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Der vielbeschworene und mystische "sechste Sinn" ist nach Meinung Washingtoner Forscher ein im Gehirn verankertes "Frühwarnsystem". Die Wissenschaftler glauben sogar genau zu wissen, wo.

 

Der Mensch hat tatsächlich einen "sechsten Sinn". US-Forscher haben erstmals eine Art Frühwarnsystem im Hirn nachgewiesen. Es schlägt bei Gefahren Alarm, die gar nicht bis ins Bewusstsein vordringen, erläuterte Joshua Brown von der Washington Universität in St. Louis der dpa. Diesem "Gespür" etwa könnten die Ureinwohner am Indischen Ozean ihr Leben verdanken, die sich rechtzeitig vor der verheerenden Flutwelle in Sicherheit gebracht hatten.

 

Frühwarnsystem im vorderen Stirnlappen?

Laut Brown verbirgt sich das Warnsystem in einer Hirnregion, die als Anterior Cingulate Cortex (ACC) bekannt ist und in der Nähe der vorderen Stirnhirnlappen liegt. Aufnahmen im Kernspintomographen zeigten, dass ACC immer dann aktiv wurde, wenn sich eine Fehlentscheidung anbahnte, die es zu verhindern galt.

 

Dieses Hirnzentrum "warnt uns im Voraus, wenn unser Verhalten ein negatives Ergebnis zu produzieren droht. Damit gibt es uns die Chance, vorsichtiger zu handeln und Fehler zu vermeiden"", sagte Brown am Rande eines internationalen Wissenschaftskongresses in Washington. Seine Arbeit erscheint im Fachjournal "Science" (Bd. 307, S. 1119) vom Freitag.

 

 

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Dopamin spielt eine Schlüsselrolle

Zwar ist die Hirnregion ACC schon seit zwei Jahrzehnten bekannt, galt aber bisher lediglich als Hirnzentrum zur Verarbeitung von Konflikten. Dagegen führten Brown und sein Kollege Todd Braver mit kernspintomographischen Aufnahmen (fMRI) vor, dass die Hirnregion ACC Signale aus der Umgebung auffängt, ihre Konsequenzen abwägt und dem Menschen hilft, sein Verhalten auf die Gefahr einzustellen.

 

Anomalitäten in diesem Zentrum sind laut Brown mit schweren psychischen Störungen verknüpft, darunter auch Zwangsneurosen und Schizophrenie. "Überraschenderweise spielt der Nervenbotenstoff Dopamin (...) eine Schlüsselrolle dabei, ACC zu lehren, wann ein frühes Warnsignal erforderlich ist", erläuterte der US-Forscher.

 

DPA

Stern 18.2.2005

 

 

SECHSTER SINN

 

Blinder erkennt Gesichtsausdrücke

 

Britische Wissenschaftler haben bei einem Blinden eine Art "sechsten Sinn" entdeckt. Ein Mann, der nach zwei Schlaganfällen nichts mehr sehen konnte, ist in der Lage, Bilder von freundlich und finster dreinblickenden Menschen zu unterscheiden.

 

 

DPA

Blinder: Gefühle anderer Menschen lassen sich offenbar auch ohne Sehsinn erkennen

 

Der 52-jährige Brite hatte gleich doppelt Pech: Zwei Schlaganfälle in Folge zerstörten die für das Sehen zuständige Region im Großhirn. Seine Augen und Sehnerven sind zwar intakt, doch der Mann kann weder Farben noch Hell-Dunkel-Unterschiede wahrnehmen. Dafür aber Gesichtsausdrücke.

 

Bei Versuchen an der University of Wales in Bangor konnte der Patient Fotos böse schauender Menschen von denen freundlich blickender unterscheiden. Die Trefferquote lag bei 59 Prozent, schreiben der Psychologe Alan Pegna und seine Kollegen im Fachblatt "Nature Neuroscience".

 

Auch konnte der Mann traurige von glücklichen Gesichtern unterscheiden und ängstliche von entspannten. Zeigten ihm die Forscher hingegen Muster wie Kreise und Quadrate, lieferte der Patient statistisch gesehen nur Zufallstreffer.

 

Ein Hirnscan ergab, dass im Denkorgan beim Betrachten von Gesichtern der so genannte Mandelkern (Amygdala) aktiviert wurde - eine Hirnregion, die für die emotionale Färbung von Informationen zuständig ist. Emotionen von Gesichtern werden offenbar nicht im Sehzentrum des Gehirns allein verarbeitet, sondern auch im Mandelkern, schreiben die Forscher.

 

"Die Entdeckung ist auch für Verhaltensforscher von Interesse", sagte Pegna gegenüber BBC Online. Der rechte Mandelkern sei erst jüngst mit der unbewussten Verarbeitung emotionaler Reize in Verbindung gebracht worden. Berichte über "sehende Blinde" hatte es in der Fachpresse immer wieder gegeben. Die neueste Arbeit des Teams von Pegna könnte das Rätsel nun gelöst haben.

13.12.2004 Spiegel

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