch wiederum für des Menschen ewiges Heil und seine Aufnahme in „Gottes Gemeinschaft“ sorgen …. Eine wirklich seltsame Sichtweise … ich sehe gar nicht, wo hier noch Qur‘ an und Sunna, wo die Offenbarungen ihren „Platz einnehmen“sollen?! Astaghfirullah ….

 

Ist Dir nicht einsichtig, dass genau diese Verdrehungen – nebst dem, dass sie Göttliche Offenbarung sowie Gesandtschaft von „Anbiya“ – Gesandten – „überflüssig“ machen - nichts anderes bewirken als ein nie endendes Kreisen in und um unser/em Selbst (dass man nie „vollkommen im Sinn von fehlerfrei“ sein kann, ist ja auch Dir klar, s. S 78)und dass Deine Herangehensweise – eigentlich das Bauen auf das Handeln alleine und den „Glauben“ (arabisch IMAN) gegenüber diesem als sekundär einstufend - als genau die EINZIG WIRKLICHE BEFREIUNG, nämlich die WEG von unserem Selbst, unserem Ego, HIN zu Gott, VERHINDERT? Uns so zu ewigen Gefangenen unseres „Nafs“, unseres Egos verdammen würde und unserem einzig wirklichen Zugang zu umfassendem HEIL das Tor verschliesst?!

 

Ich muss sagen, mich hat schon als Kind, im katholischen Religionsunterricht die Geschichte vom „Schweinehirten“ schwer beeindruckt, der nämlich alles, was ihm vom „Vater“ gegeben wurde, in der weiten Welt verspielt und verschleudert hat – im Gegenzug aber gewiss einiges über die Wirklichkeit und somit über Allah, seinen Herrn erfahren hat! - Der dann als eben Schweinehirte geendet und aus diesem Punkt der Demütigung heraus wieder ins Haus des „Vaters“ zurückgekehrt ist … Dieser veranstaltete daraufhin ein grosses Fest, zum grossen Missfallen des anderen Sohnes, der sich wohl all‘ die Jahre genau mit seiner „Selbstvervollkommnung“ abgemüht hatte… Oder die Geschichte (der Hadith) über den Alkoholiker (sie wird auf verschiedene Weisen erzählt), der über seine Verfehlungen jede Nacht geweint hat und hinter dessen Sarg der Prophet – Friede sei mit ihm und der Segen Gottes! aus Ehrerbietung auf Zehenspitzen gelaufen ist, weil er eine „Schar von Engeln“ hinter dem Sarg sah! Oder die Frau, die Unzucht begangen hat, nach Jahren und weil sie es nicht ertragen konnte, es zu verbergen, gesteinigt wurde und die unser geliebter Prophet – Friede sei mit ihm – als über sie immer noch gelästert wurde mit den Worten in Schutz nahm: "SCHWEIGT! Denn ihre Reue reicht für sechzig von Euch" !!

 

Was hat diese Menschen wohl im Innersten bewegt? Etwa beflissene, egozentrierte „Selbstvervollkommnung“ oder tiefe, sehnende, ja metaphysische Liebe?!

 

JA, die Barmherzigkeit ALLAHS subhanaHU wa taala ist in der Tat allumfassend, grösser, als Sein – auch wirklicher! - Zorn…! Aber indem Du die eigentliche und einzig mögliche Beziehung des Menschen zu IHM – nämlich die von Liebe getragene ABD – RABB – Beziehung - hypothetisch - aus ihren Fugen zu lösen suchst, den Menschen gleichzeitig anstelle von ALLAH taala als nötigen Fokus der Aufmerksamkeit darstellst (S 215 „…deshalb muss dieser Mensch im Zentrum der islamischen Theologie stehen…), die Beschäftigung mit der eigenen „Vervollkommnung“ ins Zentrum der menschlichen Aufmerksamkeit setzten möchtest und als Bedingung für diesen Prozess sowie für die „Aufnahme in die Gemeinschaft Gottes“ wiederum ein völlig realtiätsfernes „Gutmenschentum“ setzt - gerade auf diese Weise NIMMST Du dieser Beziehung und aller ihr innewohnenden Aspekte – auch dem der Liebe und Barmherzigkeit ihre eigentliche Bedeutung, ihre Kraft und Fülle! Kehrst die Aussage Deines Buchtitels in ihr Gegenteil und stellst eine Vorstellung von Seiner „Barmherzigkeit“ her, die einem seichten, siechen Tümpel gleicht, welchen der grosse Ozean (des Herzens) unberührt lässt und an welchem die Stürme, Untiefen und Gefahren aber auch die immensen Schönheiten und Wonnen des Lebens einfach vorbeigehen – und wenn sie ihn berühren, ihn im Nu hinwegspülen! Und auf genau diese Weise – sowie durch die Leugnung der Relevanz der Scharia (arabisch: Weg zur Tränke!) bezw. der Arbeit unserer Fuqaha („Fiqh- Gelehrten“) als „Gerüst“ unseres Gottesdienstes und Leitfanden unserer aktiven Hinwendung zu Allah in jeglicher Lebenspraxis, trittst Du sehr wohl zielsicher in die Fusstapfen der christlichen Verfehlungen, welche das Christentum zu einer – in Bezug auf das Geschehen im Menschen selbst sowie der Welt irrelevanten und folgenlosen „Privat – und Freizeitbeschäftigung“ verkommen liessen, die es in die Isolation getrieben, in ein Vakuum verschlossen haben! Nicht die Vorstellung eines barmherzigen Gottes ist spezifisch für den christlichen Weg der Gegenwart sondern DIESES „Nischendasein“, welches die religiöse Beschäftigung und Hinwendung zu Gott fristen soll, sowie das damit einhergehende Diminuieren bezw. die Leugnung dessen, was EIGENTLICH Zugang zur Barmherzigkeit Gottes schafft! Sehr protestantisch (calvinistisch?!) auch die Vorstellung, sich durch eigenes Handeln das Paradies erwerben zu können, was unser Prophet, Friede mit ihm als Unmöglichkeit eingestuft hat – sogar für sich selbst! („Keiner von euch wird durch seine Taten ins Paradies gelangen. Sie sagten: Auch du nicht, o Gesandter Allahs? Er sagte: Auch ich nicht, erst wenn Allah mich mit seiner Barmherzigkeit umhüllt.") Auf dieser Basis ist auch verständlich, warum Du demHadith, - dessen zuverlässige Quelle Du zitierst - in dem gesagt wird, dass wer GLAUBT, dass es nur einen Gott gibt, ins Paradies kommt - auch wenn er Unzucht treibt und stiehlt (S 151) die Authentizität absprichst! In Deiner Darstellung erscheint Gott als fern, „pingelig“ „knausrig“, elitebezogen. Astaghfirullah!

 

Es ist bei Gott nur die Liebe des menschlichen Herzens zu ALLAH taala, als unserem „RABB“, Herrn und Erhalter sowie das tiefe Staunen über Seine Allmacht und Allgewalt, die ihm alles, ja, wirklich ALLES in unserem Leben enthaltene in seiner Sinnhaftigkeit, Schönheit, Wahrheit und Wirklichkeit zu offenbaren vermag! Die/das uns die Höhen, die Wonnen und die Abgründe des menschlichen Daseins unbeschadet und in Demut sowie Dankbarkeit zutiefst erfahren, durchleben und auch verstehen lässt. Die unseren Blick schärft und die Perspektive stimmen lässt, aus der heraus alles seinen ihm zugedachten Sinn und stimmigen Platz erhält. Aus der auch die Scharia in ihrem gesamten Umfang als DER „WEG ZUR QUELLE“ eben – ihre Funktion als Mittel zur ausgewogensten Handhabe aller Gegensätze unseres Daseins offenbart. Erst aus dem Kern des sehnenden und anbetenden Herzens seinem Schöpfer, Erhalter und Herrn (Rabb) gegenüber wird dem Menschen der Ernst, auch die Unbedingtheit seines Daseins im Lichte seiner (zentralen und realen) Beziehung zu Gott erhellt und erst innerhalb ihres Kontexts lässt sich auch das zwischenmenschliche Leben in seiner Fülle und in echter Menschenfreundlichkeit miteinander gestalten! Erst aus dieser Haltung heraus kann sich GOTTES BARMHERZIGKEIT in uns selbst sowie in unserer Umwelt manifestieren, nur in ihrem Kontext auch bleibt unsere „menschliche Würde“ auch unbeschädigt und geschützt!

 

Keinesfalls soll unsere Beziehung zu Gott „auf Angst basieren“ – hier gehe ich mit Dir einig… Hingegen sind wir dazu aufgefordert, das Wagnis der Gottesbeziehung GANZ einzugehen, in ihrem wirklichen Kontext und mit allen ihren Konsequenzen, die in der Aufgabe des Egos kumulieren. Angst hingegen sollten wir davor haben, den Täuschungen dieses Egos zum Opfer zu fallen, somit keinen Zugang mehr zur ganzheitlichen Kraft zu haben, welche unserem DIN innewohnt und leichte Beute derjenigen „Mächte“ zu werden, die sich unsere Selbsttäuschung, unser realitätsfernes Weltbild zunutze zu machen wissen!

 

Würde eine Sichtweise wie die von Dir beschriebene ihren Weg in die Herzen der Muslime finden, würde das in der Tat nichts anderes bedeuten als eine Zunahme der (Sterbens- )krankheit! Die Furcht der Muslime, dass islamfremde, ja, - feindliche Ansätze unsere Religion, wie sie es auch schon mit anderen Religionen getan haben, unterminieren, vor allem auch im von öffentlicher – nichtmuslimischer Hand organisierten Unterricht - wäre somit bestätigt. Ich kann nur sagen: „Hasbuna LLAH“. ALLAH ist uns genug und wir vertrauen auf IHN!

 

Ich nehme meine Zuflucht bei IHM von meinen eigenen Fehlern, Irrtümern und Unterlassungen und bitte Ihn um Vergebung dafür! Auch Dich und alle Leser möchte ich um Vergebung bitten für alles an Fehlern, Mängeln und Irrtümern in diesem Text! Und möchte zum Schluss noch nahelegen, die Ayat aus dem heiligen Qur’an (Sure 59, Al Haschr), die Du selbst auf S 30 zitierst, etwas tiefer zu reflektieren:

 

22.Er ist Allah, außer dem es keinen Gott gibt, der Kenner des Verborgenen und des Offenbaren. Er ist der Allerbarmer und Barmherzige.

23 Er ist Allah, außer dem es keinen Gott gibt, der König, der Heilige, der Friede, der Gewährer der Sicherheit, der Wächter, der Allmächtige, der Gewalthaber, der Stolze. Preis sei Allah! (Und Erhaben ist Er) über das, was sie (Ihm) beigesellen.

24 Er ist Allah, der Schöpfer, der Bildner, der Gestalter. Sein sind die schönsten Namen. Ihn preist (alles), was in den Himmeln und auf der Erde ist. Und Er ist der Allmächtige und Allweise.

 

 

SUMAYA M., 05.06.2013

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"Islam ist Barmherzigkeit" besteht aus biographischen Anekdoten, etwas Proseminarwissen zur islamischen Theologie und Geschichte, Versatzstücken aus der Tradition des Reformislam, einem guten Schuss Esoterik und einem bunten

Strauß Allerweltsansichten über Gott und die Religion. Spuren eines profilierten theologischen Denkens sind nicht erkennbar. Das Ganze ist eine Laienpredigt auf gut zweihundert nicht sehr dicht bedruckten Seiten.

Khorchide belehrt uns darüber, dass "die Idee des Teufels metaphorisch für das Böse" stehe, und führt uns vor Augen, dass es immer noch einen Grad kitschiger geht, bis er schließlich bei der Erkenntnis ankommt: "Einen Menschen

anzulächeln ist ebenso Gottesdienst, wie eine Pflanze zu gießen." Zwischendurch wiederholt er regelmäßig sein Mantra, der Mensch sei ein Medium von Gottes Liebe und Barmherzigkeit.

Seine These, dass ausnahmslos alle Menschen ins Paradies kommen und auch im Koran die Barmherzigkeit Gottes über allem steht, begründet Khorchide, indem er freundlich klingende Koranverse aus ihrem Zusammenhang reißt, unfreundliche übergeht und die Auslegungsgeschichte des Korans als eitel Menschenwerk ignoriert - im Prinzip keine andere Methode als die der vielgescholtenen Islamkritik, nur eben unter umgekehrtem Vorzeichen. ...

Khorchide spricht nicht wie ein Theologe, sondern wie ein Prophet, der aufgrund höherer Autorisierung sagen kann, wie es ist, ohne sich mit Begründungen aufhalten oder an Denktraditionen Anschluss gewinnen zu müssen. Es ist ein

Armutszeugnis für die Islamdebatte, dass die Kritik an Khorchides Absichten breit verhandelt wurde, er aber für das, wofür er alle Kritik verdient hätte, nämlich für die intellektuelle Dürftigkeit seines Entwurfs, keinerlei Kritik erfahren hat."

 

Fragwürdiges Plädoyer für eine infantile Theologie, von Hans-Thomas Tillschneider, aus: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 07.06.2013, Nr. 129, S. 7

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Der deutsche Islam wird debattierfreudig

 

Offen wie nie streiten die deutschen Muslime um ihr Gottesbild und die Chancen Andersgläubiger aufs Paradies, um Vorzüge eines strafenden Schöpfers und die Frage, ob sie selbst konservativ seien. Von Till-R. Stoldt

Um eine saftige Debatte in Gang zu bringen, braucht man einen, der "den Kopf hinhält und Beulen nicht scheut". So soll einst Martin Walser über seinen Paulskirchenstreit gesprochen haben. Ob das zutrifft oder nicht, der Münsteraner Islamgelehrte Mouhanad Khorchide sieht es offenbar ähnlich. Jedenfalls initiierte er die wohl erste öffentliche, breite und rein innerislamische Debatte unter den Muslimen Deutschlands – indem er seinen Kopf hinhielt, sich weit vorwagte und Beulen nicht scheute.

Den Auftakt machte er mit seiner Programmschrift "Islam ist Barmherzigkeit", in der er allemal 1000 Jahre islamischen Gelehrtenmainstream abservierte, einen stramm humanistischen Reformislam verkündete und gegen dessen Gegner, die "konservativen Muslime" Deutschlands, vom Leder zog: Auch ihr Glaube trage Züge hartherziger Gesetzlichkeit und sei punktuell dem Salafismus seelenverwandt.

Khorchide hat Einfluss

Für einen von Weite geprägten Islam müssten Koran und Prophetenworte dagegen neu ausgelegt werden – nach Maßgabe eines einzigen Glaubenssatzes: dass der Gott des Islam in erster bis dritter Linie der Barmherzige sei, so fordert Khorchide seitdem. Was auch immer in den heiligen Texten dem zu widersprechen scheint, das historisiert und relativiert er aus dem Weg – von Körperstrafen bis zur Hölle für Ungläubige. Sogar Atheisten werde der Barmherzige in sein Paradies aufnehmen, lehrt Khorchide. Denn vor Gott zählten allein "Liebe und Barmherzigkeit", nicht der Glaube eines Menschen.

Mit dieser Betonung göttlicher Barmherzigkeit ging er den meisten organisierten Muslimen zu weit. Und weil Khorchide als Ausbilder künftiger Islamlehrer Einfluss besitzt, wurden Repliken und Gegen-Repliken seitdem fast im Wochentakt und über Monate hinweg abgefeuert. Von den Islamverbänden. Von Unterstützern und Kritikern Khorchides. Und von ihm selbst.

Wem steht das Paradies offen?

Inzwischen neigt sich die Debatte ihrem Ende zu. Und ihr Ertrag zeichnet sich ab. Der besteht unter anderem in der Erkenntnis, dass im hiesigen Islam mehr Barmherzigkeit und Historisierungslust steckt, als die Islamkritik uns glauben machen will. Zwar wollten die Kritiker Khorchides seinem Barmherzigkeitsenthusiasmus eigentlich Grenzen setzen. Bei diesem Vorhaben entwickelten sie jedoch selbst Ehrgeiz in Sachen Großherzigkeit.

So stimmten Experten des Zentralrats der Muslime (ZMD) und des Verbands Ditib Khorchide zu, dass keineswegs nur Muslimen das Paradies offen stehe. Vielmehr dürften alle "gottgläubigen und recht handelnden" Menschen aufs Paradies hoffen. Man könne sogar diskutieren, ob ein Mensch seinen Glauben überhaupt aussprechen müsse, um vor Gott als gläubig zu gelten (womit sich sozusagen eine sperrangelweit geöffnete Hintertür zum Himmel auftäte). Eine "exklusivistische Haltung" sei jedenfalls unislamisch, so attestierte der Ditib-Nord-Vorsitzende Zekeriya Altug.

Juristische Aussagen "kontextgebunden" verstehen

Das Klischee vom hartherzigen Verbandsislam lockerte auch ZMD-Experte Mohammed Khallouk auf. Er pflichtete Khorchide bei, wer es an Liebe und Barmherzigkeit fehlen lasse, sei kein wahrhafter Muslim, auch wenn er alle islamischen Rituale noch so buchstabengetreu einhalte.

Der Blick für derlei scheinmuslimische Heuchelei müsse geschärft werden. Khallouk und Altug bekannten sich auch zur Historisierung der heiligen Schriften. Gerade bei juristischen Aussagen des Korans sei es "menschendienlich", den Text nicht buchstäblich, sondern "kontextgebunden" zu verstehen. Diese historisierende Herangehensweise, mit deren Hilfe etwa Körperstrafen für obsolet erklärt werden können, sei auch durch und durch islamisch.

Bekannte Wortwahl

Noch eine zweite Einsicht lässt sich als Ertrag festhalten: Die großen Islamverbände haben ihre Rolle gefunden – als Fahnenträger einer konservativen Religionsapologetik. Allerdings unfreiwillig. Denn sie wehren sich mit Händen und Füßen dagegen, als "konservativ" etikettiert zu werden. Doch das dürfte vergeblich sein. In ihrer Khorchide-Kritik besetzten sie jedenfalls klassisch theologisch-konservative Positionen. Und erinnerten bis in die Wortwahl hinein an die Relativismuskritik eines anderen Konservativen: Benedikts XVI.

So warnten sie vor der "beliebigen und unverbindlichen Botschaft", die "auf dem Altar des modernistischen Zeitgeistes" islamische Substanz opfere (Altug). Khorchide segle unter "dem Banner der Beliebigkeit", wenn er Gott "auf ein niedliches, harmloses Wesen" reduziere, das vielleicht "auf Kirchentagen" reüssieren könne (so der niedersächsische Schura-Vorsitzende Avi Altiner). Und damit folge der Gelehrte auch dem Irrweg christlicher Theologen in Europa, die der Kirchenlehre widersprächen, um sich "der kirchenkritischen Presse" anzudienen – obwohl sie nur dem Relativismus in die Hände spielten (Khallouk).

K-Wort als Verbalkeule

Diesem vermeintlichen Verfall des liberalen europäischen Christentums setzen Khorchides Kritiker ihr Gottesbild entgegen – zu dem neben der Barmherzigkeit auch die Gerechtigkeit Gottes gehört. Soll heißen: Nicht jeder Nihilist und Götzenanbeter dürfe mit Vergebung rechnen. Zudem mache es die Predigt eines nur lieben Gottes ungleich schwerer, dem Schöpfer mit der gebotenen Ehrfurcht zu begegnen. Kurz: Der Glaube an die Hölle habe auch seinen pädagogischen Wert – auch dieses Argument hört man bei konservativen Katholiken und Evangelikalen nicht selten.

Gleichwohl verbaten sich die Verbände, als konservativ "gebrandmarkt" zu werden. Das ist aus ihrer Sicht verständlich, haben sie das K-Wort doch zu Recht als Verbalkeule identifiziert. Schließlich wird der Begriff von ihren Kritikern stets mit mangelnder Intellektualität und herzloser Gesetzlichkeit verbunden.

Obendrein wirken die hiesigen Konservativen in der Tat fast libertär im Vergleich zu den Gruppen, die sich von Nigeria bis Indonesien als islamisch-konservativ bezeichnen. Allein: Hierzulande zählt nicht der weltweite, sondern der deutsche Bezugsrahmen, hält die liberale Muslima Lale Akgün dagegen. Und in dem wirkten die Verbände eben doch – theologisch konservativ.

Kontroverse mit Selbstkritik

Noch eine dritte Einsicht förderte der islamische Barmherzigkeitsstreit zutage: Der deutsche Islam wird debattierfähig. Lange galt islamkritischer Diskurs als Privileg professioneller Islamkritiker, die entweder keine praktizierenden oder gar keine Muslime sind. Damit ist Schluss. In sozialen Medien, Blogs und türkischen Zeitungen, quer durch die Verbände und bis hinein in Moscheegemeinden ist nun unter gläubigen Muslimen eine substanzielle theologische Kontroverse entbrannt – mit allem, was dazugehört: mit Spielregeln, Selbstkritik und Erkenntnisfortschritten.

So korrigierten und präzisierten sowohl Khorchide als auch einige seiner Kritiker einzelne Positionen im Lauf ihres Disputs. Und zumindest drastische Verstöße gegen das Regularium freier Debatten wurden ebenfalls geahndet. Als ein Vertreter der Gemeinschaft Milli Görüs im Tonfall einer Exkommunikation schimpfte, Khorchide möge "Reue" zeigen und "sich wie ein Muslim verhalten", da wurde er von anderen Verbänden, aber auch von der Milli-Görüs-Spitze zu behutsamerer Wortwahl aufgerufen.

Offen ist allerdings, ob Khorchide noch einmal seinen Kopf hinhalten und Beulen nicht scheuen würde, um wertvolle Debatten in Gang zu bringen. Ein Trost immerhin bleibt ihm: Martin Walsers Bücher verkauften sich nach seiner Paulskirchenrede besser als zuvor.

 

Die Welt, 15.06.2013

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  • 4 Monate später...

Rückschlag für Uni Münster

Güvercin erklärt Rücktritt aus Islam-Beirat

 

MÜNSTER Seit fast zwei Jahren ringt die Uni Münster um die Besetzung des achtköpfigen Beirats für islamische Theologie. Und es wird immer schwieriger, denn Publizist Eren Güvercin hat jetzt seinen Rücktritt aus dem Beirat erklärt. Zum Start des Wintersemesters sind damit zwei Plätze unbesetzt.

 

Als ausschlaggebenden Grund nennt Güvercin die Äußerungen von Mouhanad Khorchide, dem bisher einzigen Lehrstuhlinhaber für islamische Theologie in Münster, in einem Interview mit der Wochenzeitung „Die Zeit“. Darin hatte er sich Anfang des Monats dagegen ausgesprochen, dass die Lehrerlaubnis für muslimische Religionslehrer an Schulen und ihre Ausbildung an Hochschulen von Beiräten aus der Glaubensgemeinschaft abhängt.

 

„Kompetenzen fehlen“

 

Diese Regelung lehnt sich an das traditionelle Staatskirchenrecht an, wonach Bischöfe oder andere kirchenamtliche Stellen entscheiden, wer Religionslehrer oder Theologieprofessor sein darf. Aber, so Khorchide, „eine amtliche Beurteilung, ob jemand religiös genug ist, gibt es nicht im Islam.“

 

Außerdem seien die Beiräte schon deshalb „überfordert“, über Lehrinhalte zu entscheiden, „weil sie die theologischen Kompetenzen dafür nicht besitzen.“ Güvercin folgert daraus: „Wenn die Uni-Theologie uns nicht braucht, dann brauche ich auch meine Zeit dafür nicht zu opfern. Für eine bloße Attrappe, die dem Staatskirchenrecht entsprechen soll, stehe ich nicht zur Verfügung.“

 

Wachsende Enttäuschung

 

Der Islam-Beirat ist allerdings gesetzlich vorgeschrieben. Das achtköpfige Gremium soll je zur Hälfte von islamischen Verbänden und der Uni besetzt werden. Ein Sitz ist aber schon seit der offiziellen Eröffnung des Studienzentrums vor einem Jahr verwaist – weil das Bundesbildungsministerium wiederholt an der Verfassungstreue des einen und anderen Verbandskandidaten zweifelt.

 

Jetzt ist noch ein weiterer Stuhl frei. Güvercin war von der Uni als „muslimische Persönlichkeit des öffentlichen Lebens“ in den Beirat gewählt worden. Uni-Rektorin Ursula Nelles will diesen Schritt nicht kommentieren, weil es sich „um eine interne Personalentscheidung“ handle.

 

Eren Güvercin sagt, dass seine Enttäuschung in den vergangenen Monaten immer größer geworden ist. Für einen Vortrag Güvercins auf Einladung islamischer Theologiestudenten stellte die Uni in diesem Frühjahr keinen Raum zur Verfügung (wir berichteten). Stattdessen fand die Veranstaltung in der türkischen Zentralmoschee am Bremer Platz statt.

 

Ermahnung von Nelles

 

Als Güvercin sich auf Facebook über eine weitere Ein- und Ausladung wunderte, mahnte Nelles schriftlich seine „Loyalitätspflichten“ gegenüber der Uni an. „Mit meinem Rücktritt hat sich diese Frage endgültig erledigt“, sagt Güvercin. Nach wie vor unerledigt bleibt aber ein funktionierendes Zusammenspiel zwischen der Uni und ihrem unvermeidlichen Islam-Beirat.

 

Münstersche Zeitung, 16.10.2013

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[h=1][/h]Der missverstandene Gott

 

[h=2]Münsteraner Theologe Khorchide stellt jahrhundertelange islamische Tradition infrage[/h][h=3]Von Jan Kuhlmann[/h]Kein anderer muslimischer Intellektueller in Deutschland polarisiert so sehr wie Mouhanad Khorchide. In seinem neuen Buch stellt er die These auf: Es irrt, wer die Scharia als Katalog von Ge- und Verboten sieht.

Mouhanad Khorchide ist ein ungeduldiger Intellektueller. Innerhalb eines Jahres hat der Münsteraner Theologe zwei Bücher veröffentlicht, in denen er nichts weniger tut, als die jahrhundertealte islamische Tradition infrage zu stellen. Im ersten Band wandte er sich vor allem gegen das Bild eines strengen Herschergottes. Khorchide sieht Gott nicht als Diktator, der Gehorsam erwartet - sondern als Barmherzigen, der mit den Menschen in einer dialogischen Liebesbeziehung steht. Im neuen Werk denkt er dieses Gottesbild weiter - und stellt die Frage, welche Auswirkungen es auf die Scharia, das islamische Recht, hat:

 

"Heißt das, dass Scharia so verstanden wird als Ansammlung von Instruktionen, von Gesetzen? Oder, wenn es eine dialogische Beziehung (ist), dann geht es vielmehr um den Menschen. Und da versuche ich, diese - in Anführungszeichen - 'anthropologische Wende' im Islam zu begründen und zu zeigen: Gott geht es um den Menschen, nicht um sich selbst."

 

Für die Scharia hat dieser Ansatz weitreichende Konsequenzen. Meistens wird sie als juristisches System verstanden, das den Gläubigen genau vorschreibt, was sie zu tun und zu lassen haben. Doch davon will Khorchide nichts wissen. Khorchide will auch keine Muslime, die blind den Instruktionen von Rechtsgelehrten folgen. Die Gläubigen sollen vielmehr frei von Bevormundung eine persönliche Beziehung zu Gott aufbauen. Die Scharia ist für Khorchide nichts anderes als der spirituelle Weg zu Gott. Er reduziert sie auf eine islamische Normenlehre, die den Rahmen vorgibt. Vor allem zwei Ziele strebt die Scharia bei Khorchide an: die Läuterung des eigenen Herzens und eine gerechte Gesellschaftsordnung.

 

"Die Frage, wie man das herstellt, ein geläutertes Herz oder eine gerechte Gesellschaftsordnung, da sagt der Koran sehr wenig dazu. Er macht keine Rezepte. Er sagt nur, jeder soll sich selbst reflektieren, an sich hart arbeiten, was der Prophet als den eigentlichen Dschihad bezeichnet hat. Und auf der anderen Seite: Jede Gesellschaft muss für sich überlegen, wie gestalten wir unsere gerechte Gesellschaftsordnung."

 

[h=4]Lebenswirklichkeit hat großes Gewicht[/h]In diesem Verständnis steht die Scharia nicht im Konflikt mit Rechtssystemen europäischer Prägung. Auch die Quellen der Scharia bewertet Khorchide anders als die islamische Tradition. Nach der klassischen Lesart gelten neben dem Koran vor allem die Hadithe, also die Worte und Taten des Propheten Muhammad, als wichtigste Grundlage. Doch Khorchide sieht die Hadithe äußerst skeptisch - schon allein, weil bei vielen Überlieferungen unklar ist, wie authentisch sie sind.

 

Stattdessen gibt der Münsteraner Theologe der Lebenswirklichkeit der Menschen ein viel größeres Gewicht: Normgebend sind für ihn auch die menschlichen Interessen, solange sie nicht eindeutigen islamischen Grundsätzen widersprechen. Khorchide betont dabei die Vernunft des Menschen. Für ihn ist die Scharia nichts Starres, was vom Himmel gefallen ist - sondern etwas sehr Dynamisches. Ohne dabei beliebig zu sein, wie er im Buch schreibt:

 

"Die Dynamik der Scharia bedeutet keineswegs Beliebigkeit, denn neben der unveränderten Form religiöser Rituale steht Scharia für allgemeine Prinzipien, deren Gültigkeit kontextunabhängig bleiben muss. Das sind unter anderem Prinzipien der Gerechtigkeit, der Unantastbarkeit menschlicher Würde, der Freiheit, der Gleichheit und der sozialen Verantwortung. All diese religiösen Rituale und Prinzipien münden in dem höchsten, dem eigentlichen Ziel: die Aufnahme in die Gottesgemeinschaft."

 

Als vor einem Jahr Khorchides erster Band "Islam ist Barmherzigkeit" erschien, gab es scharfe Kritik aus konservativen Kreisen. Aus manchen Reaktionen war der Vorwurf herauszulesen, der Theologe sei vom wahren Islam abgefallen. Solche Angriffe erklären, warum Khorchides neues Buch in manchen Teilen emotional ist - so als hätte er es mit Wut geschrieben. Ein ganzes Kapitel widmet er etwa den Salafisten - jenen Muslimen, die ein rückwärtsgewandtes und streng puritanisches Islamverständnis haben. Solche Züge erkennt Khorchide mittlerweile auch in gemäßigteren Kreisen:

 

"Ich bin öfters sehr erstaunt und schockiert, wenn wir dieses Gedankengut bei normalen Muslimen finden. Vor allem diese Tendenz, schnell Muslimen ihren Glauben abzusprechen, wenn sie anderer Meinung sind. Ich vermisse öfters in bestimmten Kreisen von Muslimen die sachliche Auseinandersetzung mit dem Gedanken. Dass man nicht versucht, mit Argumenten zu diskutieren und Argumente mit Gegenargumenten zu widerlegen, sondern schnell (sagt): Das ist unislamisch. Oder diese oder jene Meinung, wenn man sie vertritt, ist man vom Islam abgefallen."

 

[h=4]Schmähung als "Guru der Barmherzigkeitssekte"[/h]Die Debatte über das neue Buch dürfte kaum sachlicher geführt werden. In den sozialen Medien des Internets kursieren bereits spöttische Kommentare. "Oberflächlich" und "banal" sei Khorchides neues Buch, heißt es. An anderer Stelle wird der Theologe als "Guru der Barmherzigkeitssekte" verschmäht.

 

Kritisch diskutiert werden kann sicherlich Khorchides Ansatz, den Koran an einigen Stellen sehr frei und ganz im Sinne seiner eigenen Theologie zu übersetzen. Wo andere Übersetzer das arabische Wort "Wadschl" beispielsweise mit "Furcht" oder "Angst" ins Deutsche übertragen haben, schreibt Khorchide von "Demut" - für ihn lediglich eine Anpassung an die heutigen Zeiten.

 

"Der Koran verwendet eine starke Bildsprache für die Menschen im siebten Jahrhundert auf der Arabischen Halbinsel. Begriffe, die abstrakt sind, wie Gewissen oder Menschenwürde, so wie wir sie heute verwenden, kommen nicht vor im Koran. Was nicht heißt, dass die Inhalte, die gemeint sind, nicht vorkommen. Ich versuche, den Koran in unseren heutigen Termini zu verstehen, also nicht wortwörtlich zu übersetzen, sondern die Bedeutung zu übersetzen. Im Sinne von: Welche Termini würde der Koran heute verwenden, würde er heute verkündet werden."

 

Seine Kritiker dürfte diese Erklärung kaum besänftigen. Auch anderes an dem Buch mag man bemängeln - einige Redundanzen etwa. Oder der manchmal pastorale Tonfall. Dennoch - für den neuen Band gilt dasselbe wie für den Ersten: Es ist ein pointiertes und äußerst wichtiges Buch. Denn Khorchide entwirft eine Theologie, die nichts als gegeben hinnimmt, sondern nach bester kritischer Tradition vieles infrage stellt. Das Buch ist ein Debattenbeitrag zu der Frage, wie ein Islam aussehen kann, der in und von Deutschland geprägt ist.

 

Manche Aufregung über seine Thesen ist im Übrigen allein deshalb übertrieben, weil vieles gar nicht so neu ist. Im Gegenteil: Bei Khorchide finden sich zahlreiche Gedanken, die muslimische Reformdenker in den vergangenen 150 Jahren bereits vorgetragen haben - Gedanken, die vielen Muslimen auch in Deutschland aus der Seele sprechen dürften.

 

Deutschlandfunk, 15.10.2013

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  • 3 Wochen später...

05.11.2013 Muslimische Verbände kritisieren Theologie-Zentrum in Münster

 

„Taktische Spielchen können wir uns nicht leisten“

 

Köln (KNA). Die muslimischen Verbände in Deutschland kritisieren den Leiter des Zentrums für Islamische Theologie (ZIT) in Münster, Mouhanad Khorchide. „In Münster werden Inhalte beschlossen und Professoren bestellt – über die Köpfe der Religionsgemeinschaften hinweg“, sagte der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, am Dienstag in Köln. Münster agiere nicht im Einklang mit verfassungsrechtlichen Vorgaben, wonach Lehrinhalt und Lehrpersonal mit den Religionsgemeinschaften abgestimmt werden sollen.

 

Inhaltlich wirft Mazyek Khorchide vor, wie ein Orientalist und nicht wie ein Vertreter einer bekenntnisorientierten Religion zu argumentieren. Der Koordinationsrat der Muslime (KRM) werde in Kürze ein theologisches Gutachten herausgeben, das „Punkt für Punkt“ Khorchides Theologie unter die Lupe nehme.

 

Mazyek forderte, dass das ZIT seine Arbeit solange ruhen lasse, bis sich der Beirat konstituiert hat, der über Lehrinhalte und Lehrpersonal befindet. Das Gremium besteht aus je vier Vertretern der Universität und des KRM. Weil von den Verbänden vorgeschlagene Kandidaten wegen ihrer Nähe zum Islamrat vom Bundesverfassungsschutz nicht akzeptiert werden, arbeitet der Beirat nicht. Gleichwohl läuft der Lehrbetrieb seit dem Wintersemester 2012.

 

Mazyek warnte davor, ohne die Religionsgemeinschaften Fakten zu schaffen. Weiter kritisierte er, dass Khorchide selbst gegen die Beiratslösung ist. Damit stelle er sich gegen die Verfassung. Es sei unhaltbar, dass das ZIT in dieser Situation Bundesgelder bekomme. Die Handlungsfähigkeit des Beirats sei so schnell wie möglich herzustellen. „Taktische Spielchen können wir uns nicht leisten, das sage ich in alle Richtungen“, so Mazyek.

 

Khorchide hatte in einem „Zeit“-Interview gesagt, dass er das Beiratsmodell und die damit verbundene Lehrerlaubnis am liebsten abschaffen würde. Stattdessen sei er für eine Selbstverpflichtung, in der stehe, dass man ein Leben nach islamischen Maßstäben führe. Ende November will Bundespräsident Joachim Gauck das Zentrum in Münster besuchen. Mazyek begrüßte die Visite als Würdigung der islamischen Theologie an den Hochschulen.

 

 

Islamische Zeitung, 05.11.2013

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[h=1]05.11.2013 Interview: Muslimische Verbände kritisieren Theologie-Zentrum in Münster[/h][h=2]"Khorchide redet nicht wie ein Islamlehrer"[/h]

(KNA). Die muslimischen Verbände sind unzufrieden mit dem Leiter des Zentrums für Islamische Theologie (ZIT) in Münster, Mouhanad Khorchide. Über die Gründe äußert sich der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, am Dienstag im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Köln.

 

KNA: Herr Mazyek, der Bundespräsident besucht Ende November das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) in Münster. Aber ihre Freude ist getrübt...

 

Mazyek: Mit dem Besuch würdigt der Bundespräsident, dass an deutschen Hochschulen neben der christlichen Theologie nun auch der islamische bekenntnisorientierte Glaube gelehrt wird. Dies rechne ich Herrn Gauck hoch an - wie seinem Amtsvorgänger, der bereits die islamische Theologie an der Uni Osnabrück besucht hat.

 

KNA: Dennoch sind Sie nicht einverstanden damit, wie es derzeit in Münster läuft.

 

Mazyek: Die vier im Koordinationsrat (KRM) zusammengeschlossenen muslimischen Religionsgemeinschaften sind besorgt über das, was da in Münster passiert. Wir bekommen täglich Briefe von unseren Gemeindemitgliedern, die sich beschweren. In Münster werden Inhalte beschlossen und Professoren bestellt - über die Köpfe der Religionsgemeinschaften hinweg. Münster agiert nicht entsprechend den verfassungsrechtlichen Vorgaben, wonach Lehrinhalt und Lehrpersonal in Abstimmung mit den Religionsgemeinschaften festgelegt werden sollten. ZIT-Leiter Mouhanad Khorchide will ja offenkundig diese Mitsprache auch noch ganz kappen. Aber sein Mandat ist explizit auf diese Zustimmung aufgebaut, weil bekenntnisorientierter Glaube vermittelt werden soll und keine Orientalistik. Khorchide redet, schreibt und handelt aber wie ein Orientalist und nicht wie ein Islamlehrer. Und das ist die Krux aller Probleme.

 

KNA: Tragen die muslimischen Verbände nicht selbst Schuld an der Misere? Die Uni hat ihre vier Mitglieder für den Beirat nominiert. Der KRM hat mit der Besetzung seiner vier Kandidaten dagegen Probleme, weil der Bundesverfassungsschutz bei dem einen oder der anderen eine zu große Nähe zum Islamrat moniert.

 

Mazyek: Zwischenzeitlich ist eine von der Uni bestellte Person des Beirats aus Protest über das Vorgehen in Münster zurückgetreten. Es muss so schnell wie möglich Handlungsfähigkeit des Beirats hergestellt werden. Taktische Spielchen können wir uns nicht leisten, dass sage ich in alle Richtungen. Ich kann auch nicht ganz nachvollziehen, dass der Vertreter des Islamrats im nordrhein-westfälischen Beirat sitzen darf, der die Inhalte für den schulischen Religionsunterricht festlegt, in Münster aber nicht. Der Islamrat sucht jetzt aber dennoch eine neue Person. Und ich hoffe, dass bald eine verträgliche Lösung gefunden wird, mit der alle leben können.

 

KNA: Soll das ZIT seine Arbeit ruhen lassen, bis der Beirat steht?

 

Mazyek: Für Münster hätte dies den größten Vorteil. Die Uni würde auf einen Schlag den Geruch los, die Situation auszunutzen und ohne die Religionsgemeinschaften Fakten zu schaffen.

 

KNA: Khorchide selbst ist gegen die Beiratslösung und den Einfluss der islamischen Verbände. Aus seiner Sicht gibt es im Islam keine amtliche Lehrerlaubnis.

 

Mazyek: Damit stellt er sich gegen die Verfassung. Diese sieht vor, dass die Lehrerlaubnis durch die Religionsgemeinschaft begründet wird. Khorchides Vorstoß bedeutet im Umkehrschluss, dass er sich selbst diese Befähigung geben und alleiniger Master islamischer Rechtsprechung werden will. Es ist unhaltbar, dass solch ein Konsortium, das sich explizit gegen die Vorgaben des Wissenschaftsrates setzt, weiter Bundesgelder bekommt. Solche Vorstöße sind in der Öffentlichkeit vielleicht schick, weil sie gegen muslimische Verbände gerichtet sind. Sie gefährden aber nachhaltig den Standort Münster.

 

KNA: Was stört Sie denn so sehr an der Arbeit von Khorchide?

 

Mazyek: Wie gesagt, er argumentiert wie ein Orientalist und nicht wie ein Vertreter einer bekenntnisorientierten Religion. Der KRM wird in Kürze ein Gutachten herausgeben, das ausgewiesene Theologen erstellen, in dem wir sachlich Punkt für Punkt seine sogenannte Theologie vor dem Hintergrund des reichen Fundus der 1.400-jährigen islamischen Geistesgeschichte genauer unter die Lupe nehmen.

 

KNA: Khorchide ist dagegen, den Islam auf rechtliche Regelungen zu reduzieren und will juristische Aussagen - etwa, dass Dieben die Hand abzuhacken sei - nicht wörtlich verstehen, sondern im historischen Kontext. Ist Ihnen der Professor zu liberal?

 

Mazyek: Gar nicht, nur muss diese Liberalität auch mit Substanz gefüllt sein. Längst stellen zum Beispiel viele Gelehrte die drakonischen Hadd-Strafen unter ein Moratorium. Damit wird man doch nicht gleich liberal. Khorchide benutzt bekannte mutazilitsche Ansätze (eine islamische Denkrichtung, Anm. d. Red.), verwoben mit autobiografischen Erlebnisberichten. Auch manch Alttestamentarisches ist dabei, wenn man mal bestimmte Begriffe heranzieht. Wirklich Neues ist nicht zu erkennen. Daran ändert auch nichts, wenn man sich als besonders liberal oder als Reformer preist, was zugegeben hierzulande geradezu elektrisiert. Was aber hinten raus kommt, ist wichtig. Und das ist theologisch und wissenschaftlich ziemlich dünn?

 

KNA: Was soll Khorchide denn anders machen?

 

Mazyek: Der Islam ist in Deutschland eine junge Wissenschaft. Da brauchen wir Professoren, die zunächst einmal die 1.400-jährige muslimische Geistesgeschichte aufarbeiten. Und das heißt: Monografien und analytische Bibliografien sprachlich und kulturell in den deutschen Sprachraum zu bringen. Vor dem Experiment kommt die Bestandsaufnahme, sonst bleibt das Experiment eine Luftblase. Im Bereich Monografien und Bibliografien haben bislang nur Orientalisten gearbeitet, die aber anders an die Texte herangehen als bekenntnisorientierte Wissenschaftler.

 

KNA: Khorchide setzt aus Ihrer Sicht die falschen Prioritäten?

 

Mazyek: Ich denke schon. Ich will das an einem Beispiel erklären. Vorbildlich, obwohl ohne bekenntnisorientierten Anspruch, ist das Projekt «Corpus Coranicum» der Berliner Arabistik-Professorin Angelika Neuwirth. Sie bemüht sich um eine der Überlieferung entsprechende Übersetzung des Korantextes in die heutige Zeit. Nicht alles würde ich kritiklos hinnehmen. Aber an ihrer Art erkennt man einen wissenschaftlichen Ethos und eine gewisse Demut, die ich mir bei Khorchide wünsche. Neuwirth zeigt: Man kann frei forschen, ohne die wissenschaftliche Würde zu verraten. Es geht mir gar nicht um Linientreue oder so. Aber eine Jahrhunderte alte Geistesgeschichte mit exzellenten wissenschaftlichen Arbeiten plus Glaubensvermittlung lässt sich nicht in den Kategorien liberal oder konservativ beschreiben. Das suggeriert aber Khorchide. Er macht sich so zwar populär, aber wissenschaftlich angreifbar, weil oberflächlich.

 

KNA: Khorchides Vorgänger, der Islamtheologe Muhammad Sven Kalisch, hat die Zustimmung der islamischen Verbände verloren, nachdem er die Existenz Mohammeds angezweifelt hatte. Droht nun auch Khorchide eine Abberufung?

 

Mazyek: Nochmals, es geht hier nicht um Orientalistik, sondern um die Glaubenslehre. Hier muss es ein Mindestmaß an Authentizität geben. Dieses zu beurteilen, obliegt weder dem Staat, der neutral bleiben muss, noch dem einzelnen Wissenschaftler. Was authentisch ist, müssen die Gläubigen sagen, - allerdings plausibel. Warten wir erst mal, was das Gutachten des KRM ergibt.

 

KNA: Spielen Sie nicht das Spiel des radikalen Salafisten Pierre Vogel? Er fordert im Internet vollmundig, Khorchide von der Universität zu vertreiben.

 

Mazyek: Noch schlimmer, er erklärt ihn zum Glaubensverweigerer. Diese Äußerungen sind extrem populistisch und gleichsam hochgefährlich. Jemanden kraft irgendwelcher Autorität zum Kafir, also zum Ungläubigen oder Glaubensverweigerer zu erklären, lehnen wir rundweg ab. Übrigens hat Khorchide in seinem Buch die Neo-Salafisten ebenso zu Glaubensverweigerer erklärt. Damit hat er, vielleicht ohne es zu merken, das Geschäft der Fundamentalisten bedient.

 

 

Katholische Nachrichtenagentur, 05.11.2013

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Über die Frömmigkeit eines Menschen kann nur Gott entscheiden

 

 

 

Islamprofessor der Universität Münster wehrt sich gegen Vorwürfe von Muslimverband

 

Mouhanad Khorchide im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich

 

Der Zentralrat der Muslime hat dem Münsteraner Theologen Mouhanad Khorchide mangelnde Gläubigkeit vorgeworfen. Es gehe gar nicht um Frömmigkeit, sagt hingegen Khorchide. Seines Erachtens handele es sich vielmehr um politische Verwerfungen in Zusammenhang mit der Besetzung des Koordinationsrats der Muslime.

 

Burkhard Müller-Ullrich: Seit zwei Jahren gibt es an der Universität Münster einen Islam-Studiengang. Er soll unter anderem dazu dienen, dass muslimische Religionslehrer, die dann an deutschen Schulen unterrichten, in Deutschland ausgebildet werden und nicht aus anderen Kulturen und Verhältnissen hierher abgeordnet werden. Dazu gab es eine nicht ganz unkomplizierte Vereinbarung mit den vier größten muslimischen Verbänden in Deutschland, die im sogenannten Koordinationsrat zusammengeschlossen sind. Jetzt aber gibt es Kritik an der in Münster vermittelten Koranlehre, und zwar Kritik von Seiten des Zentralrats der Muslime, und die Kritik richtet sich gegen Professor Mouhanad Khorchide.

 

Herr Khorchide, bevor wir zu der Kritik an Ihrer Arbeit kommen: Was ist das für ein Abschluss, den Ihre Studenten da in Münster machen? Wozu berechtigt er?

 

Mouhanad Khorchide: In Absprache mit dem KRM, dem Koordinierungsrat der Muslime in Deutschland. Ich habe meine Lehrerlaubnis auch schriftlich von ihnen erhalten und wir haben bis jetzt eine gute Zusammenarbeit geführt. Wir warten natürlich auf die Konstituierung des konfessorischen Beirats. Da gibt es in der Tat ein Problem, dass wir als Universität nichts dafür oder dagegen können. Es wurde eine Person vom Bundesinnenministerium abgelehnt, weil die Person einer Organisation angehört, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird, und wir warten jetzt auf die Ernennung einer Ersatzperson seitens des KRM.

 

Müller-Ullrich: Da geht es um vier Vertreter, die in diesen Beirat entsandt werden sollen, vom Koordinierungsrat, wenn ich das recht verstehe, und einer von diesen vier, der wurde abgelehnt?

 

Khorchide: Genau. Nicht von der Universität, nicht von uns hier, wir haben mit niemandem ein Problem, sondern vom Bundesinnenministerium.

 

Müller-Ullrich: Wegen Problemen mit dem Verfassungsschutz?

 

Khorchide: Genau so. Die Organisation soll vom Verfassungsschutz beobachtet sein.

 

Müller-Ullrich: Der Abschluss, den Ihre Studenten da machen, wie heißt der genau? Was wird man da?

 

Khorchide: Wir haben mehrere Abschlüsse. Die zwei Hauptabschlüsse, die wir haben, ist ein Bachelor Islamische Theologie. Das sind die Theologinnen und Theologen, aber auch die, die auf Lehramt studieren. Die haben den Abschluss Bachelor beziehungsweise auch später dann einen Master in der islamischen Religionslehre. Die sind dann qualifiziert, um als islamische Religionslehrkräfte zu arbeiten.

 

Müller-Ullrich: Jetzt wird Ihnen vorgeworfen, Sie seien nicht fromm genug, was bei einem Wissenschaftler möglicherweise nicht trifft, aber wenn es sich um Glaubensdinge handelt, möglicherweise schon.

 

Khorchide: Über die Frömmigkeit eines Menschen kann nur Gott entscheiden. Das kann keine Person entscheiden über eine andere Person. Meines Erachtens, mir wird auch nicht weniger Frömmigkeit vorgeworfen, sondern ich habe das Gefühl, es geht hier nur um eine politische Debatte, wo wir hier auch als Universität irgendwie zwischen die Stühle geraten sind, weil es um diese Beiratsbildung geht und das Innenministerium eine Person ablehnt. Alles andere ist nicht das eigentliche Problem.

 

Müller-Ullrich: Was ist denn der Hintergrund des Problems, wenn man Ihnen vorwirft, sich wie ein Orientalist und nicht wie ein Islamlehrer zu verhalten? Das ist der Vorwurf, den der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime erhoben hat. Was steckt dahinter?

 

Khorchide: Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, wie ein Orientalist sich verhält und wie ein Islamischer Theologe. Ich kann mit der Aussage nichts anfangen, deshalb kann ich die auch nicht kommentieren eigentlich. Das müsste man Herrn Mazyek fragen, was er damit meint.

 

Müller-Ullrich: Und wie gehen Sie jetzt mit dieser Lage um? Machen Sie einfach weiter, als wäre nichts?

 

Khorchide: Zwei Sachen, die uns sehr wichtig sind. Die eine Sache: Uns ist die Kooperation, die enge Zusammenarbeit mit den Moscheegemeinden sehr wichtig. Wir werden weiterhin zwei ganz ausgestreckte Arme Richtung des Koordinierungsrats haben. Das ist das eine, und das andere, was uns sehr wichtig ist hier, dass wir weiterhin diese Linie verfolgen, dass wir für einen weltoffenen Islam hier stehen.

 

Müller-Ullrich: Wenn Sie sagen, Sie verstehen die Anwürfe überhaupt nicht, Sie selbst würden sich aber schon einer liberalen Auffassung des Islam zurechnen, oder?

 

Khorchide: Ich würde das nie als liberal bezeichnen. Im Gegenteil! Ich sehe mich innerhalb der islamischen Tradition. Ich knüpfe in meiner Theologie an Positionen, die anerkannt sind innerhalb der islamischen Theologie. Nur wenn andere die islamische Tradition nicht kennen, oder zu wenig kennen und für sie diese Positionen befremdend sind, wenn man vom barmherzigen Gott spricht, oder davon spricht, dass der Mensch im Mittelpunkt der Islamischen Theologie steht, dann sollte man auch eine inhaltliche Debatte führen, respektive innerhalb der islamischen Theologie, und nicht einfach loslegen und Menschen das eine oder das andere vorwerfen. Wie gesagt: Für mich ist deshalb der Diskurs an sich, der inhaltliche Werdegang der Islamischen Theologie sehr wichtig und das steht im Mittelpunkt.

 

Müller-Ullrich: Mouhanad Khorchide, Islamwissenschaftler an der Universität Münster und dort zuständig für die Ausbildung muslimischer Religionslehrer in Deutschland. Danke für die Auskünfte.

 

 

Deutschland Funk, 06.11.2013

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07.11.2013 „Zum letzten Mal“: Bekir Alboga erneuert Kritik am aktuellen Stand des Beiratsverfahren des ZIT Münster

 

Professor wurde vom KRM abgesegnet

 

Düsseldorf (KNA). Der Druck auf den Islamwissenschaftler Mouhanad Khourchide in Münster nimmt zu. Nach dem Zentralrat der Muslime (ZDM) äußerte nun auch der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime (KRM), Bekir Alboga, am Donnerstag in Düsseldorf gegenüber der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) Bedenken, ob Khorchide seinen Lehrstuhl „konfessionsgebunden leiten“ könne.

 

Dem Koordinationsrat gehören der Zentralrat, der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland, der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) sowie die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib) an. Alboga ist auch stellvertretender Generalsekretär der Ditib.

 

Er wirft Khorchide vor, die Mitarbeit der muslimischen Verbände in dem Beirat des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster abzulehnen. Der Beirat, der über Lehrinhalte- und -personen entscheidet, soll aus je vier Vertretern der Universität und des KRM bestehen. Jeder Verband im KRM entsendet einen Vertreter. Zwei vom Islamrat nacheinander vorgeschlagene Kandidaten wurden laut Alboga wegen offensichtlicher verfassungsrechtlicher Bedenken abgelehnt. Deshalb arbeitet der Beirat an dem mit Bundesmitteln geförderten Zentrum noch nicht. Gleichwohl läuft der Lehrbetrieb seit dem Wintersemester 2012.

 

Die Universität Münster hatte bei der Ernennung Khorchides im Jahre 2010 die Zustimmung des KRM eingeholt. An dem Zentrum werden islamische Religionslehrer und Imame ausgebildet. Da der Islam im Gegensatz zu den Kirchen nicht als klar definierte Religionsgemeinschaft anerkannt ist, bestimmt ersatzweise der Beirat über Lehrinhalte und -personal. Mit diesem Verfahren lehnt sich die Hochschule an das Berufungsverfahren für katholische und evangelische Theologie-Professoren an und folgt zugleich einer Empfehlung des Wissenschaftsrates.

 

Alboga wies Vorwürfe zurück, dass die muslimischen Verbände die Funktionsfähigkeit des Beirats blockierten. Der KRM habe sich darauf verständigt, „zum letzten Mal“ einen weiteren Kandidaten vorzuschlagen.

 

 

Islamische Zeitung, 07.11.2013

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[h=4]Münsteraner Islam-Theologe[/h][h=1]Der Sendungsbewusste[/h]Mouhanad Khorchide propagiert einen barmherzigen Islam, will Mut machen und Angst nehmen. Doch jetzt hat er Ärger mit Islam-Verbänden und Salafisten.

 

BERLIN taz| Ende November will Bundespräsident Joachim Gauck das Zentrum für Islamische Theologie an der Uni Münster besuchen. Doch der Hausfriede an dem Institut ist dahin. Denn die großen Islam-Verbände, die den Religionspädagogen Mouhanad Khorchide selbst einst als Leiter berufen haben, kritisieren ihn nun scharf.

Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime wirft Khorchide nicht nur vor, er stimme sich mit den Verbänden nicht über Lehrinhalte und -personal ab, sondern auch zu wenig wissenschaftlich zu arbeiten – mit anderen Worten: Er mache in Münster, was er wolle. Mazyeks Attacke gipfelte in der Forderung, das Zentrum solle seine Arbeit vorerst ruhen lassen, bis eine Einigung mit den Verbänden gefunden sei.

 

Vier Zentren für Islamische Theologie sind seit 2010 an deutschen Universitäten entstanden. Wie bei den christlichen Lehrstühlen die Kirchen haben die muslimischen Verbände dort ein gewichtiges Wort mitzureden. Von den meist jungen Professoren, die dort lehren, besitzt der 42-jährige Khorchide zweifellos das größte Sendungsbewusstsein. Zwei Bücher hat er in den letzten zwölf Monaten veröffentlicht, mehr Interviews gegeben als alle seine Kollegen zusammen. In seinen Büchern zeichnet Khorchide das Bild eines freundlichen Islams, er will der deutschen Öffentlichkeit die Angst vor seiner Religion nehmen.

Auch für die Muslime hat er eine Botschaft: Ihn stört es, dass viele ihren Glauben auf einen Katalog von Regeln reduzieren, die es zu befolgen gilt, aus Angst vor einem strafenden Gott. Ihnen setzt er das Bild eines liebenden Gotts voller Barmherzigkeit entgegen. Damit trifft er für viele den richtigen Ton. Doch mit seinem ausgeprägten Sendungsbewusstsein bringt er auch viele gegen sich auf.

[h=6]Glauben weiterentwickeln[/h]„Wir wollen nicht einfach ins Deutsche übersetzen, was in Marokko oder der Türkei unterrichtet wird, sondern die islamische Theologie weiterentwickeln“, gab Mouhanad Khorchide kürzlich auf einer Tagung in Berlin als seine Losung aus. Auf dem ersten Blick wirkt der schmächtige Mann mit dem schicken Anzug und dem sorgsam gestutzten Bart fast schüchtern. Doch was er verkündet, zeugt von großer Überzeugung.

 

Muslimische Theologen stünden in vielen Ländern unter starkem Druck, von Fundamentalisten und von Regierungen. Sie würden deshalb viele Hoffnungen auf ihre Kollegen in Deutschland setzen, so Khorchide. Mehrfach schon sei ihm bei internationalen Kolloquien gesagt worden: „Ihr sucht Antworten auf die Fragen, die wir uns nicht zu stellen trauen.“

Scharf wendet sich Khorchide gegen eine wortwörtliche Auslegung des Koran, wie sie Fundamentalisten predigen. Seine Abneigung gegen eine buchstabentreue Lesart des Islam hat auch biografische Gründe. Als staatenloser Palästinenser wuchs der 1971 in Beirut geborene Khorchide mit seiner Familie erst im Libanon und dann in Saudi-Arabien auf. Das hat ihn stark geprägt: „Auf der einen Seite habe ich im Alltag im Libanon eine große Toleranz zwischen Sunniten, Schiiten und Christen erlebt“, erzählt er am nächsten Tag bei einem Treffen in der Lobby eines Berliner Hotels. „Auf der anderen Seite eine große Intoleranz in Saudi-Arabien, wo nur die lokale Lehre gilt und selbst die islamische Mystik oder die Schiiten als „unislamisch“ verdammt werden.“

[h=6]Studium in Wien und Beirut[/h]Weil er und seine Brüder als Ausländer in Saudi-Arabien nicht studieren durften, lernten sie Deutsch, um mit einem Studentenvisum nach Österreich zu kommen. In Wien schreib sich Khorchide in Medizin und Soziologie ein, bevor er sich für ein Studium der Theologie in Beirut entschied. Die Lehre dort empfand er aber rasch als ziemlich einseitig. „Auch da gab es Professoren, die meinten, Schiiten könnten keine richtigen Muslime sein“, erzählt er. „Das hat mich so verärgert, dass ich mein Studium fast abgebrochen hätte.“

Stattdessen orientierte sich Khorchide an islamischen Mystikern wie Dschalal ad-Din Rumi, weil die nach dem Kern des Glaubens fragten. Nach dem Studium wandte er sich dann modernen Reformdenkern zu, die für eine zeitgemäße Interpretation des Islam stehen. Die gelten in ihren Ländern aber oft als Außenseiter: der Ägypter Nasr Hamid Abu Zaid etwa wurde vor knapp zwanzig Jahren von Fundamentalisten quasi aus seinem Land vertrieben, weil seine Ansichten ihnen als zu ketzerisch galten.

[h=6]Texte im historischen Kontext lesen[/h]In seinem neuen Buch „Scharia – der missverstandene Gott“ hat Korchide ein Kapitel dem Salafismus gewidmet, jener Spielart des Islam, deren Anhänger sich nach dem Vorbild des Propheten in arabische Gewänder kleiden. Ihr striktes und dogmatisches Islam-Verständnis geht er frontal an, indem er fordert, man müsse die Verse im Kontext ihrer damaligen Zeit betrachten und stets die Frage stellen: Was wollte uns Gott damit sagen? Dann würden sich die Widersprüche zu Menschenrechten und Demokratie von selbst auflösen.

Deutsche Salafisten bringt er mit solchen Thesen verlässlich auf die Palme. Aus Saudi-Arabien importiert, hat sich dieser Hardcore-Islam hierzulande zu einer wachsenden Jugendbewegung entwickelt. Der Starprediger der hiesigen Szene, der Konvertit Pierre Vogel, hat den Theologen aus Münster jetzt sogar zum „Ungläubigen“ erklärt. Vogel ist empört, dass Khorchide in seinem neuen Buch schreibt, die Hölle sei kein konkreter Ort, sondern bloß als Metapher für die Abwesenheit von Gott zu verstehen.

In einer 50-minütigen Videopredigt, die er ins Internet gestellt hat, blättert Vogel aufgeregt durch eine Koran-Übersetzung, in der er mehrere Stellen rot markiert hat: „Hölle, Hölle, Hölle“, liest er laut daraus vor, um zu zeigen, dass das sehr wohl wörtlich gemeint sei.

[h=6]Keine Angst vor Pierre Vogel[/h]Khorchide vermag das nicht aus der Ruhe zu bringen: „Ich muss Pierre Vogel sogar dankbar sein“, sagt er überraschenderweise. „Sie glauben gar nicht, wie viele salafistische Jugendliche mich deswegen kontaktiert haben.“ Einige hätten daraufhin sein Buch gelesen und sich über Vogel empört. „Diese Jugendlichen sind auf der Suche“, meint Khorchide. „An dieses Milieu komme ich sonst gar nicht heran“, gewinnt er der Auseinandersetzung sogar etwas Positives ab.

Auch gegenüber der scharfen Kritik, die ihm von den muslimischen Verbänden entgegenschlägt, zeigt er sich versöhnlich. Kritiker aus diesen Reihen werfen ihm vor, einen „Islam light“ zu propagieren und Begriffe aus dem heutigen Christentum auf den Islam zu übertragen. Einerseits verwässere er manche Glaubensinhalte bis zur Unkenntlichkeit. Andererseits maße er sich selbst an, zu beurteilen, wer ein guter Muslim sei und wer nicht, wenn er die Moral zur alleinigen Richtschnur erkläre.

An den Grundregeln des Islam wolle er nicht rütteln, verteidigt sich Khorchide: „Ich bete und faste, ich will die religiösen Rituale nicht abschaffen.“ Aber Barmherzigkeit sei „ein genuin islamischer Gedanke“. Und der Islam lehre auch: „Das Gebet kann uns sogar von Gott entfernen, wenn es nur Fassade bleibt.“

[h=6]Theologie begutachtet[/h]Dass Khorchide den Verbänden schlichtweg die Kompetenz abspricht, über Glaubensfragen zu befinden, ist kaum dazu angetan, den Konflikt rasch zu befrieden. Doch der Gegenwind, den er mit solchen Äußerungen anfacht, stört ihn nicht. Aiman Mazyek hat jetzt angekündigt, die großen Islam-Verbände würden in Kürze ein theologisches Gutachten herausgeben, das Khorchides Theologie „Punkt für Punkt“ unter die Lupe nehme. An einer sachlichen Debatte sei er sehr interessiert, erwidert Khorchide. „Wir strecken beide Arme aus und hoffen auf konstruktive Zusammenarbeit“, sagt er.

Hinter dem Streit um die richtige Islam-Lehre stehen, wie immer, handfeste Interessen. Die Islam-Verbände sitzen im Beirat des Instituts und haben formal das Recht, Professoren ein- und abzusetzen. Doch dieser Beirat hat so noch nie getagt. Ein Platz ist seit Monaten unbesetzt, weil der Verfassungsschutz gegen einen Kandidaten Bedenken hatte, ein anderes Mitglied trat kürzlich zurück. Nun fürchten die Verbände, ganz ausgebootet zu werden, sollte die Universität etwa mit lokalen Moscheegemeinden einen neuen Beirat bilden.

[h=6]Schicksal von Vorgänger Sven Kalisch[/h]Das erklärt die Empörung der großen Islam-Verbände, in Münster würden „Inhalte beschlossen und Professoren bestellt – über die Köpfe der Religionsgemeinschaften hinweg“, wie es der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, beklagt. Das aber sei mit der Verfassung nicht zu vereinbaren.

Der Standort Münster steht offenbar unter keinem guten Stern. Denn der Streit über Mouhanad Khorchide erinnert fatal an die Querelen um seinen Vorgänger, Sven Kalisch. Der war 2004 als erster Professor an eine deutsche Uni berufen worden, um dort Religionslehrer für den Islam-Unterricht auszubilden. Nachdem Kalisch aber die historische Existenz des Propheten Mohammed anzuzweifeln begann, kündigten die Verbände die Zusammenarbeit auf. Kalisch wurde 2009 von dieser Aufgabe entbunden, er lehrt jetzt an einem anderen Fachbereich.

Noch so ein Fiasko kann sich in Münster eigentlich niemand leisten. Aber vieles deutet auf die nächste Eskalation hin.

 

 

TAZ, Daniel Bax, 08.11.2013

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Derzeit ist das Thema der "Islamischen Theologie" erneut mit mehreren Beiträgen und Antworten auf diese in die Schlagzeilen geraten. Weil persönliche Angriffe und Anmaßungen von "Gut" und "Böse" nur wenig zielführend sind, hier einige Überlungen dazu, wie diese Debatte überhaupt geführt wird und welche Elemente eine Rolle spielen könnten. [Korrekturen und Ergänzungen gerne willkommen]

 

Ich glaube, diese Debatten – und viele andere – leiden unter verschiedenen Mängeln, sodass sie am Ende an unlösbaren Problemen scheitern und in personalisierten Vorwürfen enden. Bevor wir also sinnvoll diskutieren können, sollten wir a.) die individuellen Aspekte ausschalten und uns b.) der strukturellen Probleme bewusst werden.

 

1.) Das Projekt der sogen. "Islamischen Theologie" ist insgesamt bedenklich (im Sinne von bedenkenswert), weil es sich hier a.) um eine komplette Neuschöpfung handelt, b.) ihre Entwicklung nicht vollkommen in den freien Händen der Muslime liegt, c.) die politische Absicht des Staates (Stichwort: "Zähmungsabsicht) erkennbar ist und d.) die Hoffnung der Verbände besteht, via IRU und IT eine Anerkennung zu erreichen. Alle diese Aspekte spielen in das Problem mit herein.

 

2.) Eine Seite der Debatte genießt die komplette "Lufthoheit" in den nichtmuslimischen Mehrheitsmedien und Spartenprogrammen. Sie hat die uneingeschränkte Möglichkeit, ihre Punkte kritiklos, affirmativ und barrierefrei an den Mann bzw. an die Frau zu bringen (Bsp. Qantara, Wort zum Freitag, DW, DR etc.pp). Nicht nur das, sie führt diese Debatte auch beinahe ausschließlich über Massenmedien.

 

3.) Das führt dazu, dass der eigentlich notwendige innermuslimische Diskurs – jenseits von Mikros und Kameras – verschwindet. So kommt es auch niemals zu einer direkten Begegnung von Argumenten und ggf. einer Änderung von Meinungen.

 

4.) Viele betreiben ansatzweise eine theologische Verteufelung der anderen, was ebenfalls schädlich ist. Dazu gehört die unangenehme Neigung, Werturteile über die Glaubsüberzeugungen anderer zu fällen (so gerät man schnell in den Verdacht, ein Krypto-Salafit zu sein). Gleichzeitig werden natürlich eigene Versäumnisse überdeckt. So hat es der organisierte Islam in Dtld. (im Gegensatz zu anderen europ. Ländern) nicht geschafft, auch nur ein Modellprojekt – barrierefrei, übernationalistisch und für alle Muslime zugänglich – der höheren islamischen Bildung ins Leben zu rufen.

 

5.) Von Seiten des organ. Islam besteht die Hoffnung (siehe Paper von M. Azzaoui vom letzten Jahr sowie die Übergangsregelungen in NRW), über die IT bzw. IRU zur einer Anerkennung als KdöR zu gelangen. Das mag direkt keinen Einfluss in der erneuten Debatte haben, liefert aber auch den Hintergrund, vor dem sich die ganze Debatte abspielt.

 

 

Sulaiman Wilms, FB, 08.11.2013

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Liebe Freunde: Hier ein kurzes Statement zur aktuellen Diskussion: Zuerst möchte ich mich aber bei den unglaublich vielen Solidaritätsbekundungen, die mich von mehreren Imamen, Moscheegemeinden, Politikern, Ministern, Kolleginnen und Kollegen bis hin zu Al-Azhar in Kairo erreicht haben, ganz herzlich bedanken!!!

 

Sie/ihr können/könnt sich/euch vorstellen, dass wenn der Bundespräsident unser Zentrum besuchen kommt, wo seit zwei Jahren über die Konstituierung des konfessorischen Beirats politisch debattiert wird und ein Verband vom Verfassungsschutz nicht akzeptiert wird (das kann ich nicht kommentieren, da ich nichts davon verstehe und die Hintergründe gar nicht kenne), dass jetzt der beste Zeitpunkt für den einen oder anderen ist, politischen Druck auszuüben und auf sein politisches Anliegen medienwirksam aufmerksam zu machen. Das ist auch ok so.

 

Das alles ist im Grunde Glück im Unglück. Da diese Debatten dazu gehören, um die islamische Theologie zu etablieren. Wir brauchen die Debatte. Mir ist klar, dass zurzeit die Debatte auf allen Ebenen sehr oberflächlich verläuft und mit allem anderen als mit theologischen Argumenten diskutiert wird (er ist Schiit, er ist Sunnit, er ist Sufi, er ist Orientalist, er ist Islamwissenschaftler, er ist kein Theologe, seine Thesen sind nicht islamisch, seine Thesen basieren nicht auf Koran und Sunna, seine Thesen sind gut, seine Thesen sind schlecht usw.), aber keiner taucht in die Tiefe ein und sagt, warum das gut, oder schlecht ist (mit theologischen Argumenten). Es geht im Grunde auch gar nicht darum, zu benoten, ob gut oder schlecht, sondern welche Thesen sind rational argumentativ haltbar, welche nicht und warum? Welche Thesen machen unseren Glauben plausibler, welche nicht? Ohne die Religiosität der Person zu beurteilen. Leider finde ich einiges von dem, was ich im Scharia-Buch an uns Muslimen bemängle, in den Reaktionen vieler bestätigt.

 

Und wenn ich schon dabei bin, mich zu der aktuellen Debatte zu äußern: Da alle sich von PV bis … über die Hölle Sorgen machen, dass sie ja da ist und dass ja viele sie besuchen werden, nur zwei kurze Anmerkungen dazu: 1. Ich habe nie geschrieben, oder gesagt, es gebe keine Hölle (!!), sondern habe nur die Frage aufgeworfen, wie man die Hölle verstehen kann: Als materiellen Raum oder als Zustand? Schon al-Ghazali hat geschrieben, dass die Hölle nur ein metaphorisch gemeinter Ausdruck ist (bitte Al-Ghazali lesen). Ich schreibe auf S. 55: "Der Versuch, das Jenseits als Ort der Vervollkommnung und Transformation des Menschen zu verstehen, soll keineswegs das wortwörtliche Verständnis von Paradies und Hölle als von tatsächlich existierenden Orten ersetzen ..."

 

2. Dass die Hölle am Ende leer sein wird, das haben einige muslimische Gelehrte gesagt, auf einen sehr bekannten und anerkannten habe ich im Buch „Islam ist Barmherzigkeit“ verwiesen. Daher mein Appell, wer loslegen und kritisieren will, der ist ganz willkommen und tut der islamischen Theologie sehr gut, aber damit die Kritik auch fruchtbar ist (und nicht nur dazu dient, dem eigenen Ego zu schmeicheln), muss die Person schon die islamische Tradition sehr gut kennen, damit es nicht, wie ich manchmal gerade in fb mitverfolge, wenn über Stunden und Tage über einen Sachverhalt diskutiert wird, wo es in der islamischen Tradition so viele Antworten darauf gibt, zu einem hin und her von Vorwürfen kommt.

 

Da würde ich gerade an meine muslimischen Brüder und Schwestern appellieren, die in den Diskussionen andere Positionen einnehmen, nur Argumente und Gegenargumente zu Wort kommen zu lassen, ohne, wie so oft gegen Ende der Diskussion, sich gegenseitig anzugreifen und fast immer mehr oder weniger im Streit auseinander zu gehen. Manchmal tut uns einfach gut, den Pc herunterzufahren und auf dem Gebetsteppich zu sitzen, das Herz mit Gott sprechen zu lassen und in tiefer Demut Gott gegenüberzutreten.

 

In diesem Sinne wünsche ich allen einen gesegneten Freitag und für diejenigen, die nicht arbeiten müssen, ein erholsames Wochenende!

 

 

 

Khorchide, FB, 08.11.2013

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FORUM AM FREITAG | 08.11.2013

[h=1]Scharia - was ist das?[/h][h=2]Gesetzbuch - oder ethischer Leitfaden für Muslime?[/h]Die Scharia ist ein religiöses Werte- und Rechtssystem, basierend auf dem Koran sowie den Überlieferungen der Aussprüche und Handlungen des Propheten Muhammad, der Sunna. Die Scharia ist nach islamischem Verständnis das "göttliche Gesetz", in Abgrenzung zu von Menschen gemachtem Recht. Für viele Nicht-Muslime hat der Begriff Scharia keinen guten Klang: Entziehen sich Muslime durch Gottesgesetz dem hier geltenden Recht? "Forum am Freitag"-Moderator Abdul-Ahmad Rashid trifft den Theologen Prof. Mouhanad Khorchide, der gerade ein Buch über die moderne Interpretation der Scharia geschrieben hat.

 

Die Scharia (arab.: breiter Weg, Weg zur Quelle) beschreibt für fromme Muslime das richtige Verhalten des Menschen in Bezug auf Gott sowie auf andere Menschen und auf die Schöpfung allgemein.

 

Diese Regeln werden aus dem Koran und aus der Sunna (Sprüche und Verhaltensweisen des Propheten Muhammad) abgeleitet. Bei der Scharia handelt es sich somit nicht um ein einheitliches, entwickeltes Rechtssystem. Vielmehr besteht sie aus verschiedenen Interpretationen, die Rechtsgelehrte verschiedener Schulen auf der Grundlage des Korans und der Sunna entwickelt haben. Diese sind in der islamischen Jurisprudenz, dem sogenannten "Fiqh", festgehalten.

Stetige Neuinterpretation

Über mehrere Jahrhunderte ist die Scharia durch anerkannte rechtliche Methoden vervollständigt und neu interpretiert worden. Zur Scharia gehören die fünf Grundpfeiler des Islam, also das Glaubensbekenntnis, das tägliche Gebet, die Almosensteuer, das Fasten und die Pilgerfahrt nach Mekka sowie zwischenmenschliche Verhaltensregeln.

Für Fragen, auf die es im Koran keine Antworten gab, haben die islamischen Gelehrten weitere Instrumente zur Rechtsfindung bestimmt: "Idschma" als Konsens der islamischen Gelehrten über ein bestimmtes Thema, "Qiyas" als Analogieschluss, den Brauch (Urf) und das Gewohnheitsrecht (Ada) und schließlich das eigene Urteil der Rechtsgelehrten (Ray), falls vorangegangene Methoden zu keinem Urteil verhelfen. Hier wurden neu auftretende Fälle und Fragen in Anlehnung an bekannte Fälle entschieden.

In den ersten Jahrhunderten der islamischen Geschichte hatten die Gelehrten auch für die Rechtsfindung das Instrument der selbstständigen Interpretation der Quellen benutzt, "idschtihad" genannt. Dieses wurde jedoch im sunnitischen Islam immer weiter zurückgedrängt und im Mittelalter eingestellt. Im schiitischen Islam besteht diese Methode weiterhin und macht ihn damit flexibel und offen gegenüber den Herausforderungen der Moderne und den daraus resultierenden neuen Fragestellungen.Viele verschiedene Meinungen

Innerhalb des sunnitischen Islam haben sich im Laufe der Jahrhunderte vier Rechtsschulen durchgesetzt: die Hanafiten (liberalnationale Schule), die Schafiiten (konservativ-liberale Schule), die Malikiten (konservative Schule) und die Hanbaliten (strenge Lehre strikt nach dem Koran). In den Grundfragen des islamischen Rechts sind sich diese jeweils nach ihrem Begründer genannten Schulen einig; in vielen Fragen des islamischen Rechts sind sie jedoch unterschiedlicher Meinung.

 

In der Scharia gibt es Regelungen für das zwischenmenschliche Handeln und für religiöse Rituale und Pflichten. So gibt es sechs Kategorien, nach denen unterschiedliche Handlungen eingeteilt werden können. Mit Halal wird das Erlaubte bezeichnet. Daneben ist Fard eine Handlung, die eine Pflicht für jeden Muslim darstellt wie etwa das rituelle Gebet. Mandub, die dritte Regel, sind empfehlenswerte Handlungen wie zum Beispiel zusätzliche Gebete. Makruh sind verwerfliche oder nicht empfehlenswerte Handlungen wie zum Beispiel das Rauchen. Mubah stellen Handlungen dar, die zwar als erlaubt gelten, über die es aber keine ausdrückliche Beurteilung in den religiösen Quellen gibt. Haram schließlich sind verbotene Handlungen wie der Genuss von Alkohol und Drogen.Anspruch und Wirklichkeit

Die islamische Theologie betrachtet die Sharia als vollkommene Ordnung göttlicher Autorität. Die Scharia birgt den im Westen kritisierten Generalanspruch, alle Lebensbereiche des Menschen gleichermaßen zu regeln. Sie gibt Anweisungen für das Verhalten in Familie und Gesellschaft (Ehe- wie Strafrecht) wie auch für die Gottesverehrung.Besonders im Zusammenhang mit dem islamischen Strafrecht tun sich im Vergleich zu westlichen Menschenrechtsvorstellungen und westlicher Gesetzgebung die größten Differenzen auf. Besonders die Geschlechterfrage und die in wenigen islamischen Staaten angewendeten drakonischen Strafen wie Auspeitschungen oder Steinigungen bei Ehebruch oder Verstümmelungen bei Diebstahl werden im Westen scharf kritisiert.

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Hier zwei Beispiele, wie mit unfairen Mitteln gearbeitet wird nur um unser Zentrum schlecht zu machen:

 

Erstes Beispiel: Heute kriegte ich eine E-Mail eines bekannten Journalisten, der alles was mit dem Thema Islam zu tun hat, niedermacht. Mit ihm hatte ich vor zwei Jahren eine sehr lange Debatte gehabt, da er gegen die Aufnahme von Doktorandinnen im Graduiertenkolleg „Islamische Theologie“ war, die Kopftuch tragen. Die besagte E-Mail, die eine geplante Intrige verrät, war zu seinem Unglück und zum Unglück des eigentlichen Empfängers nur fälschlicherweise bei mir gelandet. Der Empfänger ist auch eine bekannte muslimische Person, die jede Gelegenheit genutzt hat, auch durch Unwahrheiten, gegen unser Zentrum vorzugehen, und sich nun entlarvt hat.

 

Zweites Beispiel: Eine angebliche Studentin der islamischen Theologie von uns soll sich in einem Kommentar, der fleißig weiter gepostet wird, über unsere Lehre am Zentrum beschwert haben. Sie ist angeblich enttäuscht, denn sie hatte gehofft, später auch an den Schulen den Islam weiterzugeben, und nun soll sie festgestellt haben, dass das, was sie bei Prof. Thomas Bauer in seinen Vorlesungen (so im Plural) lernt, ihr „mehr über die Islamwissenschaftstradition und das intellektuelle Erbe des Islam“ beibringt. Nun ja: Wenn man später an den Schulen unterrichten will, studiert man ja auf Lehramt und da kann man als Lehramtsstudentin daneben keine Islamwissenschaft bei Herrn Bauer studieren, da sein Studiengang kein Lehramtsstudiengang ist. Wie kann sie also sowohl bei uns, als auch bei Herrn Bauer studieren? Außerdem bietet Herr Bauer eine einzige Vorlesung an zu einem arabischen Dichter (!).

 

Egal wie manche versuchen zu manipulieren, die Menschen sind nicht so leicht manipulierbar und schon gar nicht unsere Studierenden. Wichtig ist, dass alle die Augen offen halten und nicht alles einfach so hinnehmen, was manche versuchen, zu verbreiten. Etwas mehr Aufrichtigkeit wäre angebracht.

 

 

Khorchide, FB, 08.11.2013

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[h=1]Rektorin der Uni Münster weist Vorwürfe von Muslimen zurück[/h]Von (dpa)

http://waz.m.derwesten.de/;m=is;f=webp;h=118;k=hsSelUWiqDYZpHUv_-VWdQ;n;q=60;w=323/it%3aasp12-engine4/R_59SyONb97wPYELawKSnQ.jpg.webp

Münster Als "schlicht falsch" hat die Rektorin der Universität Münster Vorwürfe des Zentralrats der Muslime in Deutschland zurückgewiesen. Der Vorsitzende des Rats, Aiman Mazyek, hatte der Uni in verschiedenen Zeitungsinterviews Verfassungsbruch vorgeworfen. Die Uni würde Lehrinhalt und Lehrpersonal am Zentrum für Islamische Theologie (ZIT) nicht mit den Religionsgemeinschaften gemeinsam festlegen.

Rektorin Ursula Nelles widersprach in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. Zwar sei ein geplanter Beirat für das Zentrum nicht arbeitsfähig, hier seien aber die Verbände gefragt, den letzten noch offenen Sitz zu besetzen.

 

 

Ende November besucht Bundespräsident Joachim Gauck das ZIT und würdigt damit die Arbeit des Leiters Mouhanad Khorchide. Das ZIT bildet neben der Islam-Forschung auch angehende Lehrer für einen bekenntnisorientierten Religionsunterricht an den Schulen in Nordrhein-Westfalen aus.

Der Westen, 11.11.2013

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Frau Rektorin Nelles, der Bundespräsident besucht Ende November das Zentrum für Islamische Theologie (ZIT)...

Bundespräsident Joachim Gauck besucht vorrangig die Westfälische Wilhelms-Universität Münster. Er hat aber sein besonderes Interesse für das ZIT bekundet, weil er dem interreligiösen Dialog einen großen Stellenwert einräumt.

Die muslimischen Verbände attackieren öffentlich ZIT-Leiter Mouhanad Khorchide. Ist das ein guter Zeitpunkt für den Besuch?

Der Bundespräsident ist jederzeit willkommen. Möglicherweise kommt die Kritik der Verbände auch gerade jetzt im Vorfeld der Visite des Staatsoberhauptes auf, um besondere öffentliche Aufmerksamkeit zu bekommen.

Der Koordinationsrat der Muslime mit seinen vier Verbänden klagt darüber, bei Lehrinhalt und Lehrpersonal nicht mitreden zu dürfen.

Grundsätzlich gilt für die islamische Theologie das Gleiche wie für die christliche: Kirchen beziehungsweise Religionsgemeinschaften einerseits und der Staat andererseits sind in unserem freiheitlichen Gemeinwesen getrennt. Die Universität als Teil der staatlichen Behörden garantiert die Forschungs- und Lehrfreiheit.

Bei den bekenntnisorientierten Studiengängen sind wir aber verpflichtet, die Glaubensfreiheit der Religionsgemeinschaften zu respektieren und deren Mitwirkungsrechte sicherzustellen. Die entsprechenden Konkordate und Staatskirchenverträge haben wir konsequent analog auf die islamische Theologie übertragen. Wir berufen die Professoren nach wissenschaftlichen Kriterien, ernennen sie aber erst, wenn die Religionsgemeinschaften ihre Zustimmung gegeben haben.

Mit den Kirchen haben sie ein direktes Gegenüber. Die staatlich nicht als Religionsgemeinschaften anerkannten muslimischen Verbände sollen ihre Vertreter in einen Beirat des ZIT entsenden und darüber mitreden. Das Gremium hat sich aber noch gar nicht konstituiert. Klagen die muslimischen Verbände nicht zu Recht darüber, dass ohne sie Fakten geschaffen werden?

Nein, denn wir haben bislang keinerlei mitwirkungsbedürftige Entscheidungen wie beispielsweise die Ernennung eines Professors oder die Verabschiedung von Lehrinhalten gefällt. Nach der Beiratsordnung beruft die Universität acht Mitglieder: Vier Personen ernennt die Universität im Einvernehmen mit dem KRM, und weitere vier schlägt der Koordinationsrat selbst vor. Gegen einen von diesen mit Nähe zum Islamrat gab es Vorbehalte des Bundes wegen der Verfassungstreue.

Deshalb konnte ich ihn nicht für den Beirat berufen – andernfalls würde die Universität riskieren, dass der seine Zuschüsse für das Zentrum wieder streicht.

Zeigt der Vorgang, dass das Beiratsmodell nicht funktioniert?

Die Beiratslösung ist sicher nicht optimal und eine Art Hybrid-Lösung. Bei den christlichen Fakultäten haben wir ein klares Gegenüber: die Universität auf der einen Seite und die davon organisationsrechtlich getrennten Kirchen andererseits. Beim Beirat macht man die Bekenntnisgemeinschaft zu einem Teil der Binnenstruktur der Universität. Das löst Probleme aus. Es wäre besser und ehrlicher, wenn man eine legitime Vertretung der islamischen Religionsgemeinschaften neben der Universität hätte - mit all den Mitspracherechten, wie sie die Kirchen auch haben.

Auch Khorchide lehnt die Beiratslösung ab…

Das stimmt nicht. Er hat dieselben Vorbehalte wie ich. Aber im Moment gibt es keine andere Lösung zu dem vom Wissenschaftsrat vorgeschlagenen Modell.

Der Lehrbetrieb läuft seit einem Jahr. Wie stellen Sie die in der Verfassung abgesicherte Religionsfreiheit denn sicher?

Wir haben, wie gesagt, seitdem keine einzige endgültig bindende Entscheidung getroffen. Die beiden Lehrstuhlvertreter, die neben Herrn Khorchide im Zentrum lehren und forschen, haben nur Verträge, die auf ein Semester befristet sind. Zudem haben wir keine Lehrpläne abschließend beschlossen, sondern nur semesterweise das Curriculum fortgeschrieben. Dabei haben wir eine vorläufige Genehmigung des nordrhein-westfälischen Schulministeriums eingeholt, das sich nach der Einführung des islamischen Religionsunterrichtes in NRW auf einen eigenen Beirat stützen kann.

Die Verbände haben ein Gutachten über die Arbeit Khorchides angekündigt. Was ist, wenn sie ihm das Vertrauen entziehen?

Die Verbände haben selbst der Berufung von Khorchide zugestimmt. Wenn sie nun inhaltliche Einwände haben, mischt sich die Universitätsleitung grundsätzlich nicht ein - eben wegen der Trennung von bekenntnisorientierten Wissenschaftsinhalten einerseits und staatlicher Sicherstellung von Forschungsfreiheit andererseits. In der aktuellen Diskussion vermischen sich aber leider politische und theologische Fragen - ob beispielsweise alles verfassungsrechtlich korrekt organisiert ist und ob Khorchides Positionen allgemeine Meinung innerhalb der muslimischen Gemeinschaft sind.

Kann es sein, dass Khorchide wie sein Vorgänger Sven Kalisch den Lehrstuhl verliert?

Der Vergleich mit Herrn Kalisch ist unsinnig. Herr Kalisch hatte öffentlich erklärt, kein Muslim mehr zu sein. Vor diesem Hintergrund kann er natürlich nicht mehr islamische Theologie lehren, weshalb die Universitätsleitung ihn als Beamten mit einer anderen Aufgabe betraut hat - erneut in Analogie zu den Konkordaten und Staatskirchenverträgen. Solche Fälle gab es auch in der katholischen Kirche. Das zeigt, dass wir das Mitspracherecht der Glaubensgemeinschaften respektieren.

Eine Abberufung von Khorchide ist also auch möglich?

Ja. Wenn der Beirat sich konstituiert, kann er das machen.

Und Sie haben wieder ein Problem.

Das sind keine Probleme, das sind Herausforderungen – in diesem Fall übrigens eher hypothetischer Natur. Wann immer man etwas Neues anfängt, muss man damit rechnen, dass es am Anfang Verwerfungen gibt. Wir haben noch keine allzu lang zurückreichenden Erfahrungen mit der islamischen Theologie und sind in einer Art Experimentierphase. Wo, wenn nicht an Universitäten, sollte dieses Experiment Schritt für Schritt durchgeführt werden?

Drohen nicht Dauerauseinandersetzungen, wenn der Beirat seine Arbeit aufnimmt?

Ohne Auseinandersetzungen gäbe es keine Wissenschaft, keine Streitkultur und keine Debatten. Ich bitte geradezu um die Auseinandersetzung mit der islamischen Theologie. Diese müssen aber die Theologen und die Religionsgemeinschaften selbst führen und nicht die Universitätsleitung. Ich fürchte mich ja auch nicht vor der katholischen Kirche, nur weil sie schon mehrfach Professoren die Lehrbefugnis entzogen hat.

Wie entwickelt sich - unabhängig von den aktuellen Querelen - das islamische Zentrum?

Sehr gut. Das Interesse ist groß. Für das laufende Wintersemester hatten sich rund 1000 Bewerber auf 260 Plätze beworben. Durch die Einführung des bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterrichtes in NRW ist ein attraktives Berufsfeld entstanden. Auch in der öffentlichen Diskussion über die Inhalte des Studienganges sehe ich einen Erfolg. Sie zeigt, dass wir ihn brauchen.

 

 

Katholische Nachrichtenagentur, 10.11.2013

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