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[h=1]Wahlkampf[/h][h=1]Die CDU flirtet mit den Neudeutschen[/h]Das Wählerpotenzial ist enorm: Die CDU wirbt um Deutsche mit ausländischen Wurzeln, holt sie in Vorstand und Bundestag. Aktionismus oder echte Wende? Von Nicole Sagener

© Caroline Seidel/dpa

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Cemile Giousouf, Hoffnungsträgerin der CDU

Cemile Giousouf könnte der Durchbruch für die CDU sein. Die 34-Jährige wird im Wahlkreis Hagen als Bundestagskandidatin antreten. Sollte sie gewinnen, wäre sie dort die erste türkischstämmige Abgeordnete der CDU.

Die Partei von Bundeskanzlerin Merkel hat sich auf den Weg zu den Migranten gemacht. Deutschland solle ein "Integrationsland" werden, sagte jüngst die Kanzlerin. Und im Vorstand der CDU selbst sitzen seit dem Parteitag im vergangenen Dezember vier Politiker mit Migrationshintergrund. Auch im öffentlichen Dienst setzt sich die unionsgeführte Bundesregierung für mehr Menschen mit ausländischen Wurzeln ein.

Es scheint, als habe die Partei das riesige Wählerpotenzial der Migranten in Deutschland erkannt. Einerseits. Anderseits ist sie gegen die Einführung der doppelten Staatsbürgerschaft sowie gegen ein kommunales Wahlrecht für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten. Zwei für Migranten und ihre Kinder sehr wichtige Anliegen. Der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder etwa hatte erst vor einem Jahr im Vorfeld der Islamkonferenz seinen Standpunkt bekräftigt, der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Ist das Werben um die Migranten also vor allem Kalkül, oder ein tatsächliches Umdenken?

5,6 Millionen Wähler mit Migrationsgeschichte

Menschen mit Migrationshintergrund sind laut amtlicher Statistik alle seit 1949 Eingewanderten und deren Nachkommen. Dass diese Gruppe – inzwischen 16 Millionen Menschen – nicht nur die Zukunft des Landes mitbestimmen wird, sondern auch die der CDU selbst, hat die Union ganz offensichtlich erkannt: Knapp zehn Prozent der Wahlberechtigten, 5,6 Millionen, haben Migrationsgeschichte.

Besonders die Kinder und Enkel von Migranten sind heute eine ernstzunehmende Wählerklientel. Sie vertrauen sogar häufiger als Personen ohne Migrationshintergrund auf ihre Fähigkeiten zur politischen Meinungsbildung. Zudem engagieren sich 32 Prozent der Deutschen mit Migrationshintergrund in politischen Initiativen.

Bislang wählen viele aus dieser Gruppe, sofern sie keine Spätaussiedler sind, eher die Parteien links der Mitte. Vor der Bundestagswahl 2009 gaben laut dem Islamarchiv in Soest 35 Prozent der wahlberechtigten muslimischen Bevölkerung an, die SPD wählen zu wollen, 17,7 Prozent zogen die Grünen vor. Die CDU lag hingegen bei knapp vier Prozent.

"Viele türkischstämmige sind konservativ"

Diese Schwäche hängt mit einem anderen Problem der Partei zusammen: Ihrem Absturz in den Großstädten. In den Städten mit 500.000 oder mehr Einwohnern liegt der Anteil von Familien mit Migrationshintergrund bei 43 Prozent. Genau dort haben die Konservativen in den letzten Jahren ihre größten Probleme. Die jüngsten Wahlverluste der CDU – sie konnte seit 2009 keine der 27 Bürgermeisterwahlen in den Großstädten mehr für sich entscheiden – dürften auch darin begründet sein, dass sich die Migranten nicht von der Partei angesprochen fühlen.

Dabei stimmen die Voraussetzungen eigentlich. "Viele türkischstämmige Deutsche sind konservativ und stimmen mit dem Weltbild der Christdemokraten in vielem überein", sagt Bülent Arslan, der Vorsitzende des Deutsch-Türkischen Forums in der Partei, das es seit 2009 gibt.

Doch Arslan ist gleichzeitig auch das beste Beispiel für die Probleme. 2002 hatte er versucht, für die Bundestagswahl einen Wahlkreis in Hagen zu gewinnen. Dann entschied sich der Kreisverband aber doch noch gegen ihn als Kandidaten. Zu groß war die Skepsis, ob ein türkischstämmiger Muslim die CDU vertreten könne. " Um die Sympathien der Menschen zu gewinnen, braucht die Partei mehr türkischstämmige Abgeordnete", ist Arslan überzeugt. In den Spitzengremien sieht es noch dünner aus.

Andere sind da viel weiter. Die Grünen haben schon 1994 mit Cem Özdemir den ersten türkischstämmigen Politiker in den Bundestag geschickt.

Nicht nur beim Spitzenpersonal, auch bei den Themen ist die Lücke noch groß. Es sind SPD, Linke, Grüne und FDP, die beispielsweise das kommunale Wahlrecht für Ausländer befürworten. Die CDU/CSU ist dagegen.

Auch Ertan Taskiran, Vorsitzender des Deutsch-Türkischen Forums der CDU in Berlin und seit 1994 Mitglied der Partei, sagt, das Vertrauensdefizit gegenüber den etablierten Parteien sei bei Migranten noch groß. "Viele sind frustriert, wenn Themen wie der EU-Beitritt der Türkei oder die doppelte Staatsbürgerschaft von vornherein strikt abgelehnt werden."

Einheitliche Stoßrichtung fehlt

Außerdem sei für viele der 4,3 Millionen Muslime in Deutschland die Religion ein wichtiges Thema, sagt Taskiran. Doch als unlängst der Zentralrat der Muslime forderte, zwei gesetzliche muslimische Feiertage in Deutschland einzuführen, lehnte die Union dies ab. Taskiran jedoch ist überzeugt: "Irgendwann werden die Feiertage eingeführt." Jetzt sei es aber noch zu früh.

Auch die Migranten in der Partei selbst sind sich nicht immer einig, wie das Thema religiöse Feiertage zeigt. Anders als Taskiran sagt Serap Güler, Abgeordnete im Landtag von Nordrhein-Westfalen und seit Kurzem im Partei-Vorstand: "Hier weitere Zeichen zu setzen ist nicht nötig, jüdische Feiertage sind schließlich auch nicht in der Diskussion." Dass der Partei bei solchen Fragen eine einheitliche Stoßrichtung fehlt, könnte ein Stolperstein im Kampf um Zuwanderer-Stimmen werden.

Dabei habe sich schon einiges verbessert, lobt Unionsmitglied Taskiran. Vor allem im Vergleich zur Unterschriftenkampagne des damaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), der 1999 gegen die doppelte Staatsbürgerschaft Stimmung gemacht hatte. "Projekte wie der Integrationsgipfel und die Islamkonferenz sind wichtige Signale und haben den Zuspruch zur CDU unter der türkischstämmigen Bevölkerung enorm gestärkt."

"Brauchen keine zusätzliche Zuwanderung"

Darauf will Kanzlerin Merkel nun aufbauen. Kürzlich diskutierte sie erstmals mit Internetnutzern in einem Google Hangout. Thema: Integration. Und vor Beginn des NSU-Prozesses mahnte sie an, Offenheit gegenüber Zuwanderern sei schon wegen des demografischen Wandels in Deutschland erforderlich: "Wir werden weniger, wir werden älter und die Bevölkerungsstruktur wird vielfältiger werden."

Manche Unions-Vertreter vermitteln jedoch noch immer ein anderes Bild. 2010 etwa hatte CSU-Chef Horst Seehofer gesagt, Zuwanderer aus Kulturkreisen wie der Türkei und arabischen Ländern seien schwerer integrierbar und folglich konstatiert, "dass wir keine zusätzliche Zuwanderung aus anderen Kulturkreisen brauchen". Der integrationspolitische Sprecher der CDU-Fraktion Bernhard Lasotta befand vergangenes Jahr, von Flüchtlingen sei "mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass sie Straftaten begehen".

Den Spagat zwischen den alten Werten der CDU und der Annäherung an die Wünsche der Deutschen mit ausländischen Wurzeln zu schaffen, ist für die Konservativen offenbar noch immer ein Problem. Das werden die neuen Vorzeige-Migranten im Bundestag und Vorstand allein kaum lösen können.

 

 

Zeit, 30.04.2013

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