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HERFORD

Polizist attackiert Autofahrer: Staatsanwaltschaft ermittelt

AUTOR

Peter Steinert

Aktualisiert am NW, 06.05.2015, 11:51 Uhr

Video deckt falsche Aussagen von Beamten vor Gericht auf

 

Herford. Wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt sollten sich zwei 28-Jährige vor dem Herforder Amtsgericht verantworten. Schnell stellte sich jedoch heraus, dass nicht der angeklagte Herforder und sein Gast Mitte Juni 2014 die Fäuste fliegen ließen, sondern einer der Polizisten, auf die sie bei einer Verkehrskontrolle trafen.

 

Die Beamten hatten dem Richter zur Untermauerung ihrer Vorwürfe gegen den Autofahrer einzelne Bilder, sogenannte Screenshots, vorgelegt. Diese stammten von einer im Streifenwagen montierten Überwachungskamera. Die komplette Wahrheit kam erst ans Licht, als der ganze Polizei-Film vor Gericht gezeigt wurde. Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt jetzt gegen die Beamten. "Es kann sein, dass wir uns bei dem Betroffenen entschuldigen müssen", so Staatsanwalt Christoph Mackel.

 

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Fünf Polizisten hatten schriftlich mitgeteilt, dass die beiden Insassen eines weißen Opel Corsa handgreiflich geworden waren, nachdem sie eine Streifenwagenbesatzung gestoppt hatte. Die dem Richter vorliegenden Schilderungen entsprachen exakt der Aussage eines Polizeibeamten, der vor Gericht erschienen war. Auch er versicherte, dass er von den Fahrzeuginsassen angegriffen worden sei.

 

"Das ist der eigentliche Skandal, dass sich die Beamten aus falsch verstandener Kollegialität hinter einen der ihren stellen", sagte der Bielefelder Rechtsanwalt Detlev Binder. Ihm waren wie auch dem Amtsrichter und der Staatsanwältin zunächst lediglich die Einzelbilder als Beweismaterial vorgelegt worden.

 

"Die Screenshots zeigten zunächst die Kontrolle und nach etwa 20-sekündiger Pause die Rangelei", sagt Binder, der schon im vergangenen Jahr zum Zwischenverfahren das gesamte Video-Material angefordert hatte. "Am 2. April lag die DVD dann endlich vor." Diese sei allerdings verschlüsselt und zusätzlich durch ein Passwort geschützt gewesen. "Man wollte das Beweismaterial wohl zurückhalten. Erst einen Tag vor der Verhandlung konnte ich mir das komplette Video ansehen", kritisiert Binder.

 

Brisanter Mittschnitt

 

Brisant ist der Komplettmitschnitt allemal. Denn offenbar wollten Streifenpolizisten die Justiz mit Teilwahrheiten abspeisen. Das Video offenbarte nach Aussagen des Rechtsanwalts, dass zunächst einer der Polizisten dem Herforder Autofahrer von hinten auf den Kopf schlug, ehe sich dieser umdrehte und dem Beamten einen Stoß verpasste. Das wiederum beantwortete der Beamte mit dem Einsatz von Pfefferspray.

 

Vor Gericht hörten sich die Aussagen des Uniformierten im Zeugenstand gänzlich anders an. "Der hat sich um Kopf und Kragen geredet", sagt Detlev Binder. Erst nachdem der Rechtsbeistand intervenierte und auf das Video hinwies, habe der Streifenpolizist laut Binder eingelenkt: "Ich habe hier falsch ausgesagt. Bitte streichen Sie die Prozessaussage. Ich habe überreagiert und möchte mich bei den Angeklagten entschuldigen."

 

Angeklagte wurden freigesprochen

 

Vor Gericht wurden die beiden Angeklagten freigesprochen. Ein vorläufig eingestelltes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Körperverletzung gegen einen der Beamten wird laut Christoph Mackel wieder aufgenommen - mit Verweis auf die Gerichtsverhandlung

 

Die Herforder Polizei hielt sich auf Anfrage bedeckt und verwies auf das Polizeipräsidium Bielefeld. Dort wird bestätigt, dass die Bielefelder Kollegen am Dienstag die Ermittlungen für die Staatsanwaltschaft (Sonderabteilung für Strafsachen öffentlicher Bediensteter) übernommen haben. "Zum Stand können wir noch nichts sagen", so Polizeisprecher Achim Ridder.

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  • 4 Wochen später...

Do., 11.06.2015

Staatsanwaltschaft Bielefeld nimmt im Herforder Fall Rechtsmittel zurück

Prügelaffäre: Freispruch gilt

Herford (WB). Erst angeklagt, dann doch unschuldig: Die beiden Männer, die in der Herforder Prügelaffäre zu Opfern von Polizeigewalt wurden, können aufatmen: Ihr Freispruch ist rechtskräftig. Von Christina Ritzau

 

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat die Rechtsmittel jetzt zurückgenommen. Das sagte Thomas Stotko (SPD), Mitglied des NRW-Rechtsausschusses, im Gespräch mit dieser Zeitung. Der Rechtsausschuss des Landes hat die Herforder Polizeiaffäre gestern diskutiert. Heute steht sie zudem im Innenausschuss auf der Tagesordnung.

Der Polizist (39), der vor einem Jahr bei einer Verkehrskontrolle unvermittelt Gewalt gegen einen Autofahrer und dessen Cousin anwendete, hatte bei der Hauptverhandlung vor dem Herforder Amtsgericht Anfang Mai seine Aussage korrigiert. Er habe sich bei beiden Angeklagten entschuldigt und angegeben, »wohl überreagiert« zu haben, berichtete NRW-Justizminister Thomas Kutschaty im Rechtsausschuss.

Ausgerechnet ein Streifenwagenvideo hatte das Gerichtsverfahren um 180 Grad gedreht: Der Autofahrer und sein Cousin – beide waren wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte, Körperverletzung und Bedrohung angeklagt – wurden freigesprochen. Der Beamte, der eigentlich als Zeuge aussagen sollte und sich Hoffnung auf Schmerzensgeld gemacht hatte, hat jetzt ein Strafverfahren am Hals. Und nicht nur er...

Fall wurde zur Chefsache

Weitere Strafanzeigen wurden unter anderem gegen die ermittelnde Staatsanwaltschaft gestellt (wegen Strafvereitelung im Amt) und gegen eine Polizeibeamtin, die an dem Einsatz beteiligt war (wegen unterlassener Hilfeleistung). Deshalb ist der Fall in Düsseldorf zur Chefsache geworden. Die Ermittlungen wurden an die Staatsanwaltschaft Bochum übertragen.

Im Rechtsausschuss des Landtags ging es gestern unter anderem um die Frage, warum die Staatsanwaltschaft das Polizeivideo nicht selbst begutachtet hatte. Das Video war verschlüsselt und für die Auswertung schwer zugänglich. In der Ermittlungsakte der Polizei sind zwar Szenenbilder daraus zu sehen. Die entscheidenden Fotoausdrucke fehlen aber.

»Wenn die Staatsanwaltschaft sich das Video vorher angeguckt hätte, hätte sie nicht die Anklage erhoben, die sie erhoben hat«, ist sich Thomas Stotko sicher. Nach Ansicht des Videos vor Gericht – dafür stand ein Laptop bereit – hatte selbst die Amtsanwältin Zweifel an der Anklage geäußert. »Das System hat funktioniert, aber Menschen haben hier versagt«, resümierte Stotko, »und ob das Straftaten sind, das klärt jetzt die Staatsanwaltschaft Bochum.«

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