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Flüchtlinge als "Sicherheitsrisiko" 10.09.2015

BERLIN (Eigener Bericht) - Die Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) untersucht Flüchtlingsbewegungen im Hinblick auf vermeintlich von ihnen ausgehende Bedrohungen. Für den kommenden Monat kündigt der zentrale militärpolitische Think-Tank der deutschen Regierung eine "Top-Level-Veranstaltung" an, die sich mit den "Auswirkungen" von "Flucht und Migration" auf "Sicherheit und gesellschaftliche Stabilität" befassen soll. Als einer der Hauptredner vorgesehen ist Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU), der sich wiederholt für die "vollständige Registrierung" aller in Deutschland ankommenden Flüchtlinge ausgesprochen hat, um zu verhindern, dass sich unter ihnen "Terroristen" befinden. Die dem Innenressort unterstehenden Repressionsbehörden und Geheimdienste konstruieren ihrerseits seit geraumer Zeit einen Zusammenhang zwischen "illegaler Migration", "organisierter Kriminalität" und "Terrorismus". Auch die Bundeswehr unterstellt eine Gefährdung der staatlichen "Souveränität" und "Stabilität" durch "ungesteuerte und irreguläre Zuwanderungen".

Flucht und "Sicherheit"

Wie die in Berlin beheimatete Bundesakademie für Sicherheitspolitik (BAKS) mitteilt, wird sich ihr diesjähriges "Deutsches Forum Sicherheitspolitik"[1] mit den "Auswirkungen" von "Flucht und Migration" auf "Sicherheit und gesellschaftliche Stabilität" befassen.[2] Erklärtes Ziel der für den 12. und 13. Oktober anberaumten Konferenz ist es, entsprechende "politisch-strategische Handlungsempfehlungen für den nationalen und europäischen Rahmen zu entwickeln". Laut BAKS handelt es sich bei der Tagung um eine "Top-Level-Veranstaltung" für "ausgewählte Entscheider aus Bundesregierung, Politik, Wirtschaft, Sicherheitsbehörden und Wissenschaft". Die Teilnahme sei deshalb "nur auf Grundlage einer persönlichen Einladung möglich".[3]

Entwicklungshilfe nur bei Migrationsverhinderung

Bereits im vergangenen Jahr unterstellten hochrangige Teilnehmer des von der BAKS organisierten "Deutschen Forums Sicherheitspolitik" einen Zusammenhang zwischen Migration, politischem "Extremismus" und "organisierter Kriminalität". So forderte der parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Günter Krings (CDU), die staatliche "Entwicklungshilfe" an das "Entgegenkommen" der Empfängerländer bei "Sicherheitsbelangen" zu binden - insbesondere "in puncto Verhinderung von Migration oder Radikalisierung". Zudem müsse man einem "Missbrauch des europäischen Freizügigkeitsrechts" möglichst "effektiv entgegenwirken", um "die Akzeptanz für dieses Recht in der Gesellschaft zu erhalten", erklärte Krings.[4] Ähnlich äußerte sich der Vertreter des Hohen Flüchtlingskommissars der UN in Deutschland, Hans ten Feld, über die "sicherheitspolitischen Zusammenhänge von Migration". Ten Feld sprach sich für die "effektive Bekämpfung von Schleuserbanden" aus, da der begründete Verdacht bestehe, "derartige Akteure könnten verdeckt Terrorismus finanzieren".[5]

"Terrorabwehr"

Als einer der Hauptredner des diesjährigen "Deutschen Forums Sicherheitspolitik" der BAKS ist Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) angekündigt, der sich wiederholt für die rücksichtslose Bekämpfung der "Schleuserkriminalität" und die lückenlose Erfassung nach Deutschland geflüchteter Menschen stark gemacht hat - zwecks "Terrorabwehr". Wie er unlängst der deutschen Presse sagte, sei es "wichtig, dass wir Flüchtlinge schnell registrieren und mit unseren Daten abgleichen", um die Einreise von "Terroristen" zu verhindern: "Wir können im Vorfeld nicht alle überwachen, brauchen aber eine vollständige Registrierung. Und wir haben uns bekannte Personen gezielt im Blick."[6] Die polizeiliche und geheimdienstliche Durchleuchtung der Migranten wird nicht zuletzt durch deren Unterbringung in sogenannten zentralen Sammelunterkünften sichergestellt. Dass es sich hierbei vermehrt um Zeltlager und Containerdörfer handelt, die ein menschenwürdiges Leben nicht zulassen, nimmt die deutsche Politik folgerichtig billigend in Kauf - obwohl gerade in den ländlichen Gemeinden Deutschlands zahlreiche Häuser und Wohnungen leerstehen, die Flüchtlingen sofort zur Verfügung gestellt werden könnten.

Visa-Warndatei

Das von de Maizière geleitete Innenressort behauptet seinerseits schon seit etlichen Jahren einen Zusammenhang zwischen "unerlaubter Einreise", "organisierter Kriminalität" und "Terrorismus". Bereits 2006 hat das Bundesinnenministerium ein "Gemeinsames Analyse- und Strategiezentrum Illegale Migration" (GASIM) eingerichtet, das nach eigenem Bekunden der Bekämpfung der "irregulären Migration, (der) Schleusungskriminalität und damit im Zusammenhang stehender Kriminalitätsphänomene" dient.[7] Alle deutschen Repressionsorgane sind am GASIM beteiligt - Geheimdienste inklusive. Hier finden sich Beamte der Bundespolizei, des Bundeskriminalamtes (BKA), des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF), des Bundesnachrichtendienstes (BND), der Bundeszollverwaltung, des Bundesamtes für Verfassungsschutz sowie des Auswärtigen Amtes. 2013 hat das Bundesverwaltungsamt in Köln zudem eine "Visa-Warndatei" installiert, in der alle Personen erfasst sind, die mit dem Antragsteller eines Einreisevisums in Zusammenhang stehen und nach Auffassung der deutschen Behörden Straftaten mit "Auslandsbezug" begangen haben. Diese Angaben werden laut Innenministerium "automatisiert" mit der "Antiterrordatei" des Bundes abgeglichen, auf die wiederum Polizeidienststellen und Geheimdienste Zugriff haben.[8]

"Zuwandernde Extremisten"

Auch die Bundeswehr, die beim "Deutschen Forum Sicherheitspolitik" der BAKS regelmäßig prominent vertreten ist, betrachtet "grenzüberschreitende Wanderungsbewegungen" als "Risikofaktor" für die staatliche "Souveränität" und "Stabilität", wie es in dem von den Streitkräften herausgegebenen "Reader Sicherheitspolitik" heißt. So könnten etwa Konflikte entstehen, "wenn einheimische Bevölkerungsgruppen Zuwanderer als Konkurrenten um knappe Ressourcen und Infrastrukturen betrachten oder sie als Bedrohung ihrer kulturellen Identität wahrnehmen": "Vor allem bei umfangreicher Zuwanderung kann eine anfängliche Hilfsbereitschaft der einheimischen Bevölkerung in Ablehnung umschlagen." Zudem seien "die Anteile ausländischer Tatverdächtiger bei der organisierten Kriminalität und beim Menschenhandel" in vielen Staaten "besonders hoch". Ein weiteres "innenpolitisches Risiko" sieht der Autor des "Readers Sicherheitspolitik" im "politische(n) Extremismus unter Zuwanderern". Denkbar sei etwa, dass sich "extremistisch-militante Gruppen als Helfer für Menschen in Fluchtsituationen anbieten und diese dann für ihre politischen Ziele zu mobilisieren versuchen": "Dies kann bis hin zur Rekrutierung von terrorbereiten Personen reichen." Ebenso wenig dürfe ausgeschlossen werden, dass "Extremisten einen Aufenthalt als Touristen oder Asylbewerber nutzen, um gewaltsame Aktionen in ihrem Herkunftsland vorzubereiten", heißt es.[9]

"Islamistennetzwerke"

Ähnlich hat sich bereits vor einiger Zeit ein Autor der von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) herausgegebenen Zeitschrift "Internationale Politik" geäußert. Seiner Aufassung nach spielt die "illegale Einwanderung" eine "entscheidende Rolle für den Terrorismus", da insbesondere "Islamistennetzwerke" zunehmend "transnational" agierten. Gefordert sei daher nicht nur eine "rigorose Einwanderungspolitik", sondern auch "Risikovorbeugung": "Die Zusammenarbeit zwischen den Nachrichtendiensten, Einwanderungsbehörden, den mit der Terrorabwehr befassten Polizeistellen und den entsprechenden Einrichtungen auf dem Gebiet der Rechtsprechung erlaubt es, ... geplante Aktionen zu vereiteln sowie potenzielle Täter aufzudecken."[10]

Eine Frage der Zeit

Wie nicht zuletzt die avisierte Thematik des "Deutschen Forums Sicherheitspolitik" der BAKS zeigt, ist die Auffassung, es gäbe einen unabweisbaren Zusammenhang zwischen Migration, Kriminalität und "Terrorismus", mittlerweile Common Sense unter den deutschen Eliten. Eine Verschärfung der ohnehin schon allgegenwärtigen Repression gegen Flüchtlinge dürfte somit nur noch eine Frage der Zeit sein.

Bitte lesen Sie auch Krieg gegen Flüchtlinge, Krieg gegen Flüchtlinge (II), Zu Gast bei Freunden, Auf die Flucht getrieben (I), Gezielt ausgehungert, Zu Gast bei Freunden (II), Auf die Flucht getrieben (II), Auf die Flucht getrieben (III), Auf die Flucht getrieben (IV), Der "Hotspot Approach" zur Flüchtlingsabwehr, Kriegsopfer als Humankapital, Rückschlag für Berlin, Krieg gegen Flüchtlinge (III) und Flüchtlinge entwickeln.

[1] Siehe dazu Führungsmacht Deutschland und Der hässliche Deutsche.

[2] DFS 2015: Wie sicher ist Deutschland in einer Welt aus den Fugen? http://www.baks.bund.de 26.08.2015.

[3] Deutsches Forum Sicherheitspolitik. http://www.baks.bund.de.

[4] Günter Krings: Die Grenzen der Steuerbarkeit. In: Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Hg.): Europas Stabilität und Deutschlands Sicherheit - sicherheitspolitische Konsequenzen der Finanzkrise. Deutsches Forum Sicherheitspolitik. Konferenzband 2014. Berlin 2015.

[5] Kleine Insel, große Wirkung. Flucht, Migration und die Stabilität in Europa. In: Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Hg.): Europas Stabilität und Deutschlands Sicherheit - sicherheitspolitische Konsequenzen der Finanzkrise. Deutsches Forum Sicherheitspolitik. Konferenzband 2014. Berlin 2015.

[6] "Unser Asylrecht hat eine freundliche und eine harte Seite". Interview mit Bundesinnenminister Thomas de Maizière über die Flüchtlingsproblematik. Superillu 03.09.2015.

[7] Illegale Einreise und Schleusungskriminalität. http://www.bmi.bund.de.

[8] Visa-Warndatei und Datenabgleichverfahren nach § 72 a AufenthG. http://www.bmi.bund.de.

[9] Steffen Angenendt: Migration als Risikofaktor? Reader Sicherheitspolitik 12/2010.

[10] Jean-Louis Bruguière: High Noon für Virenjäger. Islamistische Terrornetzwerke müssen offensiv bekämpft werden. In: Internationale Politik 3, März 2006.

 

 

http://www.german-foreign-policy.com/de/fulltext/59195

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