yilmaz Geschrieben 20. März 2013 Teilen Geschrieben 20. März 2013 Der Beginn des Irak-Krieges, der internationalen Allianz gegen den Machthaber Saddam Hussein, jährt sich am Mittwoch zum zehnten Mal. Zentral in der Diskussion, ob Krieg oder nicht, waren damals die Vorwürfe, Hussein habe Massenvernichtungswaffen. Sogar der UNO wurden von dem damaligen Außenminister, dem hochrangingen General Colin Powell, „Beweise“ vorgelegt. Anhand von Dias, Satellitenaufnahmen, Tonbandmitschnitten und Zeichnungen versuchte er nachzuweisen, dass Bagdad weiter nach Massenvernichtungswaffen strebe, Verbindungen zu Terrororganisationen unterhalte und die UNO-Waffenkontrolleure systematisch hinters Licht führe. All das stellte sich als falsch heraus. Powell bedauerte 2005 in einem Interview sein Vorgehen und sprach von einem „Schandfleck“ in seiner Karriere Bush wollte "die Welt beschützen" Der damalige US-Präsident George W. Bush begründete den Krieg gegen den Irak ebenso wie der als „Falke“ bekannte Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und Vizepräsident Dick Cheney vor allem mit der angeblichen Bedrohung durch die Massenvernichtungswaffen des Landes und der Beziehung von Machthaber Saddam Hussein zum Terrornetz Al-Kaida. Bei der „Entwaffnung des Iraks“ gehe es darum, „die Welt vor einer ernsten Gefahr zu schützen“, sagte Bush am 20. März 2003 in einer Rede zum Kriegsbeginn. Falschinformationen passten in Wunschbild Doch wie kam es zu dem Glauben an das „Schreckgespenst“ Massenvernichtungswaffen im Irak, das politisch verwendet wurde? Selektive Wahrnehmung bzw. das Negieren einzelner Geheimdienstquellen hatten ihren großen Anteil daran. So warnten laut der BBC, bereits bevor die Kämpfe begannen, hochrangige Geheimdienstquellen aus dem Umfeld Husseins, dass es gar keine derartigen chemischen oder biologischen Waffen gab. Laut einem Geheimdienstbericht waren die Informationen über die ABC-Waffen (Atom-, Bio- und Chemiewaffen) „lückenhaft“ und „begrenzt“. Deckname „Curveball“ Die Informationen stützten sich vor allem auf zwei Quellen, die sich später als nicht glaubwürdig herausstellten. Vieles an den zur Argumentation verwendeten Schlüsselinformationen war konstruiert, Wunschdenken und Lügen herrschten vor, so die BBC weiter. Andere Informationen, die weniger alarmierend waren, wurden einfach ausgeblendet und fanden keinen Eingang in die Einschätzung der Lage im Irak. Die wichtigsten Falschinformationen kamen von einem irakischen Überläufer namens Rafid Ahmed Alwan al-Janabi. Er gilt nun laut BBC als „der berüchtigste Spion, der die Welt narrte“. Seine Erfindungen und Halbwahrheiten waren entscheidend für den Entschluss zu dem bis heute umstrittenen Einmarsch im Irak. Sie trugen maßgeblich zu einem der größten Versagen der jüngsten Geheimdienstgeschichte bei, wie die BBC weiter schreibt. Janabi wurde von den US-Geheimdiensten unter dem Decknamen „Curveball“ geführt. Deutschland äußerte Zweifel Janabi suchte zuerst in Deutschland 1999 um Asyl an. Durch die Angabe seines Berufes, Chemiker, machte er zuerst den deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) auf sich aufmerksam. Er erzählte von Biowaffenlaboratorien in Lkws, die er gesehen habe. Der deutsche Geheimdienst hatte so seine Zweifel, gab aber doch unter den geäußerten Bedenken die Informationen an die CIA und das britische Pendant MI6 weiter. Auch der MI6 hatte so seine Zweifel und benachrichtigte die CIA. „Leute wie Janabi erscheinen uns als Personen, die wir normalerweise als typische Geschichtenerfinder abtun würden, aber wir sind geneigt einen beträchtlichen Teil seiner Aussagen als wahr anzuerkennen“, so die damals geheime Mitteilung. CIA und MI6 setzten daher auf die Äußerungen von „Curveball“ Neue Heimstatt als Beweggrund Auch ein weiterer Spion trug dazu bei, die Welt hinters Licht zu führen. Es war der irakische ehemalige Geheimdienstoffizier, Maj Muhammed Harith, der erzählte, er habe die Idee zu den mobilen Kampfstofflabors gehabt. Er habe auch sieben Renault-Trucks geordert, auf denen sie aufgebaut seien. Er flüchtete aus dem Irak nach Jordanien und nahm dort Kontakt zu den Amerikanern auf. Harith erfand die Geschichte offensichtlich, weil er in den USA eine neue Heimstatt wollte. Seine Informationen wurden bereits zehn Monate vor Beginn des Irak-Krieges als falsch entlarvt, wurden allerdings als Argument für den internationalen Einsatz verwendet. Der Minister und der handgenähte Anzug Doch nicht alle Informationen stellten sich als falsch heraus. Die Angaben von zwei hochrangigen Informanten aus dem Umfeld Husseins erwiesen sich als richtig. Beide gaben an, dass der Irak kein aktives Massenvernichtungsprogramm habe. Eine Quelle war der irakische Außenminister Naji Sabri. Der ehemalige CIA-Mitarbeiter Bill Murray war damals Chef des Büros in Paris. Er hatte mit Sabri über einen Mittelsmann, einem arabischen Journalisten, zu tun, der 200.000 Dollar als Anzahlung für seine nicht ungefährlichen Dienste erhielt. Laut seiner Einschätzung war Sabri ein Informant, „mit dem wir wirklich reden sollten“. Er gab dem arabischen Journalisten eine Liste mit Fragen - zuoberst nach Massenvernichtungswaffen. Der Mittelsmann traf Sabri ein halbes Jahr vor Kriegsbeginn in New York. Er kaufte dem Minister einen handgemachten Anzug, den Sabri dann bei seinem Auftritt vor der UNO trug - als Zeichen, dass er zur Kooperation bereit war. CIA sah, was sie wollte Laut Sabri hatte Saddam Hussein einige chemische Waffen, „die noch aus den frühen 90ern übrig geblieben waren. Er hat sie an verschiedene ihm treue ‚Stämme‘ verteilt. Saddam Hussein hätte gerne mehr Massenvernichtungswaffen gehabt, aber zu diesem Zeitpunkt hatte er so gut wie keine“, so das Statement. Die CIA beharrte allerdings darauf, da auch Sabri die ABC-Waffen erwähnt hatte, dass der „Irak gegenwärtig chemische Waffen produziert und lagert“ und sie „für alle Notfälle mobile Abschussrampen mit Raketen mit chemischen Gefechtsköpfen bestückt“ hat. Irakischer Geheimdienstchef sagte die Wahrheit Die zweite hochrangige Quelle war der Chef des irakischen Geheimdienstes Tahil Jalil Habbush Al-Tikriti - er fand sein Porträt auch auf den berüchtigten Spielkarten für US-Soldaten, auf der die meist gesuchtesten Mitglieder von Husseins Entourage abgebildet waren. Ein hochrangiger MI6-Mitarbeiter traf ihn in Jordanien im Jänner 2003, zwei Monate vor dem Krieg. Man dachte, er wollte Verhandlungen, um die Invasion noch zu stoppen. Auch er erklärte, dass Hussein kein aktives Programm für Massenvernichtungswaffen habe. Doch die beiden Informanten wurden so gut wie negiert. Man unterstellte ihnen deshalb auch und vor allem eigennützige Motive - eben von einer Invasion des Irak abhalten zu wollen. Finanzielle und menschliche Kosten: Im Zuge des Irak-Krieges sind einer Studie zufolge mindestens 120.000 Menschen getötet worden. Zwischen dem Beginn des Krieges 2003 und dem Rückzug der USA aus dem Irak 2011 habe es mindestens 116.000 zivile Todesopfer gegeben, schrieben zwei US-Wissenschaftler in einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht der Wissenschaftszeitschrift „The Lancet“. Zudem seien mehr als 4.800 ausländische Soldaten in dem Konflikt getötet worden. „Viele irakische Zivilisten wurden verletzt oder erkrankten, weil die Gesundheitsinfrastruktur des Landes geschädigt wurde. Rund fünf Millionen Menschen wurden vertrieben“, schrieben die Autoren Barry Lavy von der Tufts-Universität in Boston und Victor Sidel vom Albert-Einstein-College für Medizin in New York. Traumatisierung und psychologische Belastung Mehr als 31.000 Angehörige der US-Streitkräfte seien verletzt worden, und sehr viele im Irak eingesetzte Militärangehörige hätten später unter der psychologischen Belastung durch den Krieg gelitten. Die Kosten des Krieges schätzten die Wissenschaftler unter Berufung auf andere Studien, Regierungsberichte, internationale Organisationen und Medien auf bisher 810 Milliarden Dollar (625 Mrd. Euro). Sie könnten demnach allerdings noch auf drei Billionen Dollar (2,3 Billionen Euro) steigen. Weitere Studie kommt auf höhere Zahlen Laut einer anderen Studie, dem „Costs of War Project“, die ebenfalls zum zehnten Jahrestag des Kriegsbeginns veröffentlicht wurde, kostete der Konflikt 190.000 Menschen das Leben - und den USA kam er mit 2,2 Billionen Dollar (1,7 Billionen Euro) weitaus teurer zu stehen als anfangs gedacht. Mehr als 70 Prozent der durch direkte Kriegsgewalt getöteten Menschen seien Zivilisten, heißt es in dem Report der Brown-Universität (US-Bundesstaat Rhode Island). Die USA verloren 4.488 Soldaten, heißt es weiter in der Studie. Die damalige US-Regierung unter dem republikanischen Präsidenten George W. Bush war zu Kriegsbeginn von Gesamtkosten in Höhe von 50 bis 60 Milliarden Dollar ausgegangen. Der Studie zufolge zahlte die US-Regierung allein 60 Milliarden Dollar für den Wiederaufbau im Irak. Aber nur wenig sei dabei in die Infrastruktur geflossen. Der größte Teil des Geldes sei für die irakischen Sicherheitskräfte ausgegeben worden. Auftrieb für Islamisten Bei der Höhe der Gesamtkosten wurden nach Angaben der Universität die Aufwendungen für die - teils noch andauernden - Behandlungen verletzter US-Soldaten berücksichtigt. Die Experten kommen zu dem Schluss, dass der Krieg den USA wenig gebracht habe, während der Irak ein Trauma durchlitt. Er habe radikalen Islamisten Auftrieb gegeben, den Frauenrechten geschadet und das ohnehin angeschlagene Gesundheitssystem geschwächt. An der Studie waren 30 Wissenschaftler und andere Experten von 15 Universitäten, der UNO und weiterer Organisationen beteiligt. orf.at Links: The Lancet (Schwerpunkt Irak, engl.) Costs of War Project (Schwerpunkt Irak, engl.) Zitieren Link zu diesem Kommentar Auf anderen Seiten teilen Mehr Optionen zum Teilen...
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