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Europa-Redaktion schließt Entlassungen bei „Hürriyet“

 

27.02.2013 · Die europäische Redaktion der „Hürriyet“ in Mörfelden-Walldorf wird zum 01. März geschlossen. Für die Mitarbeiter kommt dieser Schritt vollkommen überraschend. Für sie könnte die Suche nach einer neuer Stelle schwierig werden.

Von Hannah Lühmann

 

Die Europa-Redaktion der türkischen Tageszeitung „Hürriyet“ wird voraussichtlich zum 1.März geschlossen, verlautete aus Kreisen des Betriebsrats der Dogan Media Int. GmbH, zu der die Zeitung gehört. Die europäischen Ausgaben des sich als liberal-konservativ verstehenden Boulevardblattes entstehen in der Redaktion Mörfelden-Walldorf in der Nähe von Frankfurt.

Die Geschäftsführerin Sevda Boduroglu teilte den 56 Mitarbeitern die Schließung am vergangenen Freitag mit, der Schritt erfolgte für die Mitarbeiter vollkommen überraschend. Die Hälfte von ihnen soll entlassen werden, die Artikel für die in Europa erscheinende Ausgabe sollen fortan in der Istanbuler Hauptredaktion entstehen. Als Begründung wurden den Mitarbeitern der Anzeigenschwund sowie der Rückgang der verkauften Exemplare von etwa 36.000 im Jahre 2010 auf aktuell um die 15.000 angegeben.

Entlassungen besonders schmerzhaft

 

Der Betriebsratsvorsitzende Naki Colak sagte im Gespräch mit der F.A.Z., die Entlassungen in Deutschland seien besonders schmerzhaft. Die in Istanbul lebenden Redakteure seien nicht mit den Bedürfnissen der hier ansässigen türkischen Mitbürger vertraut. Die entlassenen Redakteure seien „am Boden“, weil sie sich in einem Ausmaß auf den deutsch-türkischen Journalismus spezialisiert hätten, dass es ihnen sehr schwer fallen werde, eine andere Stelle zu finden.

Die Herausgeber der Zeitung in Istanbul und die Geschäftsführung in Deutschland haben anscheinend jahrelang versucht, die Gründung eines Betriebsrates zu verhindern. Ob die Tatsache, dass sich nun im April 2012 trotz des „Gegenwinds“ ein Betriebsrat mit fünf Mitgliedern formiert hat, zur Entscheidung der Herausgeber geführt hat, lässt sich nicht endgültig klären.

Der Betriebsrat will in der kommenden Woche Gespräche mit der Geschäftsführung beginnen, um die Folgen der Redaktionsschließung für die entlassenen und die wenigen bleibenden Mitarbeiter „abzumildern“. Die Leser werden das kaum zu spüren bekommen, die gedruckte Zeitung erscheint weiter in 24 europäischen Ländern. Die Schlussredaktion liegt ohnehin in Istanbul.

 

 

FAZ, 27.02.2013

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"Hürriyet" macht Europa-Redaktion in Mörfelden-Walldorf dicht

 

Ausgabe soll in Istanbul produziert werden - Mitarbeiter bangen um ihre Zukunft

 

 

Mörfelden-Walldorf (dapd). Die türkischen Zeitung "Hürriyet" schließt am Freitag (1. März) ihre Europa-Redaktion in Mörfelden-Walldorf. "Die Geschäftsführung hat uns vergangenen Freitag über den Schritt informiert", sagte der Betriebsratsvorsitzende, Naki Colak, der Nachrichtenagentur dapd. Er bestätigte damit einen Bericht der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (F.A.Z.) vom Donnerstag, wonach die Europa-Ausgabe fortan in Istanbul produziert werden soll.

Betroffen von der Schließung des deutschen Standorts sind dem Betriebsratsvorsitzenden zufolge 13 Redakteure sowie einige Beschäftigte aus anderen Abteilungen. Kündigungen seien seitens der Geschäftsführung der Dogan Media Int. GmbH, zu der "Hürriyet" gehört, noch nicht ausgesprochen worden. "Das wäre auch rechtswidrig", sagte Colak. Ob die Mitarbeiter ab Freitag freigestellt würden, sei noch unklar.

"Das ist für uns eine überraschende Wende", betonte Colak. Viele der Kollegen bangten um ihre Zukunft. "Stellen in der Branche sind rar und die meisten der Redakteure haben sich auf einen deutsch-türkischen Journalismus spezialisiert", sagte er. Für die Kollegen werde es schwer, wieder in dem Metier unterzukommen.

"Völlig unverständlich" sei zudem, wie in der Istanbuler Hauptredaktion eine Zeitung gemacht werden soll, die sich an den Bedürfnissen der in Deutschland lebenden, türkischstämmigen Leserschaft orientiert, sagte der Betriebsratsvorsitzende. Artikel aus Deutschland sollten künftig von freien Journalisten eingekauft werden. Außerdem blieben in Städten wie Berlin, Köln, München und Hamburg die jeweiligen Korrespondentenbüros erhalten. Das sei jedoch ein unausgereiftes Konzept: "In der Vergangenheit gab es in der Istanbuler Redaktion immer wieder Fehlinterpretationen zu hiesigen Ereignissen", merkte Colak an.

Geschäftsführung verspricht sich weniger Kosten

Laut F.A.Z. begründete die Geschäftsführung die geplante Standortschließung in Mörfelden mit dem Anzeigenschwund sowie dem Rückgang der verkauften Exemplare von etwa 36.000 im Jahr 2010 auf aktuell rund 15.000. "Mehr Agilität, mehr Wirkung, aber auch weniger Kosten sind die Gründe dafür", teilte die Dogan-Mediengruppe auf Anfrage schriftlich mit, warum Mörfelden dicht gemacht wird. Einige Redakteure mutmaßen jedoch, dass der eigentliche Grund ein anderer ist: Über den erst im April 2012 gegründete Betriebsrat sei die Geschäftsführung nicht erfreut gewesen. "Die Vermutung steht zumindest im Raum, dass deswegen die Europa-Redaktion geschlossen wird", fügte Colak an.

Die Gewerkschaft ver.di hat den Beschluss der Dogan-Mediengruppe scharf kritisiert. "Es gibt ein großes Bedürfnis gerade jüngerer Leser mit türkischem Hintergrund an einer Berichterstattung aus deutsch-türkischer Sicht. Das kann nur eine Redaktion in Deutschland leisten und das hat die Redaktion in Walldorf geleistet", sagte Medien-Fachbereichsleiter Manfred Moos. Es stehe zu befürchten, dass die Europa-Ausgabe der "Hürriyet" ihren Charakter verliere.

Sollten sich zudem die Vorwürfe als richtig erweisen, dass die Gründung eines Betriebsrats Auslöser für die Schließung der Redaktion ist, wäre das ein Fall für den Staatsanwalt, betonte Moos. Die Behinderung von Betriebsratsarbeit sei ein Straftatbestand.

dapd

 

Welt, 28.02.2013

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Türkische Zeitungen in Deutschland Keine Stimme mehr

 

02.03.2013 · Anfang März hat die „Hürriyet“ ihre Zentralredaktion für Deutschland in Frankfurt aufgelöst. Denn türkische Zeitungen leiden hierzulande unter Auflagenschwund und haben die jungen Leser verloren.

Von Rainer Hermann

 

Die Nachricht ist mehr als eine Meldung aus der Medienwelt. Zum 1. März löst die türkische Zeitung Hürriyet ihre Zentralredaktion für Deutschland in Frankfurt auf. Ein Rückzug aus Deutschland und anderen Ländern Europas wird dieser Schritt nicht sein. Von diesem Freitag an werden Redakteure in Istanbul die Europa-Ausgabe erarbeiten.

Sie sind dann allein für die Berichte über die Türken in Deutschland verantwortlich, verstärkt will die Redaktion auf freie Mitarbeiter zurückgreifen. Gedruckt wird diese Europa-Ausgabe weiter in der modernen Druckerei von Hürriyet in Mörfelden-Walldorf nahe Frankfurt. Die 14 Mitarbeiter der Redaktion werden entlassen, über die Zukunft der anderen 42 aus dem Anzeigengeschäft und dem Vertrieb wird noch verhandelt. Die 56 haben diese Entscheidung der türkischen Dogan-Gruppe eine Woche vor der Schließung der Büros erfahren.

Die Gesellschafter der Dogan Media International GmbH begründen die Entscheidung mit der Krise, die alle Printmedien erfasst hat. Auflage und Anzeigenerlöse gehen zurück, die Kosten für Papier und Vertrieb aber steigen. Die Konkurrenz durch das Internet setzt auch Hürriyet zu. „Wir müssen sparen und die Kosten senken“, heißt die Vorgabe von Sevda Boduroglu, der Geschäftsführerin der Dogan Media International GmbH.

Alle Zeitungen leiden an Auflagenschwund

 

Alle in Deutschland vertriebenen türkischen Zeitungen leiden unter Auflagenschwund, am stärksten traf es Hürriyet. In den neunziger Jahren hatte sie in Deutschland jeden Tag 10.3000 Exemplare verkauft, heute in ganz Europa noch 30.000, davon in Deutschland 20000. Als die Zeitung Sabah vor einem Jahrzehnt nach Deutschland kam, erreichte ihre Auflage 35.000 Exemplare.

Bis heute ist sie trotz einer Redaktion nahe Frankfurt auf weniger als ein Zehntel davon gesunken. Lediglich Zaman, die sich als einzige türkische Abonnementzeitung auf eine höhere Leserbindung verlassen kann und zudem eine Zeitung der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen ist, erfreut sich mit 28.500 einer stabilen Auflage. Mehr als alle anderen türkischen Medien in Deutschland entspricht sie in Sprache, Formaten und Layout einer Qualitätszeitung.

In den vergangenen Jahren hat die Dogan-Gruppe bereits die Redaktionen für zwei Zeitungen in Deutschland geschlossen, für Milliyet und die Sportzeitung Fanatik. Als Frage der Zeit gilt, wann Sabah folgt. Es ist kein Geheimnis, dass die Zeitung, die der türkischen Regierungspartei nahesteht, nur mit Unterstützung aus der Türkei betrieben werden kann.

Lebensmittelpunkt liegt in Deutschland

 

Die türkischen Zeitungen können sich der weltweiten Zeitungskrise nicht entziehen. „Stärker als andere sind türkische Zeitungen in Deutschland aber wegen der Sprachbarriere bei türkischen Jugendlichen betroffen und weil sich diese mehr für Deutschland interessieren als für die Türkei“, sagt Boduroglu. Allgemeinplatz ist, dass sich junge Türken in Deutschland von der ersten Generation unterscheiden. Eine weitere Lesergruppe ist weggebrochen, seit in Deutschland keine Bräute mehr aus Anatolien verheiratet werden, die nicht Deutsch können.

Die erste Generation hatte sich noch für innertürkische Politik und für Nachrichten aus Anatolien interessiert, und die fanden sie in Zeitungen wie Hürriyet. Sie suchten zudem praktische Hinweise, was sie bei Versicherungen zu beachten haben und bei den Renten. „Die junge Generation, die jünger als 20 Jahre ist, hat andere Verhaltensmuster entwickelt“, beobachtet Boduroglu. Ihr Lebensmittelpunkt liegt in Deutschland, und über die Türkei wissen sie weniger als ihre Eltern und Großeltern.

Daher wollen sie Nachrichten aus und über Deutschland. Aus der Türkei interessieren sie nur noch bunte Geschichten über Schöne und Reiche und Fußball. Ebenso wichtig sind ihnen aber Veronica Ferres und Bayern München. Nicht über Rente wollen sie sich informieren, sondern wie sie hier vorwärtskommen, wie sie Arbeit finden, wie sie studieren können. Die türkischen Zeitungen erreichen diese Jugendlichen immer weniger; in deutschen Medien finden sie jedoch ebenfalls nicht, was sie suchen.

Nicht in Qualität investiert

 

Zu spät haben türkische Zeitungen wie Hürriyet erkannt, dass sie mit ihren über Jahrzehnten unveränderten Angeboten keine Antworten mehr geben auf die Fragen Jüngerer. Erst 2012 hat Hürriyet eine tägliche Seite für Jüngere eingeführt. Zu spät hat die Zeitung mit elektronischen Angeboten begonnen.

Bestraft werden die Zeitungen auch dafür, dass sie nicht in Qualität investiert haben, etwa in die Journalistenausbildung. Zu spät erkannten sie, dass sie sich lange von der deutschen Gesellschaft abgeschottet haben, türkische Jugendlichen in diese Gesellschaft aber hineinwachsen. Dazu gehört, dass die Zeitungen verlässlich Bulletins staatlicher türkischer Institutionen abdruckten - meist ohne kritische Kommentierung - und dass sie sich auf türkische und sunnitische Themen konzentrierten, als gäbe es weder Kurden noch Aleviten.

Einige Zeitungen schickten zudem Journalisten nach Deutschland, die nicht Deutsch konnten (und es oft auch nicht lernten); alle greifen auf einfache Arbeiter als freie Mitarbeiter zurück. „Nicht allein zu Themen aus der Türkei haben viele Jugendliche unter 20 Jahren kaum mehr einen Zugang, auch nicht zum Türkischen“, sagt Mustafa Altas von der World Media Gruppe in Offenbach, die die Zeitung Zaman herausgibt. Die junge Generation lebt in Parallelwelten, bei den Themen und noch mehr sprachlich. „Sie verstehen die politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge nicht und sehen daher deutsche Fernsehsender“, sagt Altas.

 

 

Ihr Türkisch genüge aber, um Berichte über den türkischen Fußball zu lesen und populäre türkische Soap Operas zu sehen. Hürriyet war 1965 mit den ersten Gastarbeitern nach Deutschland gekommen und mit der Mission, die Stimme dieser Türken zu sein. Hürriyet war für diese Türken die Plattform, sie vermittelte jedem Türken Identität. Die Türken kauften sie am Bahnhof, den Deutschen wurde Hürriyet ein Begriff.

Dieser Identitätsstiftung bedarf es offenbar nicht länger. Noch schwerer als Hürriyet tun sich die profillosen Zeitungen, die nie eine Mission hatten. Für die türkischen Medien beginnt trotz des Markts von 3 Millionen Bürgern aus der Türkei eine neue, schwere Phase. Als letzte Verteidigung hat Hürriyet ein Projekt entwickelt, Seiten auf Deutsch zu publizieren. Aber auch das hat einen Haken: Diese Ausgaben könnten in anderen europäischen Ländern nicht gelesen werden.

 

 

FAZ, 02.03.2013

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