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Michael Lüders über das Hetz-Buch von Hamed Abdel-Samad

 

Montag, 14.04.2014

[h=1]Wo Islam drauf steht, ist Terror drin - Analyse Michael Lüders über das Hetz-Buch von Hamed Abdel-Samad[/h]Hamed Abdel-Samads Buch über den islamischen Faschismus, das im Untertitel verspricht eine Analyse zu sein, ist leider genau das nicht. Der gebürtige Ägypter Abdel-Samad will keineswegs analysieren, vielmehr legt er eine Kampfschrift vor. Seine Botschaft lautet: Der Islam ist eine totalitäre Ideologie, die auf Gewalt basiert, nach Weltherrschaft strebt und in der Demokratie ihren Todfeind sieht. Islamischer Faschismus, wie er glaubt. Und selbstverständlich herrscht Alarmstufe rot: Die Uhr zeigt nicht fünf vor, sondern fünf nach zwölf.

 

Die These vom Islamo-Faschismus ist nicht neu. Nach dem 11. September 2001 wurde sie im Umfeld amerikanischer Neokonservativer schnell populär. Sie war griffig, eingängig und half, der westlichen Öffentlichkeit die Kriege in Afghanistan und im Irak als Kampf zwischen gut und böse zu verkaufen, zwischen Freiheit und Demokratie einerseits und islamischem Totalitarismus andererseits, in Gestalt etwa der Taliban oder von Al-Qaida. Der Begriff Islamo-Faschismus ist gewissermaßen die ultimative Fortführung einer anderen ideologischen Wortschöpfung, nämlich des Kampfes der Kulturen , in Umlauf gebracht in den 1990er Jahren von den US- Wissenschaftlern Samuel Huntington und Bernard Lewis. Wer vom Islamo-Faschismus oder dem Kampf der Kulturen schwadroniert, verlagert unterschiedliche geopolitische wie machtpolitische Interessen oder Gegebenheiten auf die Ebene eines kulturell-religiösen Überbaus. Wer etwa die Taliban als Islamo-Faschisten brandmarkt, hat elegant die Tatsache ausgeklammert, dass die Vorläufer der Taliban und Osama bin Laden jahrelang von den USA bewaffnet und finanziert worden sind bis sie ihre Waffen nicht mehr gegen die Sowjets, sondern gegen die Amerikaner richteten.

 

Diesen Weg der Geschichtsklitterung geht auch Hamed Abdel-Samad. Soziale oder gesellschaftliche Zusammenhänge interessieren ihn ebenso wenig wie 1400 Jahre islamische Geschichte, Theologie oder Geistesleben. Der Begriff Islam kann ja vieles bezeichnen oder beinhalten: Geschichte, Theologie, Recht, Moral, Dogmatik, Mystik, Kultur, bestimmte Lebensformen, ganze Herrschaftssysteme und so weiter. Aus der Sicht Abdel-Samads geht es aber auch viel einfacher: Islam gleich Faschismus. Einen moderaten Islam, der mit demokratischen Werten vereinbar wäre, gibt es seiner Meinung nach nicht. In den Worten Abdel-Samads:

Wie ich bereits erwähnt habe, scheint es auf den ersten Blick nicht ganz unproblematisch, Strukturen und Kernaussagen des vergleichsweise jungen Faschismus auf eine über 1400 Jahre alte Religion zu übertragen. Einfacher wird es, wenn man die Bewegungen des politischen Islam in den Mittelpunkt stellt, die fast zeitgleich mit dem europäischen Faschismus entstanden sind. Und ausgehend davon einen Blick in die Vergangenheit und die Gegenwart wirft.

Der politische Islam, der Abdel-Samad umtreibt, ist keine 100 Jahre alt. Er ist entstanden als Reaktion auf Fremdherrschaft, den Kolonialismus, und als Antwort auf die soziale Verelendung weiter Teile der Bevölkerung. Der politische Islam stellt keine einheitliche Bewegung dar, er hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt und deckt ein weites Spektrum ab, das heute vom türkischen Ministerpräsidenten Erdogan bis zu Al-Qaida reicht. Eine wie auch immer geartete Differenzierung vorzunehmen ist Abdel-Samads Sache gleichwohl nicht. Für ihn ist der politische Islam insgesamt schlicht und ergreifend Faschismus und der Islam anders als politisch nicht zu denken. Daraus folgt: Islam gleich politischer Islam gleich Faschismus. Das allein ist methodologischer Unsinn gepaart mit Demagogie. Und bei aller berechtigten Kritik an dem autoritären Gebaren Erdogans: der Mann ist weder ein Faschist noch ein Bruder im Geiste von Osama bin Laden.

Noch hanebüchener wird es, sobald der Autor diesen islamischen Faschismus rückwirkend auf die Geschichte des Islam insgesamt projiziert, ungeachtet seiner regionalen Unterschiede, der theologischen, kulturellen und sonstigen Ausprägungen. Der politische Islam, der gerade einmal 100 Jahre alt ist, soll Rückschlüsse erlauben auf 1400 Jahre Vergangenheit? Wäre es seriös, etwa den Werdegang der Germanen bis ins heutige Deutschland hinein zu beschreiben, indem die Jahre 1933 bis 1945 als alleiniger Maßstab der Beurteilung gelten? Einmal Nazi, immer Nazi, rückwirkend bis zur Varusschlacht? Das genau ist die Methode von Abdel-Samad, nicht mehr und nicht weniger. Schamgrenzen kennt er dabei nicht. Abraham war bekanntlich Stammvater von Judentum, Christentum und Islam. Die Bereitschaft Abrahams, seinen eigenen Sohn Gott zu opfern, ist für Abdel-Samad Ausdruck von Faschismus: Bedingungsloser Gehorsam und Opferbereitschaft bis zum Äußersten. Warum, gemäß dieser Logik, nicht auch Judentum und Christentum faschistische Religionen sind, lässt er offen. Stattdessen schafft der Autor innerhalb von nur sechs Sätzen den Sprung von Abraham hin zu Goebbels Durchhalte-Rede im Sportpalast: Wollt ihr den totalen Krieg? Bedarf es noch der Erwähnung, dass Abdel-Samad zwischen deutschem Nationalsozialismus und italienischem Faschismus keinen Unterschied macht und ihn Faschismustheorien nicht im Geringsten interessieren? Ebenso wenig wie islamische Geistes- oder Theologiegeschichte, deren kursive Darstellung er auf zwei mittelalterliche Erzreaktionäre beschränkt, Ibn Hanbal und Ibn Taymiyya? Welchen Wert würde man dem Werk eines Autors beimessen, der 2000 Jahre Kirchengeschichte unter Verweis auf zwei theologische Apologeten der Hexenverbrennung abzuhandeln versuchte?

 

Abdel-Samad geht es nicht um eine seriöse Analyse islamistischer Gewalt. Die Bezüge, die er zwischen islamistischen Bewegungen und dem Dritten Reich herzustellen versucht, sind bestenfalls oberflächlich und halten einer Überprüfung durch vorliegende wissenschaftliche Untersuchungen zum Thema nicht stand. In erster Linie lässt der Autor seinem pathologisch zu nennenden Hass gegen die ägyptische Muslimbruderschaft freien Lauf, der 1928 gegründeten Urzelle aller islamistischen Bewegungen. Der Militärputsch gegen die demokratisch gewählte Regierung der Muslimbrüder unter Mohammed Mursi im vorigen Sommer erfüllt ihn mit Begeisterung.

 

Abdel-Samad schreibt:

Im Dezember 2013 schließlich wurden führende Köpfe der Muslimbrüder vor Gericht gestellt. Der Vorwurf: Sie hätten zur Tötung von Demonstranten aufgerufen. Allein diese Tatsache zeigt, dass der moderate Islamismus der Bruderschaft nichts als ein Mythos ist, sondern hier mit Methoden gearbeitet wird, die man auch von faschistischen Bewegungen kennt.

Abdel-Samad setzt mithin einen bislang durch nichts bewiesenen Vorwurf der Militärjustiz mit einer erwiesenen Tatsache gleich und nimmt sofort wieder die Faschismus-Keule zur Hand. Dass die Armee im Sommer vorigen Jahres 1400 Demonstranten, die gegen den Militärputsch protestierten, kaltblütig erschossen hat, erwähnt er mit keinem Wort.

 

Um seine Glaubwürdigkeit zu erhöhen, verweist Abdel-Samad ausführlich auf eine gegen ihn verhängte Todes-Fatwa. Die aber hinderte ihn nicht daran, auch weiterhin nach Kairo zu reisen und auf Polizeischutz zu verzichten. Als er Ende vorigen Jahres schließlich entführt wurde, wurde er nicht etwa das Opfer von Islamo-Faschisten, sondern offenbar von dubiosen Geschäftspartnern, die mit ihm noch eine Rechnung offen hatten. Diesen Zusammenhang aber zieht er vor zu verschweigen.

 

Dennoch, Abdel-Samads Machwerk wird sich gut verkaufen. Nicht weil es lesenswert wäre. Sondern weil er die Vorurteile der deutschen Mehrheitsgesellschaft bedient: Wo Islam drauf steht, ist Terror drin, mindestens aber Mittelalter und Kopftuch. Wie seine Schwestern im Geiste, Necla Kelek und Seyran Ates, dient er sich als Kronzeuge der Anklage an: Ich bin Muslim, und ich kann nur bestätigen, was ihr, liebe Deutsche, mehrheitlich sowieso denkt: Islam und Demokratie, das geht einfach nicht zusammen. Diese Haltung wird hierzulande gerne missverstanden als mutiger Tabubruch oder Aufklärung . Das ist sie mitnichten. Allen voran geht es um Selbstdarstellung, gepaart mit dem Zerrbild eines vermeintlich ewigen Muslims.

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