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"Hoffnungsbilder gegen Kampf der Kulturen"

 

Soziologe Wolf Lepenies erhält Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

 

 

Wolf Lepenies glaubt nicht, dass ein unausweichlicher "Kampf der Kulturen" der Welt bevorsteht. An die Stelle des Drohbildes vom Zusammenprall der Kulturen setzt der deutsche Soziologe ein "Hoffnungsbild kultureller Lerngemeinschaften". Vor allem für diese Mittlerrolle hat der Börsenverein des Deutschen Buchhandels Lepenies am Sonntag in Frankfurt mit dem Friedenspreis ausgezeichnet.

 

Der Börsenverein würdigt mit dem Preis geradezu das Gegenmodell zur umstrittenen These des US-Politikwissenschaftlers Samuel P. Huntington, der den "Kampf der Kulturen" prophezeit hatte. Die Terroranschläge des 11. September 2001, die aktuellen Debatten um Papst-Äußerungen, Mohammed-Karikaturen und Opern-Absetzungen nährten bei vielen die Sorge, Huntingtons bittere Vorhersage könnte sich bewahrheiten. Dagegen habe Lepenies in der globalisierten Welt den Samen freiheitlichen Denkens gepflanzt, loben die Juroren.

 

"Front-Mensch" für Frieden

 

Der rumänische Philosoph Andrei Plesu bezeichnete Lepenies in seiner Laudatio als "Front-Mensch" und "Kämpfer" für den Frieden. "Den Frieden, den Lepenies möglich macht, ist nicht der Frieden eines engelhaften Redners, sondern der Frieden eines gut informierten und pragmatischen Experten." Verstehen und unparteisch urteilen sei sein Lebens- und Forschungsprogramm.

 

In seiner Dankesrede forderte Lepenies den Westen zu stärkeren Anstrengungen auf, um das "Projekt einer islamischen Moderne" voranzutreiben. Dabei könne Deutschland eine besondere Rolle übernehmen. Es gehe um die Stärkung von Gruppen, die zwischen Islam und Moderne keinen Gegensatz sehen und von der Demokratiefähigkeit muslimischer Gesellschaften überzeugt sind, sagte Lepenies. Der heute 65-Jährige leitete von 1986 bis 2001 das renommierte Berliner Wissenschaftskolleg und rief dort 1994 den Forschungsschwerpunkt "Moderne und Islam" ins Leben.

 

Dialog zwischen Ost und West

 

Wolf Lepenies gehört zu den bedeutendsten Soziologen in Deutschland, sein internationales Ansehen hat er sich durch langjährige Forschungsaufenthalte in Frankreich und den USA erworben. Bis zu seiner Emeritierung in diesem Jahr lehrte er als Professor an der Freien Universität Berlin. Er war 15 Jahre lang Rektor des Wissenschaftskollegs zu Berlin, einer internationalen Forschungseinrichtung, an der jährlich rund 40 Spitzenforscher tätig sind. Lepenies gilt als Meister im Knüpfen wissenschaftlicher Netzwerke. Zudem mischt er sich regelmäßig als Publizist und Essayist ins Zeitgeschehen ein.

 

Nach dem Ende der Sowjetunion engagierte sich Lepenies für den wissenschaftlichen und kulturellen Dialog zwischen Ost und West. Auf Initiative des Wissenschaftskollegs unter seiner Leitung entstanden in den 1990er Jahren zahlreiche Forschungszentren in Osteuropa. "Nur sehr wenige unter den abendländischen Forschern haben solch ein exaktes und nuanciertes Verständnis des Ostens wie er", sagte der ehemalige rumänische Außenminister und Philosoph Plesiu in seiner Laudatio. "Er versteht prompt die lokalen Umstände, findet den richtigen Ton der Intervention und agiert blitzartig."

 

Der in Ostpreußen geborene und in Koblenz aufgewachsene Wissenschaftler hatte sich nach dem Soziologie-Studium in Münster 1971 an der FU Berlin habilitiert. Dort lehrte Lepenies, der verheiratet ist und drei Kinder hat, auch bis 2006. Als Soziologe sieht sich Lepenies in seinen Werken immer auch als Anthropologe: Er geht der Frage nach, was die moderne Gesellschaft angesichts der immer stärkeren Individualisierung zusammenhält und welchen Stellenwert noch Moral und Verantwortung haben.

 

"Handelnder Intellektueller"

 

"Intellektuelle schwanken immer zwischen Melancholie und Utopie. Entweder verzweifeln sie an der Welt oder sie wollen sie radikal verändern." Lepenies hat sich in seinen Schriften immer wieder mit den Intellektuellen und Kulturschaffenden und ihrem seiner Meinung nach merkwürdigen Verhältnis zur Politik auseinander gesetzt. Lepenies selbst bezeichnet sich als "handelnden Intellektuellen".

 

In die Politik hat es ihn deswegen aber nie wirklich gezogen, obwohl er für verschiedene Ämter im Gespräch war, unter anderem als Kultursenator für Berlin und als Nachfolger für Kulturstaatsminister Michael Naumann. In seinem neuesten Buch "Kultur und Politik. Deutsche Geschichten" kritisiert Lepenies, dass der Kulturbetrieb in Deutschland immer überheblich auf die Politik hinabgeblickt habe.

 

 

 

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