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Qries Qries Qries Qries Qries Qries

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   Der Verfasser der Risale-i Nur 
  Biographie 
  Said Nursi 
  Sein Leben und Werk 
 

بِسْمِ اللّهِ الرّحْمنِ الرّحِيمِ
وَ بِهِ نَسْتَعِينُ
{"Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen. Und mit Seiner Hilfe."}
   Vorwort 
  Dieses Vorwort wurde von einem bedeutenden islamischen Gelehrten aus Medina geschrieben. 
   In dem Vorwort, das ich über den großen Iqbal geschrieben habe, sagte ich: "Wenn man die Biographie der Großen der Menschheit liest, oder die Sagen und Legenden der Helden und Heiligen erzählt, sich ihr teures Andenken ins Gedächtnis ruft, fühlt man sich in eine andere Welt versetzt. Das Herz wird von der erhabenen Flamme einer ganz reinen Liebe entzündet und von Gottes Segen umhüllt. Die Geschichte weist Menschen von einer solchen Größe auf, dass im Vergleich mit ihnen viele Große klein erscheinen."
  Bei der Erwählung von Menschen, die einen Ehrenplatz in der Geschichte haben,
Erhebt sich der Geist von der Erde in weiteste Welten...
Aus den Tiefen umhüllt die Seele ein Segen wie von tausend Wohlgerüchen,
Als sei sie durch die Rosengärten des Paradieses hindurchgegangen. 
   Als ich dieses Vorwort schrieb, fand ich mich von dieser tiefen Wahrheit mit all ihrer Gewalt und Majestät ergriffen. Denn dieses Werk, welches wir unserem verehrten Leser in tiefster Aufrichtigkeit ans Herz legen, berichtet von Bediüzzaman Said Nursi, dem großen Ustadh (Meister), der die Herzen anzurühren vermochte, in dessen nahezu hundert Jahre währendem Leben sich zu jeder Zeitspanne Tausende von Wundern zeigten, sowie von seinem Gesamtwerk, der Risale-i Nur (Botschaft vom Licht), die aus 130 Einzelwerken besteht und schließlich von den "Nur"- Schülern (Nur; Licht), die durch ihren Charakter, ihre Tugenden, ihre Aufrichtigkeit, ihre Innigkeit, ihren Glauben und ihre Erkenntnis zu jeder Zeitspanne ihres Lebens der Menschheit ein untadeliges Beispiel geben.
   Man sagt, dass dieses Vorwort eine kurze Zusammenfassung des ganzen Buches sei. Aber ist es denn möglich, den Inhalt dieses gewaltigen Buches, in dem jedes Thema so tief und weit gefasst ist, dass man ein eigenes Buch dafür benötigte, in wenigen Seiten zusammenzufassen?
   Bis heute habe ich mich angesichts dessen, was meine Wenigkeit in Gedichtform oder Prosa niedergeschrieben hat, noch nie so hilflos und unschlüssig gefühlt. Infolgedessen werden diejenigen, welche dieses Buch mit tiefer Liebe, mit göttlicher Freude und glühender Begeisterung lesen mit Erstaunen feststellen, dass Bediüzzaman ein Gelehrter völlig anderer Art und eine führende Persönlichkeit gewesen ist, die schon seit seiner Kindheit in einer ganz ungewöhnlichen Weise herangewachsen ist und durch die Erscheinung der Namen Gottes ein Leben lang begnadet worden ist.
   Nachdem ich diese Persönlichkeit, ihre Werke, ihre Schüler bis in die feinsten Feinheiten hinein untersucht hatte und seine lichte Welt mit meinen Gefühlen, Gedanken, ja meiner Seele in mich aufgenommen hatte, begriff ich, welche profunde Wahrheit in diesem Verse eines großen Dichters der alten Araber enthalten ist, wenn er sagt: "Es ist für Gott, den Gerechten, ein Leichtes diese ganze Welt in einer einzigen Person zu konzentrieren..."
   Die Zahl derer, die in den Anziehungsbereich dieses Zentrums des Geistes (Qutub) gelangen, der von seinem erhabenen Ziel, seiner königlichen Berufung, der gewaltigen Größe seines Glaubens her Segen und Inspiration empfing, wächst von Tag zu Tag.
   Dieses erhabene Geschehnis, das den Verstand in Erstaunen versetzt, pflanzt sich fort in den Ungläubigen und erfreut die Gläubigen, ja beglückt sie.
   Sehen Sie bitte, was ein bedeutender Mudjahid {Mudjahid: ein Strebender, ein Sicht-Anstrengender, ein Sich-Bemühender um Gottes Willen und um Gottes Lohn. (A.d.Ü.)} über dieses göttliche Geschehnis schreibt, das in den Herzen der Gläubigen fortlebt, so dass sie sich in ihrem Inneren mit ihm verbunden fühlen. Seine Worte lassen die Herzen in heiliger Begeisterung höher schlagen, wenn er sagt:
   "In diesen dunklen Tagen der Unmoral, die sich gleich einer Sintflut überall hin auszubreiten beginnt, jede Tugend unter sich begräbt, finden wir Trost, wenn wir sehen, wie der Segen, der von Bediüzzaman ausgeht, jeden Widerstand bricht und die Herzen aller wie ein Sturmwind erobert... Unsere Nächte waren sehr finster geworden und der Morgen nach so finsteren Nächten ist schon nahe herbeigekommen."
   Ja, diejenigen, welche gesehen haben, wie sich das Licht gleich einem Geheimnis von Herz zu Herz, jeden Widerstand brechend, mit seinem segensreichen Einfluss in jeder Ecke des Landes verteilt und verbreitet, beginnen sich erstaunt und erschreckt zu fragen: "Wer ist dieser Mann, dessen Ruhm unser Land von allen Seiten her überzieht? Was ist sein Leben, sein Werk, seine Berufung, sein Charakter? Ist der Weg, dem er folgt ein Orden (tariqat), eine Vereinigung oder eine politische Organisation?"
   Nicht nur das. Mit einem Mal begann der Strom schwerer Verfolgungen, peinlicher Untersuchungen, langwieriger, nahezu pausenloser Prozesse, ausgelöst teils direkt von der Regierung, teils von dem Justizministerium, nicht mehr abzureißen... Als sich in der Folge herausstellte, dass es sich hierbei lediglich um eine Gründung von "Glaube und Erkenntnis" handelte, welche die göttlichen Manifestationen im Lande der Herzen errichtet hatte, manifestierte sich auch die Gerechtigkeit in göttlicher Weise folgendermaßen: "Es ergeht das Urteil: Bediüzzaman wird mit allen seinen Werken freigesprochen." Dies wurde öffentlich bekannt gegeben. So zeigte sich schließlich sonnenklar, dass der Geist über die Materie, die Wahrheit über den Irrtum allezeit, das Licht über die Finsternis, der Glaube über den Unglauben allezeit siegen wird. Diese Wahrheit ist göttliches Gesetz vor allen anderen, unveränderbar von Ewigkeit zu Ewigkeit.
   Man sagt, der wahre Maßstab, zu prüfen, ob Wesen und Wirklichkeit eines Reformers, in welcher Atmosphäre auch immer er erscheinen mag, echt und aufrichtig sind, bestehe darin, die Unterschiede festzustellen, die sich aus den Veränderungen im persönlichen und öffentlichen, körperlichen und seelischen Leben zwischen dem ersten Tage ergeben, an dem er mit seiner Verkündung begonnen hatte, bis zu dem Tage, wo er seine Verbesserungen erfolgreich durchsetzen konnte.
   Zum Beispiel: da ist ein Mann, der ist in den ersten Tagen unaufdringlich, hochherzig, selbstlos, bescheiden, kurz eine makellose Persönlichkeit ersten Ranges, also ein wahres Beispiel von Anstand und Charakter. Sehen wir, ob er, nachdem er mit seinen Bemühungen zum Erfolg gelangt ist und sich die Gefühle, Hoffnungen und Herzen ihm zugewandt haben, sich noch immer seine frühere makellose und beispielhafte Haltung bewahren konnte? Oder glaubt er etwa in seinem Siegestaumel wie so viele, die man als groß ansieht, dass ihm der Raum zwischen Himmel und Erde zu eng geworden sei?
   Dies also ist der reinste Spiegel, der das absolut wahre Gesicht irgendeines großen oder kleinen Trägers von Ziel und Aufgabe zurückwirft, Wesen und Wirklichkeit, seine Persönlichkeit und seinen wahren Charakter.
   Im Verlauf der Geschichte waren es zunächst die Propheten, insbesondere der Fürst aller Propheten, mit dem Friede und Segen sei, sodann seine Nachfolger, die Kalifen und seine Bundesgenossen, die Ssahabis, sodann die großen Persönlichkeiten, die ihrer lichtvollen Spur gefolgt sind, die das königliche Beispiel derer geben, welche die große Prüfung bestanden haben.
اَلْعُلَمَاءُ وَرَثَةُ اْلاَنْبِيَاءِ
{"Die Gelehrten sind die Nachfolger der Propheten."}
In dieser Ehrwürdigen Überlieferung bringt unser Prophet in seiner so wunderbar klaren Art zum Ausdruck, dass es keineswegs eine leichte Sache ist, ein Gelehrter zu werden.
   Weil also nun ein Gelehrter der Erbe der Propheten ist, muss er auch, wenn er Recht und Wahrheit lehren und verbreiten will, genau dem gleichen Weg folgen, den auch sie beschritten haben, auch wenn er übersät ist mit Felsbrocken, Steinen, Kieseln und Schlamm, auch wenn sich auf ihm Berge und Abgründe befinden, oder noch schlimmer: Verfolgung, Einzelhaft, Mordanschläge und Todesurteile und noch andere tausenderlei Arten von Unterdrückung und Folter, wie man sie sich kaum vorstellen, ja noch nicht einmal davon träumen kann...
   So ist also Bediüzzaman eine Persönlichkeit, die ein ganzes Leben lang - also mehr als ein halbes Jahrhundert - in diesem heiligen Bemühen (djihad) einen schwierigen Weg zähen Ringens beschritt, Hindernisse, die sich ihm in den Weg stellten mit Fallgeschwindigkeit überwand und damit bewies, dass er in der Tat ein Gelehrter war, der den Fußspuren der Propheten gefolgt ist.
   Was mich an ihm am meisten begeistert hat, war neben seinen außergewöhnlichen wissenschaftlichen Fähigkeiten, seinem charakterlichen Wert und seiner hohen Bildung, vor allem sein Glaube, unerschütterlicher als die Berge, tiefer als die Meere, höher und weiter als die Himmel.    Oh mein Herr! Welch ein gewaltiger Glaube! Was für eine unendliche, nie versiegende Geduld! Was für ein eiserner Wille! All diesen Unterdrückungen, Warnungen, Peinigungen und Schikanen beugte er seinen Nacken nicht! Sie konnten ihn nicht mundtot machen. Stets behielt er den längeren Atem.
   Inspiriert durch die Gedichte des großen Iqbal, schrieb ich einmal in meiner Begeisterung ein Gedicht, das ich "Mudjahid" nannte. Manch einer von denen, welche die unten angeführten Zeilen gelesen haben, mag danach vielleicht gedacht haben, dies sei eine dichterische Übertreibung.
   Wer aber dieses wunderbare Werk gelesen hat, zu dem das Vorwort zu schreiben ich die Ehre habe, der kann nur von jener überströmenden Begeisterung erfüllt werden, welche begreift, was für einen Diener sich Gott erwählt hat. Welch ein Glaube, wenn er zur Vollkommenheit gelangt! Und was für Wunder vermag er zu vollbringen!...
  Sobald ein fester Entschluss einen vom Glauben erfüllten Menschen ergreift
und dieser Mensch dann vom letzten Geheimnis des Glaubens berührt wird,
kann auch der schrecklichste Tod ihn nicht in Ketten halten...
wie einen Lavastrom kann nichts ihn mehr binden...
Von meinem Herren herab gibt Kraft seinem Entschluss seine Eingebung...
Den Propheten im Traum sieht er vielleicht jeden Abend... Ganz Licht, von seinem Glauben voll in seinem Herzen der Mihrab (Gebetsnische, Ehrenplatz)
Eine Leuchte seinem Horizont vermag in dieser Welt der Mond nicht zu sein...    Der Schnee der Winter spricht ihn nicht an, erschreckt ihn nicht, bekümmert ihn nicht, schmerzt ihn nicht...
Die Jahreszeit seines ganzen Lebens ist ein linder schattiger Sommer...
Auch des Paradieses Welten sieht er im Diesseits.
Suchte man ihn auch zu vernichten, so kümmert er sich doch nicht um seinen Kummer und Leiden so groß wie Berge...
Und öffneten sich auch rings um ihn unzugänglich steile Abgründe,
Ginge der Mond unter, verlöschte die Sonne, verdunkelte sich der Horizont,
fiele der Himmel ein und stürzte herunter, er wiche nicht ab von seinem Weg und kehrte nicht um!
Und die Fackel des Glaubens, die in seiner Seele brennt, löscht nicht aus...
Wie heilig ist doch der Glaube in seinem Herzen, wie ein Vulkan!
Und in seinem Gewissen ruft jeden Augenblick eine Stimme: Vorwärts Reisender! Die Morgen dämmern herauf! Halte dich nicht auf!
Lass die Finsternisse blutige Tränen weinen mit deiner Fackel Schein!
Klimme der Sterne Leiter empor zu hohen Welten!
Oh Du Hand, die du aus dem Paradiese gekommen bist, die Menschheit zu erretten! 
   Es ist, als seien diese Verse für Hazret-i Mudjahid Bediüzzaman, einen Vollendeten im Glauben, geschrieben. Denn diese hohen Eigenschaften sind sämtlich seine Eigenschaften. Sehen Sie bitte, was Gott, der Gerechte in dieser ehrwürdigen Ayah über die Mudjahidin verkündet, wenn er sagt: وَالَّذِينَ جَاهَدُوا فِينَا لَنَهْدِيَنَّهُمْ سُبُلَنَا وَاِنَّ اللّٰهَ لَمَعَ الْمُحْسِنِينَ
{"Wer sich um Unsertwillen bemüht, dem zeigen Wir sicherlich unsere Wege, denn ohne Zweifel ist Gott mit jenen guten Menschen, welche sich aufrecht bemühen und das Gebet so verrichten, als sähen sie Gott vor sich."}
Das heißt also, dass der große Gott denen, die den guten Kampf kämpfen (Mudjahidin), die um des Glaubens und um des Qur'an willen dem Leben und der Welt entsagt haben, den Weg zu Wahrheit und Rechtleitung darzulegen verspricht. Und als ob Gott, der Gerechte, Sein Versprechen nicht hielte... Keineswegs! Und dabei genügt es bereits, wenn die Bedingungen erfüllt sind, welche dieses gewaltige göttliche Versprechen zur Voraussetzung hat.
   Diese ehrwürdige Ayah ist uns ein leuchtender Wegweiser, um Charakter und Persönlichkeit des Meisters kennenzulernen. Und in diesem kristallklaren Lichte können wir nun die feinsten Striche und die kleinsten Punkte sehen und wahrnehmen. Denn wenn nun einmal ein Mensch die Gnade empfangen hat, sich in Gottes, des Gerechten Schutz und Beistand zu befinden, gibt es für ihn keine Furcht, keinen Kummer, keine Traurigkeit, kein Erschrecken und keinen Überdruss mehr.
   Was für Wolken vermögen den Himmel eines Herzens zu verhüllen, der vom Lichte Gottes erleuchtet ist? Was für vergängliche Hoffnungen und Wünsche, was für armselige Interessen und Neigungen, was für erbärmliche Launen und Absichten vermögen den Geist eines Dieners zu befriedigen, zu beruhigen, zu trösten, der Glückseligkeit erlangt hat und beständig in der göttlichen Gegenwart weilt.
  Gott ist sein Herr, der ihm hilft, ihn leitet und für ihn eintritt.
In Seinem Gedenken wird ganz Licht sein Gefühl, sein Empfinden!    Er erhebt sich zu den Stufen der Erkenntnis in jedem Augenblick.
Völlig neue Horizonte eröffnet seinem Geiste der Qur'an...
Der Qur'an erinnert ihn an die "Bezm-i Elest".
{Die Versammlung der Seelen und der Geister, die Allah befragte: "Bin ich nicht euer Herr?", nachdem Er sie erschaffen hatte. (A. d. Ü.)}
Der Liebende ist seit Urzeiten von Seiner Gegenwart berauscht... 
   So ist also Bediüzzaman eine solche gesegnete Persönlichkeit, an der Gnadengaben offenbar wurden, die Wunder über Wunder sind. Und deswegen sind Gefängnisse für ihn zu Rosengärten geworden. Von dort blickt er hinüber nach den leuchtenden Horizonten der Ewigkeiten. Richtstätten wurden ihm Stätten der Verkündigung und Rechtleitung. Von dort aus erteilt er der Menschheit um eines erhabenen Zieles willen Unterricht in Ausdauer und Geduld, Unerschrockenheit und Standhaftigkeit. Gefängnisse verwandelten sich für ihn in eine Schule des ägyptischen Josef. Er betrat sie, wie ein Professor eine Universität zur Vorlesung betritt. Denn die sich dort befanden, wurden seine Schüler, die seines Segens und seiner Rechtleitung bedürftig waren. Jeden Tag einige Landsleute durch den Glauben zu retten und Verbrecher in den Zustand von Menschen gleich Engeln zu versetzen, war für ihn eine Glückseligkeit, gegen die er Welten nicht eintauschte.
   Ein solcher Mensch, begabt mit dem hohen Bewusstsein des Glaubens und der Aufrichtigkeit, befindet sich in einem Zustand, da er ohne Zweifel den Goldflitter der Ideale der Zeit und des Raumes, welche die Sterblichen prägen, der finsteren Welt der Materie überlässt, und wo seine Seele sich zu den lichtüberströmten Horizonten des Geistes erhebt.
   Siehe, diese hohe Stufe, welche die großen Mystiker (Sufis) als Fena-fi'llah und Baqa-bi'llah (aufgelöst und beständig in Gott vereinigt zu werden) schildern und beschreiben, ist dieser heiligen Ehre teilhaftig zu werden. Ja, jeder Gläubige wird sich der Gegenwart Gottes auf seine eigene Weise bewusst und versenkt sich darin, kennt seinen persönlichen Ausdruck von Demut, Verzicht und völligem Sich-Überlassen, entäußert sich in der ihm eigenen Art, schreitet voran. Und jeder kann entsprechend seinem Glauben, seiner Erkenntnis, dem Guten, das er tut, seiner Gottesfurcht und seinem Voranschreiten im geistigen Leben an der Freude Gottes und Seinem Wohlgefallen seinen Anteil erwerben. Jedoch dauert dieser Zustand der Schönheit und Güte, dieses Wohlbefinden in Gemeinsamkeit, diese Freude ohne Beispiel bei diesen großen Mudjahidin, welche die Güte oben angeführter Ayah erlangt haben, ungebrochen fort. Und aus diesem Grunde also verfallen sie nicht der Ghafla {Ghafla: Gleichgültigkeit gegenüber dem Jenseits bei gleichzeitig gesteigertem Kampf ums Dasein. (A. d. Ü.)} und vergessen ihren Herrn. Sie kämpfen ein Leben lang wie die Löwen gegen ihre Selbstsucht. Und jeder Augenblick ihres Lebens gemahnt daran, in welch hohem Grade sie sich ständig weiter entwickeln und vervollkommnen. Und mit ihrem ganzen Sein finden sie sich mit dem Herrn der Welten vereinigt in Seinem Wohlgefallen - mit Ihm, der mit den Attributen "Schönheit, Vollkommenheit und Majestät (Djemal, Kemal, Djelal)" bezeichnet wird. Möge der Herr auch uns in diese Schar der Glückseligen einreihen! Amin.
   Auf den obigen Seiten haben wir über den gewaltigen Glauben des großen Meisters gesprochen, der seine Freunde gleichermaßen in Freude und Erstaunen versetzte wie auch seine Feinde in Schrecken. Nun wollen wir noch ein wenig über die hohen Vorzüge, den Charakter und die Vollendung sprechen, welche diese Persönlichkeit gleich einem Lichthof umhüllt. Es ist ja bekannt, dass jene Persönlichkeit des Meisters durch folgende besondere Eigenschaften gekennzeichnet ist:    Entsagung: 
   Die wichtigste unter den Voraussetzungen für den Erfolg eines Mannes, der eine Lehre verkünden oder gar eine Reform durchführen will, ist die Entsagung. Denn Augen und Herzen haben die Neigung diesen wichtigen Punkt besonders genau zu untersuchen und zu prüfen. Das Leben des Meisters aber ist von allem Anfang an von wunderbaren Beispielen der Entsagung randvoll gefüllt.
   Von dem verstorbenen Allame Scheichu-l'Islam Mustafa Sabri Efendi hörte ich einmal folgenden Ausspruch über die Entsagung: "Der Islam erfordert heute solche Mudjahidin, die nicht nur bereit sind, das Diesseits, sondern auch das Jenseits zu opfern.". {D.h. nicht die Genüsse im Diesseits oder im Jenseits in den Mittelpunkt ihres Interesses zu stellen. (A. d. Ü.)} Dieses große Wort, das dieser große Mann geäußert hatte, habe ich zunächst nicht völlig verstanden. Es glich mir den geheimnisvollen Aussprüchen der Sufis in ihrer ekstatischen Verzückung. Und darum habe ich es auch nicht überall und jedermann zur Diskussion gestellt.
   Als ich jedoch eines Tages das gleiche Wort in einer jener hinreißenden, funkensprühenden Äußerungen von Bediüzzaman wieder las, da verstand ich, dass die Entsagung für die Großen ein Maßstab ist, der mit ihnen wächst... Ja, lässt denn Gott in Seiner Majestät (Djelal), der Erbarmer, der Barmherzige, der Freigiebige, der Erhabene, der Heilige, Seine Mudjahidin etwa im Stich, die um des Islam willen so vielem in so schmerzlicher Weise entsagt haben? Ja, gereichte es Ihm denn zur Ehre, Seine zu jedem Opfer bereiten Diener und Anbeter der Freigiebigkeit, Gnade und Barmherzigkeit beraubt zu lassen? Niemals!
   So ist also Bediüzzaman das glänzende Beispiel einer so außergewöhnlichen Erscheinung. Sein ganzes Leben lang ist er ledig und allein geblieben. Erlaubte weltliche Genüsse blieben ihm ganz und gar versagt. Nie fand er Zeit und Gelegenheit dem Gedanken zu verfallen, ein Heim zu begründen und darin ein zufriedenes Familienleben zu führen. Doch ihn hat Gott der Gerechte mit solchen Dingen begnadet, dass sie viel zu groß und gewaltig sind, als dass eine vergängliche Feder sie beschreiben könnte.
   Welches Familienoberhaupt ist heute - im übertragenen Sinne - so glücklich wie der ehrwürdige Bediüzzaman? Und wer ist Vater über Millionen von Kindern? Und noch dazu was für Kinder?!... Und welcher Meister konnte so viele Schüler heranbilden?...
   Diese heilige, geistige Verbindung wird sich - mit der Erlaubnis Gottes des Erhabenen - so lange die Welten bestehen mit der Kraft eines Sturzbaches fortsetzen. Denn dieser Ruf Gottes, der sich aus dem Lichtmeer des Qur'an herauskristallisiert hat, ist ein Phänomen, das aus dem Qur'an geboren wurde und mit dem Qur'an zusammen weiterleben wird.
   Liebe und Barmherzigkeit: 
   Der große Meister hatte Wahrheit und Wirklichkeit schon in seiner Kindheit gefunden. Ja sogar schon in den Tagen, da er sich in die Höhlen zurückgezogen hatte, um dem Ruf seines Herzens und dem Flehen seines Geistes zu lauschen, war er ein Gotteskenner geworden, der die Freude des Segens (feyz) und der Gegenwart Gottes in Gebet und Gehorsam, in Kontemplation (tefekkur) und Meditation (muraqqabe) genossen hatte.
   In jenen gefährlichen Tagen, da der furchtbare Albtraum der Gottlosigkeit und des Unglaubens die Welt der Muslime und infolge dessen auch unser Land mit nachtgleichen Wogen zu überziehen begann, sprang er wie ein Löwe, der von seinem Lager aufschnellt, dem tosenden Donnern eines berstenden Vulkanes gleich zum Kampf in die Arena. Und siehe: Auf Weisheit gestützt wurde seit diesem Tage ein jedes Wort von ihm einem Lavabrocken und jeder Gedanke einer Feuerzunge gleich. In wessen Herz es fiel, da entzündete es sie und entflammte seine Gefühle und Gedanken...
   Nachdem der große Meister sein Leben in der Einsamkeit und Zurückgezogenheit beendet hatte, warf er sich wieder ins soziale Leben, um die Menschen auf den rechten Weg zu leiten, welcher bedeutende geschichtliche Abschnitt in seinem Leben dem gleicht, das auch Imam Ghasali geführt hatte.
   Damit möchte ich sagen, dass Gott der Gerechte, Seine Lehrer (murshid) für eine Zeit lang in die Einsamkeit führt, erzieht, läutert und reinigt, bevor Er sie mit der Aufgabe betraut, die Menschen zu erleuchten und auf dem rechten Wege zu leiten. Und aus diesem Grunde überträgt sich der Atem, der ihrer Brust entströmt, reiner und klarer als ein Wassertropfen auf die Herzen, wo er dann völlig neue Wirkungen hervorruft...
   Wie ich bereits dargelegt habe, erreichte Bediüzzaman in unserem Jahrhundert auf dem Gebiet von Glaube und Aufrichtigkeit das, was Imam Ghasali vor neunhundert Jahren im Felde des Charakters und der Tugend geschaffen hatte.
   Ja, was Hazret-i Ustadh auf diesen fürchterlichen Kampfplatz trieb, war ganz beispiellose Liebe und Erbarmen. Darüber erfahren wir von ihm persönlich:
   "Wenn mich jemand fragt: Warum hast du diesen oder jenen belästigt?, so muss ich sagen: Ich habe es nicht bemerkt. Vor mir wütet eine fürchterliche Feuersbrunst... ihre Flammen lodern zum Himmel empor... darin brennt mein Kind... mein Glaube hat Feuer gefangen. Ich laufe, um diesen Brand zu löschen und meinen Glauben zu retten. Vielleicht wollte jemand mir unterwegs ein Bein stellen und ich bin über ihn gestolpert. Was hat das für eine Bedeutung? Hat dieser kleine Zwischenfall vor dieser fürchterlichen Feuersbrunst überhaupt noch eine Bedeutung? Kleinliches Denken, beschränkte Anschauungen..."
   Bedürfnislosigkeit: 
   Der Meister hat Zeit seines Lebens allen Schichten der Gesellschaft Tausende von Beispielen seiner Bedürfnislosigkeit gegeben. Sie sind wie ein Heldenepos in aller Munde. Er vermochte sich in seiner Bedürfnislosigkeit so völlig auf Gott zu beschränken, dass er sich in seinem gesamten leib-seelischen Da-sein auf die unausschöpfbare und unauslotbare Schatzkammer des Herrn der Welten stützte. Und im Verlaufe seines Lebens geschah dies nicht zur Vorsicht; vielmehr hatte er sie wie ein Bekenntnis, einen Charakterzug, eine Berufung angenommen. Und seine Beharrlichkeit darin setzt er noch immer fort, allen Hindernissen zum Trotz.
   Und was das neuartige an der Sache ist: Diese Berufung blieb nicht auf seine Person beschränkt. Sie übertrug sich auf seine Schüler wie ein heiliges Ideal. Es ist unmöglich, sich nicht für die Bedürfnislosigkeit eines "Nur (Licht)"-Schülers zu begeistern, der in das Meer des Lichtes (Nur) zu tauchen die Ehre gehabt hat...
   Sehen Sie nun, mit welch edlen Beweggründen der Meister in dem umfassenden Lehrbrief seines "Mektubat (Briefe)" genannten wunderbaren Werkes diesen wichtigen Punkt unter sechs Aspekten hinsichtlich Glaube und Erkenntnis erklärt hat:
   Erstens: 
   Diejenigen, welche sich im Irrtum befinden, beschuldigen die Wissenschaftler, sie würden ihre Wissenschaft um des Honorars willen betreiben... und sie greifen diese zu Unrecht an, indem sie behaupten, dass diese Wissenschaft und Glaube zu einer Einnahmequelle für ihren Lebensunterhalt umfunktioniert hätten. Deshalb ist es notwendig, diese durch Taten zu widerlegen.
   Zweitens: 
   Wir sind verpflichtet, für die Verbreitung der Wahrheit den Propheten zu folgen. Im Qur'an haben diejenigen, welche die Wahrheit verbreiteten,
اِنْ اَجْرِىَ اِلاَّ عَلَى اللّٰهِ، اِنْ اَجْرِىَ اِلاَّ عَلَى اللّٰهِ
{"Wir erwarten von niemandem Lohn, außer von Gott."}
gesagt und so vor den Menschen ihre Bedürfnislosigkeit erwiesen...
   So ist also der göttliche Sieg des Gesamtwerkes der Risale-i Nur stets ein Beispiel eines königlichen Werkes und das wundervolle Ergebnis einer heldenhaften Beständigkeit in der Berufung der Propheten. Und auf diese Weise hat der Meister seine Würde als Wissenschaftler gleich einem Diamanten gehütet; er hätte sie um nichts in der Welt verkauft.
   Und wie könnte schließlich ein Mensch nicht die Herzen rühren, der an Honoraren, Ämtern, Gütern und zahllosen anderen persönlichen und materiellen Vorteilen, von denenso viele sich gefangen nehmen lassen, kein Interesse hat? Und wie können gläubige Herzen nicht von seinem Segen und Licht erfüllt werden?
   Genügsamkeit: 
   Genügsamkeit ist nichts Anderes als eine ganz praktische Interpretation und Darlegung dessen, was wir schon zuvor als "Bedürfnislosigkeit" besprochen hatten. Will man also in das Schloss der Genügsamkeit hineingehen, muss man erst einmal durch die Türe der Bedürfnislosigkeit eintreten. Aus diesem Grunde entsprechen Genügsamkeit und Bedürfnislosigkeit einander wie Bedarf und Bedürfnis.
   Einem Mudjahid wie dem Ustadh, der sich die Bedürfnislosigkeit des Propheten als Beispiel genommen hatte, wurde Genügsamkeit so sehr zur zweiten Natur, dass ihm schließlich eine Tasse Suppe, ein Glas Wasser und ein Stück Brot am Tag genügten. Denn dieser große Mann lebte, wie der große und gerecht denkende französische Dichter Lamartin einmal gesagt hat: "Wir leben nicht, um zu essen, sondern wir essen, um zu leben."
   Nachdem ich den Charakter und die Berufung des Meisters ganz verstanden hatte, meine ich nun, es wäre des Guten zu viel getan, wollte man zur Betrachtung seiner weitgehenden Genügsamkeit lediglich einen Vergleich mit so einfachen Dingen wie Essen und Trinken heranziehen. Denn es ist notwendig, die weitgehende Genügsamkeit dieses großen Menschen auf geistige Bereiche anzuwenden und sie mit immateriellen Maßstäben zu messen.
   Zum Beispiel: Der Meister ist ein Genie, das die Fähigkeit, sich zu begnügen, nicht nur bei so einfachen Dingen wie beim Essen und Trinken und bei der Kleidung anzuwenden vermag, sondern auch für dergleichen innerliche und abstrakte Werte wie Denken, Geisteskraft, Begabung, Lernfähigkeit, Zeit und Gelegenheit, Selbstbehauptung und Mitteilung. Daran hat er sich ein Leben lang gehalten. Und die sorgfältige Befolgung und Beobachtung dieser Praxis hat er auch allen seinen Schülern ans Herz gelegt. Deshalb ist es auch keine leichte Sache, für einen "Nur"-Schüler eine Lektüre auszuwählen oder das rechte Wort an ihn zu richten. Denn des Meisters Wort "Achtung!" - eingeschrieben im Brennpunkt des Herzens seines Schülers - erwies sich ihm als ein äußerst empfindliches Kontrollinstrument.
   So also hat Bediüzzaman eine vollkommen lautere Generation von Schülern herangebildet und sich so in der Tat als ein kraftvoller Reformator und ein wahres Wunder an pädagogischem Können erwiesen. Und als Meister der Beherrschung stellt er in der Schöpfung eine solche Ausnahme dar, dass sein Name im Buche der Geschichte auf einer neuen pergamentenen Seite mit leuchtenden Buchstaben eingetragen steht.
   Schlichtheit und Bescheidenheit: 
   Diese beiden Eigenschaften haben ganz besonders zu der so wunderbaren Verbreitung seiner "Nur"-Werke in der Welt beigetragen und darin ihre tiefen Spuren hinterlassen.
   Der Meister trat während seiner Vorträge und in seinen Schriften niemals wie ein "Qutbu-l'Arifin" (Mittelpunkt der Gelehrten) oder "Ghauthu-l'Wasilin" (Oberster Kenner der Wahrheit) auf. Darum schlugen sehr rasch die Herzen ihm zu; er wurde geliebt mit einer reinen und aufrichtigen Innigkeit und seine erhabene Zielsetzung wurde sofort angenommen.
   Zum Beispiel: Oft, wenn er über Weisheit, Ethik und Moral sprach, Beispiele gab und Schlussfolgerungen zog, hielt er an sich selbst eine Rede oder auch einen Einführungsvortrag, um Grundsätze klarzustellen. Erster und einziger Adressat seiner scharfen und feurigen Ansprachen war sein eigenes Ich. Von da aus wie von einem Mittelpunkt auf die ganze Umgebung richten sie sich an alle Herzen, die sich nach Licht und Freude, Glück und Frieden sehnen.
   Der Meister war in seinem eigenen Leben ruhig und ausgeglichen und im höchsten Grade bescheiden. Er war bis zum letzten bereit auf alles zu verzichten und konnte keinem Menschen, ja nicht einmal einer Fliege etwas zu Leide tun. Er nahm zahllose Mühen und Anstrengungen, Sorgen und Entbehrungen auf sich... allerdings unter der Voraussetzung, dass der Glaube und der Qur'an nicht angetastet werden.
   Dann aber schauen Sie, wie dieses stille Meer zur Sintflut wurde, deren Wogen sich zum Himmel auftürmten, wie ein zorn-grollender Ozean die beschauliche Ruhe der Strände zerstört. Denn er war ein treuer Diener des erhabenen Qur'an und ein Soldat, der an den Grenzen des Glaubens Wache stand, bereit zu kämpfen und zu verzichten. Er selbst drückt diese Wahrheit kurz und treffend mit folgendem Satz aus: "Ein Wachsoldat auf Posten wird seine Waffe auch dann nicht aus der Hand legen, wenn der Oberste Befehlshaber vorbeikommt. Auch ich bin ein Diener und ein Soldat des Qur'an. In der Erfüllung meiner Pflichten sage ich die Wahrheit und beuge mich nicht, mag kommen wer mag..."
   Die nachstehenden Verse beschreiben sein Befinden in der Erfüllung der Pflicht und auf dem Schlachtfeld:
  Mich aufbäumend wie ein Pferd zerbreche ich die blutige Kandare,
Den heimtückischen Feinden - bewahre mich Gott - werde ich mein "Sein" 
{Benlik: Ich-sein, So-sein, Identität. (A. d. Ü.)}
  nicht verkaufen;
weit entfernt zu sein von meinem "Sein" bedeutet mir Gefangenschaft;    so in Schande zu fallen, was für eine erbärmliche Qual!
Nach ewiger Vereinigung mich sehnend verbringe ich jeden Augenblick...
Von der Macht Gottes erbaut ist eine Festung mein Glaube,
aus dieser heiligen Hoffnung welch eine Freude!
Sehen möchten mich im Paradiese die Zeugen, meine Väter...
Ewig mein Geist - Ewig mein Leben,
Zur Großen Vereinigung, zu Gott öffnet sich des Todes Tor. 
   Bevor wir nun mit dieser Lektüre der Biographie des Meisters beginnen, zunächst noch einige kritische Anmerkungen in wissenschaftlicher, mystischer und dichterischer Hinsicht, sowie in Bezug auf seine persönliche Lehrmeinung. Aber nachdem ich die Erfahrung gemacht hatte, dass sich die oben angeführten Aspekte wegen ihrer Tiefe und ihres Umfanges ganz bestimmt nicht auf wenigen Seiten abhandeln lassen, hielt ich es schließlich für besser, mich auf einige kurze Andeutungen zu beschränken.
   Insoweit mir mein Herr die Möglichkeiten dazu gewährt, möchte ich von ganzem Herzen diese tiefgreifenden Aspekte in Einheit mit dem Gesamtwerk der Risale-i Nur und der "Nur"-Schülerschaft in einem eigenen großen Werk kritisch untersuchen und studieren. Dazu erbitte ich die geschätzte Hilfe des Gebetes unseres großen Meisters und meiner lieben Brüder!
   Der Meister in wissenschaftlicher Sicht: 
  "Die Arbeit ist eines Menschen Spiegel - unbesehen seiner Worte.
Die Bedeutung des Verstandes eines Menschen wird an seinem Werk gemessen," 
   Mit diesen Worten bringt der verstorbene Ziya Pasha eine tiefe Wahrheit zum Ausdruck, die von einer Generation auf die andere als ein Grundsatz weitergegeben wird.    Ja, unserem muslimischen Volk, dem der Meister eine gewaltige Bibliothek des Glaubens und der Erkenntnis wie das Risale-i Nur Gesamtwerk geschenkt und in dessen Herzen er eine heilige Stätte des "Lichtes (Nur)" erbaute, die wissenschaftliche Größe dieser außergewöhnlichen Führerpersönlichkeit vor Augen führen zu wollen, wäre eine ebenso unnötige Arbeit, als wolle man am hellen Mittag einen Nachweis der Sonne führen.
  "Es gibt eine Schönheit, da einem jede Wahlmöglichkeit aus den Händen gleitet, wenn man sie betrachtet." 
   Diesen Ausspruch prägt einer unserer Dichter in seiner überschwänglichen Begeisterung. Dergleichen Manifestationen des Göttlichen wurden dieser gesegneten Persönlichkeit nahezu in jedem Augenblick ihres Lebens zuteil. Von seinem Wissen und seiner Erkenntnis, von seiner Ethik und seiner Vollkommenheit zu sprechen, gibt dem Menschen eine ganz andere Empfindung und eine göttliche Freude. Es fällt mir darum schwer, mich kurz zu fassen.
   Der Meister hat in den Risale-i Nur Werken die wichtigsten religiösen, sozialen, ethischen, literarischen, juristischen, philosophischen und mystischen Themen angeschnitten. Und sie alle hat er auch in wunderbarer Weise erfolgreich behandelt. Ganz besonders erstaunlich daran aber ist, dass er schwierigste Themen, über denen viele Wissenschaftler auf Abwege geraten waren, auf verständliche Art und zuverlässige Weise erklärte, sich dem erleuchteten Wege der "Ahl-i Sunna wa-l'Djema'a" {Leute des Brauchtums und der Gemeinschaft (Sunniten) (A.d.Ü.)} (die Anhänger des traditionellen gemeinsamen Weges) folgend an zahllosen abgrundtiefen Strudeln vorbei ans sichere Ufer brachte und so auch die Leser seiner Werke errettete.
   Deshalb ist es uns eine Ehre, das Gesamtwerk der Risale-i Nur unserem verehrten Volke mit absoluter Zuverlässigkeit und Aufrichtigkeit anbieten zu können. Die "Nur"- Werke sind die klaren Tropfen aus dem "Licht (Nur)"- Meer des Ehrwürdigen Qur'an und kristallen-funkelnde Strahlenbündel, die aus der Sonne seiner Rechtleitung hervorbrechen. Deshalb fällt es jedem Muslim als heilige Aufgabe zu, sich an der Verbreitung dieser lichtvollen Werke, die den Glauben retten werden, mit zu beteiligen. Denn im Laufe der Geschichte ist es sehr oft vorgekommen, dass ein Werk gar manchen Menschen, Familien, Gemeinschaften, ja ganzen Scharen ein Anlass zu Glück und Rechtleitung wurde... Welch eine Freude für einen Menschen, der seinem Glaubensbruder eine zuverlässige Stütze und Hilfe im Glauben sein durfte!
   Der Meister hinsichtlich seiner persönlichen Lehrmeinung: 
   Es ist ja bekannt, dass ein jeder Denker sein eigenes Denksystem hat, ein Gedankengebäude, dementsprechend er sein Leben einrichtet, ein Ideal, an das er sein ganzes Herz hängt. Um von seinem Denksystem, seinem Gedankengebäude, seinen Zielvorstellungen und Idealen berichten zu können, bedarf es einer längeren Vorrede. Um aber über das Denksystem, das Gedankengebäude Bediüzzamans, seine Zielvorstellungen und Ideale zu berichten, braucht man sich nicht erst lange mit Vorreden aufzuhalten. Sie lassen sich in einem Satz zusammenfassen:
   Die Verkündigung der "Göttlichkeit und Einheit des Schöpfers des Alls" ist der Inhalt aller Heiligen Schriften und die einhellige Lehre (da'wa) der Propheten und diese große Lehre (da'wa) beweist er auch mit den Beweismitteln der Wissenschaft, der Logik und der Philosophie.
   - Hat also der Meister auch eine Beziehung zur Logik, zur Philosophie und den positiven Wissenschaften?
   - Ja, solange Logik und Philosophie in Einklang stehen mit dem Qur'an und wirklich und wahrhaftig in seinem Dienst stehen, ist der Meister auch der größte Logiker und ein profunder Philosoph. Die glänzendsten Beweise und zuverlässigsten Zeugnisse, die er zum Beweis seiner heiligen und weltumfassenden Lehre verwendet, entnimmt er den positiven Wissenschaften, die mit jedem Tag mehr beweisen und verkündigen, dass der Ehrwürdige Qur'an "Gottes Wort" ist.
   Insoweit Philosophie Weisheit bedeutet, ist jedes Werk, das sich darum bemüht, die Notwendigkeit der Existenz (Vadjibu-l'Vudjud) des Erhabenen und Heiligen Herrn (Hazretleri) anhand der Attribute zu beweisen, die Seiner Schöpferpersönlichkeit entsprechen, die größte Weisheit und der Verfasser dieses Werkes der größte Weise.
   Weil also der Meister einen solchen wissenschaftlichen Weg, nämlich den lichtvollen Weg des Ehrwürdigen Qur'an, beschritten hatte, gelangte er zu der Ehre, den Glauben Tausender von Studenten zu retten. Hazret {Hazret: Ehrenvolle Anrede für Respektpersonen. (A. d. Ü.)} besaß hinsichtlich dessen noch sehr viele wissenschaftliche, literarische und philosophische Vorzüge. Diese aber möchte ich insha-a'llah in einer eigenen Arbeit gesondert darstellen und mit Beispielen aus seinen Werken belegen. Und Gott verleiht den Erfolg.
   Der Meister in mystischer Hinsicht: 
   Ich fragte einmal einen Scheich des Naqshibandi-Ordens, der stets darum bemüht war, sein ganzes Verhalten mit dem des Peygamber-i Dhishan Efendimiz Hazretleri (der ehrwürdige Herr Prophet, dem die Ehre gebührt) in Übereinstimmung zu bringen, und der ein großer Gelehrter war.
   - "Efendi Hazretleri, worin ist die Ursache für das gespannte Verhältnis zwischen den Gelehrten und den Mystikern (Sufis) zu suchen?"
   - "Die Gelehrten wurden die Erben und Nachfolger des Resul-u Ekrem Efendimis (der Prophet) und die Mystiker die Erben und Nachahmer seiner Taten. Aus diesem Grunde wird einer, der dem Stolz der Welt, sowohl hinsichtlich seines Wissens ein Nachfolger, als auch ein Nachahmer seiner Taten ist, Dhu-l'Djenaheyn (der mit den beiden Flügeln) genannt. Infolgedessen liegt also die Aufgabe eines Tariqat nicht darin, das zu tun, was allgemein erlaubt ist, sondern darin, sich darüber hinaus zu bemühen, der Ethik des Propheten zu entsprechen, sich von allen innerlichen Krankheiten zu reinigen und mit dem Wohlgefallen Gottes, des Gerechten in Einklang zu gelangen (fena-fi'llah). So sind also diejenigen, die zu dieser hohen Stufe gelangt sind, ohne Zweifel im Besitze der Wahrheit. Denn sie haben das Ziel erreicht, das sie im Orden erwartet und erstrebt haben. Weil es aber nicht für jedermann leicht ist, diese hohe Stufe zu erreichen, haben unsere Großen bestimmte Prinzipien aufgestellt, um die Erreichung dieses Zieles zu ermöglichen. Kurzum: ein Orden ist ein Kreis innerhalb des Kreises der Scheriah. Wer aus dem Orden herausfällt, der fällt in die Scheriah. Wer aber aus der Scheriah herausfällt - und da sei Gott vor! - der verbleibt für ewig in seiner Niederlage."
   Der Erklärung dieser großen Persönlichkeit entsprechend gibt es keinen substantiellen Unterschied zwischen dem Weg, den der Bediüzzaman eröffnet hat und dem reinen und wahren Tasauvuf (Mystik). Beides sind Wege, die (den Menschen) nach des Schöpfers und Gestalters (Bari') Wohlgefallen umformen und ihn so zu den Höhen des Paradieses und zur Anschauung Gottes (Maula; Herr) führen.
   Infolgedessen gibt es für einen Sufi-Bruder, der sich dieses erhabene Ziel gesteckt hat, keinen Grund, der ihn daran hindern könnte, das Risale-i Nur Gesamtwerk mit Freuden zu lesen; im Gegenteil: Die Risale-i Nur erweitert ihm den mystischen Meditationskreis im Sinne des Ehrwürdigen Qur'an und gibt ihm noch eine zusätzliche Kontemplationsaufgabe gleichsam als einen besonders wichtigen Rezitationsstoff hinzu.
   Ja, weil das Denken dem Herz und Sinn des Menschen völlig neue Horizonte eröffnet, sieht und schaut, beobachtet und betrachtet der "Salik", {Salik: Ein Ordensschüler, einer, der den Fuß auf den Weg gesetzt hat. (A. d. Ü.)} dessen Herz allein mit der Meditation beschäftigt ist, nun in der Einheit mit seinem Herzen und allen seinen Sinnen den Kosmos in all seiner Größe und gewaltigen Majestät von den Atomen bis zu den Planeten, nimmt in vollkommener Ekstase die Schönen Namen und erhabenen Eigenschaften war, mit denen sich Gott der Gerechte, in tausend und noch einer Weise der Welt offenbart und fühlt sich letzten Endes in einem Gotteshaus ohne Grenzen, und das im Grade der Sicherheit der Wahrnehmung, des Verstandes und der Wirklichkeit ('ayna-l'yaqin, 'ilme-l'yaqin, haqqa-l'yaqin). Denn der in dieses "Gotteshaus" eintretende betritt ein so großes Gotteshaus, dass darin eine Gemeinschaft von Abermilliarden Menschen in Liebe und Begeisterung, Demut, Ehrfurcht und Versenkung ihres Schöpfers gedenkt. Sie alle singen im Chor voll Begeisterung, in reinstem Wohllaut und in schönster Harmonie ihr Lied und rufen:
سُبْحَانَ اللّٰهِ ٭ وَالْحَمْدُ لِلّٰهِ ٭ وَلاَ اِلٰهَ اِلاَّ اللّٰهُ ٭ وَاللّٰهُ اَكْبَرُ
{"Gepriesen sei Gott! Lobpreis und Dank sei Gott! Es gibt keine Gottheit außer Gott! Gott ist groß!"}
Wer dem Wege folgt, den der Glaube, die Erkenntnis und der Qur'an in der Risale-i Nur eröffnet, der betritt solch ein gewaltiges und majestätisches Gotteshaus. Und jeder empfängt darin entsprechend seinem Glauben, seiner Erkenntnis und seiner dienenden Hingabe auch den Segen, die Gnade und den Erfolg (von Gott).
   Der Meister in literarischer Hinsicht: 
   Von jeher wurden die Literaten und Dichter, die Denker und Gelehrten hinsichtlich Geist und Buchstabe, Stil und Inhalt in zwei Gruppen eingeteilt. Manche unter ihnen haben nur auf Stil und Ausdruck, Metrik und Reim Wert gelegt und den Inhalt dem Ausdruck geopfert. Dies scheint sich sehr häufig in der Dichtkunst gezeigt zu haben.
   Die andere Gruppe legte sehr viel Wert auf die Bedeutung und den Inhalt und opferte nicht den Kern dem Wort.
   Am Schluss denke ich, dass ein großer Denker unter den Literaten, wie Bediüzzaman dieses kleine Vorwort leicht verstehen wird. Denn der Meister war ein Genie und sein Leben ein Segen; und sein Wert lag nicht darin, Wörter für die Ohren aufzustellen und einzuordnen, sondern im Gegenteil: eine Empfindung des Bekenntnisses, ein Bewusstsein des Glaubens und einen Sinn für Ethik und Moral für alle Zeiten und Generationen als einen Grundsatz einzuprägen, der mit den Menschen in den Herzen, dem Gemüt, dem Geist und dem Denken als ein heiliges Ideal fortleben wird. Und letztendlich kann sich ein Mudjahid, welcher der Welt und dem Leben entsagt hat, um eines so hohen Zieles willen, ganz natürlicher Weise nicht mit eitlen Dingen beschäftigen.
   Und dabei hatte der Meister, wenn man seinen Sinn für Schönheit betrachtet, seine Herzensbildung, seine Gedankentiefe und die Kühnheit seiner Träume noch dazu eine ans wunderbare grenzende dichterische Kraft und Fähigkeit. Aus diesem Grund ändern sich Ausdrucks- und Darstellungsweise entsprechend dem Inhalt. Will er z.B. den Verstand ansprechen, bei der Abhandlung von philosophischen oder naturwissenschaftlichen Themen überzeugen, logisch und mathematisch einen Beweis antreten, dann verwendet er kurze klare Sätze. Und auch in den herzerhebenden Augenblicken der Trunkenheit des Geistes erreicht er jene unbeschreibliche Klarheit reinsten Wassers. Wenn er z.B. die Himmel, die Sonnen, die Sterne, den Mondschein, ja sogar die Welten im Frühling und die in ihnen aufstrahlende Macht und Größe des Allweisen Herrn dieser Welten beschreibt, dann geht die Art seines Stils so sehr ins Subtile, dass schließlich ein jedes seiner Gleichnisse an einen geschmackvoll kolorierten Rahmen um eine Tafel erinnert, welche das Weltall ist... jede Beschreibung lässt eine Welt von Wundern über Wundern lebendig werden.
   Dieser Weisheit zur Folge wird ein "Nur"-Schüler, auch wenn er irgendeine Fakultät an einer Universität besucht - in seinen Gefühlen, seinen Gedanken, seinem Geist, seinem Verantwortungsbewusstsein, seiner Vorstellungswelt zufrieden gestellt.    Und wie könnte er auch nicht zufrieden gestellt sein, wo doch das gesamte Risale-i Nur Werk ein Strauß von Rosen ist, gepflückt in dem Garten der Welt des edlen Qur'an. Und deshalb finden sich auch in ihm dieses gesegneten göttlichen Gartens Licht, Luft, Duft und Strahlen...
  Alle Dinge bringen dieses Bedürfnis des Geistes zum Ausdruck: 
  Der Qur'an ist jeder Zeit das Bedürfnis des Menschen. 
  Ali Ulvi Kurucu     Einleitung 
   Um gleich damit zu beginnen: Wir müssen gestehen, dass diese Biographie des großen Meisters weit davon entfernt ist, eine vollständige Darstellung seines Lebens zu sein. Sehr viele Abschnitte wurden nur kurz gestreift. Ferner wurde die Mehrzahl der Vorgänge und Berichte, welche der Erhellung der Eigenarten seiner Persönlichkeit und der Offenlegung seiner Charakterzüge dienlich wären, nicht erwähnt. Es gibt sehr viele Ereignisse und Erzählungen, welche die vorgetragenen Ansichten und Überzeugungen bestätigen. Der einzige Grund dafür, dass wir nicht darüber sprechen, ist der, dass er selbst es nicht wollte.
   Vor allem erwähnte er sowohl in seinen Gesprächen als auch in seinen Briefen, dass diese Zeit eine Zeit der Gemeinschaft sei, und dass im Dienste des Glaubens persönliche Werte und Vorzüge nicht so wichtig seien wie der Geist dieser Gemeinschaft. So sei denn mehr als ein sterblicher Mensch die Risale-i Nur, deren Ursprung der weise Qur'an ist, zu betrachten. Oft gemahnte er daran, dass alle Achtung und Wertschätzung der Wahrheit des Qur'an gebührt, die in der Risale-i Nur zum Ausdruck kommt. Und als er hörte, dass man seine eigene Biographie vorbereite sagte er, dass die Einzelheiten nicht wichtig seien. Es sollen nur diejenigen Themen behandelt werden, die der Risale-i Nur dienen. So die Nachricht, die er schickte. Daraus erwuchs der Grund dafür, dass die Erzählungen, welche seine Person betreffen, aufs äußerste gekürzt worden sind. Was des Meisters Leben und darüber hinaus den Dienst an der "Nur" betrifft, so haben wir die Briefe, die Verteidigungsreden verschiedener Zeiten, Zeitungsartikel, welche die Ereignisse jener Zeit schildern gleichsam wie als Erinnerungsstücke niedergeschrieben. Auf diese Weise bildet dieses Werk eine authentische Quelle für die gebildeten "Nur"-Schüler der Zukunft. Die Herren Schriftsteller und Redakteure mögen mit seiner Hilfe insha-a'llah noch vollkommenere, der Wahrheit gemäßere, nutzbringendere Biographien erstellen.
   Dabei möchten wir noch daran erinnern, dass dieses Werk rein und unverdorben erhalten geblieben ist, weil wir seine Abfassung nicht Schriftstellern verschiedener Richtungen und unterschiedlicher Charaktäre überlassen haben. So ist es also nicht den Übertreibungen der Literaten entsprungen.
   Und noch einmal müssen wir bekennen: Wir können den strahlenden und leuchtenden Charakter der Risale-i Nur, sowie Leben und Moral Said Nursis in seiner Person gewordenen Tugendhaftigkeit und wunderbaren Tapferkeit, die ihm Form gaben, nicht durch Stil und Ausdruck in angemessener Weise zur Darstellung bringen. Was dieser Mann mit seinem aus hundertdreißig Einzelteilen bestehenden Gesamtwerk für die Staaten und Nationen, für die islamische Welt und für die ganze Menschheit geleistet hat, wird in diesem Werk nicht erschöpfend genug beschrieben und kann es auch gar nicht. Ein einziger Dienst unter tausend Diensten, die er allen erwiesen hat, ein einziger Abschnitt unter vielen Abschnitten seines Lebens, sein ans wunderbaregrenzender Mut, eine einzige Schrift aus seinem Gesamtwerk würden bereits genügen, eine bedeutende Biographie über ihn zu schreiben. Und es gab darin tausende unterschiedliche Eigenschaften, eine hohe Moral, den Dienst am Qur'an, die Begeisterung für den Glauben auf seinem Weg nicht nur in einem Dorf, einer Stadt, einem Land...
   So haben wir denn in unserem Band über den Meister, seine Natur und Philosophie, die persönlichen Erreignisse, eine ganze Fülle von Charakterzügen und Naturanlagen dieser Persönlichkeit bei der Zusammenstellung dieses Werkes nicht zur Beschreibung gebracht. Es ist notwendig, seinen Schülern und Dienern, die ihn während seiner verschiedenen Lebensabschnitte aus der Nähe beobachtet und erlebt haben individuell zuzuhören und mit ihnen zu sprechen, um eine ausführlichere Biographie des Meisters schreiben zu können.
   Es wurde bei dem Studium dieses Werkes sichtbar, dass heute nicht nur für Anatolien und die islamische Welt, sondern für die alle Menschen Wahrheiten von weittragender Bedeutung in Erscheinung getreten sind. Diese Wahrheiten - durch die Mitwirkung der Gemeinschaft zur Vollständigkeit ergänzt - werden als "Risale-i Nur und der Dienst am Glauben" und "Bediüzzaman und die Nur-Schüler" bezeichnet. In dieser Biographie tritt klar und deutlich zutage, worin diese Wahrheiten bestehen, was Ursprung, Ziel und Ideal dieser Bewegung sind, welche Einwirkungen sie auf das Volk, das materielle Leben des Einzelnen und der Gesellschaft und auf die Gewährleistung von Glück und Sicherheit der Nation haben. Aufgrund der Ergebnisse kann an diesem Lehrgebäude jeder nur seine Freude haben.
   Vielleicht kann man nun folgende Frage stellen:
   "Soll Said Nursi vielleicht durch diese Biographie der Menschheit als eine Art Übermensch gezeigt und beschrieben werden?" - Nein!...
   Für Menschen, welche das Wesen der Welt und des Lebens kennen, haben vorübergehender Glanz, Ruhm und Ruf überhaupt keinen Wert. Der Mensch, der die Wirklichkeit kennt, schenkt vergänglichen Dingen keine Beachtung, misst ihnen keinen Wert bei, wendet sich von ihnen ab und betrachtet sie nicht. So war auch Said Nursi in diesem Punkt ein großer Held des Geistes. Sein Leben war erfüllt von den verschiedensten Heldentaten, welche die Menschen in Erstaunen versetzten. Er opferte sich auf dem Wege der Wahrheit, achtete sich selbst für gering und wurde wegen seiner ungewöhnlichen Opferbereitschaft hochgeachtet. In der Gnade Gottes überwand er gewaltige Hindernisse und verbreitete seine heilige Lehre, ohne zu zögern, entgegen hunderter ablehnender Bewegungen und Haltungen seiner Zeit und bewahrte sie. So bewies er, dass er auf dem Wege von Recht und Gerechtigkeit sich selbst und alle seine persönlichen Interessen bereits vollständig geopfert hatte.
   Ja, Said Nursi hat durch das Genie seiner Persönlichkeit den Menschen in der Welt nicht etwa einen neuen Weg geöffnet. Diese Persönlichkeit hat all ihre Fähigkeit und ihr Ansehen einer ewigen Wahrheit in den Dienst gestellt und diese Wahrheit, die über allen Zeiten herrscht, erneut zu seiner Botschaft (dava) gemacht. In seinem Sein und Werk kommen alle jene hohen Eigenschaften und Vorzüge zum Vorschein und spiegeln einzig die Heiligkeit seines Rufes wieder. So wie eine Lampe, die sich inmitten tausender Spiegel befindet, je nach der Zahl dieser Spiegel noch erheblich an Wert gewinnt und in ihrer Mitte lichter und heller erstrahlt, weil in jedem Spiegel mit dem Licht eine neue Lampe zu erstrahlen beginnt, so war auch der Bediüzzaman auf Hazret-i Muhammed, mit dem Friede und Segen sei, ausgerichtet, welcher den Weisen Qur'an und den Islam in einer Weise erklärt, die allen zugänglich ist, eine geistige Sonne über allen Zeiten für diese Welt und ihre Bewohner. In ihrem Lichte erschien, einem Sprachrohr gleich, die Risale-i Nur zu geistigem Wachstum, ein lichtvolles Werk, ein heiliger Ruf, Segen und Kraft hunderttausender Menschen. Einem Spiegel gleich lebt sie in Herz, Sinn und Verstand und mit ihr das Andenken eines vorbildlichen Menschen und großen Denkers.
   Das also sind die Werte, die ihn geistig über das Leben hinaus erhoben haben. Er brachte den Irrlehren entgegen aus den zum Opfer bereiten gläubigen eine geistige Gemeinschaft hervor, richtete den Qur'an wie einen starken Wall auf und gab so den Gläubigen einen Stützpunkt. Er bezeigte einen festen und beständigen Glauben an seinen Heiligen Ruf, erweckte die Begeisterung in den Herzen der Gläubigen und entfachte in ihrem Geiste das Feuer der Liebe für den Islam. Er war bemüht, jenen bedauernswerten Menschen, welche das Vergängliche anbeten, Ewigkeit und Unsterblichkeit zu weisen und ihre Blicke darauf zu lenken. Trotz seiner hohen Aufgabe und seines frommen Dienstes war er sich jedoch in den menschlichen Pflichten gegenüber all seiner Fehler, Mängel und Schwächen stärker und schmerzlicher bewusst als jeder andere. Arm und schwach flehte er vor der Wohnstatt des Allbarmherzigen; in dem Verlangen nach dem Erbarmen und der Glückseligkeit für die Menschen, ein geliebter Knecht, arm und bedürfnislos. Ja er hat gesagt: "Wenn ich den Glauben eines Menschen retten kann, dann ist mir selbst noch die Hölle ein Rosengarten." Er hat nicht nur die Götzen der Eigenliebe und des Stolzes zerbrochen hinter sich gelassen, es ist einem jeden - Freund wie Feind - bekannt, dass er auch den Materialisten in dieser Welt, die alle Ursachen nur der Natur zuschreiben, ihre Götzen umstürzte und ihnen damit gleichsam einen Dienst erwies.
   So sind also die Schriften über Bediüzzaman, die ihn loben und ehren, in diesem Geiste verfasst worden.
   Aus manchen von Zeit zu Zeit in der Presse erscheinenden Veröffentlichungen weiß man, dass die Feinde des Glaubens und des Islam sich meistens Ausreden suchen und sich hinter Vorwänden verstecken, von wo aus sie die Religion angreifen. Sie sind nicht geradeheraus gegen den Islam und gegen den Glauben. Sie greifen diejenigen an, die der Religion dienen und trotz der verschiedensten Schwierigkeiten Opfer auf sich nehmen; diese stellen sie in den Augen der Öffentlichkeit als schlecht hin und fallen über sie her, um die Liebe des Volkes zu ihnen zu zerstören. So wollen sie die Diener des Glaubens veranlassen, ihre Aufgabe aufzugeben und so die Entfaltung des Glaubens verhindern. Damit erreichen sie dann, dass sich Glaubens- und Sittenlosigkeit ausbreiten. Wenn in einer demokratischen Staatsform von Glaubensfreiheit die Rede ist und gleichzeitig gesagt wird: "Religion ist Opium für das Volk", dann lässt sich leicht begreiflich machen, wie Glaubensbrüder und insbesondere diejenigen, die in den Dienst der Verbreitung des Islam getreten sind, durch Verlautbarungen vom Katheder des Regierungssprechers herab behandelt werden.    Solche fanden sich auch unter der damaligen Regierung unter denen, die den Bediüzzaman und die "Nur"-Schüler vor Gericht brachten. Sie verstecken sich hinter dem Vorhang des Gesetzes und übler Ideologien und handelten dahinter entsprechend ihrem persönlichen Hass und Geifer. Ihre Pflicht hätten sie tun sollen. Statt dessen griffen sie Bediüzzaman und seine Schüler an, verleumdeten sie und behandelten sie, als wären sie Staatsfeinde und Volksverräter. Und auch nachdem das Gericht sie bereits wieder freigesprochen hatte, ließen einige von denen, die mit der Durchführung der Gesetze beauftragt waren, in schamloser Weise das Gerücht verbreiten, Bediüzzaman werde bald hingerichtet werden.
   Wenn wir dies niederschreiben, möchten wir uns keineswegs gegen sie aussprechen, sondern lediglich der Wahrheit die Ehre geben. Vielleicht sind die meisten von ihnen für dieses Verhalten zu entschuldigen, handelten unter Zwang. Wie immer es gewesen sein mag, so beweist doch dieses Verhalten, wie heimliche Atheisten in den Kommiteen ihre Wühlarbeit betreiben, während Bediüzzaman vor Gericht gestellt und ihm der Prozess gemacht wurde. Sie konnten ihn vor Gericht nicht verurteilen und nicht den Ruf des Geistes zunichte machen. So brachten sie Ungerechtigkeiten, Verleumdungen und eine verlogene Propaganda gegen ihn auf. Alle gerechten Menschen, die diesen peinlichen Zustand sahen, zögerten nicht, zu äußern, dass er ein aufrechter Mann des Glaubens und der Wahrheit sei. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass die Würdigung Bediüzzamans und seine Laudatio und die Risale-i Nur beständig und immer wieder neu herausgegeben werden müssen, ohne kritisiert zu werden. Wer diesen Mann und seine Werke aufmerksam betrachtet, kann nicht umhin, ihm größtes Lob und höchste Anerkennung auszusprechen.
   Insbesondere die Gerichte und die Untersuchungskommissionen, denen er ausgeliefert war und die sein Leben und Werk durchforscht haben, bestätigen danach die in seinen Werken aufscheinende Schönheit und Vollendung. Deshalb haben sich innerhalb der einsichtigen und klardenkenden Schichten des Volkes, bei Leuten mit Herz und Verstand seit einem halben Jahrhundert die Ansichten und Auffassungen über Said Nursi und die Risale-i Nur gehalten und im Volke verbreitet. In der Tat erweist es sich als notwendig, hierin die Bestätigung für das Aufscheinen einer großen Wahrheit zu erblicken.
   Frage: 
   Gehen wir einmal von der Tatsache aus: Gott ist allwissend. Seine allwissend wohlwollende Zuwendung genügt. Große vollendete Persönlichkeiten verbergen sich immer. Was dagegen die Wahrheit in einer ewigen Welt betrifft, so wird sie unverhüllt in deren Mitte ausgegossen. Warum wird dann die Vortrefflichkeit der Risale-i Nur, Gottes Gnade und Freigiebigkeit so häufig erwähnt? Warum wurde dann dieser bewunderungswürdige Erfolg, wie er Said Nursi nach außen hin durch seinem Dienst am Qur'an erwuchs, wie auch seine gleichzeitig wachsende innerliche Vollendung an die Öffentlichkeit gebracht? Und warum wird überdies eine derartige Lobeshymne auch noch an die meisten seiner wissenschaftlichen Werke angehängt?
   Antwort: 
   Bezüglich dieses Themas finden sich überzeugende Antworten in verschiedenen Briefen. Hier eine kurze Zusammenfassung: Der Dienst der Veröffentlichung der Risale-i Nur Bediüzzamans geschieht unmittelbar im Namen des Qur'an. Dies wird um der Überzeugung eines jeden willen ins Gedächtnis gerufen zur Verbreitung der Wahrheiten des Glaubens, zur Stärkung und Festigung der Muslime im Glauben und in der Folge dessen zur Erhöhung der Religion des Islam, um die Angriffe der Feinde der Religion zurückzuweisen und um in der Welt bekannt zu machen, dass die Religion des Islam unter den Menschen nach innen und außen die Quelle und Essenz der Vollendung ist. Wie bereits oben erwähnt waren die Angriffe derer, die gegen ihn waren, dermaßen ungerecht. Said Nursi hat gegen schrankenlose Widersacher, zahlreichen mächtigen Feinden ins Gedächtnis gerufen, dass die Schüler der Risale-i Nur, zwar gering an Zahl, arm und schwach, aber dennoch stark im Geiste, in der Güte Gottes unsichtbare Hilfe, Ermutigung, Beharrlichkeit und inneren Halt empfinden, der aus der Risale-i Nur erwächst, die Anerkennung des Dienstes darstellt und die Gnade des Herrn ist, wodurch sie sich nun gegen ungerechte Angriffe und grundlose Verleumdungen verteidigen können.
   Des Weiteren schreibt Bediüzzaman in einem vorangegangenen Brief über seine Biographie: 
   "Ich muss gestehen, dass kein Grund dafür gegeben ist, dass ich der Ehre der Veröffentlichung eines solchen Werkes für würdig erachtet werden könnte. Aber es entspricht der Macht Gottes und Seinem Ruhm, aus einem völlig unbedeutenden Samenkorn einen Baum so groß wie ein Berg entstehen zu lassen, ein Ausdruck Seiner Wirkweise und ein Beweis Seiner Herrlichkeit. Ich schwöre und versichere: Ich habe nur den Ruhm der Risale-i Nur im Sinn, die Wahrheit des Qur'an, eine Säule, den Glauben zu stützen, zu beweisen und zu verbreiten. Ich danke hunderttausend mal meinem allbarmherzigen Schöpfer, dass Er mich nicht selbstzufrieden werden ließ, dass Er mir meine Fehler und Mängel gezeigt hat und ich nicht mehr den Wunsch habe, anderen meine triebverhafte Seele noch als angenehm erscheinen zu lassen. Es ist eine bedauernswerte Dummheit und ein Schaden, der Entsetzen einflößt, wenn ein Mann am Tore des Grabes wartet und die scheinheilige Eitelkeit dieser Welt nicht betrachtet. Aufgrund dieser meiner seelischen Verfassung weise ich auf die Vorzüge der Risale-i Nur als Eigentum des Qur'an hin, welche nur ein Sprachrohr der Wahrheit des Glaubens ist. Die in meinen Worten und Werken enthaltene Wahrheit und Vollkommenheit ist nicht von mir, sondern ist vielmehr Gut des Qur'an und ein Tropfen aus dem Qur'an. Da ich ein Vergänglicher bin und gehen werde, sollen und dürfen ganz gewiss bleibende Dinge und Werke nicht von mir abhängig sein. Ja, man sucht des Weines geschmackvolle Trauben nicht am dürren Weinstock. Siehe, auch ich werde wie solch ein dürrer Weinstock beurteilt."
   Ja, obwohl Said Nursi für die Risale-i Nur im Dienste des Qur'an und des Glaubens gegen die Gottlosen und die Gegner des Islam von Seiten des Volkes und der Regierung viel Hilfe, Unterstützung und Förderung benötigte, wurde er ganz im Gegenteil verleumdet und verdächtigt und eingesperrt. Es wurde gegen ihn intrigiert. Seine Werke wurden vernichtet. Um ihm das Volk zu entfremden, wurden die verschiedensten Bezichtigungen gegen ihn erhoben. Sicherlich fühlte er sich in seinem Wissen um die Wahrheit dazu verpflichtet, im Dienste an dem ehrwürdigen Qur'an und dem Prophetentum des verehrten Gesandten die Wahrheit zu sagen und zu verteidigen, um sie von gegnerischen Verleumdungen frei zu halten. Selbst angenommen den Fall, es wäre ihm von Seiten einiger Leute persönliche Schwäche angelastet worden, so hätte er doch zu Glück und Wohl der Allgemeinheit persönliche Nachteile mit in Kauf genommen. Deswegen ist es notwendig bei der Betrachtung rühmender Darlegungen und Veröffentlichungen hinsichtlich der Risale-i Nur die obigen Punkte zu beachten, weil man sonst dem Dienst schaden würde.
   Wir befinden uns nicht in einer Zeit, wo das Denken sich in engen Kreisen bewegt. Die Ungläubigen streben danach, ihren eigenen schlechten Ruf, ihre negativen Ideologien, ihre Pseudo-Helden, welche eigentlich Feinde des Islam sind, vor der Menschheit mit Lob und Anerkennung darzustellen, die sie nicht verdient haben, um dafür Beifall zu ernten. Es ist nicht notwendig, noch weiter zu gehen. Wenn aber nun diejenigen, welche diese entsetzlich gottlose Strömung lenken, von der unsere Welt schon umspült ist, als großartige Helden hingestellt werden, warum sollen dann die Muslime ihren wahren Glauben nicht rühmen und preisen, seine Hoheit und Vollendung nicht verkünden? Warum soll dann ein Gesamtwerk - ein Spiegel des Qur'an und eine Herausforderung an die gottlosen Strömungen unserer Zeit und Durchführung eines sehr großen Dienstes - und sein ehrenwerter Verfasser, der während dessen auch noch grenzenlosen Ungerechtigkeiten ausgesetzt bleibt, nicht gelobt werden? Dieses Werk, welches hier niedergeschrieben werden soll, ist keine abstrakte Abhandlung, sondern größten Teils als eine Antwort auf die Verleumdungen der Gegner gedacht und eine Veröffentlichung von Tatsachenmaterial.
   Das Leben des Meisters aus diesem Blickwinkel seines allumfassenden Dienstes betrachtet, teilt sich in zwei Phasen ein. 
   Erste Phase: 
   Sein Leben von seiner Geburt an, Erziehung, Ausbildung und Studium, sein Aufenthalt in Van, der Verlauf der Ereignisse in Istanbul, sein politisches Leben, seine Reisen, Teilnahme am Weltkrieg, Gefangenschaft in Russland, Mitgliedschaft in der Daru-l'Hikmeti Islamiye (Haus der islamischen Wissenschaften) in Istanbul, Dienst bei Kuva-yi Milliye (die Nationalen Streitkräfte) in Istanbul, Tätigkeit im Abgeordnetenhaus in Ankara.
   Kurze Zeit später wollte er sich wieder nach Van zurückziehen, um dort das Leben eines Einsiedlers zu führen. In dieser ersten Phase des Lebens des Meisters stellt jeder einzelne Abschnitt wieder einen anderen Akt auf der Bühne seines Lebens dar. Die erste Phase seines Lebens trug entscheidend zur Vorbereitung der zweiten im Dienste des Glaubens und des Qur'an bei. Nun war er zu dem zweiten großen Dienst bereit. Er hatte das fünfzigste Lebensjahr erreicht.
   Zweite Phase: 
   Diese beginnt mit seiner Verbannung von Van, wo er ein Einsiedlerleben geführt hatte, nach Barla im Westen, im Bezirk Isparta. Man hatte ihn dazu beauftragt, dort Wohnung zu nehmen. Dort erschien auch die Risale-i Nur. Von dort aus wurde sie verbreitet. Diesen Dienst für den Glauben und diesen geistigen Einsatz für die Religion leistete er, indem er sich mit der Risale-i Nur befasste mit größter Aufrichtigkeit, mit höchster Opferbereitschaft, mit höchster Ergebenheit, mit Ausdauer, Aufmerksamkeit und Bedürfnislosigkeit.
   Zu dieser zweiten Phase seines Lebens: Am Ende des Weltkrieges ist Zerstörung das Ergebnis. In der Welt sind Zivilisation und Humanismus unter den Menschen vernichtet. Das kommunistische Regime, das sich die Bekämpfung der "himmlischen Religionen" zum Grundsatz gemacht hat, beherrscht die Hälfte der Menschheit, verbreitet Angst in der Welt, versucht unser Land zu bedrohen und die geistige Zerstörung bleibt eine beständige Gefahr in unserer Epoche. Und diese Epoche sollte eine Epoche werden, die von einer Nation von Helden aufmerksam studiert wird, die tausend Jahre die Fahne des Qur'an vorangetragen und für ein ganzes Zeitalter dem Islam gedient haben.
   Bei der Abfassung der Risale-i Nur erwähnte der Meister, dass diese Werke, die wie ein Lichtglanz von dem Qur'an ihren Ausgang nehmen und ihren Siegeslauf durch alle Schichten der menschlichen Gesellschaft antreten , eine atheistische Invasion in unserem Lande verhindern werden. Er erblickte ihre Aufgabe darin, zum Wohle von Volk und Staat einen Schutzwall um den Qur'an zu bilden. Durch den Dienst an der Risale-i Nur sollte das Volk gewonnen werden. Das türkische Volk sollte wieder zu einer heldenhaften und opferbereiten Truppe des Islam werden. Und das Ergebnis der Verbreitung der Risale-i Nur und ihrer späteren öffentlichen Förderung, ihrer Übernahme durch das Volk und der Anerkennung der Wahrheit des Qur'an durch das Kultusministerium: materieller und geistiger Aufstieg der Nation durch die starke Kraft des Islam.
   Die Risale-i Nur - eine Standarte, ein Präludium, ein Epos auf die Wahrheit des Qur'an, aufgeführt in unserer Zeit. Sie ist eine Liebeserklärung unserer edlen Nation an den Islam, der unübertroffen ist in seiner Menschlichkeit, ein Ausdruck des Erwachens eines neuen, jungen und frischen Glaubens voller Liebe und Begeisterung. Darin finden wir die Lebensbedingungen in einem veränderten Zeitalter, die Ordnung für eine neue Welt und sie ist hinsichtlich der Glaubensanschauungen bedeutend für den mit Kraft und Stärke verbundenen Eifer und die islamische Begeisterung. Sie ist ein Zeichen dafür, dass Menschen heranwachsen, die zu opfern bereit und wach geworden sind, deren Herzen sich im Glauben, hoher Sittlichkeit und in der Liebe zum Propheten begeistern.
   Bediüzzaman hat in der Risale-i Nur, von niemandem öffentlicher- und privaterseits beeinflusst, ohne einen materiellen oder geistigen Vorteil daraus zu ziehen oder seine eigene seelische Haltung mit hinein zu verflechten, die Allgemeinheit unmittelbar aus der Weisheit des Qur'an zu fördern verstanden und indem er die Allgemeinheit ansprach ihr die Tatsachen gedeutet und so der Wahrheit Ausdruck verliehen. Aus den Werken, die er verfasste, vermag jeder einen Nutzen zu ziehen. Sie ist nicht nur für eine einzelne Gruppe, eine Klasse des Volkes bestimmt. Diese Biographie wird die Blicke der Leser auf die Risale-i Nur richten, welche das Licht der Weisheit des Qur'an ist in dieser Zeit, und daraus wird sich ihr Nutzen erweisen. Said Nursi jedoch arbeitete opferfreudig im Dienste des Qur'an und erwies sich in der Befolgung prophetischer Tradition als eine Persönlichkeit, welche ein Beispiel zur Nachahmung gibt. Was die Biographie betrifft, so ergibt sich aus einigen nachgelassenen Briefen Folgendes:
   Said Nursi hatte einige Zeit lang als Philosoph in seinem Werdegang große Fortschritte gemacht. Danach war er unter der weisen Führung des Qur'an in der Wahrheit und Gerechtigkeit herangereift, hatte sich mit den theoretischen und praktischen Wissenschaften beschäftigt und sodann sein Werk herausgebracht, um diejenigen, die bis dahin Zweifel und Unsicherheit ausgesetzt waren, von ihren Unsicherheiten durch vernunftgemäße Beweise zu befreien.
   Weg und Wegleitung ist unter den Lebensbedingungen unserer Zeit und in Anbetracht des seelischen Zustandes des Menschen die Straße des Qur'an: die sicherste, kürzeste und umfassendste, die vom Anfang bis zum Ende über Kenntnis und Nachdenken führt. Für alle, die im gesellschaftlichen Leben die verschiedensten Aufgaben verichten, ist sie ein großer Gewinn. Wer die Risale-i Nur liest und die Lehre daraus zieht, gewinnt einen durchdachten Glauben und macht seine weltlichen Aufgaben und Pflichten zu einem Anlass, das Leben danach und das Ewige Glück vorzubereiten und eine große Seligkeit zu erlangen. Die Gebildeten, welche diese große Wahrheit in der Religion des Islam erfasst haben, werden es sicherlich als großes Glück empfinden, den Dienst am rechten Glauben auf sich zu nehmen und unter der Menschheit, die die Wahrheit sucht, aber nicht findet, zu verbreiten. Ja, Schüler, Professoren, Abgeordnete, wer immer es auch sei und zum Kreis der Verantwortlichen gehört, sind verpflichtet, in ihrer Umgebung Klarheit darüber zu bringen. Es ist jedoch unbedingt erforderlich, dass diejenigen, die für Glück und Sicherheit einer Stadt, ja sogar eines Landes und dessen erleuchtete Führung verantwortlich sind, noch weit mehr Umsicht an den Tag legen. Said Nursi hat diesem Volke mit der Risale-i Nur einen großen Dienst erwiesen und ihm damit großen Nutzen gebracht. Als Gegenleistung erwartet er für seine Person noch nicht einmal Dank, obwohl an seine Person Briefe gerichtet wurden, die ganze Lob- und Preishymnen enthalten. Er hat sie nur zugunsten der Risale-i Nur angenommen, damit sie den Lesern ein Zeichen für den Wert der Risala seien. - Wahrlich - was Said Nursi von diesem Volk und seiner Jugend erwartete: sich durch den Glauben ihr Glück im Diesseits und im Jenseits zu verdienen. Deshalb stellte er die Risale-i Nur auf die Grundlage des Qur'an als das Lehrwerk seiner Zeit. Er wollte, dass die Wahrheit des Qur'an an jedem Platz und in jedem Kreise verbreitet werde. Er wies öfter darauf hin, dass die Risale-i Nur für Volk und Staat das einzige Heilmittel gegen eine zuwiderlaufende Entwicklung sei. Dies war seine gute Nachricht.
   Diejenigen, welche den Dienst des Meisters, der doch nur auf das Wohlgefallen Gottes ausgerichtet war, seine Haltung und seine Tüchtigkeit anderen Zielen und Zwecken zuschreiben wollen, verraten damit lediglich ihren Mangel an Scharfsinn. Die Größe menschlichen Wesens und das wahrhaft ersehnte Glück seines Geistes strahlt nur am Horizont des leuchtenden Pfades göttlichen Wohlgefallens auf, den der Qur'an weist. Wenn Bediüzzaman der Menschheit diesen Horizont und den Weg der dahin führt, weist, so verkündet er damit in der Risale-i Nur den Gefährten des Rechten Weges, wie unbedingt notwendig es ist, sich dem lichten Zug der Karawane anzuschließen; und das beweist er dem Menschen auch.
   So möchten wir denn mit der Vorbereitung dieses bescheidenen Werkes der Wahrheit einen kleinen Dienst erweisen. Wir geben dieses Werk heraus als eine authentische Quelle für alle diejenigen, die sich glücklich schätzen dürfen, zu den Gebildeten der Zukunft zu gehören. Eine Biographie von noch größerer Breite und Tiefe vorzubereiten, ist unser Wunsch.
وَ مِنَ اللّٰهِ التَّوْفِيقُ
{"und führwahr von Allah der Erfolg!"}
  Die Herausgeber 
  * * * 
 

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Erster Teil 
  Kindheit und Jugendzeit 
   Bediüzzaman Said Nursi wurde im Jahre 1294 n.H. {Islamische Zeitrechnung beginnend mit dem Jahre der Flucht des Propheten von Mekka nach Medina 622 (A.d.Ü.)} (1877) im Dorfe Nurs des Bezirks Isparit, des Landkreises Hizan, der zur Provinz Bitlis gehört, geboren. Bis zum neunten Lebensjahre blieb er bei seinen Eltern. Zu dieser Zeit trieb ihn sein Seelenzustand dazu an, genauer zu untersuchen, wie weit sein großer Bruder Molla Abdullah, Student, in der islamischen Wissenschaft fortgeschritten sei. Er reiste zu Molla Abdullah und war hingerissen und davon begeistert, in welchem Maße sich dieser durch das Studium entfaltet hatte, im Vergleich zu seinen Dorfgefährten, die nicht studiert hatten. Aus diesem Grunde fasste er mit einem wahren Feuereifer ein Studium ins Auge und in dieser Absicht begab er sich in das im Bezirk Isparit Ocak gelegene Dorf Tagh zur Schule des Molla Mehmed Emin Efendi. Er blieb aber nicht lange. Entsprechend seiner Veranlagung bemühte er sich immer darum, seine Würde
{(*): Dieses Ehrgefühl des Molla Said schon in seinem frühen Alter kam nicht aus Selbstsucht. Gott, der Allmächtige, hatte diesem Seinem Diener, dem künftig gnädig der Dienst an der Erhöhung des Wortes Gottes gegeben sein sollte, die Würde des Wissens geschenkt, ein notwendiges Element des Charakters, um diesen Dienst recht angemessen leisten zu können. Vielleicht kannte der Molla noch gar nicht das Wesen und die Weisheit dieser Würde. Aber die Zeit hat gezeigt, dass der Herr der Wahrheit diese Würde in die Seele des kleinen Saids schon wie einen kleinen Samen eingepflanzt hatte, eine Voraussetzung, um den großen und umfassenden Dienst am riesigen Baum der Risale-i Nur leisten zu können.}
zu bewahren und er vermochte auch nicht, selbst ein kleines herrisch gesprochenes Wort zu ertragen. Dies war der Grund seiner Trennung von der Schule. Er kehrte wieder nach Nurs zurück. Weil es aber in Nurs keine eigene Schule gab, beschränkte man sich darauf, dass sein großer Bruder ihm einmal in der Woche Stunden gab, wenn er nach Hause kam. Ein wenig später besuchte er den Flecken Pirmis, dann einen Scheich {Das Wort Scheich würde auf Deutsch etwa "Lehrer, Älterer" bedeuten und wird für religiös gebildete Menschen und Lehrer von religiösen Bruderschaften (tariqat) gebraucht. (A.d.Ü.)} auf der Hochebene von Hisan. Auch dort verhinderte es seine Unduldsamkeit gegenüber Gewalt und Unterdrückung, mit vier Schülern in Eintracht zusammenzuleben. Da diese vier Schüler sich gegen ihn zusammentaten und ihn fortwährend belästigten, suchte er eines Tages Scheich Seyyid Nur Muhammed Hazretleri auf. Und da er sich wegen seiner offensichtlichen Unterlegenheit nicht über seine Mitschüler beschweren wollte, so sagte er:
   "Scheich Efendi, sagen Sie ihnen doch bitte, sie möchten mich doch nicht alle vier zur gleichen Zeit verprügeln, sondern nur zwei und zwei!"
   Scheich Nur Muhammed, dem die Tapferkeit des kleinen Said gefiel, antwortete:
   "Du bist mein Schüler und niemand darf dich anfassen!"
   Später wurde er in Erinnerung an die Anekdote "Schüler des Scheichs" genannt. Nachdem er dort eine Weile geblieben war, ging er mit seinem Bruder Molla Abdullah in das Dorf Nurshin. Da es Sommer war, zogen sie zusammen mit den Schülern und den Bewohnern auf die Hochebene Scheyhan. Dort stritt er sich eines Tages mit seinem Bruder Molla Abdullah. Mehmed Emin Efendi, der Direktor der Schule von Tagh, sagte zu dem kleinen Said: "Warum hörst du nicht auf die Weisung deines Bruders?!" Und er war über diesen Vorfall aufgebracht.
   Sie befanden sich aber auf einer Schule, welche dem berühmten und ehrwürdigen Scheich Abdurrahman gehörte. Darum gab er seinem Lehrer Folgendes zur Antwort: "Mein Herr, in Anbetracht des Umstandes, dass wir beide uns hier in dieser Tekke befinden, sind Sie ein Schüler genauso wie ich. Und deshalb haben Sie hier als Lehrer kein Recht." Und kehrte noch in der Nacht zurück nach Nurschin. Dabei musste er noch durch einen Wald hindurch, den zu durchqueren schon bei Tage für jeden schwierig war.
   Zum Organisatorischen einer Privatschule in Ostanatolien gehörte Folgendes: Ein Gelehrter mit Lehrberechtigung, eröffnete in einem Dorf, das ihn darum gebeten hatte, um Gotteslohn eine Schule. Für die Bedürfnisse der Studenten sorgte der Besitzer der Schule, oder - wenn er dazu nicht in der Lage war - die Bevölkerung. Der Lehrer gibt den Unterricht kostenlos. Die Bevölkerung nahm die Sorge für Unterkunft und Verpflegung der Studenten auf sich. Unter ihnen empfing nur Molla Said in keiner Form einen Sekat. Er nahm niemals Sekat oder sonst irgendwelche Geldgeschenke an, die ihn hätten zur Dankbarkeit verpflichten können.
{(*): Der Grund dafür, dass er Sekat (Armensteuer), Sadaqa (Spenden) und Geschenke nicht ohne Gegenleistung annahm und die Weisheit, die darin liegt, werden im "Zweiten Brief" der Risale-i Nur und in anderen Abhandlungen dargelegt. Damit Molla Said in der Zukunft durch die Risale-i Nur und diesen Dienst am Glauben in vollkommener Aufrichtigkeit durchführen und diesen Dienst auch beständig leisten könne, war das folgende heilige Prinzip schon in seinem jugendlichen Alter durch die Gnade Gottes wie ein Leitmotiv in seinem Geiste eingeschrieben: "Für einen Dienst an der Ewigkeit soll man nichts verlangen."}
   Nachdem er in Nurschin eine Weile gewesen war, kehrte er nach Hisan zurück. Später kehrte er dem Schulleben den Rücken und lebte an der Seite seines Vaters bis zum Frühling zu Hause. Im Verlauf dieser Ereignisse träumt er folgendes:
   Der Jüngste Tag ist angebrochen. Das Weltall ist neu entstanden. Molla Said überlegt, wie er den Propheten, mit dem Friede und Segen sei, treffen könne. Endlich kommt ihm der Gedanke, zur Brücke des Paradieses zu gehen und dort zu warten: "Jeder kommt dort vorüber. Auch ich werde dort warten," sagt er und geht zur Brücke des Paradieses. Er begegnet all den ehrwürdigen Propheten, demütig, einem nach dem anderen. Als er gerade auch unserem Herrn, dem Propheten begegnet, da erwacht er.
   Die Segnung, welche ihm aus diesem Traum erwuchs, erweckte in ihm schließlich eine große Begeisterung für das wissenschaftliche Studium.
{(*): In seiner Biographie ist dieses Erlebnis nicht geschildert worden. Wir haben später festgestellt, worum es in diesem Traum ging. Molla Said bat den Propheten (asm) um Unterweisung (ilm). Der Prophet (asm) verlangte von Molla Said, dass er sich vom Qur'an unterrichten lassen sollte, und dies ohne irgendwelche Fragen zu stellen. Es geschah wirklich so. Schon in der Kindheit wurde er berühmt als ein großer Gelehrter seiner Zeit. Er stellte niemandem Fragen. Er selbst aber beantwortete alle ihm gestellten Fragen.}
Nachdem er von seinem Vater dazu die Erlaubnis erhalten hatte, begab er sich in den Bezirk Arvas, um sein Studium aufzunehmen. Dort erteilte der berühmte Molla Mehmed Emin Efendi den Unterricht. Doch er ließ sich nicht dazu herab, die Stunden selbst zu geben, sondern beauftragte einen seiner Schüler, ihn zu unterrichten, was Saids Ehrgefühl missfiel. Als eines Tages der berühmte Lehrer in der Moschee eine Vorlesung hielt, erhob Molla Said den Einwand: "Nein mein Herr, so verhält es sich nicht!" Und er hielt eine Ansprache. Er rief ins Gedächtnis, dass es nicht erniedrigend sei, Stunden zu geben.
   Nachdem er eine Zeitlang dort geblieben war, ging er zur Mir Hasan Veli Schule. Als er bemerkte, dass man an dieser Schule gewöhnlich den neuangekommenen Schülern, die noch auf den unteren Stufen lasen, keine Beachtung schenkte, sagte er, dass er in der Reihenfolge der Bücher, welche zu lesen waren, das achte Unterrichtsbuch beendet habe; so hatte er die Lektüre von sieben Büchern unterlassen.    Aber schon ein paar Tage später ging er nach Vastan, einer kleinen Stadt, und blieb dort knapp einen Monat, der Luftveränderung wegen. Endlich schloss er sich einer Persönlichkeit namens Molla Mehmed an und begab sich in seiner Begleitung nach Beyazid in der Provinz Erzurum. Und so begann nun zu diesem Zeitpunkt seine tatsächliche Ausbildung. Denn bis dahin hatte er sich immer nur mit Vorübungen, wie Formenlehre, Satzbau und Ausdruck, beschäftigt. Diese eigentliche und gediegene Ausbildung bei dem ehrwürdigen Scheich Mehmet Celali in Beyazid setzte er etwa drei Monate lang fort. Aber es war dabei etwas recht Eigentümliches. Denn er hatte nach der Lehrmethode in Ost-Anatolien vom Lehrbuch "Molla Cami" an bis zum Ende den gesamten Unterrichtsstoff bewältigt. Er erreichte dies dadurch, dass er aus jedem Buch ein, zwei, höchstens zehn Lektionen auswählte und das Übrige vernachlässigte. Als der ehrwürdige Lehrer Scheich Mehmed Celali ihn fragte, warum er das so mache, antwortete Molla Said: "Ich bin nicht dazu imstande, so viele Bücher zu lesen und zu verstehen. Indessen sind diese Bücher ein Schmuckkästlein, zu dem der Schlüssel bei Ihnen liegt. Ich bitte Sie nur ergebenst, mir zu zeigen, was sich in diesen Kästchen befindet, d.h. mir zu erklären, wovon diese Bücher handeln. Danach werde ich mir das erarbeiten, was meiner Veranlagung gemäß ist."
   Es war aber im Wesentlichen seine Absicht, Gedanken, Reformen, Pläne und Lehrmethoden, wie sie bereits fertig vor seinem geistigen Auge standen, in der Schule zu verwirklichen und eine existenzielle Erneuerung zuwege zu bringen, ohne seine Zeit mit einer Unzahl von Anmerkungen und Erläuterungen zu verlieren.
{(*): Es wurde schon gezeigt, wie er mit dem Gesamtwerk der Risale-i Nur eine Erneuerung in der Theologie hervorbrachte. Die Risale-i Nur besteht aus 130 Teilen. Sie wurden in 23 Jahren vollendet. Er hatte ein solches Wissen erworben, wie man es sonst in 15 Jahren erwirbt. Dies ist ein unsichtbarer Hinweis: "Eines Tages wird eine Zeit kommen, da keine Schule die Glaubenserkenntnis in 15 Jahren, auch nicht in einem Jahr vermitteln wird. Nur ein erleuchtender Qur'ankommentar wird den Interessierten die Glaubenserkenntnis in 15 Wochen statt 15 Jahren vermitteln. Und Said wird seinen Dienst leisten." Es geschah genau so. Die Risale-i Nur verbreitet in hunderttausend Exemplaren überall den Unterricht der Wahrheit des Glaubens trotz der Angriffe der atheistischen Organisationen und der Korruptionsgesellschaften. Durch den Eifer tausender Schreibkräfte und ohne Verwendung der Drucktechnik wurden die neuen Lektionen aus dem Qur'an überall verbreitet. Dies stärkte den Glauben von Millionen. Diese Tat, der Glaubensdienst und die erhabenen, doch allgemein verständlichen Lektionen der Risale-i Nur in Anatolien zogen die Aufmerksamkeit der Menschen an. Infolge der Gerichtsprozesse und der polizeilichen Untersuchungen ließ Gott der Gerechte die Politiker und die Regierenden die Risale-i Nur studieren. Dadurch verbreitete sie sich unter den Studenten und den Schülern. Und dadurch vermehrte sich auch die Zahl der jungen Idealisten des Islams und des Glaubens. Dadurch wurden auch die Angriffe des absoluten Unglaubens und Irrglaubens zunichte gemacht. Die religiösen Strömungen im Lande entwickelten sich. Mit Gottes Erlaubnis erschien jetzt die wahre Morgendämmerung der islamischen Freude, die über die islamische Welt und die Menschheit heraufbricht. Elhamdu-li'llahi Rabbi-l'alemin (Gelobt sei der Herr der Welten).}
Auf diese Weise benötigte er statt der sonst notwendigen zwanzig Jahre Studium von Essenz und Quintessenz der theoretischen und praktischen Wissenschaften nur drei Monate, um sich diese Kenntnisse anzueignen und sie zu vervollkommnen.
   Daraufhin fragten seine Lehrer: "Welche Wissenschaft würde denn Ihrer Veranlagung entsprechen?" Er antwortete ihnen: "Ich mache keinen Unterschied zwischen den einzelnen Zweigen der Wissenschaft. Ich möchte die ganze Wissenschaft umfassend verstehen können oder gar nicht."
   Welches Buch auch immer er in seine Hand nahm: er gewann seine Einsicht und Nutzanwendung daraus.
   Innerhalb von 24 Stunden erarbeitete er sich selbst Bücher von zweihundert Seiten wie "Djem'ul-Djevami" (ein Buch über vier Rechtschulen), oder "Ibn'ul-Hadjer" (ein Hadith Kommentar), oder "Sherh'ul-Mevakif" (eine Abhandlung über die Länge der Vokale). In dem Maße, in dem er sich in die Wissenschaften hineinversenkte, entschwand die Außenwelt aus seinem Interessenbereich. Aus welchem Zweig der Wissenschaften auch immer man ihm eine Frage stellen mochte: er wusste ohne einen Zweifel sofort die Antwort zu geben.
  * * * 
   Ein Kurzer Blick auf seine damalige Lebensweise 
   Erstens: 
   Er nahm den Weg derer auf sich, die dem Pfade iranischer Philosophen folgen und begann, sich in Askese und Selbstverleugnung zu üben und nach dem Gesetz der Stufenfolge dieser Philosophie seinen Körper an Entsagungen zu gewöhnen. Aber dieser Stufenfolge nicht achtend tauchte er mit einem einzigen Sprung hinein in die Selbstentäußerung. Von Tag zu Tag ließ die Leistungsfähigkeit seines Körpers nach und er begann immer schwächer zu werden. Drei Tage lang begnügte er sich mit einem Stückchen Brot. Nach den Regeln dieser Philosophie, die besagen: "Entsagung öffnet die innere Sichtweise", bemühte er sich, es diesen Philosophen gleich zu tun.
   Zweitens: 
   Entsprechend dem Grundsatz, den der ehrwürdige Imam Ghasali in "Ihya-ul-ulum" (die Erneuerung der Wissenschaften) aus dem Blickwinkel eines Sufis betrachtet
دَعْ مَا يُرِيبُكَ اِلٰى مَالاَ يُرِيبُكَ
{"Lass ab von dem, was dir zweifelhaft erscheint und halte dich stattdessen an das, was ohne Zweifel ist!"}
verzichtete er sogar eine Zeit lang auf Brot und begnügte sich mit Gras.
   Drittens: 
   Er sprach selten. Er schloss sich im gesegneten Mausoleum des genialen ehrwürdigen kurdischen Dichters Molla Ahmed Hani ein und verbrachte gelegentlich auch die Nacht in diesem Gewölbe, das man selbst bei Tage mit Furcht betritt. Deshalb sagten die Leute über Bediüzzaman: "Er erfreut sich des Segens des ehrwürdigen Ahmed Hani." Und sie führten diese Umstände auf die Keramet (Wunder) der obenerwähnten Persönlichkeit zurück. Zu dieser Zeit war er dreizehn, vierzehn Jahre alt. Später beschloss er dann, führende Persönlichkeiten der Wissenschaft aufzusuchen. Und er bat seinen Lehrer um die Erlaubnis, Baghdad besuchen zu dürfen. Dann bekleidete er sich nach der Art der Derwische. {Ein Derwisch ist einer, der der Welt entsagt hat und dem in seinen unaufhörlichen Wanderungen nichts außer der Vertiefung seiner Beziehung zu Gott gehört. (A.d.Ü.)} Und in der Absicht, nach Baghdad zu gehen, nahm er seinen Weg, Tag und Nacht durch die Berge und Wälder wandernd und gelangte nach Bitlis. In Bitlis blieb er bei dem ehrwürdigen Scheich Mehmed Emin Efendi und fand sich an zwei Tagen zu dessen Vorlesungen ein. Der Scheich Mehmed Emin Efendi schlug ihm vor, sich nach Art der Gelehrten zu kleiden. Aber Molla Said antwortete ihm:
   "Ich bin noch kaum den Kinderschuhen entwachsen. Deshalb schickt sich die Kleidung eines ehrenwerten Professors nicht für mich. Wie kann ich denn ein Lehrer sein, wenn ich doch noch ein Kind bin?" Und er nahm den Vorschlag nicht an.
   Danach begab er sich zu seinem Bruder nach Schirwan. Als er dort seinen großen Bruder das erste Mal wieder zu Gesicht bekam, fand zwischen ihnen das folgende kleine  Zwiegespräch statt:
   Molla Abdullah:
   "Nach deinem Weggang habe ich das Buch Sherh-i Shemsi zu Ende gebracht. Und was hast du gelesen?"
   Bediüzzaman:
   "Ich habe achtzig Bücher gelesen."    Molla Abdullah:
   "Was sagst du da?"
   Bediüzzaman:
   "Ich habe sie alle vollständig durchgearbeitet und noch dazu eine ganze Reihe von Büchern gelesen, die du gewöhnlich nicht mit dazu rechnest."
   Molla Abdullah:
   "Und wenn dem so ist, darf ich das dann nachprüfen?" Bediüzzaman:
   "Ich bin bereit. Frag mich, was du willst!"
   Molla Abdullah prüfte seinen Bruder und erkannte seine wissenschaftlichen Fähigkeiten an. Er nahm Molla Said, der noch vor acht Monaten sein Schüler gewesen war als seinen Lehrer an. Und wenn er das auch noch vor seinen Schülern verheimlichte, so begann er doch, bei seinem kleinen Bruder Unterricht zu nehmen. Denn natürlich wollte er es sich nicht anmerken lassen, dass er seinen Bruder, den er doch zuvor noch selbst unterrichtet hatte, zu seinem eigenen Lehrer gemacht hatte. Schließlich guckten die Schüler heimlich durch das Schlüsselloch der Tür und bemerkten zu ihrem Erstaunen, dass Molla Said Molla Abdullah Stunden gab und befragten ihn darüber. Molla Abdullah antwortete:
   "Möge der böse Blick ihn nicht treffen! Ich gebe ihm Unterricht!" Und er täuschte die Schüler.
   Nachdem er eine Zeit lang bei Molla Abdullah verweilt hatte, ging er nach Siirt. Dort fand er die Schule des Molla Fethullah Efendi. Molla Fethullah fragte Molla Said:
   "Im vergangenen Jahr haben Sie das Werk "Suyuti" gelesen. Haben Sie in diesem Jahr das Werk "Molla Djami" gelesen?"
   Bediüzzaman:
   "Ja, ich habe 'Djami' beendet."
   Nach welchem Buch auch Molla Fethullah fragte, er erhielt "beendet" zur Antwort und war erstaunt. Es wollte ihm nicht in den Kopf, dass er nicht nur so viele Bücher durchgearbeitet hatte, sondern auch, dass er sie in so kurzer Zeit durchgearbeitet hatte. Und er sagte:
   "Letztes Jahr warst du noch ganz vernarrt. Bist du auch in diesem Jahr noch so vernarrt?"
   Bediüzzaman:
   "Man kann die Wirklichkeit vor Fremden verheimlichen, aber nicht vor dem Meister, der von seinen Schülern mehr als ihr eigener Vater verehrt wird. Bitte verfügen Sie über mich und prüfen Sie mich aus den Büchern, die ich ihnen benannt habe!"
   Aus welchem Buch auch immer Molla Fethullah fragen mochte, er erhielt eine einwandfreie Antwort. Deshalb begann nun der berühmte Molla Ali Suran, welcher diesem Gespräch beigewohnt hatte und ein Jahr zuvor der Lehrer von Saids Lehrer gewesen war, selbst Unterricht zu nehmen.
   Molla Fethullah reichte ihm ein Buch und sagte: "Ganz hervorragend! Ihre Intelligenz ist außergewöhnlich. Aber wie steht es um Ihr Gedächtnis? Können Sie ein paar Zeilen aus der "Maqamat-i Haririye" auswendig wiederholen, nachdem Sie sie zwei Mal durchgelesen haben?"
   Molla Said nahm das Buch, las sich eine Seite ein Mal durch und wiederholte sie auswendig. Das versetzte Molla Fethullah in Erstaunen und er sagte: "Ein solches Übermaß an Intelligenz und Gedächtnis in einer einzigen Person vereint ist selten."
   Während Bediüzzaman dort war, beschäftigte er sich täglich ein, zwei Stunden etwa mit dem Buch "Djem'u-l'Djevami" und lernte es binnen einer Woche auswendig. Deshalb sprach Molla Fethullah die folgenden Worte und schrieb sie in das Buch: {Dies ist ein unwahrscheinlich schöner Satz. Dieselben drei Buchstaben djim-mim-ain werden in jedem Wort verwendet! (A.d.Ü.)} قَدْ جَمَعَ فِى حِفْظِهِ جَمْعَ الْجَوَامِعِ جَمِيعَهُ فِى جُمْعَةٍ
{"Er hat dieses Buch soeben von einem Freitag zum anderen in einer Woche auswendig gelernt."}
   Dies verbreitete sich in Siirt und Molla Fethullah sagte zu den Gelehrten:
   "In unsere Schule kam ein sehr junger Schüler. Welche Frage auch immer ich ihm stellte: er gab die Antwort ohne Stocken. Bei seinem Alter habe ich seine Intelligenz, sein Wissen und seine Begabung bewundert." Und er lobte ihn außerordentlich.
   Daraufhin versammelten sich die Gelehrten an einem Ort und luden Bediüzzaman dazu ein. Bediüzzaman blickte in Molla Fethullahs Gesicht und beantwortete, ohne zu zögern, alle Fragen, die ausgewählt worden waren. Er gab seine Antworten so, als schaue er in ein Buch hinein und lese daraus. Als die Gelehrten dies sahen, gelangten sie zu dem Urteil, dass Bediüzzaman ein junger Mann von einzigartiger Begabung sei und sprachen ihm ihre Anerkennung und Hochachtung aus. In der Umgebung des Fleckens hörte man davon. Die Bewohner verehrten ihn wie einen Heiligen und verfolgten ihn mit ihren Blicken. Dieser Umstand reizte einige zweitrangige Gelehrte und Schüler zur Eifersucht. Eine Schar junger, noch unerfahrener Schüler, die Bediüzzaman in den Wissenschaften nicht gewachsen waren, versuchte ihn in eine Schlägerei zu verwickeln und auf diesem Wege mundtot zu machen. Aber die Bewohner von Siirt erhielten Kenntnis von diesen Vorgängen und kamen, um ihn in Sicherheit zu bringen. Und da er nach Ansicht der Bewohner eine bedeutende Persönlichkeit war, befreiten sie ihn sofort aus der Hand seiner Gegner und wollten, dass er auf seinem Zimmer bleibe. Aber Bediüzzaman in seiner außerordentlichen Liebe zu seiner Berufung versicherte, dass jene Schüler und Wissenschaftler, die seine Gegner waren, nicht Zielscheibe von Laien werden dürfen, verließ das Zimmer, um die Sache der Wissenschaft gegenüber einer Einmischung von Laien zu verteidigen, auch wenn er dadurch bei seinen Gegnern verlieren sollte. Um diesen Streit aus der Welt zu schaffen, sagte er zu einem der Schüler:
   "Tötet mich; aber bewahrt das Ansehen der Wissenschaft" - Keiner der Schüler hätte ihn angegriffen, selbst wenn er ihnen jetzt den Rücken zugewandt hätte. So wurde der Streit endlich beigelegt. Der Bevollmächtigte von Siirt rief ihn um seiner Sicherheit willen zu sich und machte ihm die Mitteilung, dass er diese Schüler abtransportieren lassen wolle. Aber Bediüzzaman sagte ihm:
   "Wir sind alle Schüler. Wir kämpfen zwar gegeneinander, aber wir versöhnen uns auch wieder miteinander. Deshalb kann ich nicht zustimmen, wenn sich jemand von außerhalb unserer Schule mit uns befasst. Aber der Fehler liegt bei mir." Und mit dieser Antwort erklärte er, nicht mitkommen zu wollen und lehnte so den Polizeischutz ab.
   Inzwischen war er fünfzehn, sechzehn Jahre alt geworden. Aber seiner körperlichen Verfassung nach war er sehr gewandt und ausdauernd. Man nannte ihn "Saidu-l'Mesh'-hur" (der berühmten Said). Und er gab in Siirt bekannt, dass er zu einem Wettkampf gegen jeden Kollegen bereit sei, der es wünsche, und dass er dabei jede Frage, die man ihm stelle, beantworten werde, wer auch immer ihm eine Frage stellen wolle und dass er niemandem eine Frage stellen werde.
   Danach ging er wieder nach Bitlis. Dort erfuhr er, dass in einem der beiden Häuser der Scheichs Schüler und Lehrer in Unfrieden miteinander lebten. Er machte sie darauf aufmerksam, dass Worte, die Bosheit zur Folge haben, und insbesondere die üble Nachrede sich im Islam nicht geziemen. Sie beschwerten sich über Molla Said bei Scheich Emin Efendi. Scheich Emin Efendi aber sagte:
   "Der ist ja noch ein Kind! Der ist ja doch noch gar nicht in der Lage, an irgendjemanden das Wort zu richten."    Als man Molla Said diesen Ausspruch mitteilte, bäumte sich dessen Inneres natürlicher Weise gegen diese Worte auf. Er fand sie einfach unerträglich, suchte um eine Audienz bei Scheich Emin Efendi nach, küsste seine Hand und sagte:
   "Mein Herr, bitte prüfen Sie mich. Ich will Ihnen beweisen, dass ich sehr wohl in der Lage bin, an jemanden mein Wort zu richten."
   Scheich Emin Efendi stellte ihm daraufhin sechzehn der schwierigsten Fragen aus verschiedenen Wissensbereichen zusammen und legte sie ihm vor. Nachdem Molla Said alle Fragen beantwortet hatte, ging er in die Quraish-Moschee und begann, dem Volk zu predigen und es zu ermahnen. Deshalb wollten nun einige der Bewohner von Bitlis den Molla Said, ein anderer Teil von ihnen aber Scheich Emin Efendi unterstützen. Aus diesem Grunde wies der Gouverneur Bediüzzaman aus. Denn er wollte vermeiden, dass diese ganze Angelegenheit noch eine weitere Steigerung erfahre. Dieses Mal ging er nach Shirwan. So finden Persönlichkeiten sehr viele Gegner, wenn sie sich nicht zurückziehen. Und mancher Hodja, der besonders auf Äußerlichkeiten bedacht, im Wettstreit der Wissenschaften aber geschlagen worden war, bemühte sich nach Kräften, Molla Said in den Augen der Leute verächtlich zu machen. Sie untersuchten sehr genau jede einzelne Angelegenheit. So hatte er eines Tages - wie auch immer die Umstände gewesen sein mögen - das Morgengebet versäumt. Seine Gegner, welche darüber genau unterrichtet waren, sagten: "Molla Said vernachlässigt das Gebet." Als das Gerücht unter den Leuten umging, fragten ihn diese: "Warum erzählt jeder so etwas?"
   Molla Said antwortete:
   "Ja, eine Sache kann sich nicht ohne Grund so schnell in der Welt verbreiten. Der Fehler liegt bei mir. Deswegen haben mich zwei Strafen getroffen. Nämlich: erstens eine Zurechtweisung von Gott und zum anderen das Gerede der Leute. Der Hauptgrund ist aber der, dass ich meine nächtliche Gewohnheit beständiger heiliger Rezitation vernachlässigt habe. So ist das Gemüt der Leute von der Wahrheit angerührt worden. Doch da ihnen die Bezeichnung für das Ganze verborgen blieb, haben sie die Ursache der Verfehlung eben so bezeichnet."
   Während er sich in Shirwan befand, kam jemand aus der Umgebung von Siirt zu ihm und sagte: "Ach mein lieber Herr, nach Siirt ist ein Kind gekommen! Er ist etwa vierzehn, fünfzehn Jahre alt. Er hat schon alle Gelehrten dahin gebracht, dass sie nichts mehr zu sagen wussten. Ich lade Sie dazu ein, es mit ihm genau so zu machen!"
   Molla Said nahm diese Einladung an und bereitete sich darauf vor, nach Siirt zu gehen. als sie sich bereits auf den Weg gemacht hatten und etwa zwei Stunden weit gegangen waren, fragte er nach Aussehen und Eigenschaften des kleinen Hodjas.
   "Mein Herr, ich weiß seinen Namen nicht," sagte der Mann, "aber als er das erste Mal kam, war er wie ein Derwisch gekleidet und trug ein Fell über der Schulter. Später kleidete er sich nach Art der Studenten und brachte alle Gelehrten dahin, dass sie nichts mehr zu sagen wussten."
   Als er dies hörte, verstand er, dass von ihm selbst die Rede war und dass sich jetzt die Kunde jener Vorfälle, die sich vor einem Jahr ereignet hatten, in den umliegenden Dörfern verbreitete. So kehrte er um und nahm die Einladung nicht an.
   Danach ging er nach Tillo, einer kleinen Stadt in der Nähe von Siirt. Er schloss sich in einem berühmten Mausoleum ein und lernte dort aus einem Exemplar des berühmten "Ozean" bis zu dem Buchstaben "sin" auswendig. Gefragt, aufgrund welcher Vorstellung er das Buch auswendig lerne, gab er zur Antwort:
   "Das Wörterbuch gibt für jeden Ausdruck mehrere Bedeutungen an. Aber ich bin gerade im Gegenteil daran interessiert, ein Wörterbuch zusammenzustellen, das für jede Bedeutung den Gebrauch mehrerer Worte aufzeigt."
   Während der Zeit, die er in dem erwähnten Mausoleum verweilte, brachte ihm sein kleiner Bruder Mehmed das Essen. Er gab die Körner im Essen den Ameisen, die sich rund um die Kuppel einfanden, und begnügte sich selbst damit, das Brot in die Soße des Essens einzutauchen. Gefragt, warum er die Körner den Ameisen gäbe, gab er zur Antwort: "Ich habe sie bei ihrer Arbeit beobachten können und herausgefunden, dass sie ein Gemeinschaftsleben besitzen und außerordentliche Treue zur Pflichterfüllung und möchte sie zur Belohnung für ihre Liebe zur Republik
{(*): Im Jahre 1935 wurde er in der Eskishehirer Großen Strafkammer über die Republik befragt. Er sagte: "Meine in Ihrer Hand liegende Biographie beweist, dass ich schon ein religiöser Republikaner gewesen bin, bevor auch nur einer unter Ihnen außer dem Vorsitzenden des Eskischehirer Gerichts geboren war." Dann erzählte er die obenerwähnte Geschichte der Ameisen und sagte: "Die ersten vier Groß-Kalifen waren sowohl Kalifen als auch Staatschefs. Der Siddiq-i Akbar (der erste Kalif Abu Bakr RA) war ein Staatschef, der von der "Ashara-i Mubash-'shara fil-Djenne" (die zehn Menschen, die nach der Aussage des Propheten ASM dazu ausersehen sind, mit Sicherheit in das Paradies einzutreten. Sie sind: Abu Bakr, Ömer, Osman, Ali, Abdurrahman bin Avf, Ubaid bin Djerrah, Said, Saad bin Ebu Wakkas, Talha, Zübair bin Awwam) und den Sahabe-i Kiram (d.h. die Gefährten des Propheten ASM) anerkannt wurde. Die Kalifen waren nicht bedeutungslose Namen oder Bilder, sondern Staatschefs einer Republik im islamischen Sinne und im Sinne der Wirklichkeit, der Wahrheit, der Gerechtigkeit, und der Freiheit im Rahmen und innerhalb der Scheria.}
unterstützen.".
   In Tillo erschien ihm eines Nachts der Scheich Abdu-l'Qadir-i Geylani (AhsG: Allah heilige sein Geheimnis!) im Traum. Der ehrwürdige Geylani (AhsG) sprach zu ihm:
   "Molla Said! Gehen Sie zu Mustafa Pasha, dem Oberhaupt des Stammes 'Miran' und laden Sie ihn ein, die Führung auf dem rechten Weg anzunehmen. Raten Sie ihm, sich von dem Unrecht, das er begangen hat, abzuwenden und beständig zu werden im Gebet und in der Befolgung der vorgeschriebenen Weisungen. Widersetzt er sich dem göttlichen Ratschluss, dann töten Sie ihn!"
   Molla Said, mochte er nun dieses Traumgesicht gehabt oder sogar gewollt haben, traf sofort seine Vorbereitungen, begab sich von Tillo zu dem Stamm "Miran" und trat direkt zu Mustafa Pasha ins Zelt. Und da der Pasha sich nicht darinnen befand, ruhte er sich ein wenig aus. Später trat auch Mustafa Pasha ein. Während alle Anwesenden aufstanden, rührte sich Molla Said nicht von der Stelle. Das lenkte die Aufmerksamkeit des Pashas auf ihn, und dieser fragte Fettah Bey, den Major des Stammes, wer das sei. Es sei der berühmte Molla Said, gab Fettah Bey zu wissen. Der Pasha konnte zwar Gelehrte nicht leiden, doch wenn er sich auch ohne Zweifel reichlich ärgerte, so zeigte er es nicht. Er fragte Molla Said, warum er denn hierher gekommen sei; und Molla Said gab zur Antwort:
   "Ich bin gekommen, dich auf den rechten Weg zu führen. Du wirst dem Unrecht entsagen und das Gebet verrichten, oder ich werde dich töten!" Wütend ging der Pasha hinaus. Nachdem er etwas umhergegangen war, kehrte er wieder ins Zelt zurück und fragte Molla Said abermals, wozu er gekommen sei.
   "Ich habe es dir schon gesagt," sprach er, "Dazu bin ich gekommen." Mustafa Pasha deutete auf das Schwert, das an dem Mast des Zeltes aufgehängt war, und sagte: "Etwa mit diesem schmutzigen Schwert?"
   Bediüzzaman: "Nicht das Schwert schlägt. Es schlägt die Hand." Mustafa Pasha ging wieder hinaus und nachdem er etwas umhergegangen war, kam er wieder herein und sagte zu Bediüzzaman: "Ich habe in Djezire viele Gelehrte. Wenn du ihnen allen gegenüber das letzte Wort zu behalten vermagst, werde ich tun, was du gesagt hast. Wenn du das aber nicht vermagst, werde ich dich in den Euphrat werfen."    Molla Said: "Es liegt weder in meiner Macht, allen Gelehrten gegenüber das letzte Wort zu behalten, noch liegt es in deiner Macht, mich in den Fluss zu werfen. Wenn ich aber den Gelehrten Antwort gegeben habe, werde ich dich um etwas bitten, nämlich, dass du mir das Mausergewehr gibst. Hältst du nicht Wort, werde ich dich mit ihm töten."
   Nach dieser Unterredung ritt er gemeinsam mit dem Pasha nach Djezire. Auf dem Wege sprach der Pasha mit Molla Said kein Wort. Als sie in dem Orte angekommen waren, der Bani Hani genannt wird, legte sich Molla Said vor Erschöpfung ein wenig nieder. Aber ob er nun vom Schlafe aufwachen wollte oder nicht: an seiner Seite erblickte er alle Gelehrten von Djezire, die mit Büchern in ihren Händen auf ihn warteten. Nachdem sie sich ein wenig miteinander unterhalten hatten, wurde der Tee zur Begrüßung gereicht. Molla Saids Ruf war ihm bereits zu den Gelehrten von Djezire vorausgegangen. Sie vergaßen vor Staunen und Verwunderung unter diesen Umständen sogar ihren Tee und erwarteten nur, dass Molla Said seine Fragen stelle. Molla Said jedoch trank seinen Tee aus und trank danach auch noch ein, zwei Gläser der Gelehrten, die völlig versunken vor ihm saßen. Sie bemerkten es noch nicht einmal. Dann sprach Mustafa Pasha zu den Gelehrten:
   "Meine Herren! Ich besitze zwar nicht Ihre Bildung. Aber ich sehe doch schon jetzt, dass Sie diesen Wettstreit mit Molla Said verlieren werden. Denn ich sehe, dass sie über Ihren Gedanken sogar Ihren Tee vergessen haben, während Molla Said außer seinem eigenen Glas auch noch ein, zwei Glas von Ihrem Tee ausgetrunken hat."
   Daraufhin scherzte Molla Said noch ein wenig mit den Gelehrten und sagte dann: "Meine Herren! Ich habe mir vorgenommen, niemandem eine Frage zu stellen und sehe deshalb meinerseits nun Ihren Fragen entgegen."
   Die Gelehrten stellten ihm etwa vierzig Fragen. Während er auf alle Fragen Antwort gab, geschah es, dass Molla Said eine Frage wie auch immer falsch beantwortete, während seine Partner die Antwort in der Diskussion als die richtige Auffassung bestätigten. Nach Beendigung der Sitzung erinnerte sich Molla Said wieder daran, lief den anderen sofort hinterher und sagte zu ihnen:
   "Entschuldigen Sie bitte! Ich habe auf eine Frage eine falsche Antwort gegeben, ohne dass Sie dahintergekommen wären." und gab nun die richtige Antwort.
   Da sagten die Gelehrten: "Da sehen Sie es nun in der Tat, dass Sie das letzte Wort behalten haben!"
   Danach kam ein Teil der Gelehrten zu Molla Said, um bei ihm Unterricht zu nehmen.
   Also vermachte Mustafa Pasha das versprochene Mausergewehr zum Geschenk und begann das Gebet zu verrichten.
   Molla Said war nicht nur in den Wissenschaften ein Genie mit einer Begabung ohne Beispiel, auch körperlich war er ungewöhnlich gut durchtrainiert und kräftig. Er liebte den Ringkampf sehr. Er kämpfte mit allen Studenten, die sich in der Schule befanden und selbst im Ringkampf vermochte niemand ihn zu besiegen.
   Eines Tages ritt er mit Mustafa Pasha zu einem Pferderennen hinaus. Aber Mustafa Pasha befahl absichtlich, ein sehr eigenwilliges und noch ungeschultes Pferd bereit zu halten, das man überhaupt nicht besteigen konnte. Man brachte es Molla Said, damit er es besteige. (Gott allein weiß, ob man wünschte, er möge vom Pferd stürzen und sich den Hals brechen!) Mit seinen sechzehn Jahren hatte Molla Said sich gewünscht, dieses wilde Pferd traben zu lassen, nachdem er es ein wenig umhergeführt hatte. Das Pferd brach aus der ihm gegebenen Richtung aus und trabte geradeswegs in eine andere Richtung. Mit der Kraft, die er besaß wollte er es zum Stehen bringen. Es gelang ihm aber nicht. Schließlich lief es auf einen Platz zu, an dem sich Kinder befanden. Einer der Söhne eines angesehenen Herrn von Djezire wurde auf dem Wege von den beiden Vorderhufen des Tieres erfasst. Das Kind wurde zwischen den Schultern getroffen. Das Kind stürzte zur Erde und blieb zuckend unter den Hufen des Tieres liegen. Schließlich eilten die Leute von allen Seiten zur Hilfe herbei. Als sie das Kind erblickten - reglos wie tot - wollten sie Molla Said töten. Als die Diener des Herrn nach ihren Dolchen griffen, legte Molla Said seine Hand an den Revolver und sagte zu den Männern:
   "Wenn man es recht betrachtet, so hat Gott das Kind getötet. Wenn man oberflächlich betrachtet, hat das Pferd es getötet. Wenn man es von der Ursache her betrachtet, hat Kel Mustafa es getötet; denn er war es, der mir dieses Pferd gegeben hat. Aber wartet! Ich will mir das Kind anschauen, ob es tot ist. Danach können wir kämpfen." Dann schwang er sich vom Pferd und nahm das Kind auf den Arm. Als er sah, dass das Kind sich nicht bewegte, tauchte er es in kalt Wasser, zog es wieder heraus. Das Kind öffnete seine Augen und lächelte. Das versetzte alle Bewohner in staunende Verwunderung. Nach diesem merkwürdigen Vorfall blieb er noch eine Weile in Djezire und zog dann mit seinem Schüler Molla Salih nach Biro im Wohngebiet der Beduinen weiter. Dort vernahm er nach einer Weile, dass Mustafa Pasha in seine alte Tyrannei zurückgefallen sei, ging zu ihm und setzte ihm mit Mahnungen und Drohungen zu. Eines Tages während einer hitzigen Debatte sagte er zu Mustafa Pasha:
   "Hast du schon wieder eine Ungerechtigkeit begangen? Im Namen der Gerechtigkeit werde ich dich töten!" Aber bei dieser Drohung warf sich der Sekretär des Pashas dazwischen. Nun hatte ihn Molla Said wegen dieser Ungerechtigkeit in diesem Augenblick schwer beleidigt. Der Pasha vermochte diese Drohungen nicht mehr zu ertragen, wollte sich auf ihn stürzen, um ihn zu töten. Aber die Edlen von Miran hielten ihn fest. Schließlich ging Abdulkerim, der Sohn des Mustafa Pasha auf Molla Said zu und sagte:
   "Seine Überzeugung ist falsch. Ich bitte Sie darum, sich vorläufig von hier fort zu begeben und einem anderen Ort die Ehre zu erweisen." Er folgte Abdulkerims Wort, und da er allein war, begab er sich direkt in die Wüste Biro zu den Wohngebieten der Beduinen. Unterwegs stieß er zufällig auf eine beduinische Räuberbande. Die Beduinen waren mit Lanzen, Molla Said aber mit seinem Mausergewehr bewaffnet. Und er begann sofort auf die Räuberbande zu schießen. Die Räuber flohen. Er setzte seinen Weg fort und begegnete einer anderen Räuberbande. Diesmal waren die Räuber in der Überzahl und kreisten ihn ein. Gerade als sie ihn töten wollten, erkannte ihn einer von ihnen.
   "Den habe ich beim Stamme von Miran gesehen," sagte er, "Das ist ein berühmter Mann!" Sofort gaben sie ihn frei und baten ihn, ihr Verhalten zu entschuldigen. Ja, sie wollten ihm sogar in diesem an Schrecken reichen Gebiet sicheres Geleit geben. Doch Molla Said lehnte ab und setzte seinen Weg alleine fort. Nach einigen Tagen kam er in Mardin an. Die Gelehrten von Mardin wagten es zunächst, sich auf ein Streitgespräch mit ihm einzulassen, hatten aber damit keinen Erfolg. Doch als sie in Said, dieser genialen Erscheinung eines jungen Mannes, der doch kaum den Kinderschuhen entwachsen war, einen großen Wissenschaftler gewahr wurden, erkannten sie ihn als ihren Lehrer an.
   In der Zwischenzeit begegnete er zwei Schülern, die auch nach Mardin kamen. Der eine war Anhänger des Djemalud-Din Afghani, der andere gehörte dem Sunusi-Orden an. Durch ihre Mithilfe erhielt er sowohl von der Lehre des Djemal-ud-Din Afghani als auch über den Sunusi-Orden Kenntnis und Vertrauen.
   Molla Said begann schon in sehr jungen Jahren, sich dem politischen Leben zu widmen, um Volk und Staat zu dienen. Die ersten Schritte auf der politischen Bühne unternahm er in Mardin. Deshalb wurde er von einem der verantwortlichen der obrigkeitlichen Gewalt in Gewahrsam genommen, gefesselt und unter Bewachung nach Bitlis in die Verbannung geleitet. Während er noch unter Polizeischutz auf dem Wege war, kam die Zeit zum Gebet. Er bat die Polizisten, ihm zum Gebet die Handschellen abzunehmen. Als die Polizisten ihm das verweigerten, öffnete er die eisernen Handschellen wie ein Tuch und warf sie ihnen vor die Füße. Nun betrachteten ihn die Polizisten als einen Wundertäter und standen starr vor Staunen still. Dann ergaben sie sich ihm, baten ihn und ersuchten ihn:
   "Bisher waren wir Ihre Bewacher. Von nun an werden wir Ihre Diener sein!"
{(*): Einmal ist er gefragt worden: "Wie hast du die Handschellen so einfach weggefegt?" Er: "Ich weiß es auch nicht. Es kann nur ein Wunder des Gebets gewesen sein."}
   In Bitlis hinterbrachte man ihm eines Tages, dass der Gouverneur mit einem Teil der Beamten alkoholische Getränke zu sich nahm. Außer sich vor Zorn sagte er: "Ich kann es einfach nicht billigen, dass in einer Provinz, die so vom Glauben geprägt ist, wie das von Bitlis, ein Repräsentant der Regierung ein derart strafwürdiges Verhalten an den Tag legt!" und begab sich zu dem Trinkgelage. Dort rezitierte er zunächst ein Hadith über alkoholische Getränke und fügte dann noch einige scharfe Worte an. Weil aber die Möglichkeit bestand, dass der Gouverneur ein Zeichen geben könne, ihn zu erschießen, behielt er eine Hand dort, wo sich sein Revolver befand. Aber der Gouverneur war ein außergewöhnlich geduldiger und verträglicher Mensch und sagte kein Wort. Als der junge Said wieder von dort weg ging, sagte der Adjutant des Gouverneurs zu ihm:
   "Was haben Sie getan? Für Ihre Rede haben Sie die Todesstrafe verdient."
   Der junge Said zur Antwort: "An Todesstrafe hätte ich nicht im Traum gedacht. Ich dachte an Gefängnis oder Verbannung. Aber wie dem auch sei: wenn ich auch sterben soll dafür, dass ich zurückgewiesen habe, was Gott verboten hat, was macht das schon?"
   Ein, zwei Stunden nachdem er von dort nach Hause zurückgekehrt war, ließ ihn der Gouverneur durch zwei Polizisten zu sich bitten. Als der junge Said den Salon des Gouverneurs betrat, trat ihm der Gouverneur mit Hochachtung und Ehrerbietung entgegen und wollte ihm die Hand küssen. Wohlwollend wies er ihm einen Platz an und sagte:
   "Jeder hat seinen Meister, und mein Meister, das bist Du."
  * * * 
   Der junge Said schätzte es von Natur aus überhaupt nicht, unter einem Gesetz oder innerhalb festgelegter Verhaltensweisen leben zu müssen. Unter allen Umständen und in allen Verhaltensweisen suchte er die größtmögliche Freiheit und sagte immer: "Ich lasse mir meine Freiheit und meine Unabhängigkeit nicht durch irgendein willkürliches Gesetz einschränken." Deshalb bestand er bei seiner ersten Reise nach Istanbul darauf, dass man ihn doch ja von jeglicher Einengung fern halte. Und diese Einstellung hat er in allen Phasen seines Lebens beobachtet. Aufgrund dieser Liebe zu Freiheit und Unabhängigkeit wollte er in der zweiten Hälfte seines Lebens nicht seinen Nacken beugen vor dieser aus Europa herübergekommenen Irrlehre und den Angriffen der Ketzerei und keinen Gehorsam leisten gegenüber einem fürchterlichen Absolutheitsanspruch, welchen die Philosophie des Materialismus gebar und die im völligen Widerspruch steht zu den Grundlagen, die uns im Qur'an gegeben sind. Stattdessen wollte er lieber für jene Freiheit arbeiten und eine Kultur, wie sie gesetzmäßig aus dem Islam erwächst.
   Als Molla Said in Bitlis war, war er etwa 15, 16 Jahre alt. Er hatte bereits das Mannesalter erreicht. Weil er sich aber bis zu dieser Zeit ganz nach dem richtete, wie ihm die Gedanken in den Sinn kamen, hielt er ein umfassendes und gründliches Studium nicht für notwendig. Doch um diese Zeit - sei es nun, weil er das Mannesalter erreicht hatte, sei es, weil er nun begonnen hatte, sich mit der Politik zu befassen - wie immer dem auch sei: Die früheren Einfälle begannen nach und nach zu verschwinden. Darum begann er nun, Werke verschiedener Zweige der Wissenschaft einem genauen Studium zu unterziehen. Innerhalb von zwei Jahren lernte er an die vierzig Bücher auswendig, insbesondere solche, die in Bezug auf die Religion des Islam jeglichen Zweifel und jede Unsicherheit zurückzuweisen vermögen, bekannte Werke wie "Metali" und "Mevakif", Bücher über Satzbau und Formenlehre, Logik, theologische Werke und Kommentare. Ja, er stellte sich sogar die Aufgabe, täglich zu lesen und so gelang es ihm, im Verlaufe von jeweils drei Monaten diese Bücher auswendig zu wiederholen.
   Molla Said kannte zwei einander entgegengesetzte Zustände: 
   Erstens: 
   Eine Zeit des Ideenreichtums, in der es unmöglich war, dass er etwas nicht verstand, was auch immer er zur Hand nehmen mochte.
   Zweitens: 
   Eine Zeit der gedanklichen Stille, in welcher er keine Freude am Studium, ja noch nicht einmal an einer Unterhaltung fand.
   Molla Said begann den Qur'an auswendig zu lernen und wollte jeden Tag ein, zwei Abschnitte (nämlich 30, 60 Seiten) lesen.
   Er lernte jeden Tag zwei Abschnitte auswendig, rekapitulierte einen bedeutenden Teil des Qur'an, aber infolge zweier Ideen, die ihm dabei kamen, war es ihm nicht vergönnt, das ganze zu vollenden:
   Erstens: 
   Das schnelle Lesen des Qur'an könne als eine Respektlosigkeit bezeichnet werden.
   Zweitens: 
   Es sei in weit höherem Maße wichtig, dass die Wahrheiten des Qur'an in das Herz eindringen, als sie nur auswendig zu lernen.
   Darum lernte er in zwei Jahren vierzig Werke über die Weisheit und Wissenschaft des Islam auswendig, welche Schlüssel sind zu den Wahrheiten des Qur'an und Schutz und Antwort gegen Zweifel geben. Jeden Tag las er einen Teil davon auswendig. Und innerhalb dreier Jahre rekapitulierte er sie lediglich auf diese Weise.    Er begann ein Buch namens "Mirkat" auswendig zu lernen, jedoch ohne die beigefügten Anmerkungen und Erläuterungen. Dann verglich er die Anmerkungen und Erläuterungen des Buches, das er in der Hand gehabt hatte, mit seinem eigenen Standpunkt. Sie stimmten in allen Beispielen überein und nur drei Ausdrücke stimmten nicht überein. Und diese drei Ausdrücke erlangten auch die Bewunderung und Anerkennung der Lehrer.
   Eines Tages log ihm jemand vor, dass der Ehrwürdige Scheich Mehmed Küfrevi, einer der Scheiche von Bitlis, ihn verflucht habe. Aus diesem Grunde stattete er dem oben erwähnten einen Besuch ab. Der Ehrwürdige Scheich empfing Molla Said mit Wohlwollen und gewährte ihm den Vorzug seines Unterrichtes. Dies war der letzte Unterricht, den Molla Said empfangen hat.
   Eines Nachts träumte Molla Said, der Ehrwürdige Scheich Mehmed Küfrevi sei ihm erschienen und habe ihn folgendermaßen angesprochen:
   Molla Said, komm und besuche mich! Es ist dies, weil ich bald gehen muss, dass du sofort gehen sollst. - Und er besuchte ihn. Er sah, wie die Erscheinung sich auflöste und entschwand. Und er erwachte. Er sah auf die Uhr - es war die 7. Stunde der Nacht {nach der alten Zeitrechnung, wonach die Stunden des Tages ab Sonnenaufgang und die Stunden der Nacht ab Sonnenuntergang gezählt wurden, also etwa um 2 Uhr in der Nacht. (A.d.Ü.)} - und legte sich wieder nieder. Am Morgen hörte er, wie sich aus dem Hause des Scheichs Trauergesang erhob. Er begab sich dorthin und erhielt die Nachricht, dass der Ehrwürdige Scheich um die 7. Stunde verschieden war.
اِنَّا لِلّٰهِ وَاِنَّا اِلَيْهِ رَاجِعُونَ ٭ رَحْمَةُ اللّٰهِ عَلَيْهِ اٰمِينَ
{"Denn von Gott kommen wir und zu Ihm kehren wir wieder zurück. Das Erbarmen Gottes sei mit ihm! Amin."}
Traurig kehrte er zurück.    Molla Said hatte schon von großen Gelehrten und Scheichen des Ostens, wie Seyyid Nur Mehmed, Scheich Abdurrahman-i Taghi, Scheich Fehim und Scheich Mehmed Küfrevi, hohen Persönlichkeiten, was ihr Wissen und ihre Bildung betrifft, Einzelunterricht genossen und liebte sie sehr. Auch zu den Herren Gelehrten Scheich Emin, Molla Fethullah und Scheich Fethullah Efendi hatte er eine außerordentliche Zuneigung.
   Weil sich aber in Van keine berühmten Gelehrten fanden, ging Molla Said auf Einladung von Hasan Pasha nach Van. Er blieb in Van fünfzehn Jahre und verbrachte sein Leben auf Reisen zwischen den einzelnen Stämmen, um sie auf dem rechten Wege zu unterweisen und widmete sich der Aufgabe des Lehrens und Lernens. Während jenes Zeitabschnittes, da er sich in Van befand, pflegte er Umgang mit dem Gouverneur und den Beamten und sah, dass die in jenem Jahrhundert veraltete Methode der Theologie jeglichen Zweifel am islamischen Glauben zurückzuweisen, keine befriedigenden Ergebnisse erbrachte und erkannte damit die Notwendigkeit der Naturwissenschaften und der Technologie.
{(*): Diese Kenntnis Bediüzzamans in seinem jungen Alter gewährleistete die Vorbereitung für den großartigen qur'anischen und islamischen Dienst der Zukunft. Er äußerte damals seine eigene Überzeugung. 30 oder 40 Jahre später hat der Gott der Gerechte ihn mit der Verfassung der Risale-i Nur Werke, die in der islamischen Theologie eine Erneuerung hervorbrachten, zum Erfolg geführt. Elhamdulillah (Dank sei Gott!).}
   Sobald er zu dieser Überzeugung gelangt war, begann er alle sogenannten positiven Wissenschaften zu studieren und eignete sich in sehr kurzer Zeit neben der Geschichte und der Philosophie nun auch noch die Grundlagen der Geographie, Mathematik, Geologie, Physik, Chemie und der Astronomie an. Er verstand diese Wissenschaften ohne den Unterricht eines Lehrers allein durch genaues und gründliches Lesen. Bevor er sich z.B. zu einem Lehrer zu einem Disput über Geographie begab, lernte er binnen vierundzwanzig Stunden ein Buch über Geographie, das er in die Hand bekommen hatte, auswendig und begab sich dann in das Regierungsgebäude des inzwischen dahingeschiedenen Gouverneurs Tahir Pasha, wo er ihm dann auf diese Weise das letzte Wort schuldig blieb. Und auf genau die gleiche Weise bekam er zur Vorbereitung auf einen Disput innerhalb fünf Tagen die Anorganische Chemie in den Griff, forderte einen Chemielehrer zum Streitgespräch heraus und blieb auch ihm keine Antwort schuldig. Die Vertreter der Wissenschaft legten Zeugnis dafür ab, dass er über ein Wissen verfügte, wie ein Wissenschaftler, dessen Gelehrsamkeit so tief war und so weit wie das Meer und gaben diesem jungen Mann schon in sehr frühen Jahren ob dieser oben angeführten Einzigartigkeit den Beinamen " Bediüzzaman" (der Unvergleichliche seiner Epoche). Während der Zeit, die sich Bediüzzaman in Van befand, unterzog er die bis zu dieser Zeit üblichen Ansichten und Meinungen und die Methoden des wissenschaftlichen und des religiösen Unterrichtes einer kritischen Betrachtung und entwickelte selber mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und Notwendigkeiten seiner Zeit eine eigene Unterrichtsmethode. Auf diese Weise wollte er die religiösen Wahrheiten dem Verständnis der neuen Zeit anpassen, sie mit den neuesten Erklärungen und Erläuterungen beweisen und so seine Schüler zur Erkenntnis führen.
   Molla Said befand sich zu der Zeit, die er in Van verbrachte, in manchen wesentlichen Punkten im Gegensatz zu den Gelehrten dieser Gegend. Er hatte folgende Eigenarten: {(*): Er hat die gleichen Verhaltensweise während eines achtzigjährigen Lebens beibehalten!}
   1 - Er lehnte es entschieden ab, von irgendjemandem Geldgeschenke oder auch nur sein Gehalt anzunehmen. Ja, er besaß nie im Leben ein Eigentum an materiellen Gütern. Und obwohl er sein ganzes Leben als ein Verbannter oder Gefangener arm und allein, in großer Bedrängnis und in furchtbarem Elend verbracht hat, war es doch allgemein bekannt, dass man ihn niemals Geld oder Geschenke ohne Gegenleistung annehmen sah.
   2 - Er befragte niemals einen Wissenschaftler. Aber während zwanzig Jahren gab er stets nur den Fragenden Antwort. Über diese Eigenart sagte er selbst: "Ich stelle das Wissen der Gelehrten nicht in Abrede. Deshalb ist es überflüssig, ihnen Fragen zu stellen. Wer aber an meinem Wissen Zweifel hegt, soll mich fragen und ich werde ihm Antwort geben."
   3 - Er gebot auch den Schülern, die bei ihm waren, gleich ihm selbst Sekat (Almosen) und Geschenke nicht anzunehmen. Sie sollten einzig für Gottes Wohlgefallen arbeiten. Überdies verpflegte er seine Schüler meistens selbst.
   4 - Er blieb unverheiratet und war offensichtlich mit nichts und niemandem in der Welt verbunden. Diesbezüglich sagte er: "Ich muss all meinen Besitz mit einer Hand aufnehmen und forttragen können." Als man ihn fragte, welchen Grund er dafür habe, antwortete er: "Es wird eine Zeit kommen, da wird mich jeder darum beneiden, dass ich so bin. Geld und Gut geben mir keine Befriedigung. Ich betrachte diese Welt so, als diene sie mir lediglich als Gasthaus." Während seines Aufenthaltes in Van stellte der inzwischen verstorbene Gouverneur Tahir Pasha ihm einige Themen zusammen, die er in europäischen Büchern studiert hatte, und befragte ihn darüber. Obwohl er diese Bücher nicht gesehen hatte und auch mit dem Türkischen erst vor kurzem begonnen hatte, zögerte er nicht mit der Antwort. Als er sie dann eines Tages bei Tahir Pasha sah und verstand, dass dieser seine Fragen aus ihnen entnahm, eignete er sich in kurzer Zeit den Inhalt dieser Bücher an.
   In dieser Zeit war es sein höchstes Ziel und Ideal, in Bitlis und Van ein Haus der Wissenschaften ähnlich der Djami'u-l'As'har in Ägypten mit Namen "Medresetu-s'Sehra" Gestalt werden zu lassen. Und wirklich hatte er damals die feste Absicht gehegt, einen solchen Plan in die Tat umzusetzen und zu verwirklichen.
   In Van verbrachte er die Sommerzeit auf den Hochebenen von Bashit und Beytush-Shebab. Eines Tages erzählte er Tahir Pasha, dass auf den Gipfeln der erwähnten Berge sogar noch im Juli der Schnee liege. Dem widersprach Tahir Pasha und beharrte darauf, dass "dort im Juli auf gar keinen Fall Schnee liegen" könne. Daran erinnerte er sich, als er sich eines Tages wieder einmal auf der Hochebene befand und schrieb an Tahir Pasha in seinem ersten türkisch verfassten Briefe: "Oh Pasha! Auf dem Gipfel von Baschit liegt Schnee. Leugne nicht, was du nicht gesehen hast! Die Existenz der Dinge ist nicht nur auf deine Kenntnisse beschränkt. Ves-Selam 🙂 und Frieden)!"
   Molla Said schritt bei jeder Art Stammeszwistigkeiten ein, sobald er von ihnen hörte, wies beiden Seiten den rechten Weg und bemühte sich sofort darum, wieder Frieden zu stiften. Er stiftete auch Frieden zwischen Scheker Agha und Mustafa Pasha, dem Oberhaupt von Miran, zwischen denen wieder Frieden herzustellen sogar die Regierung nicht imstande gewesen war.
   Mustafa Pasha fragte er: "Hast du denn noch nicht Buße getan?" Dieser antwortete ihm: "Oh Said, was sagen Sie da? Ich werde Ihre Worte nicht in den Wind schlagen."
   Mustafa Pasha wollte ihm Geld und ein Pferd zum Geschenk machen. Aber Bediüzzaman wies es zurück und sagte:
   "Haben Sie noch nicht gehört, dass ich bis heute noch von keinem Geld angenommen habe? Und wie sollte ich denn auch Geld annehmen, noch dazu von einen Gewaltmenschen wie Sie? Sie haben wahrscheinlich Ihre Bekehrung schon verwirkt. In diesem Falle werden Sie Djezire nicht erreichen."
   Und tatsächlich erhielt er die Nachricht, dass jener auf dem Wege verstorben war, ohne nach Djezire gelangt zu sein.    Bediüzzaman eignete sich die Mathematik in erstaunlich kurzer Zeit an und brachte es darin bis zur Meisterschaft. Selbst schwierige Aufgaben löste er sofort im Kopf. Er schrieb sogar eine Abhandlung über die Gleichungssysteme in der Algebra. Wenn bei Tahir Pasha Rechenaufgaben zur Diskussion gestellt wurden, löste sie Molla Said im Kopf, noch ehe bevor andere, selbst sehr geschickte Referendare die Lösung zu finden vermochten, ganz gleich, welche Frage dabei zur Erörterung stand. Oft forderte er sie so zum Wettkampf heraus und blieb in ihrer Gemeinschaft immer der Erste.
   Bediüzzaman las während der Zeit, die er sich in Van befand, zusammen mit dem Gouverneur Tahir Pasha Berichte aus einigen Zeitungen. Dabei widmete er besonders den Themen, welche den Islam betrafen, seine besondere Aufmerksamkeit. So war er während seines Aufenthaltes in Van über die Lage in der islamischen Welt aufs Beste informiert. Eines Tages zeigte ihm Tahir Pasha in einer Zeitung folgenden unglaublichen Artikel. Der Artikel lautete:
   Ein Abgeordneter {Glodsten im Jahre 1910 (A.d.Ü.)} des englischen Kolonialmisteriums äußerte in einer Rede während einer Sitzung, indem er den Ehrwürdigen Qur'an hoch hielt: "Solange sich dieser Qur'an in der Hand der Muslime befindet, können wir sie nicht beherrschen. Ob wir es wollen oder nicht: Wir müssen ihnen den Qur'an aus der Hand nehmen, oder aber die Muslime dem Qur'an entfremden."
   Das war aber nun eine Nachricht, die ihn in ihrer Wirkung unbeschreiblich aufrüttelte. Er sagte: "Ich werde der Welt zeigen und beweisen, dass der Qur'an eine geistige Sonne ist, die nie verlischt und die man nicht auslöschen kann. Und ihre Herrschaft wird sich durchsetzen."
{(*): Als Said Nursi vor 65 Jahren in Van bei dem Gouverneur Tahir Pasha weilte, lasen sie in einer Zeitung, dass der englische Kolonialminister der Versammlung des englischen Abgeordnetenhauses den Qur'an in seiner Hand gezeigt und gesagt habe:
   "Solange sich dieser Qur'an noch in der Hand der Muslime befindet, können wir sie in der Tat nicht besiegen. Wir müssen ihnen entweder den Qur'an wegnehmen oder ihnen den Qur'an entfremden." Dieser Ausspruch hatte ihn in seinem Geiste aufgestachelt und eine grenzenlose Entschlossenheit in ihm entfacht. Er wünschte zu beweisen und in aller Welt zu verbreiten, dass der Qur'an ein Wunder ist und fasste den unwiderruflichen Entschluss, die Ungläubigen zum Schweigen zu bringen. Wie er in den 15 Jahren Zeitspanne, die er in Van verbrachte, mehr als 80 Bücher, die er schon auswendig gelernt hatte, auswendig wiederholte, erhielt er auch jede Art von erforderlichen Informationen über die Lage in der islamischen Welt der Gegenwart.
   Bediüzzaman war ein Wissenschaftler ohne gleichen. Noch in jugendlichem Alter hatte er außerordentlichen Scharfsinn und ein ungewöhnliches Verständnis der Wissenschaften zu erkennen gegeben. Mit gleich beispiellosem Eifer übte er sich selbst in der Weisheit des Qur'an. Er selbst besaß jene hohe Begabung und große Ausdauer, den heißen Wunsch und die glühende Opferbereitschaft, um aller Welt zu beweisen und jeden einzelnen davon zu überzeugen, dass der Qur'an den Bedürfnissen unseres Jahrhunderts entsprechend über alle zeitbedingte Wissenschaft und über jedweden sittlichen Standart hinaus ein Wunder ist.
   So wie aus einem Pinienkern - klein wie ein Weizenkorn - ein Baum so groß wie ein Berg emporwächst, so zeigte sich klar die göttliche Kraft. Bediüzzaman besaß keinerlei materielle Stütze.
   Im Gegenteil: Er war ein Mann in der Verfolgung, gleichsam gebunden an Händen und Füßen. Und dennoch wird er so wie dieses Samenkorn, als ein Beispiel regen pflichterfüllten Lebens Anatolien und die gesamte islamische Welt in der schwersten Epoche ihrer Geschichte sowohl im äußeren - weltlichen - Bereich beeinflussen und ihre Geisteshaltung verändern, als auch eine weltumspannende Bewegung hervorbringen. So zeigte sich die unbedingte Macht im Dienste Gottes und die Liebe zum Herrn mit Herz und Verstand.
   Tatsächlich schrieb er in einem seiner Werke als Danksagung für das im Dienst am Glauben erhaltene Geschenk der Gnade Gottes das Folgende:
   "Im vergangenen Weltkrieg oder noch davor erblickte ich mich inmitten einer wahrheitsgemäßen Erscheinung (vakia-i sadiqa) am Fuße des bekannten großen Berges Ararat. Plötzlich zerbarst der Berg mit gewaltigem Krachen und riesige Felsbrocken wurden überall umhergeschleudert. Inmitten dieses Entsetzens erblickte ich meine verstorbene Mutter an meiner Seite und sagte zu ihr: "Fürchte dich nicht, oh meine Mutter. Dies ist auf Befehl Gottes, des Gerechten. Er ist sowohl barmherzig als auch weise." - Und während ich mich noch in diesem Zustande befand, schaute ich eine bedeutende Persönlichkeit, die mir gebot: "Erkläre den Qur'an! Groß ist er und wunderbar."
   Da erwachte ich und verstand: Es wird sich ein großer Umsturz ereignen. Und nach diesem Umsturz wird eine Erneuerungsbewegung einsetzen und die Mauern zerbrechen, die den Qur'an bisher umgeben haben. Und unmittelbar darauf wird der Qur'an sich selbst verteidigen. Man wird den Qur'an angreifen. Sein Wunder wird wie ein stählerner Panzer sein; und dieses Wunder wird sich in jener Zeit als über alles Maß hinaus erweisen und sich der Gestalt eines Mannes wie mich als Anwalt bedienen. Und ich verstand, dass ich dazu beauftragt bin."}    Bediüzzaman kam nach Istanbul, um in Ostanatolien, d.h. in Van oder Diyarbakir die Gründung eines Hauses der Wissenschaften (Daru-l'Fünun), bzw. einer Schule (Medresse) im Range einer Daru-l'Fünun mit dem Namen "Medresetu-s'Sehra" zu betreiben. Seine Ankunft in Istanbul beschreibt ein Journalist mit den Worten: "Von den schroffen Felsen des Ostens herauf erhob sich über den Horizont von Istanbul eine feuerflammende Intelligenz."
   Einen Tag vor seiner Abreise nach Istanbul sagte Tahir Pasha: "Die Gelehrten des Ostens hast du zum Verstummen gebracht. Wirst du aber auch nach Istanbul gehen und dort die großen Fische des Meeres herauszufordern wissen?"    Er lud also gleich nachdem er in Istanbul angekommen war, die Gelehrten zu einer Disputation ein. Deshalb kamen alle bekannten Wissenschaftler von Istanbul und statteten ihm - oft zu mehreren gleichzeitig - ihren Besuch ab und stellten ihm ihre Fragen. Und er beantwortete sie alle richtig. Es war seine Absicht, damit den Blick und die Aufmerksamkeit auf die Wissens- und Bildungstätigkeit in Ostanatolien zu lenken. Ansonsten liebte es Molla Said durchaus nicht, sich zur Schau zu stellen. Er war stets darum bemüht, jeder Art von Prunk und Blendwerk aus dem Wege zu gehen, war jedoch bewundernswert hinsichtlich seines Wissens, seiner Unerschrockenheit, seines Gedächtnisses und seines Scharfsinnes. In gleichem oder vielleicht noch stärkerem Maße war er lauter und aufrichtig. Gekünsteltes Getue und Förmlichkeiten mochte er überhaupt nicht. An seiner Wohnungstüre war folgendes Schild aufgehängt: "Hier werden alle Probleme gelöst, alle Fragen beantwortet, aber keine Fragen gestellt."
{(*): Hierzu ist es notwendig, folgende Erklärung anzumerken:
   Said Nursi wurde in den letzten dreißig, vierzig Jahren seines Lebens die Risale-i Nur unter wunderbaren Segnungen und Gnadenerweisen zum Dienst an Islam und Qur'an zum Geschenk gemacht. Sie hat sich weltweit als ein geistiger Kampf um den Glauben gezeigt und ist als Dienst am Qur'an zu verstehen. Später hat er dann in seinen Erinnerungen selbst der Feder anvertraut, wie er in seinem Leben auf rechter Bahn geführt worden ist. Darum hat Gott der Gerechte in Said, um ihn im Dienst am Qur'an vorzubereiten, die Voraussetzungen geschaffen und ihm in Seiner überströmenden Gnade einen bewundernswerten Scharfsinn verliehen und ihn mit einem genialen Geist ausgestattet und betraut, bevor Er ihn zu einem wichtigen Dienst am Qur'an gelangen ließ. Darum sollte man, wie dies ja schon auch zu Beginn dieser Biographie angemerkt wurde, sein Leben und seine Situation von diesem Gesichtspunkt aus betrachten. Und er sagte sogar in der Zeit vor der Befreiung (Hürriyet, 1908-18 konstitutionelle Monarchie unter dem Sultan Abdulhamid - A.d.Ü.) zu seinen Schülern und Freunden: "Ich sehe ein Licht und schaue mit großen Hoffnungen in die Zukunft." Und er verkündete, dass ein bedeutender Dienst am Qur'an geleistet werden würde. Voraussehend vermochte er schon damals zu erkennen, dass der gegenwärtige Dienst am Qur'an und am Glauben durch die Risale-i Nur mitten in der Welt der Politik eine Rolle zu spielen haben werde. Deshalb war er in Istanbul mit allen seinen Kräften darum bemüht, die Politik in den Dienst des Glaubens zu stellen und sich für den Qur'an einzusetzen.}
   In Istanbul beantwortete er die Fragen der Gelehrten, die in Scharen zu ihm kamen, kurz, knapp und korrekt, befand sich in bester Verfassung und sein Benehmen war ausgezeichnet, so dass die Gelehrten ihm gratulierten. Sie sahen, dass er den Titel "Bediüzzaman" (Wunder des Zeitalters) mit Recht verdiente und beschrieben diese außergewöhnliche Persönlichkeit als ein seltenes Wunder der Schöpfung.
   Als zu dieser Zeit der berühmte Scheich Bahid Efendi, einer der Rektoren der Djami'u-l'As'har in Ägypten auf seiner Reise nach Istanbul kam, baten ihn die Gelehrten von Istanbul Bediüzzaman Said Nursi, der von den steilen und kahlen Felsen Kurdistans gekommen war, sich in Istanbul befand und dem sie das letzte Wort hatten lassen müssen, diesem jungen Gelehrten doch nicht das letzte Wort zu überlassen. Scheich Bahid Efendi nahm dieses Angebot auch an und suchte einen Diskussionsgegenstand. Eines Tages, als sie nach dem Gebet aus der Moschee Aya Sofya (Hagia Sophia) herauskamen und in einem Teehaus beieinander saßen und auch die Gelehrten anwesend waren, nahm der Scheich Bahid Efendi die Gelegenheit wahr und fragte Bediüzzaman:
مَا تُقُولُ فِى حَقِّ اْلاَوْرُبَائِيَّةِ وَالْعُثْمَانِيَّة يَانِي
{"Wie denken Sie über Europa und die Osmanen und was ist Ihre Meinung darüber?"}
Mit dieser Frage wollte der Scheich Bahid Efendi nicht das ohne Zweifel einem Ozean gleichende Wissen und das feuersprühende Genie des Bediüzzaman auf die Probe stellen, sondern die Schärfe seines Verständnisses der Zukunft und der Weltpolitik feststellen. Bediüzzaman beantwortete die ihm gestellte Frage folgendermaßen: اِنَّ اْلاَوْرُوبَا حَامِلَةٌ بِاْلاِسْلاَمِيَّةِ فَسَتَلِدُ يَوْماً مَا وَاِنَّ الْعُثْمَانِيَّةَ حَامِلَةٌ بِاْلاَوْرُوبَائِيَّةِ فَسَتَلِدُ يَوْمًا مَا
   "Europa geht schwanger mit einem islamischen Staat und wird ihn eines Tages gebären. Aber auch die Osmanen gehen mit Europa schwanger. Und auch sie werden es gebären." 
Auf diese Frage hin sagte der ehrwürdige Scheich Bahid: "Auch ich bin der Überzeugung, dass man diesen jungen Mann nicht in der Diskussion besiegen kann. Denn nur ein Bediüzzaman kann sich so kurz und treffend und so gewandt äußern."
{(*): Wie Bediüzzaman schon vorausgesagt hatte, haben sich auch diese beiden Phänomene ereignet. Nur zwei Jahren danach, schon zur Zeit der parlamentarischen Regierung, wurden viele, nichtislamische Gewohnheiten, die gegen die Identität des Islam verstoßen, angenommen und allmählich durchgesetzt. Andererseits gibt es heute in Europa Interesse für den Qur'an und für den Islam. Besonders die Geschehnisse um die Verbreitung des Islam unter dem deutschen Volk, bestätigen wohl vollkommen die Voraussagen Bediüzzamans.}
   Bediüzzamans Leben in Istanbul war bis zu einem gewissen Grade politisch. Er hegte die Überzeugung, dass einmal die Politik dem Islam dienen werde. Seine Teilnahme am politischen Leben war das Ergebnis seiner Liebe zum islamischen Dienst. Er hatte immer auf Seiten der Befreiung (Hürriyet, Parlament) gestanden, aber aufgrund der Ungerechtigkeiten, die er mit angesehen hatte, opponierte er auch stets gegen die Jung-Türken. "Ihr habt den Glauben geschmäht, gegen die Würde Gottes verstoßen und das Gesetz des Islam (Scheria) gering geachtet. Die Folgen werden ernst sein."
   In solcher Weise scheute er sich nicht davor, seine gegensätzliche Einstellung zu zeigen.
   In der Zeit der Befreiung (Hürriyet 1908-18) begründete er zusammen mit seinen Freunden, den Mudjahidin die "Gemeinschaft zur Vereinigung der Muslime". Diese Gemeinschaft begann sich in sehr kurzer Zeit zu entwickeln, so dass auf einen Artikel Bediüzzamans hin fünfzigtausend Menschen aus der Gegend von Adapazari und Izmit ihr beitraten.
   Er vertrat die Ansicht, dass es notwendig sei, den Begriff der "Freiheit" (Hürriyet, d.h. Konstitutionelle Monarchie) nicht falsch auszulegen, man vielmehr die Regierung (Meshrutiyet) als ein System der Regierung nach dem islamischen Gesetz (Scheria) annehmen müsse. Darüber schrieb er Artikel in islamischen Zeitungen und hielt darüber Vorträge. Diese Vorträge und Abhandlungen sind beste Literatur, überzeugend und eindringlich, und beispiellos in ihrer Darstellung. Wissenschaftler und Politiker haben großen Nutzen aus seinen Abhandlungen und Vorträgen gezogen. Das nationale Erwachen seiner Zeit begrüßte er als wahre Morgenröte und eine gute Nachricht für das weltliche Glück von Anatolien und ganz Asien. Aber er betonte auch immer wieder, wie notwendig es sei, den Anordnungen der Scheria unmittelbar Folge zu leisten, damit der heraufziehende Morgen nicht wieder verdämmere. Deswegen sein Hinweis: "Wenn wir das parlamentarische Regierungssystem (meshrutiyet) nicht mit der Freiheit im Rahmen der Scheria vereinbaren und unter solcher Freiheit verwirklichen, wird es von uns weggenommen und durch eine despotische Regierung ersetzt werden."
   Aus diesen Schriften und Regeln Bediüzzamans werden wir hier einige Auszüge zitieren.    Am dritten Tag nach der "Erklärung der Freiheit" im März 1909 hielt Bediüzzaman Said Nursi unvorbereitet die folgende Rede, die er dann auf dem Platz der Freiheit in Saloniki wiederholte und die damals in den Zeitungen veröffentlicht wurde:
   Rede an die Freiheit 
   Oh Freiheit unter der Scheria! Du rufst mich durch ein furchtbares, aber frohes, gute Botschaft verkündigendes Echo zu dir. Du weckst mich auf, wie einen Beduinen, der unter dem Deckbett seiner Gottvergessenheit (ghaflah) eingeschlafen war. Wenn du nicht da wärest, wären ich und das ganze Volk für immer gefangen geblieben. Ich gebe dir die frohe Botschaft, dass du das immerwährende Leben hast. Wenn du die Scheria, die das wahre Leben ist, zur Quelle des Leben machst und wenn du dich paradiesisch voll entfaltest, dann verkündige ich die frohe Botschaft, dass diese unterdrückte Nation sich, treu zu ihrer Vergangenheit, tausendfach entwickeln wird - aber nur wenn die Nation dich zu Recht als Führerin annimmt. Und auch nur wenn wir dich nicht mit unseren Gedanken an Eigennutz und Rache beflecken...
   Oh mein Herr! Wie beglückend und schön der Auferstehungstag sein wird! Diese Zeit gibt uns ein kleines Beispiel der Wahrheit
وَالْبَعْثُ بَعْدَ الْمَوْتِ
{"Die Auferstehung nach dem Tode ist wahr."}
   Die alte Zivilisation, die in den römischen wie in den asiatischen Provinzen begraben liegt, beginnt zu leben. Diejenigen, die ihren Gewinn zum Schaden der Allgemeinheit suchen und sich die Despotie wünschen, beginnen nun zu sagen:
يَالَيْتَنِى كُنْتُ تُرَابًا
{"Ach wäre ich doch Staub!"}    Weil unsere neue Regierung wie ein Wunder zustande kam, werden wir - insha-a'llah - in einem Jahr zu dem Mysterium
نُكَلِّمُ مَنْ كَانَ فِى الْمَهْدِ صَبِيّاً
{"Wir sprechen obwohl wir noch Kinder in der Wiege sind."}
gelangen. Als eine Belohnung dafür, dass wir dreißig Jahre lang vertrauensvoll und geduldig einen Ramadan des Schweigens gehalten haben, haben sich uns nun mühelos die Türen zum Paradiese der Entwicklung und Zivilisation geöffnet. Die Gesetzgebung der Scheria, die ein guter und schöner Beginn zur nationalen Souveränität ist, lädt uns wie ein Führer des Paradieses zum Eintritt ein.
   Oh unterdrückte Brüder des Vaterlandes! Gehen wir und beteiligen wir uns! Die erste Türe ist die Vereinigung der Herzen nach Maßgabe der Scheria. Die zweite Türe ist die Liebe zum Volk. Die dritte Türe ist die Bildung. Die vierte Türe ist die menschliche Bemühung. Die fünfte Türe ist die Aufgabe eines ausschweifenden Lebenswandels. Die übrigen überlasse ich ihrem Verständnis.
   ....
   Oh Brüder des Vaterlandes! Tötet sie nicht wieder durch ausschweifenden Lebenswandel und Lauheit im Glauben! Gegen alle Verderben bringenden Meinungen, alle niedere Moral, satanische Hinterlist und Schmeicheleien gibt es jetzt das Verfassungsgesetz, das auf die Sheriat-i garra {garra: glänzend; medinensisch, weil zuerst in Medina erlassen. (A.d.Ü.)} gegründet worden ist und wie Azrail (der Todesengel) alle zum Verstummen gebracht hat.
   Oh Brüder des Vaterlandes! Lasst diese Dinge nicht durch Verschwendung, Ungesetzlichkeiten und unerlaubte Genüsse wieder über euch mächtig werden! Mit anderen Worten: Wir haben bis jetzt im Grabe gelegen - faul und verloren. Nun sind wir durch diese nationale Einigung und die parlamentarische Regierung in den Mutterleib eingegangen und werden aus ihm hervorkommen. Auf der Streck der Entwicklung, die wir erst seit Jahrhunderten versäumt haben, werden wir - insha-a'llah - durch ein Wunder des Propheten im Geist und in der Tat in den Zug des Verfassungsgesetzes unter der Scheria und in das Fahrzeug der Entwicklung des Prinzips der gegenseitigen Beratung unter der Scheria einsteigen. Wir werden in kurzer Zeit diese große furchterregende Wüste durchqueren und dann Schulter an Schulter in einen Wettbewerb mit den Industrienationen eintreten. Denn diese stiegen einst in einen Ochsenkarren ein, gingen auf die Reise. Wir aber werden bereits mit Vorkenntnissen ausgestattet wie in einen Zug oder ein Luftschiff einsteigen und sie hinter uns lassen. Auch werden wir mit Hilfe der Wahrheit des Islam, welche die Gesamtheit der guten Sitten in sich enthält und durch den Segen des Glaubens Meile um Meile zurücklegen.
   Aufgrund meiner mir gegebenen Verpflichtung als Schüler, versehen mit dem Abschlussdiplom der "Freiheit", ermahne ich euch:
   Oh Söhne des Vaterlandes! Missdeutet nicht den Begriff der "Freiheit", damit diese Freiheit nicht wieder aus unserer Hand entgleitet und unsere alte faule Gefangenschaft uns nicht im selben Topf {Jawohl, man hat uns bereits unter einer noch furchtbareren Despotie eine noch härtere und bitterere Gefangenschaft zu trinken gegeben.} zugleich zu trinken gibt und ertränkt. Denn die Freiheit kann sich nur verwirklichen und entwickeln unter Einhaltung der Gesetze und im Betragen gemäß der Scheria und den guten Sitten.
   .........
  Bediüzzaman     Hochlebe die Sheriat-i Ahmedi (ASM) 
{Das Gesetz Mohammeds (ASM: Friede sei mit ihm)}
   Religiöse Zeitschrift Nr.: 77
   18. März 1909 
   Sheriat-i Garra: 
   Sie ist aus dem Wort des Urewigen hervorgegangen und wird endlos weiterschreiten. Die Welt des Islam ist die Säule unserer Sicherheit vor der schamlosen Despotie der fleischlichen Gelüste und unser starkes Seil. Von der gerechten Freiheit macht man nur dann berechtigter maßen Gebrauch, wenn man aus dem Glauben um Hilfe bittet. Und wer in Wahrheit der Anbeter und Diener des Weltenschöpfers ist, soll sich nicht dazu herabwürdigen, seine Geschöpfe anzubeten. Jeder ist ein Kommandant in seiner persönlichen Welt und als solcher zum Großen Djihad {Kampf gegen sein Ego.} verpflichtet und hat die Aufgabe, sich nach der Sitte Mohammeds (ASM) entsprechend zu verhalten und die Gebräuche aus der Zeit des Propheten (Sunna) lebendig zu erhalten.
   Oh ihr leitenden Staatsmänner! Wenn Sie Erfolg zu haben wünschen, dann handeln Sie in Übereinstimmung mit den göttlich-kosmischen Gesetzen. {Die von Gott geschaffenen Naturgesetze.} Wenn Sie sich aber nicht in Übereinstimmung mit ihnen verhalten, dann werden Sie scheitern. Denn alle bekannten Propheten sind aus den heutigen islamischen und osmanischen Ländern hervorgegangen, was Hinweis und Zeichen dafür ist, dass kraft göttlicher Allmacht und Führung der Treibstoff für die Maschine der wunderbaren Erfolge der Bewohner dieses Landes der Glaube ist. Und die Blumen auf den Feldern Asiens und Afrikas und in den Gärten von Rumeli 🙂 den römischen Provinzen) werden im Lichte des Islam gedeihen. Man darf den Glauben nicht um weltlicher Dinge willen opfern. Um den Kadaver einer Gewaltherrschaft in seiner Existenz zu erhalten, hat man sich schon ein Mal in den Angelegenheiten der Scheriah bestechen lassen. Hat man erst einmal die Dinge des Glaubens aufgegeben und im Stich gelassen, was hat man dann noch davon außer Schaden? Die Krankheit am Herzen der Nation ist die Schwäche seines Glaubens. Sie kann nur geheilt werden durch dessen Stärkung. Der Charakter unserer Gemeinschaft besteht in der Liebe zur Freundschaft und dem Widerstand gegen die Feindschaft. Mit anderen Worten: Wir müssen die Freundschaft unter den Muslimen stärken und die Kräfte der Feindseligkeit zerstören. Es ist unsere Berufung, uns den Sitten Mohammeds, mit dem Friede und Segen sei, entsprechend zu verhalten und die Gebräuche aus der Zeit des Propheten (Sunnah) wieder zu beleben. Unser Führer ist das islamische Gesetz (schariat), unser Schwert sind unwiderlegbare Beweise und unser Ziel ist die Erhöhung des Wortes Gottes!...
  Bediüzzaman     Wahrheit 
   Religiöse Zeitschrift Nr.: 70 
   März 1909 
   Wir sind seit dem Augenblick von "Qalu bela" {"Qalu bela": "sie haben gesagt: ja, doch!" - die Antwort der Seelen bei ihrer Erschaffung auf die Frage Gottes: "Bin ich nicht euer Herr?" (Sure 7, 172) - Dieses Erlebnis wird "Qalu bela" genannt. (A.d.Ü.)} in der Vereinigung mit Mohammed, mit dem Friede und Segen sei. Der Hintergrund unserer Einheit ist Tauhid (die Einheit Gottes). Der Glaube ist unser Eid und Schwur. Vereinigt im gemeinsamen Glauben an Gott (Tauhid), sind wir eins.
   Jeder Gläubige ist zur Erhöhung des Wortes Gottes verpflichtet. In heutiger Zeit ist die erste Veranlassung dazu die materielle Entwicklung. Denn das Ausland unterdrückt uns mit den Waffen der Naturwissenschaften und der Industrie in seiner geistigen Zwangsherrschaft. Auch wir werden mit Waffen von Kunst und Wissenschaft gegen Unwissenheit, Armut und Widerstreit der Meinungen, welche die furchtbaren Feinde der Erhöhung des Wortes Gottes sind, kämpfen. Den Kampf nach außen aber werden wir dem diamantenen Schwert, der unwiderlegbaren Beweise, der Sheriat-i Garra überlassen. Denn ein Sieg über zivilisierte Menschen ist nur dadurch möglich, dass man sie überzeugt, und nicht dadurch, dass man sie wie Wilde, die kein Wort verstehen, dazu zu zwingen versucht. Wir sind dazu bereit, für die Freundschaft Opfer zu bringen. Für Feindschaft haben wir keine Zeit!...
   Das parlamentarische Regierungssystem besteht in der Gerechtigkeit, der gegenseitigen Beratung und der Begrenzung der Macht durch das Gesetz. Schon vor dreizehn (heute vierzehn) Jahrhunderten wurde die Sheriat-i Garra  begründet. Um das europäische Gesetzessystem zu betteln ist ein großes Verbrechen gegenüber dem Islam, vergleichbar einem rituellen Gebet, das man nach Norden verrichtet (anstatt gen Mekka).
   Die Macht muss unter dem Gesetz bleiben. Sonst verbreitet sich eine allgemeine Anarchie.
اِنَّ اللّٰهَ هُوَ الْقَوِىُّ الْعَزِيزُ
{"Fürwahr, Gott ist der mächtige Sieger, der niemals besiegt worden ist."}
muss Richter und Leiter des Gewissens sein. Sie muss auch im Namen vollkommener Erkenntnis und allgemeiner Kultur, bzw. im Namen des Islam wirken. Sonst wird immer Anarchie herrschen. Übereinstimmung kommt nur unter rechter Leitung zu Stande, nicht nach Lust und Laune. Die Menschen sind zwar freigeworden, bleiben aber immer noch Diener und Anbeter Gottes. Zwar wurde alles liberalisiert, jedoch können die Fehler des einen Menschen weder Rechtfertigung noch Entschuldigung für die Fehler eines anderen Menschen sein. Verzweiflung verhindert jede Art der Vervollkommnung. "Mir ist das gleichgültig. Soll sich ein anderer darum kümmern.", ist der Leitgedanke in der Anarchie.
  Bediüzzaman     Ein Gespräch mit Karasso 
   In Saloniki hatte Bediüzzaman ein Gespräch mit Karasso, dem Oberrabiner von Istanbul. Karasso unterbrach das Gespräch, lief nach draußen und sagte zu seinen Freunden: "Wenn ich noch länger bei ihm geblieben wäre, hätte er mich beinahe zum Islam bekehrt." Er beschrieb seine Niederlage voll Aufregung und Erstaunen. Aber in Wirklichkeit war Karasso Mitglied einer Geheimorganisation, die entschlossen und systematisch an der Zerstückelung des osmanischen Reiches arbeitete. Er spielte darin eine bedeutende Rolle. Karasso beabsichtigte, bei seinem Besuch Bediüzzaman für sich zu gewinnen und ihn für seine eigenen Ziele zu gebrauchen. Aber leider...
  * * * 
   Das Geschehnis vom 31. März 
   Schließlich ereignete sich das katastrophale Geschehnis vom 31.März (1909). Fünfzehn Religionslehrer, die die Scheria befürworteten und die im Zusammenhang mit diesen Geschehnissen genannt werden, wurden zum Tode verurteilt und gehängt. Als Bediüzzaman durch ein Fenster die Leiber der Erhängten im Garten des Gerichtsgebäudes sah, wurde er Hurshit Pasha, dem Vorsitzenden des Gerichtes vorgeführt, der ihn befragte:
   "Du hast wohl auch die Scheria befürwortet?"
   Bediüzzaman antwortete:
   "Auch wenn ich tausend Seelen hätte, wäre ich doch bereit, sie für eine einzige Wahrheit der Scheria zu opfern. Denn die Scheria ist die Ursache der Glückseligkeit, die lautere Gerechtigkeit und Tugend, aber nicht so wie die Revolutionäre sie haben wollen!"
   Diese heroische Verteidigung Bediüzzamans vor dem Kriegsgericht wurde damals zwei Mal gedruckt und veröffentlicht. Er erwartete von diesem furchtbaren Gericht die Todesstrafe, wurde aber freigesprochen! Ohne dem Gericht zu danken, ging er zu Fuß von Beyazid bis Sultan Ahmed - eine riesige Menschenmenge hinter sich. Er schrie unterwegs: "Hochlebe die Hölle für die Tyrannen! Hochlebe die Hölle für die Tyrannen!"
   Ein Teil dieser Verteidigung vor dem Kriegsgericht ist in seiner Biographie wiedergegeben worden, damit der innere Aspekt des Geschehens vom 31. März und die heroische Verteidigung Bediüzzamans noch einleuchtender werden können.
  * * *     Auszüge aus dem Werk "Die Zeugnisse aus zwei Schulen des Unglücks" oder "Das außerordentliche Kriegsgericht und Said Nursi" 
بِاسْمِهِ سُبْحَانَهُ ٭ وَاِنْ مِنْ شَىْءٍ اِلاَّ يُسَبِّحُ بِحَمْدِهِ
{"Im Namen des Hochgelobten, vor dem es kein Ding gibt, das Ihn nicht in Dankbarkeit lobpreist."}
   Einführung: 
   Als die Freiheit zur Verrücktheit erklärt wurde, machte der Despotismus in seiner Schwäche das Irrenhaus zur Schule für mich.
   Als eine maßvolle und geradlinige Haltung mit einer fortschrittsfeindlichen verwechselt wurde, machte der furchtbare Despotismus unter der parlamentarischen Regierung das Gefängnis zur Schule für mich.
   Oh Ihr Menschen, die Ihr meine Zeugnisse prüft! Bitte schicken Sie Ihre Seele und Ihre Vorstellungskraft in den revolutionären Körper und das Gehirn eines nervösen Beduinenschülers, dessen Leben mit der neuen Zivilisation verknüpft worden ist, damit Sie in Ihrer Kritik nicht in einen Fehler verfallen. Ich hatte während des Geschehnisses von 31. März vor dem außerordentlichen Kriegsgericht gesagt:
   "Ich bin ein Schüler. Deswegen wäge ich alles mit der Waage der Scheria. Ich kenne nur den Islam als unsere Nationalität. Deswegen beurteile ich alles aus islamischer Sicht. Ich stehe vor der Tür der Zwischenwelt (zwischen Diesseits und Jenseits), welche man ein Gefängnis nennt und warte auf den Bahnhof, der Galgen heißt, auf den Zug, der ins Jenseits fährt. Diese Rede halte ich als Kritik an den aufrührerischen Zuständen der menschlichen Gesellschaft und richte sie nicht nur an sie, sondern auch an die ganze Menschheit in dieser Zeit. Deswegen ist die Wahrheit entsprechend dem Mysterium يَوْمَ تُبْلَى السَّرَآئِرُ {"An jenem Tage werden alle Geheimnisse enträtselt."} nackt aus dem Grabe des Herzens hervorgekommen. Die unzugelassenen (namahrem) {Dies ist ein Ausdruck aus der Scheria, ein Terminus technicus. Z.B.: Die Scheria verbietet das leichtlebige, nicht überwachte Zusammensein junger Leute beider Geschlechter, wenn sie nicht nahe miteinander verwandt sind, also, wenn sie nicht mahrem sind. Bediüzzamans Gebrauch des Ausdrucks ist allegorisch. Versteckt in diesem Satz ist eine Kritik an denen, die über islamische Gläubige zu Gericht sitzen, ohne selbst vom Islam eine Ahnung zu haben. (A.d.Ü.)} sollen sie nicht sehen. Ich bin voller Sehnsucht nach dem Jenseits. Ich bin bereit, mit diesen Gehängten dahin zu gehen. Wie ein Beduine, dem die Schönheiten Istanbuls zu Gehör, aber nie zu Gesicht gekommen sind, voll Bewunderung danach verlangt und sich in höchster Sehnsucht danach verzehrt, sie zu sehen, so verlange auch ich voll Sehnsucht, die jenseitige Welt, diesen Ort der Merkwürdigkeiten und Wunder zu schauen. Und diese Sehnsucht habe ich noch immer. Meine Verbannung dahin ist für mich keine Strafe! Wenn Sie es können, quälen sie mich in meinem Gewissen! eine andere Art, mich zu quälen ist für mich keine Strafe, sondern Ruhm!
   Diese Regierung war während der Zeit des Despotismus feindselig gegen das Denken eingestellt. Und jetzt gegen das Leben! Wenn die Regierung so ist, dann: Hochlebe der Wahnsinn! Hochlebe der Tod! Hochlebe die Hölle für die Tyrannen! Ich hatte mir schon einen Anlass gewünscht, damit ich dazu meine Meinung äußern kann. Jetzt ist dieses außerordentliche Kriegsgericht ein geeigneter Anlass dafür."
   Zu Anfang wurde auch ich wie alle anderen vor dem Kriegsgericht gefragt:
   "Du hast auch die Scheria für erforderlich erachtet?"
   Ich sagte:
   "Auch wenn ich tausend Seelen hätte, wäre ich bereit, sie alle für eine einzige Wahrheit der Scheria zu opfern. Denn die Scheria ist die Quelle der Glückseligkeit, der lauteren Gerechtigkeit und Tugend; aber nicht so wie die Revolutionäre sie haben wollen!"
   Dann fragte man mich:
   "Bist Du von der Ittihad-i Muhammediye (Vereinigung der Anhänger Mohammeds - Friede sei mit ihm)?"
   Ich sagte:
   "Mit berechtigtem Stolz... Ich bin der geringste unter ihnen. Aber nach meiner Auffassung... Zeigen Sie mir, wer schon nicht von dieser Vereinigung ist - außer (natürlich) den Atheisten?"
   Ich veröffentliche hier diese Rede, um das parlamentarische Regierungssystem von Befleckungen, die Mitglieder der Scheria vor Verzweiflung, die Zeitgenossen vor Ignoranz und Wahnsinn in den Augen der Geschichte und die Wahrheit vor Verdacht und Zweifel zu retten.
   Ich beginne also:
   Ich sagte: Oh Pashas! Oh Offiziere! Die kurzgefasste Darstellung der Verbrechen, die die Gefangenschaft für mich brachten, ist:
اِذًا مَحَاسِنِىَ اللاَّتِى اَدِلُّ بِهَا كَانَتْ ذُنُوبِى فَقُلْ لِى كَيْفَ اَعْتَذِرُ
   Das heißt: Meine guten Taten, auf die ich stolz war, werden jetzt als Sünden betrachtet. Wie kann ich nun um Entschuldigung bitten? Ich bin ratlos! Zur Einführung sage ich:
   Ein Mann kann sich nicht zu einem Verbrechen herabwürdigen. Falls ihm die Verbrechen zugeschrieben werden, braucht er keine Angst vor der Strafe zu haben. Wenn ich zu Unrecht hingerichtet werde, bekomme ich die Belohnung von zwei Märtyrern. Falls ich ins Gefängnis geworfen werde unter einer solchen rebellischen Regierung, die nur ein Lippenbekenntnis zur Freiheit hat, dann ist gewiss das Gefängnis der angenehmste Ort. Sterben als ein Unterdrückter ist besser als leben als ein Gewaltmensch.
   Ich sage hierbei auch: Manche Menschen, welche die Politik für ihre atheistischen Ziele instrumentalisieren, beschuldigen die anderen fortschrittsfeindlich zu sein und nun angeblichen ihrerseits die Politik für ihre religiösen Ziele zu instrumentalisieren. Dies tun sie aber, um ihre eigene Schuld zu bemänteln.
   Heute sind die Spitzel {Es gehört zu der absoluten Vollkommenheit und Schönheit des Islam, dass der Qur'an (Sure 49, 12) die Bespitzelung ausdrücklich verbietet. (A.d.Ü.)} schlechter als früher. Wie kann auf ihre Treue vertraut werden? Wie kann die Gerechtigkeit auf ihrer Aussage aufgebaut werden? Man tyrannisiert, wenn man Gerechtigkeit schaffen will durch Demagogie. Denn der Mensch ist nicht unfehlbar. Aber die verschiedenen Fehler, die in einer langen Zeit bei vielen Menschen vorkommen, werden durch ihre Wohltaten neutralisiert. Sie werden aber durch die Demagogie gehäuft, so als ob sie auf ein Mal von einer einzigen Person begangen worden wären. Diese irrige Vorstellung lässt folglich auch eine strenge Strafe für angemessen erscheinen. Doch diese Denkweise ist eine furchtbare Tyrannei.
   Nun zählen wir die elfeinhalb Verbrechen auf.
{(*): Nur die Abschnitte, die die Berufung des Verfassers betreffen, sind aufgenommen worden. Für Ausführlichkeit ist das erwähnte Werk nachzuschlagen.}
   Erstes Verbrechen: 
   Im vergangenen Jahr habe ich am Anfang der "Freiheit" etwa sechzig Telegramme durch das Amt des Ministerpräsidenten zu den Stämmen im Osten geschickt, deren Inhalt lautete:
   "In der Sache der parlamentarischen Regierung und der Verfassung, wovon Sie bereits gehört haben, geht es um lautere Gerechtigkeit und gegenseitige Beratung über die Probleme der Scheria. Bemühen Sie sich, diese Dinge in rechtem Verständnis aufzunehmen und sie zu schützen! In dieser Despotie sind wir diejenigen, welche am meisten geschädigt werden. Denn unser weltliches Glück liegt im parlamentarischen Regierungssystem."    Von allen Seiten war die Reaktion auf dieses Telegramm voll und ganz zustimmend.
   Ich habe also die östlichen Provinzen informiert. Ich ließ sie nicht unwissend, damit keine neue Despotie Nutzen aus ihrer Unwissenheit ziehen könne. Weil ich damals nicht gesagt habe: "Es geht mich nichts an", habe ich ein Verbrechen begangen und wurde vor Gericht gestellt.
   Zweites Verbrechen: 
   In verschiedenen Reden - in der Aya Sophia, in Bayezid, in Fatih, in Süleymaniye - habe ich allen Gelehrten und Schülern die wahre Beziehung zwischen der Scheria und dem parlamentarischen Regierungssystem erklärt. Ich erklärte, dass die herrschende Despotie keine Beziehung mehr zur Scheria habe. Mit dem Mysterium der Hadith:
سَيِّدُ الْقَوْمِ خَادِمُهُمْ
{"Die Führer des Volkes sind seine Diener."}
ist die Scheria uns gegeben worden, um die Despotie und die Tyrannei zu vernichten. Bei jeder einzelnen Rede, die ich gehalten habe, war ich dazu bereit, wenn jemand Einspruch gegen irgendeines meiner Worte erhoben hätte, den Beweis dafür zu erbringen und zu belegen. Ich habe gesagt: "Aus der Wurzel der Scheria erhebt sich als ihre wahrhaftige Berufung das Wesen des parlamentarischen Regierungssystems entsprechend der Scheria." Ich habe also das parlamentarische Regierungssystem von seiner Wurzel (delail-i sheriye) 
{Darunter verseht man:
   1. den Qur'an,
   2. die Sunna: Beispiel des Propheten, seine Überlieferungen,
   3. Icma-i Ümmet: Übereinstimmung mit der isl. Glaubensgemeinschaft,
   4. Qiyas-i Fukaha: vergleichende isl. Rechtbesprechung als Quellen der Scheria.}
her angenommen und es weder, wie die anderen, welche eine Kultur befürworten, die aus Europa kommt, lediglich nachgeahmt, noch als bloßes Gegenstück zur Scheria betrachtet. Hinsichtlich der Scheria habe ich mich nicht bestechen lassen. Weil ich bemüht war, die Gelehrten und die Scheria - so gut ich konnte - vor den verderbenbringenden Vorurteilen Europas zu retten, habe ich ein Verbrechen begangen, so dass ich nun diese Art Ihrer Behandlung erfahre.
   Drittes Verbrechen: 
   Es gibt in Istanbul etwa zwanzigtausend Lastträger, die meine Landsleute sind. Weil sie ahnungslos und leichtgläubig sind, fürchtete ich, dass einige unter den Politikern sie verführen könnten und damit Schande über die östlichen Provinzen bringen könnten. Ich habe dann alle Tee-Häuser und Plätze der Lastträger besucht. Ich habe ihnen dann wie schon im vergangenen Jahr das parlamentarische Regierungssystem ihrem Verständnis entsprechend auf folgende Weise nahe gebracht:
   "Eine absolutistische Regierung ist eine Regierung mit Grausamkeit und Gewalt. Eine parlamentarische Regierung aber ist eine gerechte und gesetzliche islamische Regierung. Wenn der Padischah (Kaiser) den Weisungen des Propheten gehorcht und seinem Wege folgt, dann ist er der Kalif (Nachfolger des Propheten) und auch wir werden ihm gehorchen. Wenn nicht, d.h. wenn er sich dem Propheten nicht unterwirft und Ungerechtigkeiten begeht, ist er ein Strauchdieb, auch wenn er ein Padischah sein sollte. Unsere Feinde sind die Unwissenheit, die Not und die Zwietracht. Gegen diese drei Feinde werden wir mit den Waffen eines geschulten Wissens, der Gotteserkenntnis und der Eintracht zu Felde ziehen. Wir werden mit den Türken, die unsere Brüder sind und uns in gewisser Hinsicht zur Wachsamkeit angeleitet und zu unserer Entwicklung beigetragen haben, Freundschaft schließen, wie auch mit anderen Nachbarn. Und wir werden uns, einander helfend, die Hände reichen. Denn in der Feindschaft liegt die Bosheit und wir haben für Feindschaft keine Zeit. Wir werden uns nicht in die Angelegenheiten der Regierung einmischen, weil wir die Kunst des Regierens nicht verstehen..."    Auf meinen Rat hin boykotierten also die Lastträger Österreich (so wie ich ganz Europa)
{(*): Eines Tages sagte ein vornehmer Herr zu Bediüzzaman, es sei notwendig, dass dieser eine seiner Bildung entsprechende Kleidung trage. Er antwortete ihm: "Sie wollen die Waren der Österreicher boykottieren, tragen aber gleichzeitig von ihnen eine Pelzmütze. Ich dagegen boykottiere alle Waren aus ganz Europa. Deshalb ziehe ich mir, wörtlich oder auch übertragen verstanden, nur den Schuh meines Landes an."}
und verhielten sich in diesen äußerst verworrenen und unruhigen Zeiten vernünftig. Weil ich sie also dazu veranlasste, sich gegenüber dem Padischah gemäßigt zu verhalten und durch den Boykott gegenüber Europa einen Wirtschaftskrieg ausgelöst habe, sagt man mir nun nach, ich hätte ein Verbrechen begangen und mich damit ins Unglück gestürzt!
   Viertes Verbrechen: 
   Es tut mir aus tiefster Seele leid, dass Europa aufgrund unserer rückständigen und fanatischen Haltung der Ansicht ist, die Scheria - Aber nein! Davor bewahre uns Gott! - sei ein geeignetes Instrument, (um die Menschen auf diese Weise) unterdrücken zu können. Um diese Ansicht zu widerlegen, begrüße ich mehr als jeder andere die parlamentarische Monarchie. Denn ich hatte schon wieder Angst, eine neue Unterdrückung könne ihre Ansicht bestätigen. Darum habe ich damals in der Aya Sophia die Abgeordneten mit all meiner Kraft beschworen und gesagt:
   "Prägen Sie es sich als Grundsatz ein, dass die parlamentarische Monarchie sich an der Scheria orientieren muss. So soll eine neue, heimliche atheistische Diktatur nicht mit ihren schmutzigen Händen die gesegnete Scheria beflecken und ihren Hass dahinter zu verstecken suchen. Beschränken Sie die Freiheit durch das islamische Sittengesetz! Denn entlässt man unwissende Menschen und einfache Leute in eine Freiheit ohne Grenzen und eine Unabhängigkeit ohne Gesetz, dann verfallen sie der Zuchtlosigkeit und der Unbotmäßigkeit. Das Gebet der Gerechtigkeit sollte gemäß den vier Rechtsschulen ausgerichtet werden. So wird dann das Gebet korrekt verrichtet."
   Denn ich habe die Behauptung aufgestellt, dass es möglich sei, die Grundelemente einer Parlamentarischen Monarchie klar ersichtlich, sinngemäß oder frei interpretiert auf den vier Rechtsschulen (mesheb) aufzubauen. Aber ich bin ja nur ein einfacher Schüler. Ich habe eine Aufgabe auf meine Schultern geladen, die eigentlich Pflicht der Gelehrten ist. So habe ich also ein Verbrechen begangen und eine Ohrfeige bekommen!
   Fünftes Verbrechen: 
   Die Zeitungen haben mit zwei fehlerhaften Vergleichen und ihren entwürdigenden Veröffentlichungen die islamische Moral erschüttert und die Gedanken der Allgemeinheit verwirrt. Daraufhin habe ich in den Zeitungen Artikel veröffentlicht, die all dies zurückweisen und gesagt:
   "Meine Herren Redakteure! Die Verfasser Ihrer Artikel müssen anständige Leute sein, ja sie müssen der islamischen Moral entsprechend gesittet sein. Und ihre Artikel müssen von der öffentlichen Meinung und den Stimmungen der Massen unabhängig sein. Und die Statuten der Presse müssen Ihrem Gewissen entsprechend aufgestellt werden, nach dem religiösen Empfinden und in reiner Absicht. Denn Sie haben mit zwei fehlerhaften Vergleichen, nämlich dem Vergleich der Provinz mit Istanbul und Istanbuls mit Europa, das Denken der Allgemeinheit in den Sumpf hinabgezogen. Einem ABC-Schützen, der noch nicht lesen kann, hält man keine Vorlesungen in Naturphilosophie! Und einem Manne steht die Garderobe einer Schauspielerin nicht gut an! Und so wie ein Europäer empfindet, kann man in Istanbul nicht auftreten! Die Unterschiede zwischen den Völkern, die Verschiedenheiten zwischen Ortschaften und Landschaften gleichen den Unterschieden zwischen den Jahren und Jahrhunderten. Was dem einen steht, kleidet den anderen gar nicht. Das heißt, die große französische Revolution war eine Bewegung, deren Gründe absolut kein Leitmotiv für uns sein können! Der Fehler entsteht immer daraus, dass man eine Theorie in die Praxis umsetzen will, ohne die Erfordernisse der jeweiligen Lage zu überdenken."
   Aber ich bin ja nur ein ungebildeter Bauer. Ich habe dennoch diesen zungenfertigen, spitzfindigen und eigennützigen Redakteuren gute Ratschläge erteilt. D.h. also, ich habe ein Verbrechen begangen(!)...
   Sechstes Verbrechen: 
   Wie oft habe ich in großen Versammlungen die Erregung verspürt und befürchtet, dass sich einfache Leute in die Politik einmischen und dadurch Ruhe und Ordnung stören könnten. Ich habe mit Ausdrücken, wie sie ein Schüler vom Lande so gebraucht, der gerade erst türkisch gelernt hat, die Wogen der Erregung wieder geglättet. In so eine aufgebrachte Menge geriet ich z.B. unter Studenten von Bayezid oder bei einer Maulid in der Aya Sophia, oder im Ferah-Theater. Ich konnte die Leute zu einem gewissen Grade beruhigen. Sonst wäre die Hölle ausgebrochen. Aber ich bin ja nur ein unkultivierter Mensch. Und obwohl ich die Intrigen zivilisierter Menschen kannte, habe ich mich in ihre Angelegenheiten eingemischt. Das heißt also, ich habe ein Verbrechen begangen(!)...
   Siebentes Verbrechen: 
   Ich habe davon gehört, dass eine Gemeinschaft mit dem Namen "Mohammedanische Vereinigung" gegründet worden sei. Ich befürchtete auf das Äußerste, dass einige unter diesem gesegneten Namen eine falsch verstandene Bewegung ins Leben rufen werde. Später hörte ich dann, dass einige ehrenwerte Herren wie Süheyl Pasha und Scheich Sadik diesen ehrenwerten Namen schlicht und einfach verwandt haben, um ihn lediglich für Ibadet und Sünnet-i Seniye (anbetenden Dienst und Pflege der Tradition) zu gebrauchen. Und sie haben ihre Beziehungen zu politischen Vereinigungen abgebrochen. Sie werden sich nicht mehr mit Politik beschäftigen. Aufgrund neuerlicher Befürchtungen sagte ich:
   Die Allgemeinheit hat ein Anrecht auf diesen Namen. Es geht nicht an, ihn abzugrenzen und einzuschränken. Ich gehöre aber auch in gewisser Hinsicht verschiedenen religiös orientierten Vereinigungen an. Denn ich habe gesehen, dass sie alle nur ein gemeinsames Ziel haben. Auf solche Weise bin ich mit diesem ehrenwerten Namen verbunden. Darum möchte ich die Mohammedanische Vereinigung, der ich beigetreten bin, nach meinem Verständnis folgendermaßen beschreiben:
   Sie ist ein Kreis von Menschen, die von Ost nach West, von Süd bis Nord durch eine leuchtende Kette miteinander verbunden sind. Die Zahl ihrer Mitglieder beziffert sich heute auf über dreihundert Millionen Mitglieder. Was sie alle zu einem Bund miteinander vereinigt und verbindet ist die Einheit Gottes (tauhid). Ihr Eid und Gelöbnis ist der Glaube. Ihre Mitglieder sind alle Gläubigen, die ihr seit "Qalu bela" {"Qalu bela": "sie haben 'Ja' gesagt". Dies war die Antwort der Seelen auf die Frage Gottes: "Bin ich nicht euer Herr?" (A.d.Ü.)} beigetreten sind. Und ihre Namen sind auf der wohlverwahrten Tafel (lauh-i mahfudh) eingeschrieben. Das Sprachrohr dieser Vereinigung sind alle Bücher des Islam. Zu ihrer Tagespresse gehören all die Zeitungen religösen Inhalts, deren Ziel und Zweck die Erhöhung und Verherrlichung des Wortes Gottes (also des Qur'an) ist. Ihre Club- und Versammlungslokale sind all die großen und kleinen Moscheen mit ihren Schulen (medresse) und Ordenshäusern (dhikirhane). Ihre Zentren sind die Heiligen Stätten von Mekka und Medina (Harameyn-i Sherifeyn). Der Vorsitzende einer solchen Vereinigung ist der Stolz der Welt, mit dem der Friede sei. Ihre Berufung ist der Kampf gegen den Egoismus, d.h. sich mit der Ethik Mohammeds, mit dem der Friede sei, um die Gute Sitte bemühen, das Vorbild des Propheten, ihre Verfassung die Ge- und Verbote der Scheria; ihr Schwert aber sind die unwiderlegbaren Beweise. Denn unsere Überlegenheit beweist man Menschen westlicher Zivilisation nur dadurch, dass man sie überzeugt und nicht mit Gewalt! Was die Wahrheit ist, das erforscht man nur dann, wenn man sich dafür interessiert. Unser Kampf aber richtet sich gegen Grausamkeit und Fanatismus. Ziel und Zweck bleibt die Erhöhung und Verherrlichung des Wortes Gottes (also des Qur'an). Neunundneunzig Prozent der Scheria befassen sich mit der Ethik (Ahlaq), dem anbetenden Dienst (Ibadet), dem Ewigen Leben (Ahiret) und der Charakterbildung (Fasilet). Und nur ein Prozent beschäftigt sich mit der Politik. Um diese sollte sich unsere Regierung kümmern! Unsere jetzige Absicht ist, diese leuchtende Kette in den Herzen aller zum Schwingen zu bringen und jeden durch diese Sehnsucht und Begeisterung seines Herzens auf den Weg zu führen, auf dem er zur Kaaba der Vollkommenheit voranschreiten wird. Denn in unserer Zeit ist ein wichtiger Grund, das Wort Gottes zu erhöhen und zu verherrlichen, die sichtbare Erstarkung (der Gläubigen)!
   So bin ich also ein Mitglied dieser Vereinigung und einer von denen, die darum bemüht sind, diese Vereinigung ins Licht der Öffentlichkeit zu führen. In dieser Weise gehöre ich nicht einer Partei an, die Spaltung und Zersetzung beabsichtigt...
   Kurz gesagt: Ich schloss mit Sultan Selim einen Bund. Ich habe mich seiner Auffassung von einer vereinigten islamischen Gemeinschaft angeschlossen. Er hatte auch die Provinzen des Ostens ermahnt und sie hatten mit ihm den Bund geschlossen. Und die Bewohner dieser Gebiete sind noch heute wie die Bewohner von damals. In dieser Angelegenheit sind meine Vorbilder: Scheich Djemalu-d'din Afghani, der hochgeehrte Mufti von Ägypten, der verstorbene Mohammed Abduh, der radikale Gelehrte Ali Suavi, der Hodja Tahsin, Namik Kemal, der sich die Einigung des Islam zum Ziel gesetzt hat und Sultan Selim, der gesagt hat:
  Der Gedanke an Zwist und Hader
verfolgt mich bis ins Grab, raubt mir die Ruhe.
Einheit heißt der Ausweg, zurückzuweisen der Feinde Ungestüm.    Wenn sich das Volk nicht einigt, muss ich leiden. 
  Yavuz Sultan Selim 
   Wenn ich mich in der Öffentlichkeit um diese Dinge bemüht habe, so verfolgte ich damit zwei bedeutende Ziele:
   Erstens: 
   Diesen Namen von Abgrenzungen und Einengungen zu befreien und öffentlich zu verkünden, dass dieser Name alle Gläubigen umfasst, damit kein Gedanke an Zwietracht aufkomme und kein Verdacht entstehe.
   Zweitens: 
   Einen Wall der Einheit gegen die Spaltung der Parteien aufzuwerfen, ehe bevor sie das inzwischen bereits geschehene Unglück verursachen konnten. Aber leider ließ mir die Zeit keine Gelegenheit mehr dazu. Ein Sturzbach kam und riss auch mich mit um. Ich sagte immer: Bricht ein Feuer aus, werde ich einen Teil davon löschen. Aber leider ist auch das Gewand verbrannt, das ich als Hodja getragen habe. Und eigentlich sollte ich auch ganz froh darüber sein, dass jene trügerische Berühmtheit von mir gewichen ist, der zu entsprechen mir ohnehin nicht möglich war. Ich bin nur ein einfacher Mensch. Trotzdem habe ich dergleichen Dinge auf mich genommen, wie sie zum Aufgabenbereich der Abgeordneten, Senatoren und Minister gehören. Das heißt also: Ich habe ein Verbrechen begangen(!)...
   ......
   Achtes Verbrechen: 
   Ich habe gehört, dass die Soldaten sich verschiedenen Vereinigungen angeschlossen haben. Dabei kommt mir auch jenes schreckliche Ereignis aus der Geschichte der Janitscharen (ihr Aufstand und ihr Ende) wieder in Erinnerung. Und das alles hat mich in eine sehr große Aufregung versetzt. In einer Zeitung habe ich dann geschrieben:
   "Heute ist die heilige Vereinigung, die Vereinigung gläubiger Soldaten. Und zu ihr gehören all diejenigen, welche dem Berufsstand der gläubigen und zu einem Opfer bereiten Soldaten beigetreten sind - vom einfachen Soldaten angefangen bis zum obersten Befehlshaber. Denn Einheit, Brüderlichkeit, Gehorsam, Freundschaft, Erhöhung und Verherrlichung des Wortes Gottes ist das Ziel dieser heiligen Vereinigung der Welt. Alle gläubigen Soldaten setzen sich voll und ganz für diese Ziele ein. Die Soldaten bilden den Kern. Das Volk mit allen Vereinigungen sollte ihnen folgen. Die übrigen Gemeinschaften sollen das Volk gleich den Soldaten zu Brüderlichkeit und Freundschaft führen. Aber die "Mohammedanische Vereinigung" schließt alle Gläubigen mit ein, sie ist kein eingetragener Verein, keine Partei. Ihre Mitte und erste Reihe bilden die Soldaten, die Zeugen, die Gelehrten, die Meister. Aber kein Gläubiger und kein Soldat in seiner Bereitschaft zum Opfer (sei es ein Offizier oder ein einfacher Soldat) steht noch außerhalb, so dass er erst eintreten musste. Von mir aus können sich einige Wohlfahrtsverbände "Mohammedanische Vereinigung" nennen. Ich halte mich da raus."
   Aber ich bin ja ein einfacher Schüler. Die Aufgaben der großen Gelehrten habe ich mir eigenmächtig angemaßt. Das heißt also: Ich habe ein Verbrechen begangen(!)...
   Neuntes Verbrechen: 
   Ich habe am "31. März"-Tag die abscheulichen Vorgänge zwei, drei Minuten von weitem beobachtet. Ich habe unterschiedliche Forderungen vernommen. Aber so wie man auf einem Farbkreisel nur mehr weiß erkennt, sobald man ihn in rasche Umdrehung versetzt, so kam auch hier nur das Wort "Scheria" zum Vorschein, was alle diese verschiedenen Forderungen der revoltierenden Massen von tausend zu eins verringert, sie vor der Anarchie rettete und die ganze Politik wie ein Wunder bewahrte, obwohl jeder einzelne sich für sich darin versuchte. Ich begriff das Übel der Lage, die chaotischen Befehlsverhältnisse, die Wirkungslosigkeit von Ratschlägen. Ich hätte sonst - wie immer - versucht, das Feuer zu löschen. Aber die Masse besteht nur aus einfachen Leuten und meine Landsleute sind unvorsichtig und leichtgläubig. Und ich erscheine noch dazu in einem trügerischen Ruhm. Darum habe ich mich schon nach drei Minuten wieder zurückgezogen und bin nach Bakirköy gegangen. Und ich habe dort allen Bekannten und allen denen, die ich getroffen habe, geraten, da nicht mitzumachen. Hätte ich mich auch nur im geringsten daran beteiligt, wäre ich schon durch meine Kleidung überall aufgefallen. Auch meine Berühmtheit, die ich gar nicht angestrebt habe, hätte mich überall bekannt gemacht und ich wäre bei dieser Angelegenheit ganz groß herausgekommen. Und hätte ich mich den zu Hilfe gerufenen Truppen gezeigt, mich ihnen entgegengeworfen, ihnen vielleicht ganz allein bis nach Ayastafenos Widerstand geleistet: Ich wäre gefallen wie ein Mann. Meine Beteiligung wäre dann so klar und offensichtlich gewesen, dass eine Untersuchung unnötig gewesen wäre.
   Tags darauf erkundige ich mich nach der Loyalität der Soldaten, die eine Säule unseres Lebens ist und man sagte mir:
   - Die Offiziere der Soldaten gehen wie einfache Soldaten gekleidet und ihre Disziplin ist nicht besonders angegriffen.
   Ich fragte noch einmal:
   - Wie viele Offiziere sind gefallen?
   Man hat mich belogen und gesagt:
   - Nur vier. Die waren auch grausam gewesen. Das Sittengesetz der Scheria wird ohne Ausnahme angewandt werden.
   Ich schaute auch in die Zeitungen. Auch sie beschrieben diesen Aufstand als legal. Darüber habe ich mich einerseits gefreut. Denn mein heiligstes Ziel ist es, die Vorschriften der Scheria vollständig einzuhalten und auszuführen. Weil aber die Disziplin der Soldaten nachgelassen hatte, wurde ich so verzweifelt und traurig, dass ich in allen Zeitungen eine Ansprache an die Soldaten richtete:
   "Soldaten! Wenn Eure Offiziere sündigen, dann verüben sie Ungerechtigkeiten gegenüber ihren eigenen Seelen. Wenn Ihr aber keine Disziplin mehr habt, dann verübt Ihr eine Ungerechtigkeit gegenüber dreißig Millionen Osmanen und dreihundert Millionen Muslimen. Denn die Würde, das Glück und die Fahne der Einheit aller Muslime und aller Osmanen steht und fällt zur Zeit in gewisser Hinsicht mit Eurer Disziplin. Außerdem ruft Ihr nach der Scheria. Aber mit Eurer Disziplinlosigkeit handelt Ihr gegen die Scheria."
   Ich habe ihren Aufstand gutgeheißen, ihren Mut gelobt. Denn die Zeitungen, welche die öffentliche Meinung falsch wiedergegeben hatten, stellten ihren Aufstand so hin, dass er in unseren Augen legal erscheinen musste. Auch ich habe mich durch ihre anerkennenden Worte gewissermaßen dazu beeinflussen lassen, den Aufständischen anzuraten, sich zu beruhigen, was anderenfalls nicht so leicht gewesen wäre. Ich aber bin nur ein Mann, der in der Tat aus dem Irrenhaus kommt. Weil ich nicht gesagt habe: "Das geht mich nichts an. Über diese Dinge sollen die Verständigen nachdenken.", habe ich ein Verbrechen begangen(!)...
   Zehntes Verbrechen: 
   Ich bin an einem Freitag mit den Gelehrten zusammen in das Militärgefängnis gegangen. Ich habe acht Bataillone an ihre Disziplin gemahnt und sie sind - sehr beeindruckt durch meine Ansprache - zum Gehorsam zurückgekehrt. Der Erfolg meiner Predigt wurde hinterher sichtbar. Hier nun eine Wiedergabe meiner Ansprache:
   "Soldaten der Muvahhidin 🙂 derer, die sich zur Einheit Gottes bekennen)! Ehre, Würde, Glück und die Fahne der Einheit von dreißig Millionen Osmanen und dreihundert Millionen Muslimen steht und fällt in gewisser Hinsicht mit Eurer Disziplin. Wenn Eure Offiziere eine Ungerechtigkeit gegenüber ihrer eigenen Seele verüben, so verübt Ihr durch Eure Disziplinlosigkeit eine Ungerechtigkeit gegenüber dreihundert Millionen Muslimen. Denn durch Eure Disziplinlosigkeit beschwört Ihr eine Gefahr für die islamische Bruderschaft herauf. Denn Ihr müsst wissen, dass die Gesamtheit militärischer Fokolare 🙂 Lager) einer riesigen Fabrik von großer Bedeutung gleicht. Gerät ein Zahnrad darin aus der Funktion, entsteht in der ganzen Fabrik ein Tohuwabohu. Ein einfacher Soldat sollte sich nicht in die Politik einmischen. Ein Beispiel dafür sind die Janitscharen. Ihr sprecht von "Scheria", aber Euer Verhalten ist das Gegenteil davon. Ihr befleckt sie. Scheria, Qur'an, Hadith, Weisheit und Erfahrung legen fest, dass es Gottes Gebot ist, einem verlässlichen, glaubenstreuen und rechtschaffenen Vorgesetzten zu gehorchen. Eure Vorgesetzten und Lehrmeister sind die Offiziere. Wenn ein geschickter Ingenieur, ein Kluger Arzt in gewisser Hinsicht sündig wird, hindert das nicht seine technische oder medizinische Tätigkeit. So begeht also keine Ungerechtigkeit gegenüber den Muslimen und Osmanen, dadurch, dass Ihr Euch Euren Offizieren gegenüber, mit ihrem hellen klaren Verstand, ihrer Kenntnis der Kriegswissenschaften, ihrem Studium, ihrem Eifer, ihrem Glauben ungehorsam zeigt, weil sie in ihrem persönlichen Leben etwas Verbotenes getan haben! Denn der Ungehorsam ist nicht allein eine Ungerechtigkeit, sondern bedeutet auch eine Verletzung der Rechte von Millionen Menschen. Und Ihr wisst ja auch, dass heute die Fahne der Einheit Gottes (tauhid) in Eure tapferen Hände gegeben ist. Die Kraft dieser Hände aber erwächst aus der Ordnung und aus der Disziplin. Denn tausend Soldaten in Ordnung und Disziplin sind besser als hunderttausend ohne einen Kommandeur. Ja, wäre es denn nicht jetzt endlich an der Zeit, dass Ihr im Gehorsam und ohne Blut zu vergießen zu Stande bringt, was dreißig Millionen Menschen in hundert Jahren durch einen Umsturz mit sehr viel Blutvergießen nicht bewirken konnten?
   Und auch das sage ich Euch noch: Schadet Ihr einem tüchtigen Offizier mit einem hellen und klaren Kopf, dann beraubt Ihr Euch Eurer eigenen geistigen Führungskräfte.
   Denn das Gebot der Stunde ist die Furchtlosigkeit aufgrund des Glaubens, des Wissens und der Bildung. Manchmal ist ein Mensch mit einem hellen und klaren Kopf mehr wert als hundert andere. Die Fremden wollen Euch in dieser Furchtlosigkeit besiegen. Gegen sie reicht eine bloß natürliche Furchtlosigkeit nicht aus!...    Kurzum: Ich verkündige Euch den Erlass des Stolzes der Welt, mit dem der Friede sei: Gehorsam ist Gottesgebot (fardh). Empört Euch nicht gegen Eure Offiziere!
   Die Soldaten sollen hochleben! Hochlebe die Scheria!..." {meshruta-i meshrua: die Monarchie entsprechend dem isl. Gesetz.}
   Das heißt: Weil ich so wichtige Aufgaben auf mich genommen habe, obwohl es doch so viele Gelehrte gab, habe ich ein Verbrechen begangen(!)...
   Elftes Verbrechen: 
   Ich habe immer erlebt, in was für einem verwahrlosten Zustande sich die Völker und die Stammesverbände in den östlichen Provinzen befinden. Und ich habe begriffen, dass dieses unser irdisches Wohlergehen an die moderne naturwissenschaftliche Lehre gebunden ist. Und diese Wissenschaft sollte aus der Quelle der Medresse gespeist und durch die noch unverdorbenen Kanäle der Gelehrten verteilt werden. Das heißt, die Religionswissenschaftler sollten mit diesen neuen Wissenschaften vertraut gemacht werden, weil in diesen Provinzen die Führung unserer Landsleute, die ja noch halbe Nomaden sind, in den Händen der Gelehrten liegt. Aus diesem Grunde bin ich an diese "Stätte der Zuversicht (Istanbul)" gekommen. Jener Sultan, der inzwischen abgesetzt wurde und verstorben ist und dem man heute Unterdrückung nachsagt (eine Unterdrückung, die sich jetzt noch mehr ausbreitet und verstärkt hat) und nun glaubt, jetzt wieder "zuversichtlich" sein zu können, hat mir durch seinen Polizeipräsidenten ein monatliches Gehalt und ein persönliches Geschenk überreichen lassen. Ich habe beides abgelehnt, zurückgewiesen und so einen Fehler begangen. Aber mein Fehler hat dennoch etwas Gutes gebracht, weil er gezeigt hat, dass es falsch ist, wenn man nach weltlichen Gütern strebt, nachdem man doch in der Medresse das entsprechende Wissen erworben hat. Ich habe meinen Verstand geopfert, aber meine Freiheit nicht aufgegeben. Ich habe vor dem barmherzigen Sultan meinen Nacken nicht gebeugt. Ich habe auf meinen persönlichen Vorteil verzichtet. Aber die Mücken von heute können mich nicht durch Gewalt dazu zwingen, mit ihnen übereinzustimmen, sondern nur durch gütliches miteinander Reden. Schon seit anderthalb Jahren arbeite ich hier für die Verbreitung des Wissens in meinem Heimatland. In Istanbul wissen das die meisten. Doch bin ich nur der Sohn eines Lastträgers. Und obwohl mir diese Welt so viele Vergünstigungen angeboten hat, bin ich doch in meiner Seele der Sohn eines Lastträgers geblieben und habe den Stand der Armen nicht aufgegeben, in dieser Welt keine Wurzeln geschlagen, sondern meinen geliebten Platz inmitten der steilen Berge der östlichen Provinzen verlassen. Weil ich mich für die Gemeinschaft der Gläubigen mit dergleichen Angelegenheiten befasst habe, die mich ins Irrenhaus, ins Untersuchungsgefängnis und in der Zeit der Meshrutiyet (d.h. nach der Einberufung eines Parlaments) in ein schreckliches Strafgefängnis gebracht haben, habe ich ein großes Verbrechen begangen, sodass man mich vor dieses fürchterliche Gericht gestellt hat(!)...
   Ein halbes Verbrechen: 
   Ich habe damals, als der inzwischen verstorbene Sultan Abdulhamid Han Hazretleri seine Fehler auf sozialem Gebiet eingesehen und bereut hatte, gedacht, dass der Sultan jetzt in der Lage sein werde, einen Rat anzunehmen, weil ich nicht will, dass die Position des Kalifats, welche Mittelpunkt und Tangente des islamischen Kreises ist, seiner Hand entgleite und habe nach dem Motto "Der sicherste Weg führt zum Frieden" und weil ich mir das Gesicht des Extremismus, der inzwischen entstanden war und der Anfang und Kern fast jeder Selbstsucht und Empörung heute ist, besser vorgestellt habe, als es ist, dem inzwischen verstorbenen Sultan in einem offenen Brief folgendes mitgeteilt:
   "Wandle Deinen verlöschenden Stern (Yildiz) {Ein Stadtteil von Istanbul, in dem sich der Sultan ein Schloss hatte bauen lassen. (A.d.Ü)} in ein wissenschaftliches Institut um, damit er zum Siebengestirn erhoben werde! Dort setze dann die Sachwalter der Wahrheit (ehl-i haqiqat) an Stelle der Touristen und Höllenwächter, als Engel der Barmherzigkeit ein, damit Dein Schloss zum Paradies werde! Gib das Vermögen das Du in Yildiz von Deinem Volke zum Geschenk erhalten hast, wieder zurück, um es für die großen religionswissenschaftlichen Institute auszugeben und so die Unwissenheit zu behandeln, welche die Hauptkrankheit Deines Volkes ist, und vertraue auf die Freigiebigkeit und Liebe des Volkes! Denn das Volk bürgt für Deine königliche Regierung. Ein Mann Deines Alters sollte nur noch an das Jenseits denken. Bevor die Welt Dich verlässt, verlass Du die Welt! Gib die Sekat Deines Lebens aus für das Leben danach. Vergleichen wir also jetzt: Soll Yildiz eine Vergnügungsstätte werden oder ein wissenschaftliches Institut? Sollen die Touristen darin spazieren gehen, oder die Gelehrten darin Vorlesungen halten? Soll man es als eine Raubritter-Burg betrachten oder als eine Schenkung? Was ist das Bessere? Wer ein Gewissen hat, möge entscheiden."
   Ich bin aber bloß ein armer Mann. Und ich habe den großen Sultan beraten. Das heißt also, ich habe ein halbes Verbrechen begangen.
   Die Zeit über die andere Hälfte des Verbrechens zu reden, ist noch nicht gekommen.
{(*): Die Zeit für die andere Hälfte kam fünfzehn Jahre später, als der Verfasser für 28 Jahre unter Kuratel gestellt wurde. Um den Grund dafür und die andere Hälfte des Verbrechens zu verstehen, schlagen Sie bitte in der Abhandlung am Ende der "Siradjun Nur" (Leuchte des Lichtes) nach.}
   ......
   Ach! und oh! und weh! und pfui der Schande! Obwohl unser Volk so sehnsüchtig und durstig nach der Parlamentarischen Monarchie verlangt, welche unser Glück ist, die Quelle des sozialen Lebens und eine neue Bildung im Sinne des Islam, haben die Extremisten bei diesen Vorgängen und im Parlament ihre Eigensüchteleien mit zur Geltung gebracht und bedauerlicherweise gegenüber dem Willen des Volkes und seiner Intelligenz durch ihr religiös gleichgültiges Verhalten eine Mauer errichtet. Wir bitten diejenigen, welche diese Mauer errichtet haben im Namen der Heimat, sie wieder abzureißen.
   Generäle und Offiziere! Es gibt Tausende von Männern, die Zeugen dieser elf-einhalb Verbrechen sind. Vielleicht ist halb Istanbul Zeuge einiger davon. Wenn ich auch mit einer Strafe für diese elf-einhalb Verbrechen einverstanden bin, so bitte ich doch, mir auf diese elfeinhalb Fragen eine Antwort zu geben. Zudem habe ich bei all meiner Sünde doch auch etwas Gutes getan. So möchte ich sagen:
   Ich habe mich der Unterdrückung durch die Partei hier widersetzt, die sich parlamentarisch nennt und den Absolutismus praktiziert und ihren Namen "für Einheit und Fortschritt" in den Schmutz zieht, die Begeisterung aller lähmt und bewirkt, dass ihnen die Freude vergeht, die Gefühle der Selbstsucht und Parteilichkeit erweckt, Rassismus und verschiedene Vereinigungen einfacher Leute hervorbringt und somit Ursache zu Streitigkeiten wird.
   Es hat jeder seine Meinung. Zur Zusammenarbeit sind deshalb ein Landfriede, eine Generalamnestie und die Abschaffung der Privilegien notwendig. So soll niemand den anderen aufgrund seiner Privilegien wie Ungeziefer betrachten und so das gute Einvernehmen stören. Ich will mich nicht selbst rühmen! Aber ich sage: Wir sind aufrechte Muslime. Wir betrügen nicht, wenn man uns betrügt. Unser Leben zu retten, lassen wir uns nicht zu einer Lüge herabwürdigen" Denn wir wissen:
اِنَّمَا الْحِيلَةُ فِى تَرْكِ الْحِيَلِ
{"Der größte Betrug liegt in der Aufgabe des Betrugs.", d.h. darin, dass ich das aufgebe, was man mir als "Betrug" vorwirft.}
   Weil ich mich aber dem Namen einer wahren und gerechten (meshru) Parlamentarischen Monarchie (meshrutiyet) versprochen und verschworen habe, werde ich dem Absolutismus, gleich in welcher Form er auftritt - und sollte er selbst im Namen und Gewand der Meshrutiyet erscheinen - eine Ohrfeige erteilen, wo immer ich ihm begegne.
   Nach meiner Meinung tragen die Gegner der Meshrutiyet dadurch, dass sie die Meshrutiyet als bösartig, hässlich und gegen die Scheria gerichtet bezeichnen, dazu bei, dass auch noch die Zahl der Gegner des Beirates weiter wächst. "Durch eine Änderung des Etiketts ändern sich keine Tatsachen". Weil aber nun der größte Fehler darin besteht, dass der Mensch sich selbst für fehlerfrei hält, gestehe ich meinen Fehler ein, dass ich ohne den Rat der Menschen anzunehmen, die Menschen dazu bringen wollte, von mir einen Rat anzunehmen. Ich habe die Emr-i bilma'ruf (Lehre von Gottes Gebot) nicht zur Wirkung kommen lassen und sie entwürdigt, weil ich ohne eigene Rechtleitung danach strebte, andere recht zu leiten. Aufgrund von Erfahrung steht fest, dass Strafe Folge eines Fehlers ist. Aber manchmal zeigt sich ein Fehler in Form eines anderen Fehlers, den man gar nicht begangen hat und verdient seine Strafe, obwohl man unschuldig ist. Gott schickt ein Unglück, wirft einen ins Gefängnis und übt somit Gerechtigkeit. Doch der irdische Richter bestraft ihn und begeht somit eine Ungerechtigkeit.
   Meine Herren von der Regierung! Ich hatte eine Ehre, mit der ich der Islamischen Nationalität dienen wollte. Aber Ihr habt sie zerstört. Ich hatte ungewollt einen trügerischen Ruhm, der von selbst entstanden war und durch den ich auf das Volk einwirkte, wenn ich es belehrte. Und ich bin sehr froh darüber, dass Ihr ihn vernichtet habt. Nun hängt mein Leben nur noch an einem Faden und ich bin seiner überdrüssig geworden. Pfui über mich, wollte ich meine Hinrichtung verhindern. Ich wäre kein Mann, ginge ich nicht lachend in den Tod. Meine formelle Verurteilung wird zur Folge haben, dass nun ihr eigenes Gewissen sie verurteilt. Diese Lage ist nicht mein Schaden, sondern mein Ruhm. Doch dem Volk habt Ihr geschadet. Denn Ihr habt zerstört, was meine Beratung wirksam machte. Zum zweiten ist es Euer eigener Schade. Denn ich werde in der Hand Eurer Gegner ein unwiderlegbares Beweisstück sein. Sie haben mich mit Ihrem Prüfstein erprobt. Hättet Ihr die Männer, die Ihr als aufrecht bezeichnet mit diesem Prüfstein erprobt, wie viele von ihnen hätten sich als zuverlässig erwiesen? Ginge das Parlament (meshrutiyet) aus der Diktatur einer Partei hervor und verhielte es sich der Scheria entgegengesetzt,
فَلْيَشْهَدِ الثَّقَلاَنِ اَنِّى مُرْتَجِعٌ
   "Dann soll die ganze Welt, Menschen und Dschinnen mein Zeuge sein, dass ich ein Feind des Fortschritts bin." 
   Denn eine Einheit durch Lüge ist trügerisch und wenn die Bezeichnung "Parlamentarische Monarchie" Subversion bedeutet, dann ist sie irreführend. Sie kann nur dann aufrechterhalten werden, wenn sie Recht, Aufrichtigkeit und die Abschaffung der Privilegien beinhaltet.
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   Dieser fürchterliche Blitz- und Donnerschlag eines Gewittersturms, der "die Ereignisse um den 31. März" genannt wird, bereitete unter den gegebenen Umständen natürlicher Weise einer Diktatur den Weg, in deren Folge sich aus dem totalen Durcheinander mit Gottes Hilfe aus dem Munde der Aufständischen der Schrei nach der allzeit wunderbaren Scheria erhob. Und weil sie dazu verhalf, diesen Sturm ungewöhnlich leicht zu überstehen, klagte sie die Zeitungen ab Mitte April bei Gott an. Die Wahrheit wird offensichtlich, wenn man die sieben Probleme, die dieses Ereignis zur Folge hatte, und in diesem Zusammenhang die folgenden sieben Umstände betrachtet. Es sind die folgenden:
   1- Dieser Aufstand war zu neunundneunzig Prozent eine Bewegung, die sich gegen die "Partei für Einheit und Fortschritt" richtete, gegen ihr Regime und ihre Despotie.    2- Der Parteien Zank und Hader in der Frage der Umbesetzung der Ministersessel.
   3- Der Versuch, die Absetzung des in Bedrängnis geratenen Sultans zu verhindern.
   4- Der Versuch eine Mauer des Widerstandes gegenüber den Grundsätzen aufzubauen, die soldatischem Empfinden und den im Glauben verwurzelten Sitten widersprechen.
   5- Der Versuch, den Mörder des Hasan Fehmi Bey zu finden, dessen Fall außerordentlich aufgebauscht worden war.
   6- Diejenigen, welche sich außerhalb des revolutionären Kerns befanden und die Offiziere vor einer ungerechten Behandlung zu bewahren.
   7- Die Beschränkung der Freiheit durch das Verbot der Zuchtlosigkeit und durch die von der Scheria geprägte Sitte und die Durchführung der Vergeltung und des Abhackens der Hände ohne jede Ausnahme, worunter das einfache Volk eine Politik im Sinne der Scheria versteht.
   Doch der Grund war Morast... Falle und Plan waren schon aufgestellt. Die Disziplin, die den Soldaten heilig ist, wurde ihnen zum Opfer gebracht. Die Hauptgründe dafür waren einerseits bei den Parteien zu suchen, die nur für ihre eigenen Zwecke arbeiteten und sich zerstritten, andererseits die Zeitungen, die an Stelle nüchterner und sachlicher Berichte Übertreibungen, Lügen und wilde Gerüchte druckten. Und so wie man auf einem siebenfarbigen Kreisel nur noch weiß erkennt, so trat von den sieben Forderungen nur noch der weiße Strahl der Scheria hervor und bildete eine Mauer vor dem Verderben. Ich betone ausdrücklich: Bei uns ist eine Entwicklung nur dann möglich, wenn sich die Islamiyet, die unsere Nationalität ist, bei uns entwickelt und die Scheria zur Realität wird. Anderenfalls wird das Sprichwort durch uns seine Bestätigungen finden: "Er hat seine Gangart aufgegeben, ohne eine andere Gangart angenommen zu haben." Ja, wir müssen uns mit einem Gefühl für Ruhm und Ehre der Islamiyet, für den Lohn im Jenseits, für die nationale Gemeinschaft, für islamische Begeisterung, für die Liebe zum Vaterland und für die Liebe zum Glauben wappnen.
   Meine Herren Generäle und Offiziere! Ich wünsche eine Strafe für meine Verbrechen und jetzt auch eine Antwort auf meine Fragen. Weil der Islam zur Blüte des Humanismus und die Scheria zur Blüte von Tugend und Zivilisation empor führt, ist die Islamische Welt würdig, eine Stadt platonischer Tugenden zu werden.
   Erste Frage: 
{(*): Diese Fragen waren der Grund zur Freilassung von vierzig, fünfzig unschuldigen Gefangenen.}
Welches ist die Strafe derer, welche - betrogen von den Zeitungen - die Teilnahme an dem Aufstand leichtgläubig für legal gehalten haben und einer allgemeinen Gewohnheit folgend vom Strom der Massen mit fortgerissen wurden?
   Zweite Frage: 
   Was ist die Strafe für diejenigen, die einen Menschen angegriffen haben, der in die Haut einer Schlange geschlüpft ist, für einen Heiligen, der in der Gestalt eines Räubers daher kommt, oder für diejenigen, welche die Meshrutiyet angreifen, nachdem sie die Form einer Tyrannei angenommen hat? Denn in der Tat sind es doch Schlangen, Räuber und Tyrannen.
   Dritte Frage: 
   Kann etwa nur eine einzelne Person ein Gewaltmensch sein? Können denn nicht auch mehrere Personen Gewaltmenschen sein? Nach meiner Meinung gehört zu einem Gesetz auch die Macht, es durchzusetzen. Sonst bereitet sich Gewaltherrschaft aus und wird von den Mitgliedern der Komiteen noch verstärkt.
   Vierte Frage: 
   Was ist schlimmer: einen Unschuldigen hinzurichten oder zehn Verbrecher laufen zu lassen?
   Fünfte Frage: 
   Werden Anhänger einer Überzeugung oder einer Idee, wenn man sie durch äußeren Druck in die Knie zu zwingen versucht, nicht stattdessen zu noch mehr Zank und Streit beitragen?
   Sechste Frage: 
   Wie kann die Einheit der Nation, welche die Quelle unseres sozialen Lebens ist, anders zustande gebracht werden, wenn nicht durch die Abschaffung der Privilegien?
   Siebente Frage: 
   Wenn die Gleichheit aller aufgehoben und auf wenige beschränkt wird, so dass es nach außen so aussieht, als würden die Gesetze voll und ganz eingehalten, werden dann nicht durch diese Ungleichheit in gewisser Hinsicht Gewalt und Selbstsüchteleien gefördert? Wenn es sich schon durch Freisprüche und Entlassungen herausstellt, dass die meisten der Verhafteten, d.h. achtzig Prozent von ihnen, unschuldig waren, wird dann nicht etwa dieser Zustand vom Standpunkte der Mehrheit aus betrachtet, schließlich zu Gedanken des Hasses und der Rache führen? Ich spreche hier nicht über das Kriegsgericht. Vielmehr sollen deren Ankläger darüber nachdenken.
   Achte Frage: 
   Wenn eine Partei ein Privileg für sich in Anspruch nimmt und wenn sie jedermann an seiner empfindlichsten Stelle angreift, verletzt, in die Enge treibt, bis dass sich schließlich jedermann als gegen die Meshrutiyet eingestellt erzeigt und jedermann diese gnadenlose Tyrannei bekämpft, die sie unter dem Deckmäntelchen der Meshrutiyet betreibt, dass sie selbst sich angezogen hat, wer trägt dann wohl die Schuld dafür?
   Neunte Frage: 
   Wenn zuerst der Gärtner selbst die Türe zu seinem Garten offen ließe, so dass jedermann hineingehen kann, und danach ein Unglück geschähe: wer trüge dann die Schuld daran?
   Zehnte Frage: 
   Wenn man erst Rede- und Gedankenfreiheit gewährt, danach aber daran Kritik übt, steckt dann wohl nicht ein Plan dahinter, das arme Volk ins Feuer zu werfen? Und wenn das nicht so wäre, käme einem dann nicht der Gedanke, eine andere Ausrede dafür zu erfinden?
   Elfte Frage: 
   Jeder schwört einen Eid auf die Meshrutiyet. Wenn aber nun jemand sich in Widerspruch zu dem setzt, was der Name "Meshrutiyet" besagt, oder aber dazu schweigt, wenn andere ihr entgegengesetzt handeln, müsste der nicht um seines Eides willen Buße tun? Und würde das Volk dann nicht zum Lügner? Und würde nicht die öffentliche Meinung, die daran doch gar nicht schuld ist, zur Lüge werden, kindisch und unfähig, zwischen gut und böse zu unterscheiden?
   Zusammenfassung: 
   Jetzt ist eine grausame Tyrannei, Unterdrückung und Unwissenheit an der Regierung. Es ist als ob die Tyrannen sich mit den Spitzeln gegenseitig beraten. Also war es gar nicht ihre Absicht, bei Sultan Abdulhamid die Freiheit zu erzwingen, sondern an die Stelle von ein wenig leichter Tyrannei eine noch vielfältigere und grausamere zu setzen!
   Eine halbe Frage: 
   Wenn jemand über einen Menschen, dessen zarter und schwacher Körper die Stiche der Mücken und Wespen nicht zu ertragen vermag und sich nun verzweifelt abmüht und plagt, sie zu verscheuchen, sagte: "Der will nicht etwa die Mücken und Wespen vertreiben, sondern vielmehr den großen Löwen wecken, damit dieser ihn angreifen soll." - welch einen Dummkopf könnte der mit so einem Gerede überzeugen?
   Aber es steht mir jetzt nicht zu, hier nun die andere Hälfte dieser Frage zu stellen!
   .....
   Meine Herren Generäle und Offiziere! Ich betone mit allem Nachdruck:
   Ich stehe voll und ganz zu jeglicher Wahrheit, die ich in allen meinen Zeitungsartikeln zur Veröffentlichung gebracht habe. Wäre ich in längst vergangener Zeit im Namen der Rechtsvorschriften der Scheria vor das Gericht jenes "Glücklichen Zeitalters" gestellt worden, ich hätte dieselbe Wahrheit vertreten, so wie ich sie veröffentlich habe. Ich hätte sie besten Falls den Erfordernissen der Auffassung jener Zeit entsprechend gekleidet. Und würde ich in der Zukunft - nach dreihundert Jahren - von der Geschichte vor das Gericht kritischen Denkens gestellt werden, ich würde wiederum dort dieselbe Wahrheit aufzeigen, nachdem ich einige Stellen nachgebessert hätte, dort wo durch Wachstum und Fortschritt Risse und Löcher entstanden sind. Das heißt also: die Wahrheit verändert sich nicht. Die Wahrheit bleibt wahr.
اَلحَقُّ يَعْلُوا وَلاَ يُعْلٰى عَلَيْهِ
{"Sie ist hoch und erhaben und nichts reicht über sie hinaus."}
   Das Volk ist erwacht. Man kann es nicht weiterhin durch Sophistereien und leeres Gerede betrügen. Ein Traum, den man für wahr hält, hat nur ein kurzes Leben. Und wo das Volk mündig geworden ist, wird die öffentliche Meinung wie ein Quell alle Betrügereien und Sophistereien hinwegspülen und die Wahrheit wird ans Licht kommen, insha-a'llah.
   Der quälende Zustand Eurer Gefängnisse: die fürchterliche Zeit, der schreckliche Ort, die eingeschüchterten Gefangenen, die verlogenen Zeitungen, das verworrene Denken, die Melancholie der Herzen, die Traurigkeit und die Verzweiflung im Gewissen, die anfängliche Schadenfreude der Beamten, dazu noch die Aufdringlichkeit der Wärter: dieser ganze Zustand war für mich wie ein Vergnügen, weil mich mein Gewissen nicht quälte. Alle die verschiedenen Arten von Unglück drangen wie verschiedene Arten von Musik an mein Ohr. Und auch die Lektion, die ich vergangenes Jahr im Irrenhaus gelernt habe, habe ich jetzt in dieser Schule zu Ende geführt. Und weil die Zeit des Unglücks eine lange ist, ist auch meine Lektion eine lange. Die kindliche Trauer und der Kummer des unschuldig Gefangenen, - die der Seelenzustand in dieser Welt sind, haben mich die Lektion gelehrt: "Liebe da wo Schwäche, und heftiger Abscheu, wo Unbarmherzigkeit ist".
   Ich habe eine große Hoffnung, dass die "Ach!" und "Oh!" und "Weh!" Schreie aus den Herzen vieler Unschuldiger durch die Hitze der Trauer verdampft werden und die Gestalt segenspendender Wolken annehmen. Und mit der Bildung ganz neuer islamischer Staaten in der Islamischen Welt beginnen sich diese segenspendenden Wolken zu bilden.
   Wenn aber die Zivilisation den Boden für solche Ausschreitungen bereitet, die der Ehre Abbruch tun, für Verleumdungen, aus denen die Zwietracht erwächst, für Gedanken an gnadenlose Rache, für teuflische Sophistereien, für Handlungen, wie sie aus der Gleichgültigkeit gegenüber dem Glauben entstehen, dann möge ein jeder dessen Zeuge sein, dass ich an Stelle dieser Stätte des Zornes, die man "das glückliche Schloss der Zivilisation" nennt, die Zelte der Nomaden in den hohen, wilden und rauhen Bergen, in der vollkommenen Freiheit der östlichen Provinzen bevorzuge. Denn die Freiheit der Gedanken und der Rede, die Geradheit und Eintracht der Herzen herrschen noch im wahren Sinne des Wortes in den Bergen von Ost-Anatolien so, wie ich es in den Städten der mehr ärgerlichen als bürgerlichen nicht gefunden habe.
   Soweit ich das weiß, sind die Redakteure redliche Leute. Ich sehe, dass manche unredliche unter ihnen mit ihren Zeitungen Rachsucht verbreiten. Sollte es mit der Redlichkeit so weit gekommen sein und die öffentliche Meinung so verwirrt sein, dann seid Ihr die Zeugen dafür, dass ich mich von solcher Art "Redlichkeit" distanziert habe. Ich habe dergleichen auch nie geschrieben. Ich werde auf den hohen Bergen meiner Heimat, nämlich auf dem Baschid, die großen Dinge, die Himmelskörper und die Tafeln der Welt 🙂 die Natur) an Stelle der Zeitungen studieren.
  Frei die Quelle unseres Segens der nutzlosen Dinge Begehr,
Frei die urewige Gnadengabe durch aller Höhen und Tiefen Verzicht,
Frei auch wir von ständig neuem Erhoffen und Wünschen ohne Schranken,
So sehr schon Medjnun (Wahnsinn) geworden, dass wir verzichten, Leyla (Nacht) zu begegnen...     Ermahnung: 
   Meine Ablehnung der Zivilisation wird Euch nachdenklich machen. An Stelle einer Zivilisation, die Unterdrückung, Zuchtlosigkeit und Würdelosigkeit mit sich bringt, bevorzuge ich das Nomadentum. Diese Zivilisation macht den Einzelnen arm, zuchtlos und unsittlich. Weil aber die wahre Zivilisation der Entwicklung und Vervollkommnung des Menschengeschlechtes und der Entfaltung der in ihr vorhandenen Anlagen dient, heißt Zivilisation anzustreben, d.h. unter diesem Blickpunkt betrachtet, Menschlichkeit zu erstreben. Und auch der Grund meiner Liebe und Leidenschaft für das Verständnis der Meshrutiyet ist folgender: die erste Türe zur künftigen Entwicklung Asiens und der Islamischen Welt ist die parlamentarische Monarchie auf der Grundlage der Scheria und die Freiheit im Rahmen der Scheria!
   Und der Schlüssel zu Schicksal, Thron und Glück des Islam ist die gegenseitige Beratung innerhalb eben dieser Meshrutiyet. Denn bis heute stehen 370 Millionen Muslime unter der geistigen Bevormundung der Fremden. Wenn aber jetzt die Herrschaft des Islam in der Welt und von nun an, besonders aber in Asien zur Souveränität gelangt, wird jeder einzelne Muslim auch wirklich ein Stückchen dieser Souveränität besitzen. Und Freiheit ist der einzige Weg, 370 Millionen Muslime aus der Gefangenschaft zu erretten. Und auch wenn wir davon ausgehen, dass zwanzig Million Seelen für die Aufrichtung der Freiheit großen Schaden erleiden müssten, selbst dann noch wäre das ein Opfer, zu dem wir zwanzig geben für dreihundert, die wir bekommen.
   Ach, wie schade ist das doch! Bei uns sind die Rassen- und Völkerverhältnisse so komplex wie die Luft, deren chemische Elemente nicht so miteinander verbunden sind wie im Wasser. Insha-a'llah werden die Völker durch die Elektrizität der Wahrheit des Islam miteinander verbunden werden, ihre Kräfte sich in den wärmenden Strahlen der Erkenntnis des Islam vereinigen und in Gerechtigkeit einen gemeinsamen maßvollen Charakter formen! Hochlebe die parlamentarische Monarchie auf der Grundlage der Scheria! Möge es denen wohl ergehen, die - erzogen durch die Wahrheit der Scheria - und nachdem sie einen vollkommenen Unterricht erhalten haben, das Licht der Freiheit tragen!
  Ein Fremdling (Garibüzzaman) 
{Ein dreifaches Wortspiel um den Namen "Bediüzzaman", welcher in der Mitte erscheint. (A.d.Ü.)}
  in der Zeit des Absolutismus. 
  Ein Einzigartiger (Bediüzzaman) in der Zeit der Meshrutiyet. 
  Ein Ausgestoßener (Bid'atüzzaman) in jetziger Zeit. 
  Said Nursi 
 

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Begegnung mit einem russischen Polizisten 
   Danach blieb er nicht mehr lange in Istanbul, verließ Istanbul, um nach Van zu gehen, nahm seinen Weg nach Van über Batum und unterbrach seine Reise in Tiflis. In Tiflis bestieg er den Scheich-San'an-Berg. Als er sich aufmerksam umsah, trat ein russischer Polizist zu ihm und fragte:
   - Warum sehen Sie sich so aufmerksam um?
   - Ich entwerfe einen Plan für meine Medresse.
   - Wo wohnen Sie?
   - Ich stamme aus Bitlis.
   - Das hier ist Tiflis!
   - Bitlis und Tiflis sind einander Brüder.
   - Was soll das heißen?
   - In Asien und der Islamischen Welt erstrahlen nacheinander drei Lichter. Bei Ihnen entstehen übereinander drei Finsternisse. Der Vorhang des Tyrannen wird zerrissen werden und fallen. Dann werde auch ich wieder hierher kommen und meine Medresse erbauen.
   - Oho! Was Sie nicht sagen!... Ihre Zuversicht versetzt mich in Erstaunen.
   - Und was mich in Erstaunen versetzt ist Ihr Verständnis! Können Sie diesem Winter Dauer und Beständigkeit verleihen? Jedem Winter folgt sein Frühling und jede Nacht hat ihren Tag.
   - Die Lande des Islam, haben sie sich nicht gespalten und getrennt?
   - Sie sind zum Studium gegangen. Sehen Sie, da ist z.B. Indien, ein begabter Sohn des Islam. Er besucht das Gymnasium der Engländer. Ägypten ist ein intelligentes Kind des Islam. Es nimmt Unterricht in den politischen Wissenschaften der Engländer. Kaukasien und Turkestan sind zwei tapfere Nachfahren des Islam. Sie studieren auf der russischen Militärakademie. Usw...    Ya Hu 🙂 Oh Er)! Nachdem diese edlen Söhne ihre Zeugnisse erhalten haben, wird jeder einzelne von ihnen an der Spitze seiner Truppe die Fahne des Islam, der ihr ruhmreicher und gerechter Vater ist, den Horizonten der Vollendung entgegentragen, um ihrer urewigen Bestimmung gemäß und allen Umständen zum Trotz das Geheimnis urewiger Weisheit, wie sie in der Erschaffung des Menschengeschlechtes begründet liegt, zu verkünden.
  * * * 
   Sobald sich seine Ankunft in Van vollzogen hatte, begann er die verschiedenen Sippen- und Stammesverbände zu besuchen und bemühte sich, ihnen auf sozialem, kulturellem und wissenschaftlichem Gebiet Rechtleitung zu geben. Zu diesem Zweck gab er auch ein "Münazarat" (Diskussionen) genanntes Buch in Frage-und-Antwort-Form heraus.
   Die Dialoge Bediüzzamans mit den Politikern einerseits, den Sippen- und Stammesverbänden andererseits, rufen ohne Zweifel Teilnahme und Interesse wach. Aus all dem wird ersichtlich, dass einzig die Ausbreitung des Lichtes des Islam und der Wahrheit des Qur'an in der Welt Ziel und Zweck dieses Mannes waren und er selbst diese seine Aufgabe als Verkünder des Qur'an ein Leben lang erfüllt hat. Einige Beispiele für die Dialoge und Diskussionen Bediüzzamans mit den Stämmen in den östlichen Provinzen.
   - Für den Glauben darf kein Schaden entstehen, was immer auch geschehen mag!
   - Der Islam gleicht der Sonne. Man kann sie nicht ausblasen. Er gleicht dem Tag und verwandelt sich nicht in Nacht, wenn man die Augen schließt. Wer seine Augen schließt, hat allein für sich selbst die Nacht.
   Ist es besser, die Verteidigung des Glaubens einem armseligen abgesetzten Präsidenten, oder den kriecherischen Beamten, oder jenem Teil der Offiziere zu überlassen und anzuvertrauen, die zu logischem Denken kaum in der Lage sind? Oder ist es besser, sie jenem leuchtenden Stützpfeiler und jener Begeisterung zu überlassen, die einem diamantenen Schwerte gleicht, das gebildet wird aus dem Brennpunkt der Strahlen der göttlichen Lichter, welche die Liebe im Herzen eines jeden Menschen sind, die aus dem Glauben erwächst und aus der Sammlung sprühender Funken islamischer Begeisterung und welcher jene islamische Haltung trägt, welche den Hintergrund der öffentlichen Meinung des Volkes darstellt? Urteilen Sie selbst!
   Ja, dieser leuchtende Stützpeiler gleicht, mit einem Kopf voll Kühnheit und einem Auge, das alles überwacht, einer geistigen Gestalt, die sich den Schutz des Glaubens auf ihre Schultern geladen hat. Sie sehen ja, dass diese verschiedenen voneinander getrennten Funken sich ganz langsam und allmählich zueinander hingezogen fühlen, und beginnen sich zu Strahlen zu vereinigen und Strahlenbündel miteinander zu bilden. Es ist zu einem Grundsatz der Philosophie geworden, dass ein Wort noch eindringlicher, ein Urteil noch erhabener und ein Eindruck noch nachhaltiger wirkt, wenn er aus der Haltung des Glaubens, insbesondere des wahren, der Natur entsprechenden Glaubens erwächst.
   Ja, in der Tat... wenn die Mücke aufhört mit ihrem Sirren und die Biene einhält in ihrem Summen, lasst euch durch nichts eure Begeisterung zerstören und bedauert nichts. Denn die Göttliche Kapelle, durch deren Klang das All ertanzt und die Geheimnisse der Wahrheit in ein Erschwingen geraten, spielt nie zu Ende, tönt und dröhnt immer fort. Der König der Könige, der urewige Sultan erfüllt die ganze Welt mit Seiner Göttlichen Musik, die der Qur'an genannt wird und im Himmelsgewölbe gewaltig widerhallt. Sie wird von den Hirnen, Herzen und Mündern der Gelehrten, der Scheiche und Prediger wie von den Wänden einer Höhle zurückgeworfen, entströmt ihren Lippen gleich einem Echo. Von all diesen verschiedenen Widerklängen tönt und dröhnt die Erde und wird von ihnen in Schwingung versetzt. In all den islamischen Büchern verkörpert sich dieses Echo, schlägt sich nieder in ihrem Druck, wird in ihnen zur Trommel, zur Saite einer Zither, gleicht ihrer Bespannung. Und jede einzelne Saite verkündet Ihn auf ihre Art. Vermag aber nun der, welcher diesen Klang des Himmels und des Geistes nicht hört und ihm nicht lauscht, die Stimme seines Emirs 🙂 Fürsten oder Vorgesetzten) zu vernehmen, welche im Vergleich mit diesem Donnerklang dem Sirren einer Mücke ähnelt, oder die der Regierungsbeamten, welche dem Brummen einer Fliege gleich kommt?
   .....
 
   Frage: 
   Man hat die Freiheit als etwas Verwerfliches hingestellt. Ja, man hat uns sogar erklärt, dass man gegen eine Freiheit nichts einwenden könne, gleich welcher Ausschweifung oder Schamlosigkeit ein Mensch sich überlassen möge, unter der Bedingung, dass er keinem anderem damit einen Schaden zufüge. Ist das etwa so?
   Antwort: 
   Die so etwas behaupten, sprechen nicht über die Freiheit, sondern decken damit nur ihre Ausschweifungen und Schamlosigkeiten auf und fördern mit ihrem Geschwätz nur kindische Ausreden zu Tage. Denn die so empfindsame Pflanze der Freiheit macht es notwendig, sie durch ein untadeliges und hochanständiges Benehmen zu veredeln, wie es die Scheria fordert. Denn eine Freiheit in Ausschweifung und Schamlosigkeit ist gar keine Freiheit, sondern rohe Ungeschliffenheit, nicht menschlich, sondern tierisch, eine Tyrannei des Teufels, Knechtschaft der triebverhafteten Seele. Freiheit heißt das Gesamtergebnis aller Körnchen Freiheit jedes einzelnen Individuums. Und freiheitlich nennt man eine Handlungsweise, die weder der eigenen noch einer fremden Menschenseele Schaden zufügt.
   Aber, Ihr Nomaden! Die Freiheit, die Ihr habt, ist nur ihre Hälfte, deren andere ist, die Freiheit des anderen nicht zu verletzen. Zudem findet sich eine Freiheit, die sich zusammensetzt, aus der Unabhängigkeit von der Sorge um den täglichen Lebensunterhalt und einem Leben in freier Wildbahn auch bei Euren Nachbarn, den Tieren auf den Bergen. Insoweit wie diese armen wildlebenden Tiere froh und zufrieden sind, haben auch sie ihre Freiheit. Jene Freiheit aber, welche die Geliebte der Seele, und wahrer Menschlichkeit ebenbürtig ist, strahlt wie die Sonne. Und das ist jene Freiheit, welche veredelt durch die Erziehung zur Erkenntnis, zur Tugend und zum Islam, gewandet in das Ehrenkleid des Paradieses, das Schloss der Kultur und froher Zufriedenheit bewohnt.
   ..........
   Frage: 
   Auf welche Weise kann diese Freiheit eine Eigenschaft des Glaubens sein?
   Antwort: 
   Ein Mann, der durch das Band des Glaubens ein Diener des Königs des Alls geworden ist, entwürdigt sich nicht und lässt sich nicht dazu herab, sich unter die Gewaltherrschaft und Unterdrückung eines anderen zu begeben, weil dieser Mann aus seinem Glauben heraus in Ehrenhaftigkeit und Tapferkeit verharrt; in gleicher Weise lässt dieser Mann aus seinem Glauben heraus nicht von der Liebe ab, sondern vielmehr verletzt er nicht das Recht und die Freiheit eines anderen!
   Ja, ein aufrechter Diener eines großen Königs erniedrigt sich nicht unter die Herrschaft eines Hirten. Ein solcher Diener entwürdigt sich auch nicht dazu, Herrschaft über einen Hilflosen auszuüben. Das heißt, in dem Maße, in dem der Glaube vollkommen ist, in gleichem Grade erstrahlt auch die Freiheit. So war es in dem "Glücklichen Zeitalter"!...
   Frage: 
   Wie wäre es denn möglich, sich einem großen Manne, einem Heiligen, einem Scheich, einem großen Gelehrten gegenüber noch frei zu fühlen! Es ist ihr Recht, uns aufgrund ihrer besonderen Vorzüge zu beherrschen. Wir sind in ihrem hervorragenden Charakter befangen.
   Antwort: 
   Ein Heiliger, ein Scheich, ein Großer zu sein, bedeutet Schlichtheit und Bescheidenheit, nicht Stolz und Überlegenheit! Das heißt, wer sich als stolz gebärdet wie ein Kind, das den Scheich spielt, den sollte man nicht als groß ansehen!
   .........
   - Ach was sollen wir nur über diese abscheulichen Schlangen sagen, die unsere erhabene Hoffnung, welche uns Trost gibt, in Verzweiflung verwandeln und schon ihre Mäuler geöffnet haben, das Leben um uns herum zu vergiften und das Reich zu zerteilen.
   - Fürchtet sie nicht! Kultur, Charakterfestigkeit und Freiheit beginnen in unserer Welt und ihren Menschen das Übergewicht zu erlangen; damit beginnt auch zwangsläufig die andere Waagschale langsam und allmählich leichter zu werden. Nehmen wir einmal den unmöglichen Fall an, man würde von uns einen nach dem anderen töten - was Gott verhüten möge! - so dürfen wir doch sicher sein: töten sie zwanzig von uns, werden wir zu dreihundert wieder auferstehen. Haben wir erst einmal den Staub der Schmach und der Zwietracht von unseren Köpfen abgewischt, werden wir als wahrhaft erleuchtete und vereinigte die Vorhut in der Karawane der Söhne des Menschengeschlechtes bilden. Wir fürchten uns nicht vor dem Tod, der uns nur in ein noch intensiveres, stärkeres Leben führen wird, das uns dann für immer und ewig bleibt. Auch wenn wir sterben, wird doch der Islam weiterleben. Es blühe die heilige Nation!...
   Frage: 
   Wie können wir mit Nicht-Muslimen gleichgestellt werden?
   Antwort: 
   Die Gleichstellung erfolgt nicht unter Berücksichtigung von Charakterfestigkeit und Ehrenhaftigkeit, sondern vor dem Gesetz. Denn vor dem Gesetz gibt es keinen Unterschied zwischen arm und reich. Könnte denn die Scheria, die sagt: "Zertretet keine Ameise mit Absicht!" und verbietet, sie zu quälen, die Menschenrechte verachten? Keineswegs... nur haben wir uns nicht daran gehalten. Ja, ich glaube, dass die Verhandlung zwischen Imam Ali (ra) und einem einfachen Juden, der Prozess eines armen Christen gegen Salahaddin Eyyubi, auf den Ihr so stolz seid, diesen Fehler wieder zurecht rückt.
{(*): Der Alte Said arbeitete mit Feuereifer für die Freiheit. Dabei instrumentalisierte er die Politik für den Islam, beseelt von einem vollkommenen Trost und einer starken Hoffnung, wie sie ihm aus der Eigentümlichkeit der "Risale-i Nur" erwuchsen. Dann aber kam ihm eine Ehrwürdige Hadith und er verstand aus einem Vorgefühl heraus, dass eine fürchterliche, total atheistische Diktatur kommen werde und verkündete sie bereits fünfzig Jahre im Voraus. Und er verspürte, dass diese totale Diktatur in der Tat fünfundzwanzig Jahre lang Saids trostspendende Ankündigungen Lügen strafen werde. Seit dreißig Jahren sagt er:
اَعُوذُ بِاللّٰهِ مِنَ الشَّيْطَانِ وَالسِّيَاسَةِ
   ("Ich nehme meine Zuflucht zu Gott vor dem Satan und seiner Politik."),
gab die Politik auf und wurde ein Neuer Said.}
   Denn in einer parlamentarischen Monarchie liegt die Herrschaft in den Händen des Volkes, während die Regierung Ihr Diener ist. In der Meshrutiyet sind, wenn sie recht und wahr ist, die Bürgermeister und die Präsidenten keine Anführer, sondern ihre bezahlten Diener.
    Eine Antwort bezüglich der Ereignisse um den 31. März 
   Die Ereignisse um den 31. März habe ich etwa folgendermaßen erlebt: Islamische Idealisten und Patrioten in ihrer Begeisterung für die Meshrutiyet haben, um die Gnadengabe der Meshrutiyet, deren Bedeutung als Essenz des Lebens sie erkannt hatten, im Sinne der Scheria zu nutzen, und um die Inhaber der Regierung in der rechten Richtung (qible) zu einem Gebet (namaz) anzuleiten, das "Gerechtigkeit" heißt, und um der heiligen Scheria durch die Kraft der Scheria eine bleibende Stätte zu bereiten, und um die Gegner der Scheria für die schlimmen Folgen ihrer Taten zur Verantwortung zu ziehen, einige Grundsätze aufgestellt und verschiedene Einzelheiten dementsprechend durchgeführt. Danach aber dachten diejenigen, welche rechts von links nicht unterscheiden können, dass man - was Gott verhüten möge - die Scheria zu diktatorischen Zwecken missbrauchen könne und sagten: "Wir wollen die Scheria!" nur noch so, wie das die Papageien nachplappern, wodurch die wahren Ziele der Bewegung in Verwirrung gerieten. Und damit waren alle Pläne ohnehin schon zunichte geworden. So haben in damaliger Zeit ein paar Schurken, welche ihre Verlogenheit hinter einer Maske von Begeisterung versteckten, diesen heiligen Namen in Misskredit gebracht. Und so wäre nun hier der geeignete Platz aus diesem schwarzen Fleck (in der Geschichte) seine Lehren zu ziehen!
{(*): Mache nicht mit! Pass auf! Diejenigen, welche eine hohe Begeisterung in sich trugen, schwiegen zu diesen Ereignissen. Bösartige Zeitungen haben die Stimme der wahren Freiheit zum Verstummen gebracht. Die Sache der Meshrutiyet verblieb in den Händen einiger weniger. Die Idealisten und Patrioten aber haben sich zerstreut.}
   .........
   Ein Mensch von Einsicht und Verstand kann, nach meiner Meinung, seiner Natur und seinem Gewissen nach in der Tat niemals den Islam aufgeben, wenn er einem islamischen Hause entstammt, auch dann nicht, wenn er dem Islam bereits gleichgültig gegenüber stünde. Auch der dümmste und missratenste unter ihnen wird sich mit ganzem Herzen für den Islam als seine feste Stützmauer einsetzen. Und besonders diejenigen, welche eine Ahnung von Politik haben... Außerdem lehrt uns die Geschichte, dass seit der "Glücklichen Zeit" bis heute niemals ein Muslim nach dem Urteil seines Verstandes eine andere Religion dem Islam vorgezogen habe und aufgrund von Beweisen zu einer anderen übergetreten sei. Zwar gibt es Menschen, die ihren Glauben aufgeben. Doch das ist eine andere Frage. Dabei ist die Nachahmung nicht von Wichtigkeit.
   Denn die Angehörigen anderer Religionen treten gewiss scharenweise in den Kreis der Muslime ein und werden es auch weiterhin tun, weil sie dem Urteil ihres Verstandes und absolut sicheren Beweisen folgen. Sie werden in Zukunft scharenweise übertreten, wenn nun auch wir ihnen den wahren Islam und eine Aufrichtigkeit und Rechtschaffenheit zeigen können, die des Islam würdig ist.
   Zudem lehrt uns die Geschichte: der kulturelle Aufschwung der Anhänger des Islam ist davon abhängig, inwieweit diese den Islam in die Realität umsetzen, während der zivilisatorische Fortschritt aller anderen im umgekehrten Verhältnis zu ihren religiösen Bindungen steht. Zudem lehrt uns die Realität, dass ein Mensch, der sich seiner Notlage bewusst geworden ist, nicht ohne religiöse Führung bleiben kann. Wenn der Mensch, der Zeitlichkeit verlobt und der Ewigkeit versprochen, zu sich selbst gekommen ist und Menschlichkeit erfahren hat, kann er nicht mehr ohne religiöse Führung leben. Denn der erwachte Mensch kann nicht leben, wenn er nicht einen Stützpunkt findet, der ihm Rückendeckung gegen die Angriffe aller Welt verleiht, von dem aus er seine Hoffnungen verwirklichen und Hilfe erhalten kann, also ein Samenkorn der Wahrheit, welches der wahre Glaube ist. Aus diesem Grunde erwacht in jedem das Interesse, den wahren Glauben zu suchen und zu finden. Es gilt also für die Zukunft des Menschengeschlechtes als ein gutes Zeichen, dass der Islam seine natürliche Religion sein wird.
   Oh Ihr Ungerechten! Wie eng seht Ihr doch die Wahrheit des Islam, die doch geeignet ist, die Welt in sich aufzunehmen, zu vereinigen, zu erleuchten. Ihr habt den Islam auf die Armen und einen Teil fanatischer Hodjas beschränkt und wollt so die Hälfte seiner Anhänger aus seiner Gemeinschaft hinauswerfen! Der Islam ist ein leuchtendes Schloss, das alle Vollkommenheit in sich gesammelt hat und alle erhabenen Gefühle der Menschheit in sich nährt. Wie könnt Ihr es wagen, es als ein schwarzes Zelt, gleich einem Trauerkleid zu betrachten, bestimmt für einige Arme, Nomaden und Feinde des Fortschritts! Ja, ein jeder ist von seinem Spiegelbild abhängig. Das heißt, Euer schwarzes, verlogenes Spiegelbild zeigt es Euch so.    Frage: 
   Du übertreibst. Du hältst eine Utopie für die Realität. Und du beleidigst uns auch, indem du uns als ungebildet hinstellst. Diese Zeit ist die Endzeit. Und mit der Zeit wird alles noch schlimmer werden?
   Antwort: 
   Warum sollte diese Welt, die doch für jedermann Fortschritt bedeutet, nur für uns allein eine rückschrittliche Welt sein?! Ja, wirklich? Ich werde nicht mehr mit ihnen reden, mich von ihnen abwenden und zu Menschen in der Zukunft sprechen.
   Oh Ihr, verborgen im Schoße jener großen Zeit, die in dreihundert Jahren kommen wird, die Ihr das Wort des Lichts (Nur) schweigend hört und uns aus dem Unsichtbaren herüber anblickt, Ihr Said, Hamza, Ömer, Osman, Tahir, Yusuf, Ahmed usw. Ich richte mein Wort an Euch. Erhebt Eure Häupter und sagt: "Sadaqte" (Es stimmt!). Und so zu sprechen sei Eure Pflicht. Diese meine Zeitgenossen wollen mich nun einmal nicht hören. Ich spreche zu Euch aus den Bächen der Vergangenheit, die Geschichte genannt wird, über das drahtlose Telefon hinüber in Eure große Zukunft hinein. Was soll ich machen? Ich habe mich so sehr beeilt, dass ich erst im Winter angekommen bin, während Ihr schon in einem paradieses-gleichen Frühling ankommen werdet. Die Samen des "Nur", die wir jetzt aussäen, werden auf Eurem Boden aufgehen und blühen. Wir erwarten von Euch als Lohn das folgende: Ihr sollt unsere Gräber besuchen, wenn Ihr kommt, um das Land Eurer Vergangenheit zu besuchen. Und dann hängt bitte einige Geschenke Eures Frühlings an das Tor der Festung, die der Grabstein meiner Schule genannt wird und unsere Gebeine zu Gästen aufgenommen hat und das Grundstück von Horhor
{(*): Die Festung von Van wird der Grabstein der Medresse "Horhor" genannt. Hier entstand auch die Idee zu einem Modell der Medresetu-s'Sehra in Van, eine Idee, die dann aber wieder zu Grabe getragen werden musste.}
hütet. Wir werden dem Torhüter einschärfen, uns zu rufen. Aus unserem Grab werdet Ihr den Ruf: هَنِيأًلَكُمْ {"Willkommen"} hören.
   Diese Kinder, welche zusammen mit uns die Milch an der Brust der Zeit gesogen haben und deren Augen zurückschauen in die Vergangenheit und deren Vorstellungen ebenso irreal und verworren sind wie sie selbst, halten nun einmal die in diesem Buche {(*): Er verkündigte vorausschauend die noch ausstehende Herausgabe des Risale-i Nur Gesamtwerkes.} dargelegten Realitäten für Utopie. Doch ich weiß, dass Ihr einmal bestätigen werdet, dass der Inhalt dieses Buches der Wahrheit gerecht wird.
   Oh Ihr, die Ihr mich jetzt hört! Vom Minarett des dreizehnten Jahrhunderts herab, auf seinem Kranze stehend, rufe ich alle, die nach außen hin zivilisiert erscheinen, innerlich aber religiös anständig geworden und den tiefsten Tiefen der Vergangenheit verhaftet sind, und lade sie ein, in die Moschee zu kommen.
   Oh Ihr unglückseligen auf zwei Beinen umherwandelnden Gräber, die Ihr den Islam aufgegeben habt, welcher doch der Geist beider Leben genannt werden kann! Versperrt nicht einer kommenden Generation die Tür. Auf Euch wartet das Grab. Geht fort! Lasst die neue Generation kommen, so dass die Wogen der Wahrheit des Islam in der Welt wahrhaftig hoch gehen!
   Frage: 
   Waren unsere Altvorderen besser oder genauso wie wir? Und werden unsere Nachfahren schlechter sein als wir?...
   Antwort: 
   Ihr Türken und Kurden! Sollte ich jetzt vielleicht ein Meeting veranstalten? Ich würde dann Eure Vorväter, die tausend Jahre vor Euch gelebt haben, und Eure Nachfahren, die zwei Jahrhunderte nach euch leben werden, einladen, hier in dieses Tollhaus unseres Jahrhunderts zu kommen. Würden dann nicht vielleicht eure Ur- und Vorväter, die auf der rechten Seite in Reihen stehen, sagen: "Oh Ihr missratenen Kinder, die Ihr Euer Erbe verprasst habet! Seid Ihr die Frucht und der Erfolg unseres Lebens? Ihr habt uns wie unfruchtbare Greise werden lassen und gleich wie ohne Erben geblieben!" Und würden nicht Eure Nachfahren aus dem Lande der Zukunft herbeikommen und Euren Vorvätern auf der rechten Seite beipflichten, wenn sie auf der linken Seite stehen und sagen: "Oh Ihr unsere Vorväter, die Ihr Euch niemals bemüht habt! Sollen wir in Euch die keimhafte Anlage und die verkörperte Entfaltung unseres Lebens sehen? Seid Ihr der Mittelbegriff, der uns mit unseren ehrwürdigen Vätern zugleich verbindet und von ihnen abgrenzt? Oh! Und ach! was für eine unwahre und verwirrende und in sich zerstrittene Schlussfolgerung seid ihr doch geworden."
{Vergleicht man die hohen kulturellen Leistungen der Vorfahren als Oberbegriff mit den gleich hohen kulturellen Leistungen der Nachfahren als Unterbegriff, dann erweist sich in der Schlussfolgerung, dass der erbärmliche Zustand der heutigen Kurden und Türken als Mittelbegriff nicht der Logik entspricht und verwirrend ist. (A.d.Ü.)}
   So also, Ihr Wandernomaden, {(*): Hier wurde später noch der Ausdruck: "fanatische 🙂 gemeint die europäisch gesinnten) Revolutionäre" eingefügt.} habt Ihr nun in der oben dar- und vorgestellten Szene {(*): Diese Szene ist einer Video-Reportage vergleichbar.} sehen können, wie die beiden Seiten auf diesem Meeting gegen Euch protestiert haben?
    (Kurzer Auszug weiterer Antworten) 
   Wenn das so ist, dann sage ich: Ihr habt doch wirklich die wunderbare Gabe der Tapferkeit. Denn würde etwa nicht einer, der, um eines Vorteils willen, oder um seiner persönlichen Ehre willen, oder um seines guten Rufes willen, oder um die Worte: "Herr So-und-so ist ein Held" zu hören, und ähnlicher unbedeutender Dinge willen sein Leben gering schätzt, oder sich selbst aufopfert, um der Ehre seines Fürsten willen, würde nicht ein solcher, wenn er zu sich selbst erwacht ist, für die Islamische Nation, die einem Schatze gleich wert ist, das heißt für dreihundert Millionen muslimischer Brüder und für eine Islamische Nation, {Unsere Nation ist der Körper, sein Geist der Islam, Qur'an und Glaube sind seine Intelligenz.} durch die er selbst geistige Hilfe gewinnt, sein Leben gering schätzen, selbst wenn er tausend Tode sterben müsste? Ja, wer sein Leben für zehn Pfennig verkauft, der verkauft es sicherlich auch gerne für zehn Mark...
   So wie unsere schönen Dinge leider in die Hände der Nicht-Muslime geraten sind, so haben die Nicht-Muslime auch hin- und wiederum unsere guten Sitten gestohlen. Es ist, als ob ein Teil unserer guten Sitten, die hohe Moral unserer Gemeinschaft, uns böse geworden und zu ihnen hinübergewechselt sei, weil sie bei uns keinen Anklang gefunden haben, und ein Teil ihrer Gemeinheiten auf unseren Marktplatz gebracht worden sei, weil sie bei ihnen selbst keinen großen Anklang gefunden hatten...
   Ja habt Ihr denn nicht mit großem Erstaunen wahrgenommen, dass die Nicht-Muslime uns die roten Charakteranlagen und die weißen Worte (entsprechend den roten und weißen Blutkörperchen), wie: "Möge ich auch sterben, so wird doch mein Staat, mein Volk, werden doch meine Freunde leben." gestohlen haben, Worte, wie sie die Grundprinzipien der gegenwärtigen Entwicklung, ja sogar Erfordernis einer wahren Religion sind. Denn einer ihrer ideal Gesinnten sagt: "Möge ich auch sterben, so wird doch mein Volk leben. Und in ihm wird auch meine Seele weiter leben." Denn das Grundübel allen Elends und aller Ichbezogenheit besteht darin, dass derart dumme Redensarten wie: "Wenn ich erst einmal gestorben bin, mag über die Welt kommen, was will, meinetwegen die Sintflut.", oder auch:
وَاِنْ مِتُّ عَطْشًا فَلاَ نَزَلَ الْقَطْرُ
{"Was soll mir noch ein Regentropfen, wenn ich schon verdurstet bin?"} so wie ein unsteter und wenig begeisterungsfähiger Charakter unsere Begeisterung an der Hand genommen und weggeführt haben.
   So also ist ein hoher und edler Charakter die Grundforderung unserer Religion. Wir müssen mit Leib und Seele, mit Herz und Verstand und aus allen unseren Kräften sagen: "Mögen wir auch sterben, so lebt doch unsere Nation, welche die Islamiyet ist, in Ewigkeit fort. Es blühe meine Nation! Mir genügt die Belohnung im Jenseits. Meine Seele lebt in meiner Nation weiter und wird von ihr belebt, empfängt ihre Freude in einer hohen Welt.
وَالْمَوْتُ يَوْمُ نَوْرُوزِنَا
{"Der Tod ist unser Nauroz-Tag(*)."
   (*)Das Frühlingsfest}
   Wir müssen diejenigen, welche das Licht (Nur) und die Begeisterung zu erleuchteten Führern gemacht hat, zu unseren eigenen Führern machen.
   ........
   F - Was brauchen wir vor allen anderen Dingen?
   A - Rechtschaffenheit.
   F - und weiter?
   A - nicht zu lügen.
   F - und danach?
   A - Geradheit, Treue, Aufrichtigkeit, Standhaftigkeit, Gemeinsinn (Solidarität).
   F - Warum?
   A - Das Wesen des Unglaubens ist die Lüge. Das Wesen des Glaubens ist Geradheit (sidq). Und genügt es nicht als Beweis, dass die Beständigkeit unseres Lebens von der Erhaltung des Glaubens, der Geradheit und dem Sinn für Gemeinschaft abhängig ist?
   F - Müssen nicht aber erst unsere Vorgesetzten auf den richtigen Weg gebracht werden?    A - Nun, Eure Vorgesetzen haben sich das, was Ihr besessen habt, in die Taschen gesteckt und es eingeschlossen. Und so haben sie auch Euren Verstand von Euch genommen, oder in Euren Gehirnskästen eingeschlossen. So will ich denn jetzt mit Eurem Verstand reden, der bei ihnen ist:
   Ihr Führer und Vorgesetzten! Vernachlässigt nicht Eure Sorgfaltspflicht infolge eines falsch verstandenen Gottvertrauens (tevekkül)! schiebt nicht einander Eure Aufgaben zu! Dient uns mit unserem Gut, das in Euren Händen ist und mit dem Verstand, den ihr von uns habt. Denn Ihr habt Euren Lohn bereits dadurch empfangen, dass Ihr die Bewohner Eures Landes in ihre Bürgerpflicht genommen habt.
فَعَلَيْكُمْ بِالتَّدَارُكِ لِمَاضَيَّعْتُمْ فِى الصَّيْفِ
{"Ihr müsst jetzt die Sachen wieder beschaffen, die Ihr im Winter verloren habt."}
   Jetzt ist es Zeit zu dienen...
   ........
   Kurzum, das Erwachen des Islam hat bereits begonnen und pflanzt sich noch weiter fort. Die Menschen haben erkannt, dass Bosheit böse und Güte gut ist. Ja und darin liegt auch das Geheimnis der Bekehrung der Stämme jener Täler. Und diese Gabe erlangen und erhalten langsam und allmählich alle Muslime. Ihr aber, weil Ihr noch Nomaden seid und weil Ihr in Eurer natürlichen Substanz noch unverdorben geblieben seid, deswegen steht Ihr auch der Heiligen Nation der Islamiyet noch näher.
{(*): Tatsächlich bestätigen Pakistan und die Länder der arabischen Welt diesen Ausspruch, den "der Alte Said" schon vor 45 Jahren in seinen Vorlesungen geprägt hatte, durch ihren Kampf um die Freiheit und die Erlangung ihrer Souveränität; und sie werden ihn auch noch weiterhin bestätigen...}
   ........    Auf meiner Reise fragten mich diejenigen, die mich nicht kannten, mich aber aufgrund meiner Kleidung für einen Kaufmann hielten:
   - Sie sind Kaufmann?
   - Ja, ich bin sowohl Kaufmann als auch Chemiker.
   - Wie das?
   - Ich vermische zwei Materialien miteinander. Aus dem einen entsteht eine Heilung spendende Arznei, aus dem anderen Licht spendende Elektrizität.
   - Wo findet man sie?
   - Auf dem Marktplatz des Segens und der Kultur, in einer auf zwei Füßen wandelnden Kiste mit der Aufschrift "Mensch", darinnen ein Kästchen, das schwarz sein kann, oder aber auch strahlend wie ein Diamant; darauf steht "Herz" geschrieben.
   - Und wie heißen sie?
   - Glaube, Liebe, Treue, Begeisterung!...
  * * *     Danach reiste er von Van nach Damaskus. Auf die dringenden und inständigen Bitten der Gelehrten hielt er in der Omayyaden-Moschee vor einer gewaltigen, etwa zehntausend Köpfe zählenden Menschenmenge, darunter hundert Wissenschaftlern eine Freitagspredigt (hutbe). Diese Hutbe fand starke Beachtung und wurde mit großer Begeisterung aufgenommen. Diese Hutbe, welche er dort gehalten hatte, wurde später mit dem Titel "Die Hutbe von Damaskus" in Druck gegeben. Diese "Hutbe von Damaskus", welche die Psycho-Somatik der Krankheiten nachweist, die in der Welt des Islam auftreten, erklärt, aufgrund welcher Ursachen sie in dieser katastrophalen Situation gefangen bleiben und weist, von da ausgehend, den Weg zu ihrer Heilung, zeigt sodann die überragende Entwicklung auf, die der Islam über die Erde hin nehmen und wie die islamische Kultur sich in majestätischer Vollkommenheit entfalten und vom Schmutz und Unrat das Antlitz der Erde reinigen wird. Es ist eine Hutbe, die mit klar verständlichen Beweisen eine besonders kostbare Belehrung, eine frohe Nachricht bringt für alle Muslime, ja sogar für die ganze Menschheit.
   In dieser "Hutbe von Damaskus" sagt er auf den ersten Seiten:
   Ich habe in dieser Zeit und in diesem Raum in der Schule des menschlichen Gemeinschaftslebens Unterricht genommen und erkannt, dass es sechs Krankheiten gibt, die uns in materieller Hinsicht im Mittelalter festhalten und unseren Fortschritt behindern, während die Ausländer, die Europäer, in ihre zukünftige Entwicklung hineinfliegen. Diese Krankheiten sind folgende:
   1. Die Verzweiflung (Hoffnungslosigkeit), die sich unter uns ausbreitet und zu neuem Leben Nahrung findet.
   2. Das Aussterben der Geradheit (sidq) im öffentlichen und politischen Leben.
   3. Die Neigung zur Feindschaft.
   4. Die leuchtenden Bande nicht zu kennen, die die Gläubigen miteinander verbinden (gemeint sind die Weisungen des Qur'an).
   5. Die Herrschsucht, die sich gleich den unterschiedlichen ansteckenden Krankheiten verbreitet.
   6. Den Einsatz seiner Kräfte auf den persönlichen Vorteil zu beschränken.
   Als ein Heilmittel gegen diese sechs furchtbaren Krankheiten verkündige ich eine Lektion von sechs Worten, die ich in der Apotheke des Qur'an für unser soziales Leben, das eine Hochschule der Medizin ist, erhalten habe. Ich habe erkannt, dass diese die Grundlage für eine Behandlung sind.
   Erstes Wort: 
   "El Emel" (die Hoffnung), d.h. die Hoffnung mit göttlicher Barmherzigkeit kräftig nähren.
   Ja, ich sage Ihnen anhand der Lektion, die ich auf eigene Rechnung genommen habe:
   Oh islamische Gemeinschaft! Ich bringe Euch die frohe Kunde, dass sich jetzt für die Araber die Anzeichen einer wirklichen Morgendämmerung des Glücks zu zeigen beginnen. Von ihrem Erwachen hängt das irdische Glück der islamischen Welt von heute, besonders aber das Glück der Osmanen und ganz besonders die Entwicklung des Islam ab. Und die Stunde, da die Sonne des Glücks aufgehen wird, ist nahe herbeigekommen. Der Verzweiflung zum Trotz sage ich aus meiner tiefsten Überzeugung und alle Welt soll es hören:
{(*): Der Alte Said teilte vor 45 Jahren aufgrund eines inneren Gesichtes mit, dass die arabischen Staaten und die islamische Welt sich erst im Jahre 1371 (1951) aus der Gefangenschaft und der Unterdrückung durch die Nicht-Muslime befreien und eigene islamische Staaten gründen werden. Dabei hatte er die beiden Weltkriege und die dreißig Jahre eines fortwährenden Absolutismus nicht mit einkalkuliert. Er hatte die frohe Botschaft für das Jahr 1327 (1908) gegeben, die Ursache der Zeitverschiebung aber nicht mit in Betracht gezogen.}    Die Zukunft gehört dem Islam - und nur ihm allein. Und die Wahrheit des Qur'an und des Glaubens wird König sein. Ich bin zu dieser Schlussfolgerung aufgrund vieler Belege gelangt. Ich werde jetzt zu diesen Belegen eine Einführung geben und anderthalb Belege anführen. Wir beginnen mit der Einführung zu diesem Beleg.
   In der Wahrheit des Islam liegen einerseits die äußeren Voraussetzungen zu einer Entwicklung sowohl in ethisch-moralischer als auch in wissenschaftlich-praktischer Hinsicht und sie ist andererseits auch von ihrem Wesen her aufs Beste dafür geeignet.
   Was den ersten Aspekt, nämlich die Entfaltung in der ethisch-moralischen Hinsicht anbelangt, so wissen Sie, dass die Geschichte, welche die tatsächlichen Ereignisse aufzeichnet, eine unbestechliche Zeugin der Wahrheit ist. So zeigt uns die Geschichte, dass sogar der japanische Oberkommandierende, der die Russen besiegte, über die Wahrhaftigkeit des Islam das folgende Zeugnis abgelegt hat:
   "Die Geschichte zeigt, dass es unter den Anhängern des Islam Kultur und Fortschritt gab je nachdem in welchem Grade die Muslime sich entsprechend der Macht der Wahrheit des Islam und gemäß dieser Kraft verhielten. Und die Geschichte zeigt, je nachdem in welchem Grade sie sich der Wahrheit des Islam gegenüber schwach verhielten und vor ihr zurückschreckten, wie sie der Barbarei und dem Rückschritt verfielen, einem Tohuwabohu, einer Niederlage anheim fielen. Bei den übrigen Religionen geschah jedoch das Gegenteil."
   .......
   "Wenn wir die islamischen Sitten und die vollkommene Wahrheit unseres Glaubens in unseren Taten zeigen würden, dann würden auch die Anhänger der übrigen Religionen sicherlich in Scharen den Islam annehmen. Ja vielleicht würden sogar ganze Staaten und Kontinente der islamischen Gemeinschaft beitreten."
   .........    Oh meine Brüder in der Moschee der Omayyaden wie auch Ihr alle meine Brüder in der großen Moschee der Islamischen Welt! Zieht auch Ihr Eure Lehre daraus! Zieht Eure Lehre aus diesen schrecklichen Ereignissen dieser 45 Jahre! Nehmt Euren ganzen Verstand zusammen und nehmt wieder Vernunft an! Oh Ihr Denker, Ihr Vernünftigen und Ihr Verständigen und Ihr, die Ihr Euch selbst für intelligent und gebildet haltet!
   Kurz gesagt: 
   Wir Muslime, die wie die Schüler des Qur'an sind, so sind auch wir von den Beweismitteln abhängig. Wir treten mit Herz und Verstand und mit unserer ganzen Überzeugung für die Wahrheit des Glaubens ein. Wir verzichten nicht auf Beweismittel, wie dies einige Angehörige anderer Religionen tun, die nur ihre Geistlichen nachahmen. Deswegen werden in Zukunft Verstand, Wissenschaft und Technik vorherrschen. Und sicherlich wird auch der Qur'an, der sich auf vernunftgemäße Beweismittel stützt und dessen Schlussfolgerungen alle an die Logik geknüpft sind, die Zukunft beherrschen!
   Die Vorhänge, die verhinderten, dass die Sonne des Islam sich zeigen und die Menschheit erleuchten kann, öffnen sich und was ein Hindernis war, wird beiseite geräumt. Bereits vor 45 Jahren konnte man erkennen, dass ein solcher Morgen heraufdämmert. Im Jahre 71 begann die wahre Morgendämmerung, oder wird sie noch beginnen. Sollte diese Morgendämmerung noch nicht die wahre sein, wird der wahre Morgen 30 - 40 Jahre später heraufdämmern.
   Ja, acht schreckliche Barrieren haben verhindert, dass die Wahrheit des Islam in der Vergangenheit von der Welt besser verstanden werden konnte.
   Erste, zweite und dritte Barriere: 
   Die Unwissenheit der Außenstehenden, ihre Grausamkeit in jener Zeit und ihr religiöser Fanatismus. Diese drei Barrieren wurden dank der Erkenntnis und der Kultur abgerissen und beginnen zu zerbröckeln.
   Vierte und fünfte Barriere: 
   Die Beherrschung und Bevormundung durch die Priester und die geistlichen Fürsten und die blinde, sinnlose Gefolgschaft der Fremden. Auch für diese beiden Barrieren ist die Zeit ihres Verfalles bereits gekommen, weil in der Menschheit freiheitliches Denken und eine Tendenz zur Erforschung der Wahrheit zu wachsen beginnen.
   Sechste und siebente Barriere: 
   Die bei uns herrschende Diktatur und der aus der Ablehnung der Scheria resultierende Sittenverfall haben Barrieren aufgerichtet. Heute setzt der Zerfall der despotischen Macht einer einzelnen Person ein Zeichen dafür, dass auch die schreckliche Diktatur der Organisationen und Kommiteen nach dreißig, vierzig Jahren in sich zusammenfallen wird und auch für diese beiden Barrieren die Zeit ihres Verfalls gekommen ist und sie zerfallen werden, weil die islamische Begeisterung gewaltig anwächst und sich die üblen Folgen des Sittenverfalls zeigen werden. Und dieser Zusammenbruch wird - insha-a'llah ein totaler sein.
   Achte Barriere: 
   Man hat geglaubt, dass manche Problemstellungen der neuen Naturwissenschaften einem oberflächlichen Verständnis der Wahrheit des Islam entgegengesetzt seien und ihm widersprechen müssen. Zum Beispiel: Die Naturwissenschaftler und die Philosophen stellten sich die beiden "Sevr" (Ochse) und "Hut" (Fisch) genannten Geister, zwei Engel, die von Gott als Wächter über die Erde gesetzt worden sind, als riesengroße Tiere, also einen Ochsen und einen Fisch, vor. Weil sie also die Wahrheit nicht kannten, stellten sie sich in Widerspruch zum Islam. So wie dieses Beispiel gibt es hundert Beispiele, wo auch der verbohrteste Wissenschaftler die Wahrheit zugeben muss, sobald er sie erst einmal erkannt hat. (Auch die Risale-i Nur zeigt in ihrem Buche "Der Qur'an als Wunder", mit jedem einzelnen Funken eines Wunders aus dem Qur'an, dass alle die Ayat, an denen die Wissenschaftler sich gestoßen haben und welche man vom Standpunkt der Wissenschaft aus betrachtet für einen Ansatzpunkt zur Kritik gehalten hatte, mit jedem Satz und mit jedem Wort die hohe Wahrheit des ehrwürdigen Qur'an erweisen, welche der Wissenschaft unzugänglich bleibt. Das muss auch der verbohrteste Wissenschaftler zugeben. Das liegt offen zu Tage und wer will, kann es sehen. Mag er nachschauen und sehen, wie fünfundzwanzig Jahre, nachdem dieses Wort ausgesprochen wurde, die Hindernisse fallen.)
   Nun, es gibt islamische Wissenschaftler, {Muhakkikin: Gelehrte, welche die vier Quellen des Islam (kitap, sünnet, icma-i ümmet, kiyas-i fukaha) kennen und erforschen. (A.d.Ü.)} welche Veröffentlichungen über die Beseitigung dieser achten Barriere herausgebracht haben.
   Ja, wenn nicht jetzt, so doch in dreißig, vierzig Jahren werden Wissenschaft und wahre Erkenntnis und die Werte der Kultur diese drei Kräfte, nämlich das Interesse an der Wahrheit, die Einsicht und die Liebe zur Menschheit, mit dem notwendigen Rüstzeug versehen, zur Eroberung und Zerstörung dieser acht Barrieren an die acht Fronten der acht feindlichen Truppen geschickt haben; und sie beginnen schon diese in die Flucht zu jagen. insha-a'llah werden sie sie in einem halben Jahrhundert völlig verwirrt haben. Ja, es ist bekannt, dass eine Charaktereigenschaft immer dann als unumstößlich sicher angenommen werden darf, wenn diese Eigenschaft auch von den Feinden bezeugt und bestätigt wird.
   ..........
   Nachdem Bediüzzaman rezitiert hatte, mit welch lobenden Worten sich Carlayl und der Fürst von Bismarck über die Wahrheit des Islam geäußert hatten und diese so als ein Beispiel angeführt hatte, sagte er:
   "Wenn es also in Amerika und in Europa Felder gibt, wo derartige Intelligenzen zu Wissenschaftlern und Forschern heranreifen wie ein Carlayl oder ein Fürst von Bismarck, da kann ich nur aus meiner vollen Überzeugung sagen: Europa und Amerika haben den Islam in ihrem Schoße aufgenommen und werden eines Tages einen islamischen Staat zur Welt bringen, genauso wie die Osmanen Europa in sich aufgenommen und einen europäischen Staat zur Welt gebracht haben."
   Zweiter Aspekt: 
   Hier zeigen sich uns nun die Gründe für eine Entwicklung des Islam in wissenschaftlicher Hinsicht und dass auch in der Praxis die Zukunft dem Islam gehören wird. Und wie wir unter dem ersten Aspekt seine ethisch-moralische Entwicklung nachgewiesen haben, so zeigt auch dieser zweite Aspekt deutlich, dass er auch in seiner wissenschaftlich-praktischen Entwicklung die Zukunft beherrschen wird. Denn im Herzen der islamischen Welt und in seinem Geiste haben miteinander vereinigt und verflochten fünf besonders starke, unzerstörbare Kräfte ihre Wurzeln geschlagen.
{Wie der Qur'an unser Meister ist und worauf er in seinen Weisungen indiziert, entnehmen wir Folgendes:
   Indem der Qur'an die Wunder der Propheten behandelt, unterrichtet er den Menschen, wie sich in Zukunft die Dinge entwickeln werden; und so spornt er den Menschen folgendermaßen an:
   "Steh auf und arbeite! Zeige die Beispiele für diese Wunder! Lege eine Strecke von zwei Monaten an einem Tag zurück, wie Salomon, mit dem der Friede sei! Strenge Dich an für die Heilung auch noch der fürchterlichsten Krankheit, wie Jesus, mit dem der Friede sei! Hole aus dem Fels Lebenswasser heraus und rette so die Menschheit von ihrem Durst wie Moses mit seinem Stab! Finde Material, welches nicht im Feuer verbrennt und Dich so davor schützt, wie Abraham, mit dem der Friede sei! Wie manche Propheten höre auch noch die am weitesten entfernten Stimmen vom Osten und Westen und schaue ihre Bilder an! Wie David, mit dem der Friede sei, mache das Eisen weich wie Teig, knete es wie Wachs, damit Du die Kunst der Menschheit beherrschst! Wie Ihr von den Wundern Josephs und Noahs, mit denen der Friede sei, also von der Uhr und der Arche großen Nutzen zieht, so sollt Ihr auch von den Wundern aller anderen Propheten, die Euch eine Lehre erteilten, Euren Nutzen ziehen und sie nachahmen!"
   Also, dementsprechend unterrichtet der Qur'an den Menschen so, um ihn in jeder Hinsicht zu seiner materiellen wie geistigen Entwicklung zu führen, und er zeigt dabei, dass er der absolute Meister des Menschen ist.}
   Erstens: 
   Das ist die Wahrheit des Islam, die Lehrerin jeglicher Vollkommenheit, die 370 Millionen Seelen zu vereinigen vermag, als wäre es nur eine einzige, deren Wesen der Träger einer wahren Kultur und der positiven, wahren Wissenschaften {Durch die Vermittlung der wahren Wissenschaft im Sinne des Islam offenbart sich Gott in Seinen Namen. (A.d.Ü.)} ist, die durch keine Macht zerstört werden kann.
   Zweite Kraft: 
   Ein gewaltiges Bedürfnis und eine bittere Armut, die uns den Rücken bricht. Sie ist die wahre Lehrerin der Kunst und der Kultur und führt dazu, die vorhandenen Mittel und Möglichkeiten und das bereits vorgegebene Wissen zu vervollkommnen und zu vervollständigen. Der Schrei einer solchen Armut und Not kann nicht zum Verstummen gebracht und die Kraft, die aus ihr erwächst, kann nicht gebrochen werden.
   Dritte Kraft: 
   Allein die Freiheit im Rahmen der Scheria vermag den Menschen in der Form eines Wettstreits um große Dinge über hohe Ziele zu belehren, ihn auf den Weg führen, um auch danach zu streben, das Gefühl des Unterdrücktseins zu beseitigen, erhabene Empfindungen wach zu rufen, Besitzneid, Missgunst, Eifersucht, Konkurrenzneid zu steuern, (seine Seele) dem eigenen Erwachen entgegenzuführen, Eifer für den Wettbewerb, Begeisterung für eine Erneuerung und Interesse an der Annahme der Kultur hervorzurufen. Das bedeutet, den Wunsch und die Neigung zu jener höchsten Vollkommenheit in sich zu tragen und zu verspüren, welcher der Menschheit würdig ist.
   Vierte Kraft: 
   Liebe gepaart mit dem Mut des Glaubens. Das heißt: sich nicht zu erniedrigen; im Unrecht und in der Unterdrückung seine Würde zu bewahren; die Unterdrückten nicht mit Verachtung zu behandeln. Das heißt: den Unterdrückern nicht zu schmeicheln; die Erniedrigten nicht zu unterdrücken und sie nicht zu beleidigen. Dies sind die Grundsätze der Freiheit auf der Grundlage der Scheria.
   Fünfte Kraft: 
   Die islamische Ehrenhaftigkeit (izzet), welche die erhabene Größe des Wortes Gottes allgemein bekannt macht. Und in heutiger Zeit ist die erhabene Größe des Wortes Gottes von der wissenschaftlich-praktischen Entwicklung abhängig und wer wahre Kultur angenommen hat, kann die erhabene Größe des Wortes Gottes aufzeigen. Der absolute Befehl dazu kommt aus der islamischen Ehrenhaftigkeit und dem Glauben. Und es besteht kein Zweifel daran, dass der Geist der islamischen Welt diesen absoluten Befehl in Zukunft vollständig zur Ausführung bringen wird.
   Und so wie nun in alter Zeit die Ausbreitung des Islam so vor sich ging, dass man die blinde Wut der Feinde zerschlug, ihren Trotz zerbrach, ihre Übergriffe mit der Waffe, mit dem Schwert zurückwies, so wird man in Zukunft an Stelle der Waffe, des Schwertes, die Kultur der Wahrheit, die Verbreitung praktischer Wissenschaft, das geistige Schwert der Wahrheit und Gerechtigkeit gebrauchen, um die Feinde zu bekämpfen und zu besiegen.
   Ihr müsst wissen, dass wir uns um die Schönheit der Kultur und die Güter bemühen, die der Menschheit Nutzen bringen und nicht um die Sünden der Zivilisation, nicht um die Schlechtigkeiten, jene Schlechtigkeiten, jene Ausschweifungen, die die Dummen für schön halten, sie nachahmen und dabei verderben, was uns zu eigen ist. Dafür haben sie ihren Glauben als Bestechungsgeld gegeben, doch damit die Welt nicht gewinnen können. Weil die Sündhaftigkeit über die Kultur, über das Gute gesiegt hat, die Schlechtigkeit über die Schönheit den Vorzug gewann, hat die Menschheit durch zwei Weltkriege zwei fürchterliche Ohrfeigen erhalten, dass diese sündige Zivilisation ganz und gar zugrunde gerichtet wurde und sich derart erbrochen, dass das Antlitz der Erde mit Blut besudelt wurde. Inshaa'llah wird künftig die Schönheit der Kultur durch die Kraft des Islam den Sieg erlangen, das Antlitz der Erde vom Schmutze reinigen und weltweit den Frieden sichern.
   Ja, weil die Zivilisation Europas nicht ausgestattet war mit Charakterfestigkeit und rechter Führung (huda), sondern auf Lust und Laune, auf Rivalität und Neid und auf die Herrschaft der Gewalt aufgebaut war, und weil bis zum heutigen Tage die Schlechtigkeiten der Zivilisation den Sieg über die Schönheit der Kultur davon getragen haben, bekam sie durch die Revolutionskommiteen das Aussehen eines von Würmern zerfressenen Baumes. Darin vermag man einen zuverlässigen Ausgangspunkt, einen Beweis für den Sieg der Kultur Asiens zu erblicken. Und siegen wird sie in kurzer Zeit. Und was wollt Ihr Euch etwa noch in Trübsinn und Verzweiflung fallen lassen, wo es doch für Leute des Glaubens und für den Islam in Richtung auf die Zukunft ein Fahrzeug gibt, einen festen, unerschütterlichen Grund zu solch einer Verbreitung von Wissenschaft und Moral, und einem Schienenstrang gleich der Weg zu einer glücklichen Zukunft bereits eröffnet wurde? Und wie könnt Ihr die geistige Verfassung der islamischen Welt zerbrechen? Und Ihr denkt in Eurer Verzweiflung und in Eurer Hoffnungslosigkeit, dass die Welt für alle und für die Fremden eine Welt des Fortschritts sei. Wenn Ihr aber nun sagt, sie sei nur für die bedauernswerten Muslime eine Welt des Rückschritts geworden, dann verfallt Ihr einem völlig unsinnigen Fehler. Nun aber ist das Streben nach Vollkommenheit im Kosmos wie in der menschlichen Natur gleichermaßen natürlicher Weise eingepflanzt. Wenn aber trotz der Ungerechtigkeit und der Fehlerhaftigkeit der Menschen die Welt nicht so plötzlich untergehen sollte, so werden sich doch in der Zukunft Wahrheit und Gerechtigkeit für die islamische Welt zeigen, und zwar auch in Form einer irdischen Glückseligkeit als Wiedergutmachung für die früheren Fehler des Menschengeschlechtes. Insha-a'llah...
   In der Tat seht ihr, dass die Zeit nicht auf einer geraden Linie verläuft, sodass der Anfang und das Ende sich von einander entfernen würden. Vielmehr bewegt sie sich der Erde gleich auf einer Kreisbahn und zeigt manchmal in ihrem Fortschreiten den Frühling und den Sommer, manchmal rückschreitend Herbststürme und Winterszeit. So wie nach jedem Winter ein Frühling und nach jeder Nacht wieder ein Morgen, so wird auch der Menschengattung ein Morgen und ein Frühling werden, insha-a'llah,
   Ihr könnt durch Gottes Erbarmen erwarten, unter der Sonne der Wahrheit des Islam die wahre Kultur im Rahmen eines allgemeinen Friedens zu schauen...
   .........
   Zweites Wort: 
   Während meines bisherigen Lebens wurde in meinen Erfahrungen folgender Gedanke geboren: Die Verzweiflung ist die furchtbarste Krankheit, die das Herz der islamischen Welt befallen hat. Es ist diese Hoffnungslosigkeit, die uns gleichsam getötet, und bewirkt hat, dass ein kleines Land im Westen - vielleicht vierzig Millionen Einwohner - vierhundert Millionen Muslime im Osten sich dienstbar und deren Heimat zu einer Kolonie gemacht hat. Und es ist auch diese Hoffnungslosigkeit, die unsere hohe Moral getötet hat, so dass wir unseren Blick vom allgemein Wohl ab und dem persönlichen Wohlergehen zugewandt haben. Und es ist auch diese Verzweiflung, die unsere geistige Verfassung gebrochen hat. Und obwohl wir mit einer nur geringen Kraft durch unsere innere Haltung, die uns aus dem Glauben erwuchs, den Osten und Westen erobert haben, gelingt es den fremden Tyrannen seit nunmehr vierhundert Jahren dreihundert Millionen Muslime zu versklaven, weil unsere wunderbare geistige Verfassung infolge der Hoffnungslosigkeit zerbrochen ist. Ja, man gebraucht sogar diese Hoffnungslosigkeit als Entschuldigungsgrund für eigene Faulheit, wenn irgend ein anderer in seiner Gleichgültigkeit und Verdrossenheit sagt: "Was geht's mich an?" Er gibt seinen Glaubensmut auf und erfüllt seine islamischen Pflichten nicht mehr und sagt: "Die anderen sind genauso schlecht wie ich". Weil uns aber diese Krankheit nun schon so sehr gequält hat und uns noch umbringen wird, werden nun wir an dieser mörderischen Krankheit Rache nehmen und sie töten.
لاَ تَقْنَطُوا مِنْ رَحْمَةِ اللّٰهِ
{"Lasst nicht ab von der Barmherzigkeit Gottes!"}
   Diese Hadith sei uns das Schwert, mit dem wir der Verzweiflung das Haupt spalten werden.
مَالاَ يُدْرَكُ كُلُّهُ لاَيُتْرَكُ كُلُّهُ
{"Wenn du das Ganze nicht verstehen kannst, gib das Ganze nicht auf!"}
   In der Wahrheit dieser Hadith werden wir ihr das Kreuz brechen. Insha-a'llah...
   Hoffnungslosigkeit kann geradezu als ein Krebsgeschwür bezeichnet werden und ist eine der fürchterlichsten Krankheiten einer Gemeinschaft, ja ganzer Völker. Sie ist ein Hindernis auf dem Wege zur Vollkommenheit und widerspricht der Wahrheit des
اَناَ عِنْدَ حُسْنِ ظَنِّ عَبْدِى بِى
{"Ich werde meinem Diener und Verehrer seiner guten Meinung entsprechend sein."}
   Sie ist eine Eigenschaft der Furchtsamen, der Niedrigen, der Hilflosen, ihre Ausrede, aber keine Eigenschaft islamischer Tapferkeit. Und sie kann vor allen Dingen keine Eigenschaft eines Volkes sein, das wie die Araber die Quelle des Stolzes für das Menschengeschlecht, ein Volk ist, das durch seinen hohen Charakter hervorragt! Die Völker der islamischen Welt sind bei den Arabern in die Schule der Standhaftigkeit gegangen. Insha-a'llah werden die Araber die Hoffnungslosigkeit überwinden und aufs Neue Hand in Hand mit den Türken im gleichen Geiste und in einer wahrhaften Einheit als ein islamisches Heer von Helden die Fahne des Qur'an in alle Welt tragen.
   ..........    Drittes Wort: 
   Ich habe in meinem Leben vieles studieren und kennen lernen können und bin im sozialen Leben hin und her geworfen worden. Dadurch habe ich über Kern und Wesen folgende absolute Sicherheit gewonnen: Geradheit (sidq) ist das Grundprinzip des Islam, der Leitfaden aller erhabenen Charaktereigenschaften, eine Einstellung, die den Gefühlen ihre Erhabenheit verleiht. Wenn dies nun so ist, dann müssen wir in uns die Geradheit, die Aufrichtigkeit verlebendigen, welche die Grundlage unseres sozialen Lebens ist, und durch sie unsere seelischen Krankheiten heilen. Und tatsächlich ist die Geradheit und die Aufrichtigkeit im Islam der Zentralnerv des sozialen Lebens. Heuchelei ist eine Art Lüge der Tat. Schmeichelei und Verstellung sind gemeine Lüge. Zwietracht und Ohrenbläserei ist zerstörende Lüge. Die Lüge aber ist eine Verleugnung der Allmacht des Erhabenen Meisters. Kufr in jeder beliebigen Form ist Lüge. Glaube ist Geradheit und Aufrichtigkeit. Nach dem inneren Verständnis liegen die Lüge und Geradheit unendlich weit voneinander entfernt. Man muss sie so weit wie Ost und West voneinander entfernt halten. Sie dürfen nicht wie Feuer und Licht miteinander verbunden sein. Aber eine heimtückische Politik und eine grausame Propaganda haben sie miteinander vermischt und den Menschen aus der Vollkommenheit geworfen.
{(*): Oh meine Brüder! Worüber diese Lektion belehren wollte, die Said vor 45 Jahren erhalten hatte, ist Folgendes:
   Dieser Said beschäftigte sich ganz besonders mit der Politik und dem islamischen Gemeinschaftsleben. Man darf aber nun nicht annehmen, dass er nun einer Berufung folgend die Religion zu politischen Zwecken instrumentalisieren wollte. Gott bewahre! Immer hat er die Politk mit aller Kraft als Hebel für den Glauben eingesetzt. Und er sagte immer: "Ich bevorzuge irgendeine religiöse Wirklichkeit vor tausend politischen." Ja, damals vor 45 Jahren hatte er die Empfindung, dass er, im Gegensatz zu allen verlogenen Atheisten, die die Politik für ihre Ziele und Ideen zu instrumentalisieren versuchen, sich mit aller Kraft darum bemühte, die Politik als ein Instrument in den Dienst des Islam zu stellen. Aber zwanzig Jahre danach musste er einsehen, dass einige unter den gläubigen Politikern im Gegensatz zu diesen heimlich-verlogenen Atheisten, die die Politik unter dem Vorwand einer Europäisierung für ihre gottlosen Zwecke missbrauchen, sich darum bemühten, die Religion zu einer islamischen Politik instrumentalisieren wollten. Die Sonne des Islam darf kein Werkzeug irdischer Lichter und nicht von ihnen abhängig sein. Sie zu einem Werkzeug zu machen, hieße, den Wert des Islam herabzusetzen und wäre ein großes Verbrechen. Denn der Alte Said hatte eine derartige politische Parteilichkeit bemerkt, dass ein frommer Gelehrter begeistert einen Heuchler lobte, der zu seiner eigenen politischen Meinung passte, einen frommen Hodja aber, der seinen politischen Ansichten widersprach, kritisierte und ihn als Sünder hinstellte. Der Alte Said sagte zu ihm: "Wenn ein Teufel deine Ideen unterstützt, würdest du ihm gnädig sein, einen Engel aber, der deinen politischen Ansichten widerspricht, würdest du verfluchen." Darum sagte der Alte Said:
اَعُوذُ بِاللّٰهِ مِنَ الشَّيْطَانِ وَالسِّيَاسَةِ
("Ich nehme meine Zuflucht zu Gott vor dem Teufel und seiner Politik.")
die Politik hat er seit dreißig (nunmehr 45) Jahren aufgegeben. (*)}
{(*) Obwohl die hundertdreißig Bücher und Briefe unseres Meisters von drei Gerichten und ihren Regierungsbeamten genau untersucht wurden und obwohl er gegenüber den Unterdrückern, den Abtrünnigen, den Heuchlern, die gegen ihn arbeiteten, in Zugzwang geraten war, ja man insgeheim sogar schon das Todesurteil über ihn ausgesprochen hatte, konnte man dennoch nicht die geringste Spur dessen finden, dass er seine Religion instrumentalisiert hätte, was mit Sicherheit beweist, dass er die Religion nicht als Instrument gebraucht hat. Wir, Nur-Schüler, aber, die wir sein Leben aus der Nähe kennen, empfinden Begeisterung angesichts seiner überragenden Position und sehen das als Zeichen für seine aufrichtige Wahrhaftigkeit (ihlas) im Zusammenhang mit der Risale-i Nur. (Nur-Schüler)}    Oh meine Brüder in dieser Omayyaden-Moschee! und Ihr meine Brüder, die Ihr in vierzig- fünfzig Jahren die dreihundert Millionen Gläubigen in der großen Moschee der islamischen Welt sein werdet! Rettung liegt nur in der Geradheit und Rechtschaffenheit. Unser sicherer Haltegriff, das ist die Geradheit. D.h. die stärkste Kette, die uns verbindet, ist die Aufrichtigkeit. Und selbst Notlügen hat die Zeit abgeschafft.
   ............
   Viertes Wort: 
   Was ich in meinem ganzen Leben über das soziale Leben der Menschen mit Sicherheit erfahren habe und was ich aufgrund meiner Studien als Ergebnis erhalten habe ist folgendes: Was einer Freundschaft würdig ist, das ist Freundschaft und was Feindschaft gegenüber erforderlich ist, ist Feindschaft. Das heißt: Liebe und Freundschaft sind Fähigkeiten, die das menschliche Gemeinschaftsleben sichern und zum Glück führen, im höchsten Maße würdig, geliebt und geschätzt zu werden. Hass und Feindschaft aber, die das menschliche Gemeinschaftsleben vollständig zerstören, verdienen über alles Maß gehasst, bekämpft und gemieden zu werden, sind scheußliche und zerstörerische Mächte.
   ............
   Fünftes Wort: 
   Die Lektion, die ich über die gegenseitige Beratung nach dem Gesetz des Islam erhalten habe, ist folgende: In dieser Zeit bleibt eines Mannes Sünde nicht allein. Manchmal wächst sie, wirkt geradezu ansteckend und verhundertfacht sich. Eine einzelne Wohltat bleibt oft nicht allein, ja manchmal treibt sie sogar tausend Blüten. Das Geheimnis dieser Weisheit ist folgendes:
   Die Freiheit im Rahmen der Scheria und die gegenseitige Beratung nach dem Gesetz des Islam haben die Souveränität unserer wahren Nation erwiesen. Grundlage unserer wahren Nation und ihre Seele ist der Islam. In Anbetracht dessen, dass das Kalifat der Osmanen und das türkische Heer der Bannerträger dieser Nation sind, sind sie auch die Muschelschale und die Burgfeste dieser Islamiyet. Araber und Türken sind zwei wahre Brüder und die Wächter dieser heiligen Feste.
   So also wird in dieser heiligen Verbundenheit der Nation die ganze islamische Gemeinschaft zu einem einzigen Stamm. Gleich den einzelnen Mitgliedern eines Stammes werden auch alle Völker zu einer einzigen Bruderschaft im Islam verbunden und vereinigt. Sie helfen einander auf ideelle und - wenn es notwendig sein sollte - auch auf materielle Weise. Es ist, als wären alle islamischen Völker durch eine Kette aus Licht miteinander verbunden. Hätte also umgekehrt das einzelne Mitglied eines Stammes ein Verbrechen begangen, so werden alle Mitglieder dieses Stammes in den Augen eines anderen Stammes zu Feinden dieses Stammes und alle Mitglieder werden mitbeschuldigt. So wird dieses eine einzige Verbrechen zu Tausenden von Verbrechen. Wenn aber ein Mitglied dieses Stammes etwas Gutes tut, etwas, das den ganzen Stamm in seinem Wesen berührt und ihm zur Quelle des Stolzes wird, dann sind alle Mitglieder dieses Stammes darauf stolz. Es ist, als wäre jeder einzelne Mensch dieses Stammes stolz darauf, das Gute getan zu haben.
   So bleibt also in heutiger Zeit aufgrund dieser bemerkenswerten Tatsache, besonders nach vierzig, fünfzig Jahren, eine Sünde, eine Bosheit nicht nur auf den Täter beschränkt, sondern wird als ein Rechtsbruch den Millionen islamischer Seelen angelastet. Derartige Beispiele wird man vierzig, fünfzig Jahre später erleben.
   Oh meine Brüder in der Omayyaden-Moschee und Ihr meine islamischen Brüder in der Moschee der islamischen Welt vierzig, fünfzig Jahren danach, die Ihr jetzt meine Worte hört!
   Haltet Euch nicht für entschuldigt, indem Ihr sagt: "Wir tun ja nichts Böses. Aber wir sind auch nicht in der Lage etwas Gutes zu tun. Und deshalb haben wir eine Entschuldigung." Diese Eure Entschuldigung ist unannehmbar. Eure Faulheit, Eure Art: "Was geht mich das an?" zu sagen und nichts zu tun und Euch nicht um die Einheit des Islam (ittihad-i islam) und die wahre Islamiyet zu bemühen, ist für Euch ein außerordentlich großer Schaden und eine Ungerechtigkeit. So wie sich also ein solches Übel in die Tausende auswächst, so kann in heutiger Zeit etwas Gutes, nämlich was die Heiligkeit des Islam berührt, nicht auf den Wohltäter beschränkt bleiben. Vielmehr vermag diese Wohltat Millionen Männern des Glaubens geistigen Nutzen zu bringen. Und sie stärkt die Verbundenheit des ethisch-moralischen Lebens mit dem wissenschaftlich-praktischen. Deshalb ist hier nicht die Zeit, "Mich geht's nichts an!" zu sagen und sich auf die faule Haut zu legen.
   Oh meine Brüder in dieser Moschee und Ihr meine Brüder vierzig, fünfzig Jahre später in der großen Moschee der Welt des Islam!
   Denkt nicht, dass ich dieses Predigeramt angetreten habe, um Euch einen Rat zu erteilen. Im Gegenteil, ich stehe hier vor Euch, um unser Recht von Euch zu fordern. Denn die Interessen sowie das dies- und jenseitige Glück der kleinen Völker ist an das eines großen Volkes wie des Euren, an die herrschenden Lehrmeister gewaltiger Völker wie der Türken und Araber gebunden. Eure Faulheit und Eure Verdrossenheit lässt unsere islamischen Völker, Eure armseligen kleinen Brüder, zu Schaden kommen.
   Besonders aber Ihr, die großen und gewaltigen Araber, die Ihr Eure Notlage schon zur Gänze erkannt habt oder doch noch erkennen werdet! Als erstes richte ich an Euch meine Worte. Denn Ihr seid uns und allen islamischen Völkern die Lehrer, die Imame und die Vorkämpfer für den Islam gewesen. Danach hat die gewaltige türkische Nation Euch in dieser heiligen Aufgabe exakte Hilfe geleistet. Deswegen ist mit eurer Trägheit auch Eure Sünde groß, wie auch Eure Wohltaten groß sind und Eure Güte hoch und erhaben. Insbesondere erwarten wir mit Bestimmtheit, dass nach vierzig, fünfzig Jahren die Völker Arabiens gleich den Vereinigten Staaten von Amerika ihre edelste Gestalt angenommen haben werden und die Herrschaft des Islam, die jetzt noch in Knechtschaft gehalten wird, wieder wie in alter Zeit mit Gottes Gnade über den halben Erdkreis errichtet, ja vielleicht über seinem größeren Teil zu Erfolg gelangen wird. Und sollte nicht inzwischen schnell die Welt untergehen, wird dies die künftige Generation - insha-a'llah - noch erleben.
   Hütet Euch, Brüder, vor der irrigen Vorstellung, der Einbildung, ich wolle Euch mit diesen meinen Worten dazu anstiften, Euch für die Politik zu interessieren und Euch mit ihr zu beschäftigen! Da sei Gott vor! Die Wahrheit des Islam ist über alle Politik erhaben. Jedwede Politik könnte ihr dienen. Es steht keinem Politiker zu, den Islam für seine Politik zu instrumentalisieren.
   In meinem mangelhaften Verständnis stelle ich mir die soziale Gemeinschaft im Islam wie eine Fabrik vor, in der sich viele Zahn- und Schaufelräder finden. Wenn sich in dieser Fabrik ein Rad verlangsamt oder ein anderes Rad, das sein Kollege ist, beschädigt, gerät das Getriebe der Maschine in Mitleidenschaft. Deshalb beginnt die Zeit zur Einigung des Islam sich einzustellen, und zwar genau in diesem Augenblick. Deshalb sollte man gegenseitig in der Berücksichtigung der persönlichen Fehler Nachsicht üben.
   Zudem erkläre ich Euch mit dem Ausdruck meines tiefsten Bedauerns: So wie ein Teil der Fremden unsere wertvollen Güter und unsere Heimat von uns genommen hat und uns zu ihrem Ersatz ein verdorbenes Gut gegeben hat, so haben sie in ähnlicher Weise auch unsere hohe Moral und einen Teil unserer Charaktereigenschaften von uns genommen, die aus unserer hohen Moral erwachsen sind und sich auf unser soziales Leben beziehen, und zur Quelle ihres Forschritts gemacht. Der Preis, den sie uns dafür gegeben haben, sind ihre üblen, ausschweifenden Sitten und ihr missratener Charakter. So sagt zum Beispiel einer ihrer Leute mit dem Ausdruck jenes Nationalstolzes, den sie sich von uns angenommen haben: "Gleich wenn ich auch stürbe, so möge doch meine Nation fortleben. Denn in meiner Nation habe ich ein Leben, das ewig währt." So haben sie sich dieses Wort von uns angenommen. Dies ist der unerschütterliche und feste Grund in ihrer Entwicklung. Sie haben ihn von uns gestohlen. Denn dieses Wort kann nur in der wahren Religion und aus der Wahrheit und Wirklichkeit des Glaubens erwachsen. Es ist unser, der Gläubigen Besitz. Denn einer unserer ichsüchtigen Leute sagt aus seinem schmutzigen und üblen Charakter heraus, der von den Fremden zu uns herübergekommen ist: "Sollte ich verdursten, soll nie wieder Regen über diese Welt kommen. Kann ich selbst das Glück nicht erlangen, möge doch die Welt zugrunde gehen, wie sie will."
   Dergleichen törichte Äußerungen kommen aus der Glaubenslosigkeit, entstehen aus der Unwissenheit über das Jenseits, dringen in uns ein und vergiften uns.
   Zudem erhält ein einziger unter den Fremden durch ihre Idee von einer Nation, die sie von uns übernommen haben, den Wert der ganzen Nation. Denn der Wert eines Menschen hängt von seiner Begeisterung ab. Wer sich für die nationale Idee zu begeistern vermag, der ist schon für sich selber eine kleine Nation. Weil manche von uns sorglos geworden sind und von den Fremden deren üble Eigenschaften übernommen haben, so dass ein jeder trotz unserer starken und heiligen islamischen Nation nur noch "Ich, Ich" ruft und nicht an das Wohl der Nation denkt, sondern nur noch an das eigene Wohl, darum sind tausend Mann wie in sich zusammengefallen und einem einzigen Manne gleich geworden.
مَنْ كَانَ هِمَّتُهُ نَفْسَهُ فَلَيْسَ مِنَ اْلاِنْسَانِ ِلاَنَّهُ مَدَنِىٌّ بِالطَّبْعِ
   "Wer sich nunmehr nur für sich selbst zu begeistern vermag, ist kein Mensch mehr. Denn der Mensch ist auf ein kultiviertes Gemeinschaftsleben hin geschaffen." Er muss seine Mitmenschen miteinbeziehen. Nur im sozialen Leben kann er sein Privatleben fortsetzen. Wie viele Hände sind zum Beispiel erforderlich, bevor man ein Brot essen kann! Und wie viele Hände müsste man in seinem Geiste dafür küssen! Oder man bedenke, wie viele Fabriken durch die Kleidung, die er trägt, mit ihm in Verbindung stehen. Weil der Mensch nicht wie ein Tier mit einem Fell zu leben vermag, sondern von Natur aus mit seinen Mitmenschen verbunden und ihnen in seinem Inneren tributpflichtig ist, darum ist er auch von Natur aus ein Verehrer kultivierten Gemeinschaftslebens. Wer seinen Blickwinkel auf das persönliche Wohlergehen einengt, hat seine Menschlichkeit aufgegeben und ist zu einem Tier geworden, das nicht ohne eigene Schuld ein Verbrecher ist. Sind die Dinge aber nicht in seiner Hand gelegen, dann gilt dies als Ausnahme, so dass er in der Tat eine Entschuldigung hat.
   Sechstes Wort: 
   Für das islamische Gemeinschaftsleben der Muslime liegt der Schlüssel zum Glück in der gegenseitigen Beratung nach dem Gesetz.
وَاَمْرُهُمْ شُورٰى بَيْنَهُمْ
{"In Euren Angelegenheiten sollt ihr euch untereinander beraten!"}
   Diese ehrwürdige Ayah befiehlt grundlegend die Beratung. Ja, so wie das Menschengeschlecht seit Jahrhunderten und Epochen der Geschichte unter der gegenseitigen Beratung den Gedankenaustausch verstanden hat und diese die Grundlage des Fortschritts und der Wissenschaft des ganzen Menschengeschlechtes war, so liegt auch der Grund dafür, dass Asien als der größte der Kontinente dermaßen unterentwickelt geblieben ist, darin, dass man in der Tat diese gegenseitige Beratung nicht mehr durchgeführt hat. Der Wegbereiter des asiatischen Kontinentes und seiner Zukunft und der Schlüssel zu ihr ist die Beratung. Das heißt: so wie sich die einzelnen Personen gegenseitig beraten, so müssen auch die Völker und Kontinente sich miteinander austauschen. Denn was sie Ketten und Fesseln der verschiedenen Arten von Unterdrückung, durch welche die Füße von dreihundert, ja sogar vierhundert Millionen Muslime gebunden sind, zu lösen und zu sprengen vermag, ist die Beratung nach dem Gesetz und die Freiheit unter dem Gesetz, die aus Glaubensmut und gläubiger Liebe hervorgeht. Diese Freiheit unter dem Gesetz, geschmückt mit islamischen Sitten wird die Sünden der Ausschweifungen der westlichen Zivilisation abwerfen. Die Freiheit unter dem Gesetz, die aus dem Glauben hervorgeht, begründet zwei Grundsätze:
اَنْ لاَيُذَلِّلَ وَلاَيَتَذَلَّلَ مَنْ كَانَ عَبْدًا لِلّٰهِ لاَ يَكُونُ عَبْدًا لِلْعِبَادِ لاَ يَجْعَلْ بَعْضُكُمْ بَعْضًا اَرْباَباً مِنْ دُونِ اللّٰهِ نَعَمْ اَلْحُرِّيَّةُ الشَّرْعِيَّةُ عَطِيَّةُ الرَّحْمٰنِ
   D.h.: Was der Glaube erfordert ist, dass man nicht durch Unterdrückung und Gewalt den anderen erniedrigt und entwürdigt und nicht seinen Nacken beugt vor den Tyrannen... Wer ein wahrer Diener und Anbeter vor Gott ist, kann eines anderen Diener und Verehrer nicht sein!... Nehmt keinen zum Herren über Euch an außer Gott!... Denn wer Gott nicht kennt, bildet sich ein, er sei das Maß aller Dinge und der Herr aller Menschen und schafft sich so seine eigenen Probleme. Damit ist die Freiheit unter dem Gesetz eine Gnadengabe Gottes des Gerechten als Zeichen Seines Erbarmens und Seiner Barmherzigkeit und seine besondere Eigenschaft des Glaubens.
فَلْيَحْىَ الصِّدْقُ وَلاَ عَاشَ الْيَأْسُ فَلْتَدُمِ الْمَحَبَّةُ وَالتَّقْوٰى وَالشُّورٰى الْمَلاَمُ عَلٰى مَنِ اتَّبَعَ الْهَوٰى وَالسَّلاَمُ عَلٰى مَنِ اتَّبَعَ الْهُدٰى
   Es lebe die Geradheit! Tod der Verzweiflung! Ewig bleibe die Freundschaft! Es erstarke die Schu'ra (gegenseitige Beratung)! Schimpf und Schande und die ganze Verachtung allen, die von ihren Launen und Gelüsten abhängig sind! Frieden und Eintracht mit allen, die rechter Leitung folgen! Amen...
  * * *     Religiöse oder nationale Begeisterung 
Er blieb nicht lange in Damaskus, sondern begab sich nach Istanbul, weil er sich darum bemühen wollte, in Ost-Anatolien ein Haus der Wissenschaften zu begründen, das er bereits unter dem Namen "Medresetü'z-Zehra" geplant hatte. Als Vertreter der Ost-Provinzen begleitete er den Sultan Reschad auf dessen Reise nach Rumeli 🙂 in die römischen Provinzen). Auf der Bahnreise dorthin entwickelte sich zwischen ihm und zwei Studienräten eine Diskussion. Eine kurze Zusammenfassung dieser Diskussion in der Bahn wurde der "Hutbe-i Shamiye 🙂 Freitagspredigt von Damaskus)" angefügt. Daraus entnehmen wir hier einige Sätze:
   Am Anfang der Freiheit 🙂 Abschaffung des Absolutismus) begleitete ich als Vertreter der Ost-Provinzen den Sultan Reschad auf seiner Reise nach Rumeli. In unserem Zuge entwickelte sich eine Diskussion mit zwei Studienräten, Reisegefährten von umfassender Bildung. Sie stellten mir folgende Frage:
   Ist die religiöse Begeisterung stärker als die nationale Begeisterung? Und ist der Eifer für den Glauben notwendiger als der Eifer für die nationale Sache? Ich habe gesagt:
   Unter uns Muslimen - "chez nous" - bilden Religion und Nation zwei Seiten einer Medaille. Ihr Unterschied ist rein theoretisch, äußerlich, zweitrangig. Ja, der Glaube ist sogar Seele und Geist der Nation. Sondert man sie beide und betrachtet sie getrennt, so findet man, dass die Hinneigung zum Glauben im einfachen Volke gleich wie auch in der Oberschicht der Gebildeten zu Hause ist... Die nationale Begeisterung bleibt auf einen von hundert beschränkt, nämlich auf den, der seinen persönlichen Vorteil für das Volk opfert. Deshalb muss die religiöse Begeisterung für das allgemeine Recht die Grundlage, die nationale Begeisterung aber deren Diener, ihre Stärke und ihre Burg sein. Besonders wir Orientalen sind den Abendländern nicht gleich.    Der Maßstab unseres Inneren, in unserem Herzen, ist der Sinn für den Glauben. Der Urewige-Allmächtige hat die meisten Seiner Propheten im Orient ausgesandt, was ein Zeichen dafür ist, dass allein der Sinn für den Glauben den Orient erwecken und zur Entwicklung führen kann. Dafür ist das "Glückliche Zeitalter" und die Zeit der Tabiin 🙂 Schüler der Sahabin) ein absolut sicherer Beweis. Oh Ihr meine Mitschüler in dieser "Eisenbahn" genannten fahrenden Medresse, die Ihr mit uns zusammen im Zuge der Jetztzeit in die Zukunft fahrt! Und all Ihr Besucher einer solchen Schule! Ihr habt mich gefragt, ob man auf die religiöse oder die nationale Begeisterung größeres Gewicht legen sollte. Ich aber sage Euch:
   "Die religiöse Begeisterung und die Islamiyet ist bei Türken und Arabern vollständig miteinander verschmolzen und haben einen Zustand angenommen, in dem sie nicht mehr voneinander getrennt werden können. Die Begeisterung für den Islam ist eine leuchtende Kette, die vom Himmel herabgekommen ist, äußerst fest und stark. Sie ist ein unzerbrechlicher und unzerreißbar-fester Halt, eine unzerstörbare und uneinnehmbare heilige Burg. Als ich dies gesagt hatte, fragten mich diese beiden hochgebildeten Studienräte:
   Wie können Sie das beweisen? In einer so wichtigen Angelegenheit bedarf es auch eines ebenso gewichtigen Zeugnisses und eines starken Beweises. Wo ist Ihr Beweis?
   Der Zug fuhr aus einem Tunnel heraus. Auch wir steckten unsere Köpfe heraus, guckten aus dem Fenster, sahen ein kaum sechs Jahre altes Kind knapp neben dem Schienenstrang stehen. Da sagte ich zu diesen beiden Studienräten, die mit mir reisten:
   Sehen Sie: Dieses Kind bringt durch seine Haltung genau die Antwort auf unsere Frage zum Ausdruck. An meiner Statt soll dieses unschuldige Kind in dieser unserer fahrenden Medresse unser Lehrer sein. Durch seine Haltung bringt es folgende Tatsache zum Ausdruck:    Sehen Sie, in dem Augenblick, da dieser Dabbetü'l-arz {Der Zug wird hier mit einem endzeitlichen, feuerspeienden Ungeheuer verglichen, das aus der Erde hervorkommt. (A.d.Ü.)} Furcht erregend aus dem Tunnelloch herausstürmte und mit Donnern und Fauchen zum Angriff überging, blieb dieses Kind einen Meter neben dem Weg, den er nehmen würde, stehen. Dieser feuerspeiende Drache stürmt mit fürchterlicher Gewalt vor, brüllt, erschreckt. Er sagt. "Weh dem, der mir in den Weg tritt!" Aber das unschuldige Kind bleibt auf dem Wege stehen. In völliger Freiheit, mit wunderbarer Kühnheit und Tapferkeit misst es diesen Drohungen keine Fünf-Para Wert bei. Es achtet den Angriff des Ungeheuers gering und sagt mutig:
   "He, du Zug da! Du kannst mich mit deinem Donnern und Tosen nicht erschrecken." Es ist so, als drückte es durch seine feste und standhafte Haltung aus:
   "Oh du Zug! Du bist eingefangen in deinem System. Dein Zaum und Zügel liegen in der Hand dessen, der dich ausführt. Es liegt nicht in deiner Macht, mich anzugreifen. Mach, dass du fort kommst und geh deiner Wege unter der Führung deines Befehlshabers."
   Nun also, Ihr meine Reisegefährten und Ihr meine Brüder, die Ihr Euch in einer Zeit fünfzig Jahre danach um die Wissenschaft bemüht! Stellt Euch einmal vor, der Perser Rüstem oder der Grieche Herakles in ihrem erstaunlichen Heldentum könnten die Zeiten überspringen, und versetzt sie an die Stelle dieses unschuldigen Kindes. Da es in ihrer Zeit noch keinen Zug gab, wären sie sicher wenig davon überzeugt, dass er sich ganz bestimmt einem System entsprechend bewegen werde. Schießt er doch plötzlich aus dem Tunnelloch heraus, Feuer auf dem Kopf, sein Atem dem Donner gleich, elektrische Blitze in seinen Augen! Wie würden Rüstem und Herkules vor diesem Furcht und Schrecken einjagenden Ansturm davonlaufen; diese beiden Helden - wie würden sie sich fürchten, wie würden sie fliehen mit ihrem erstaunlichen Heldenmut - mehr als tausend Meter würden sie davon fliehen! Seht, wie dieses Ungeheuer in seinem Ansturm ihre Freiheit und ihren Mut zerstört. Sie finden keinen anderen Ausweg außer der Flucht. Denn weil sie nicht von dessen Lenkung und Leitung überzeugt sind, denken sie nicht, dass es ein williges Zugtier sei, sondern stellen sich vor, es handle sich um eine Art Löwen, der zwanzig Löwen - furchtbar, schrecklich und reißend, jeder so groß wie ein Eisenbahnwagen - hinter sich her zieht.
   Oh meine Brüder und Ihr, die Ihr in fünfzig Jahren meine Worte hört! Seht, was diesem kaum sechs Jahre alten Kinde eine Haltung der Sicherheit und Furchtlosigkeit verleiht und einen Grad der Tapferkeit und Freiheit weit über diesen beiden Helden, ist seine Überzeugung, seine Herzensruhe und sein Glaube, die den Herrn der Wahrheit im Herzen dieses unschuldigen Kindes bilden, die Überzeugung, dass dieser Zug einer Ordnung untersteht, seine Zügel in der Hand eines Befehlshabers liegen und er in seinem Lauf einer Ordnung gehorcht und jemand ihn unter seiner Verantwortung führt. Und was diese beiden Helden in einen solchen Schrecken versetzt und ihr Gespür in einer Einbildung gefangen nimmt, ist ihre Unwissenheit, ihre Unkenntnis eines Befehlshabers und ihr Unglaube gegenüber dem Ordnungssystem des Zuges.
   ...........
   Wie aus diesen beiden oben angeführten Beispielen ersichtlich wird, liegt der Grund für die so seltsame Angst, Aufregung und Sorge dieser beiden seltsamen Helden in ihrem Unglauben, ihrer Unwissenheit und ihrem Irrtum. Dies ist eine Wahrheit, die in der Risale-i Nur mit Hunderten von Belegen bewiesen wird. Wir haben in der Einleitung zu dieser Risalah ein, zwei Beispiele davon erzählt. Es handelt sich um folgendes: Unglaube und Irrtum erweisen sich denen, die sich im Irrtum befinden, überall in der ganzen Welt als Tausende von fürchterlichen, einander feindlich gesinnten Lebewesen, Lebensprozessen und -ketten. Unglaube und Irrtum zeigen sich als Tausende von Feinden, die - angefangen beim Sonnensystem bis hin zu den Tuberkelbazillen - mit den Händen des unberechenbaren Zufalls einer blinden Macht und einer tauben Natur nach den Herzen bedauernswerter Menschen greifen. Sie stellen sich den grenzenlosen Bedürfnissen und zahllosen Wünschen aus der Gesamtheit des menschlichen Wesens mit all seinen Anlagen und Fähigkeiten entgegen, flößen ihm beständig Furcht, Sorge, Angst und Aufregung ein und erwiesen sich als eine Frucht der Hölle. Und in diese Hölle werfen sie ihn noch in dieser Welt. Somit wird offensichtlich, dass außerhalb von Glaube und Religion Tausende von Wissenschaften und menschlicher Fortschritt so wenig Wert sind wie das Heldentum von Rüstem und Herkules. Unglaube und Irrtum versetzen dem Menschen durch Trunkenheit und Zerstreuungen vorübergehend lediglich eine Betäubungsspritze, damit er seinen Schmerz und seine Angst nicht mehr fühlt.
   Wägt man also Glaube und Unglaube gegeneinander ab, dann erkennt man, dass ihnen im Jenseits Himmel und Hölle als Frucht und Ergebnis entsprechen. Mit den Augen des Glaubens betrachtet erscheint diese Welt wie ein Paradies und verwandelt sich der Tod in einen Entlassungsschein. Mit den Augen des Unglaubens dagegen betrachtet wird diese Welt zu einer Hölle. Das wahre Glück der Menschheit wird zerstört. Der Tod erscheint in der Gestalt einer Hinrichtung, nach der es kein Zurück mehr gibt. Wir wollen hier abbrechen und nur noch auf Hunderte von Zeugnissen in der Risale-i Nur verweisen, die sich auf Schlussfolgerung, Beobachtung und Wahrnehmung stützen.
   Möchten Sie nun die Wahrheit hinter diesem Gleichnis erschauen, erheben Sie Ihre Häupter und betrachten Sie das Weltall... Sehen Sie, wie viele Ballons, Autos, Flugzeuge und Schiffe auf kleiner und großer Fahrt gleich unserem Zug, (in dem wir hier mit einander sitzen) zu Lande, zur See und in der Luft es gibt! Eine ewige Macht erschuf nach Ihrer Ordnung und Weisheit die Sterne und all die anderen Himmelskörper im Weltall und bestimmte alle ihre Bewegungen in ihrem Werden und Vergehen! Desgleichen wird jeder bestätigen, der Einsicht und Verstand hat, dass die Ewige Macht in der Welt der Geister und in der Welt der Ursachen auch noch andere ähnlich wunderbare Erscheinungen erschaffen hat. Die Ungläubigen aber werden in ihrem Irrtum von all diesen materiellen und geistigen Geschehnissen angegriffen, verängstigt und bedroht und ihre inneren Kräfte vollständig von ihnen zugrunde gerichtet. Den Gläubigen aber bedeuten sie nicht Furcht und Schrecken, sondern Freude, Glück, Vertrautheit, Hoffnung und Stärke. Denn die Gläubigen sehen im Glauben, dass der allweise Meister die zahlreichen Geschehnisse, diese Eisenbahnzüge im wörtlichen wie im übertragenen Sinne und die Universen in ihrer Bewegung, eine jede von ihnen in vollkommener Weisheit und Ordnung ihrer Aufgabe zuführt und sie darin anleitet. Sie irren von der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht um Haaresbreite ab und behindern sich nicht gegenseitig. Der Glaube sieht, wie sie im All künstlerische Vollkommenheit erlangen, gibt ihnen (den Gläubigen) völlige Verfügungsgewalt über ihre geistigen Kräfte und zeigt ihnen ein Abbild Ewiger Glückseligkeit. Die auf Irrwegen gehen aber haben gegen ihre furchtbaren Sorgen und Ängste, die aus ihrer Glaubenslosigkeit herrühren, kein Ding, keine Wissenschaft, keinen menschlichen Fortschritt, der sie trösten kann oder einen inneren Halt zu geben vermöchte. Sie haben ihren Mut ganz und gar verloren. Doch eine vorübergehende Sorglosigkeit (ghaflah) bedeckt sie wie mit einem Schleier. So werden sie getäuscht. Die Gläubigen aber brauchen sich im Lichte ihres Glaubens nicht zu fürchten, ihre Kraft bleibt ungebrochen; ja wie das unschuldige Kind in unserem Beispiel verweilen sie in der Kraft einer außergewöhnlich starken inneren Haltung und in der Wahrheit, die ihnen aus dem Glauben kommt. Sie beobachten die Umsicht und Geschicklichkeit des allweisen Meisters, der im Verborgenen wirkt und sind von Furcht und Täuschung befreit. Sie sagen: "Ohne den Befehl und ohne die Erlaubnis des allweisen Meisters können diese Universen in ihrem Werden und Vergehen ihre Tätigkeit nicht entfalten und keine Störungen verursachen." In diesem Verständnis erlangen sie mit vollkommener Sicherheit ihrer Stufe entsprechend das Glück in diesem irdischen Leben. In wessen Herzen sich dieser Same der Wahrheit nicht findet, der aus dem Glauben und aus der wahren Religion gewonnen wird, und wer sich nicht darauf stützen kann, der wird offensichtlich seinen Mut verlieren und seine Tapferkeit einbüßen wie Rüstem und Herkules in unserem Beispiel; sein Mut und seine innere Kraft wird erlahmen und seine Einsichtsfähigkeit geht verloren, hilflos den Naturgewalten ausgeliefert. Er sinkt auf die Stufe eines Bettlers herab, der sich vor allem und jedem fürchtet. Die Risale-i Nur hat diese fürchterlichen Qualen schon hier in dieser Welt mit hundert absolut sicheren Zeugnissen als einen Irrtum herausgestellt und das Geheimnis der Wahrheit des Glaubens aufgezeigt. Wir können deshalb hier die ausführliche Darlegung dieser Wahrheit beenden.
   Wenn der Mensch, der doch in unserem Jahrhundert so sehr die Notwendigkeit eines Haltes, der Wiederaufrichtung, der Festigkeit von innen heraus verspürt, in dieser Zeit den Islam, der ihn dieses inneren Haltes, der Wiederaufrichtung und der Glückseligkeit versichert, und die Wahrheit des Glaubens, jenes Glaubens, der ihm ein Stützpunkt ist, aufgibt, und sich - statt seinen Nutzen aus der Islamiyet zu gewinnen - auf den Irrtum, auf Zerstreuungen und auf eine verlogene Politik unter dem Titel der Verwestlichung stützt, die all seinen Halt, seine Festigkeit von innen heraus aushöhlt und ihm alle Hoffnung nimmt, dann wird der Mensch - der Moslem zuerst - sehr bald erwachen und bestimmt verspüren, wie weit er sich von dem entfernt hat, was der Menschheit und ihrem Heile dient. Und so lange die Welt besteht, wird er an der Wahrheit festhalten, die der Qur'an ist!...
  * * *     Damals wurde in Kosova der Bau eines großen Hauses der islamischen Wissenschaften (Daru'l-funun) geplant. Bediüzzaman sagte dort zu den Vertretern der Einheitspartei und besonders zu Sultan Reschad: "Der Osten, der auch das Zentrum der islamischen Welt ist, benötigt noch dringender ein solches Haus der Wissenschaften." Daraufhin versprachen sie ihm, auch im Osten ein solches Haus der Wissenschaften zu begründen. Da aber brach der Balkankrieg aus und Kosova, die Stadt, in der die Medresse gebaut werden sollte, wurde besetzt. Daraufhin stellte er den Antrag, dass die neunzehn tausend Goldlira, die für das "Daru'l-funun" bereitgestellt worden waren, für ein "Daru'l-funun" im Osten bewilligt werden sollten. Diesem Antrag wurde statt gegeben.
   Bediüzzaman begab sich also wieder nach Van. Am Ufer des Van-Sees in Edremit legte er den Grundstein zum "Daru'l-funun". Doch leider konnte auch dieser Plan infolge des Weltkrieges nicht durchgeführt werden. Molla Said hatte bereits im Winter seinen Schülern angekündigt. "Haltet euch bereit! Ein großes Unglück, eine Katastrophe kommt auf uns zu."    Bediüzzamans selbstloser Dienst für Volk und Vaterland als Kommandant eines Freiwilligencorps 
   Bediüzzaman wurde an der Kaukasusfront von Enver Pasha und dem Divisionskommandeur begeistert begrüßt. Als aber nach Beendigung seines Kampfeinsatzes die russischen Streitkräfte weiter vorrückten, zog er sich nach Van zurück. Als Van bereits geräumt wurde und die Russen schon mit dem Angriff begannen, war er dennoch fest entschlossen mit einem Teil seiner Schüler die Festung Van zu halten oder selbst zu fallen. Als sich aber auch Cevdet Bey, der Gouverneur von Van, zurückzog, zog auch er sich auf dessen dringende Bitte nach Vastan zurück. Während sich Gouverneur, Bürgermeister und Volk mit den Soldaten bereits nach Bitlis zurückzogen, rüstete ein Kosaken Regiment zum Sturmangriff auf Vastan. Molla Said, der nicht wollte, dass die aus Van fliehende Bevölkerung mit Sack und Pack, mit Kind und Kegel dem Feind in die Hände falle, warf er sich mit dreißig, vierzig Soldaten, die noch nicht geflohen waren, und einem Teil seiner Schüler den Kosaken entgegen und erlangte die Befreiung aller. Ja, er stieg sogar des Nachts auf einen hohen Berg über ihnen und trug von dort aus einen Scheinangriff gegen sie vor, um dadurch die angreifenden Kosaken zu erschrecken. Diese glaubten nun, ein großes Entsatzheer sei eingetroffen. So gelang es ihm, die Kosaken hinzuhalten und ihren weiteren Vormarsch zu behindern. Dies war der Grund für die Rettung von Vastan vor der russischen Besetzung.
   Während dieser kriegerischen Zeiten kehrte er immer wieder in den Unterstand zurück, um zusammen mit Molla Habib, einem seiner bedeutendsten Schüler den Kommentar "Isharatu'l-i'djaz 🙂 Hinweise auf das Wunderbare)" zu verfassen. Er selbst diktierte teils in der Schützenlinie teils auf dem Pferderücken, teils im Unterstand und Molla Habib schrieb es auf. Ein großer Teil der "Isharatu'l-i'djaz" wurde auf diese Weise verfasst.
{(*): Zur Beachtung: Der Kommentar "Isharatu'l-i'djaz" wurde im ersten Jahre des ersten Weltkrieges an der Front verfasst. Quellen- oder Nachschlagewerke gab es nicht. Aufgrund der kriegsbedingten Notsituationen und noch vier anderer Gründe ist er in seinem Stil besonders kurz und bündig. Besonders der Kommentar zur "Suratu'l-Fatiha" und die erste Hälfte des Werkes sind ein besonders kurz und bündig gefasstes Manuskript geblieben.
Erstens:
   Die Zeit gestatte keine weitschweifigen Erläuterungen. Der "Alte Said" liebte es, eine besonders kurz und präzise abgefasste Art der Erklärung zu verwenden.
Zweitens:
   Er hatte dabei lediglich die große Verständnisfähigkeit seiner eigenen Schüler und deren Auffassungsgabe im Blick. An das Begriffsvermögen der übrigen dachte er dabei nicht.
Drittens:
   Der Kommentar ist deshalb in dieser Kürze und Prägnanz entstanden, weil der "Alte Said" das Wunder unerreichter Meisterschaft in der Poesie des Qur'an in all seiner Feinsinnigkeit und Hintergründigkeit darlegen wollte.
   Aber jetzt habe ich ihn mit den Augen des "Neuen Said" noch einmal gelesen und gesehen, dass er in seiner wissenschaftlichen Betrachtungsweise - trotz all seiner Mangelhaftigkeit - wahrhaftig ein Meisterwerk ist. Weil der "Alte Said" ihn zur damaligen Zeit in der ständigen Bereitschaft verfasste, sein Leben hinzugeben, zudem in reiner Absicht geschrieben hatte und dabei die Gesetze der Rhetorik und die Prinzipien der Arabistik erfüllte, konnte ich nichts davon streichen. Vielleicht wird Gott der Gerechte dieses Werk für ihn zu einem Ausgleich für seine Sünden machen und auch die Menschen heranbilden, die diesen Kommentar völlig verstehen. Insha-a'llah! Hätte es nicht Hindernisse wie den ersten Weltkrieg gegeben, und hätten auch die übrigen Teile und die Briefe einen Kommentar der verschiedenen Aspekte der Wahrheit zum Inhalt, dann wäre das Gesamtwerk ein schöner, umfangreicher Kommentar geworden, so wie ja auch der erste Band den Aspekt des Wunders erklärt, der das Wunder der Poesie ist. Vielleicht wird - insha-a'llah - dieser Teil des Kommentars eines Tages zusammen mit den 130 Teilen "Sözler, Lem'alar, Mektubat" der Abhandlungen als eine authentische Quelle dienen. Möge in der Zukunft einem Ausschuss das Glück beschieden sein, einen solchen Kommentar zum Qur'an zu schreiben. Insha-a'llah
   Said Nursi
   Darüber hinaus bekannte Fetva Emini (ein im Dienst des Scheichu'l-Islam tätiger hoher geistlicher Würdenträger, der eine Fetwa ausstellt. (A.d.Ü.)) Ali Riza Efendi in Istanbul, der diesen Kommentar oft gelesen hatte, seinen Freunden, die ihn besuchten, immer wieder freimütig, ja schwor ihnen: "Diese Isharatu'l-i'djaz ist so mächtig und so wertvoll wie tausend Kommentare."
   Die Gelehrten des Ostens und die großen Wissenschaftler von Damaskus und Baghdad sagten lobend: "Die Ishratu'l-i'djaz ist ein wunderbarer und beispielloser Kommentar."}   Wir fügen hier nun das Vorwort, das am Anfang dieses wunderbaren Kommentars steht im Wortlaut an, um ein wenig Kenntnis von diesem Kommentar zu vermitteln. 
   Vorwort 
   Der Ehrwürdige Qur'an ist sowohl eine umfassende göttliche Ansprache, gehalten vom höchsten Throne Gottes herab, eine allgemein gültige Rede des Herrn, gerichtet an alle Schichten aller Zeiten, Völker wie Einzelpersonen des Menschengeschlechtes in ihrem Kommen und Gehen, als auch eine Zusammenfassung sehr vieler Geistes- und Naturwissenschaften, besonders in ihrem Bezug zur Technik unserer Zeit, deren Kenntnis über die Fähigkeiten eines Einzelnen oder einer kleinen Gemeinschaft hinausreicht. Aus diesem Grunde kann ein Kommentar, der aus dem Verständnis und Auffassungsvermögen eines Einzelnen erwächst, dessen Horizont raum-zeitlich und fachwissenschaftlich sehr begrenzt ist, berechtigter Weise kein idealer Kommentar des Ehrwürdigen Qur'an sein. Denn ein einzelner Mensch kann weder mit der Mentalität der Menschen und Völker, an die sich der Qur'an wendet, genügend vertraut sein, noch das nötige Fachwissen in den technischen, den Geistes- Naturwissenschaften, die er umfasst, besitzen, so dass er einen diesem entsprechenden Kommentar verfassen könnte. Außerdem kann ein einzelner Mensch infolge seiner Prinzipien und seiner Geistesart nicht unvoreingenommen sein, so dass er die im Qur'an enthaltenen Wahrheiten und Gegebenheiten erkennen und unparteiisch erklären könnte. Zudem stellt eine Lehre, die aus dem Verständnis eines Einzelnen entspringt, lediglich seine private Meinung dar; man kann von keinem anderen fordern, sie anzunehmen. Es sei denn, dass eine Art allgemeiner Consensus zustande gekommen sei. Es ist notwendig, die tiefere Bedeutung des Qur'an, seine Schönheiten, wie sie sich in den Kommentaren verstreut finden, die aus der Zeit gewonnenen Erfahrungen und Tatsachen, die sich aus der wissenschaftlichen Forschung ergeben haben, festzustellen und durch eine Hohe Kommission von Gelehrten und Quellenforschern, deren jeder einzelne ein Fachmann in einigen Wissenschaften ist, durch Nachforschung und Verifikation einen Kommentar zu verfassen.
   Da nun einmal ein Einzelner nicht nach eigenem Gutdünken Gesetze beschließen, erlassen und durchführen kann, ist es notwendig, dass sie von einer Hohen Kommission begutachtet und beurteilt werden, um ihnen die öffentliche Autorisation zu verleihen, so dass sich die Staatsbürger darauf verlassen können, dass die Islamiyet eine stillschweigende Sicherung gegeben und die allgemeine Übereinstimmung (idjma-i ümmet) bekundet hat.
   Nun, wer den Ehrwürdigen Qur'an auslegt, muss eine kluge Persönlichkeit sein, mit einem klaren Blick und selbstständigem Urteilsvermögen, die eine vollkommene Reife erlangt hat (velayet-i kamile). Diese Eigenschaften können sich, besonders in dieser Zeit, unter diesen Umständen nur in einer idealen geistigen Körperschaft finden, welche mit der Unterstützung einer umfassend qualifizierten Kommission daraus hervorgeht, dass Menschen (ruh) in dieser Kommission einander helfen und ihre Meinungen im Teamgeist vollkommen aufrichtig (ihlas) austauschen, wobei sie ihre Gedanken frei, offen und ohne jeglichen Fanatismus äußern. Und nur eine solche geistige Körperschaft kann den Qur'an kommentieren (tefthir). Denn aufgrund des Prinzips: "Was im Individuum nicht zu finden ist, das findet sich in einem Kollektiv." finden sich dergleichen Bedingungen, wie sie sich nicht in einem Einzelnen finden, in einer Kommission beisammen. Ich hatte schon lange darauf gewartet, dass sich eine solche Kommission konstituieren würde. Während dessen kam es mir wie eine Vorahnung in den Sinn, dass wir uns am Vorabend eines großen Bebens befinden, das das ganze Land in Schutt und Asche legen werde.
{(*): Tatsächlich hat er in Van, während einer Vorlesungsstunde auf dem Dach der Horhor-Medresse gesagt, es sei ein großes Beben im Kommen. Und so wie er das gesagt hatte, begann auch kurze Zeit danach der (erste) Weltkrieg.
   Hamza, Mehmet Shefik, Mehmet Mihri}
   Aufgrund des Prinzips: "Wenn es nicht möglich ist, etwas ganz und gar zu erhalten, ist es auch nicht richtig, es ganz und gar fallen zu lassen." habe ich trotz meiner Fehler und Schwächen damit begonnen, manche Wahrheiten des Qur'an und manche Wunderzeichen seiner Poesie nur für mich selbst aufzuzeichnen. Aber nachdem der Erste Weltkrieg ausgebrochen war, verschlug es uns alle nach Erzurum, über die Berge und Täler von Passinler. Während rings um uns die Welt unterging, schrieb ich, unter diesen fürchterlichen, ständig wechselnden Umständen, auf den Bergen und auf den Hügeln, immer dann, wenn sich dazu eine Gelegenheit fand, bruchstückweise auf, was immer mir in den Sinn kam. Weil es in diesen Zeiten nicht möglich war, an diesen Orten die Kommentare und Bücher zu finden, in denen man hätte nachschlagen können, entstand, was ich geschrieben habe, nur aus den Eingebungen meines Herzens. Soweit diese Eingebungen mit den Kommentaren übereinstimmen, sind sie Licht über Licht; insoweit sie von ihnen abweichen, sind sie meiner Fehlerhaftigkeit zuzuschreiben. Ja, es gibt in der Tat korrekturbedürftige Stellen, jedoch konnte ich nicht zulassen und war mein Herz auch nicht dazu bereit, diese zerrissenen Ausdrücke zu ändern, die ich an der Front zwischen den Gefallenen mit großer Aufrichtigkeit aufgeschrieben und zurecht geschneidert hatte (so wie man Blut und Kleidung der Märtyrer unverändert belässt) und bin ich auch jetzt noch nicht dazu bereit; denn die innere Reinheit und Wahrhaftigkeit, die ich damals besaß, konnte ich heute nicht mehr wieder finden; denn ich habe (diese Ausdrücke) in Wahrheit und Aufrichtigkeit betrachtet und keine Stelle zur Berichtigung mehr gefunden, d.h., weil sie mir auf diese Weise durch den Qur'an eingegeben worden sind, hat ein Wunder des Qur'an sie auch vor Fehlern bewahrt.
   Außerdem war ursprünglich mit meinem "Isharatu-l' Idjaz" (Hinweise auf dieses Wunder, das der Qur'an ist) betitelten Werk, so wie ich es der Feder anvertraut habe, nicht die Absicht verbunden, einen Kommentar (tefthir) zu verfassen. Sollte es aber die Wertschätzung der Kritiker unter den islamischen Gelehrten gewinnen, so biete ich es ihnen als ein Merkblatt an, damit es den Menschen in einer fernen Zukunft als ein Beispiel und als authentische Quelle für einen in jener Zeit noch zu verfassenden ausführlichen Kommentar dienen könne.
   * * * 
   In diesem Kampfe war es auch, dass Molla Habib, unter den damaligen bis zu zwanzig Schülern einer der bedeutendsten und der Schreiber des "Isharatu'l-i'djaz" (Hinweise auf das Wunder des Qur'ans) nach Erfüllung eines entscheidenden Kampfauftrages an der iranischen Front zusammen mit Halil Pasha, seinem Kommandanten, in Vastan gefallen (shehid) ist. Während dieser Kämpfe verschonten armenische Freischärler manchmal selbst die Kinder nicht. Deshalb wurden manchmal auch die Kinder der Armenier getötet. In dem Bezirk, in dem sich Bediüzzaman befand, hatte man Tausende armenischer Kinder gefangen genommen. Da erteilte Molla Said den Soldaten den Befehl: "Fasst sie nicht an!" Dann ließ er alle armenischen Kinder samt und sonders frei. Sie kehrten zu ihren Familien in Russisch-Armenien zurück. Dieses Verhalten erteilte den Armeniern eine wichtige Lehre und zugleich eine Mahnung. Sie waren über diese Gesinnung der Moslime erstaunt.
   Als nun die russischen Truppen unser Land eroberten, unterließen es die Vorsitzenden der Freischärler-Kommiteen aufgrund dieses Ereignisses von ihrer Gewohnheit ab, alle Moslime mit Kind und Kegel abzuschlachten, sondern sagten und versprachen ihnen: "Da nun einmal Molla Said all unsere Kinder samt und sonders verschont und sie uns unversehrt zurückgesandthat, wollen auch wir ab sofort die Kinder der Muslime verschonen." Auf diese Weise erreichte Molla Said in dieser Gegend die Rettung tausender unschuldiger vor dem Untergang.
   Als die Russen eine Weile später die Gegend von Van und Musch eroberten und bereits in drei Divisionen zur Einnahme von Bitlis aufbrachen, sagten der Gouverneur von Bitlis Memduh Bey und Kel Ali zu Bediüzzaman:
   "Uns stehen nur ein Bataillion Soldaten und zweitausend Freiwillige zur Verfügung. Wir müssen uns zurückziehen."
   Bediüzzaman antwortete ihnen: "Die Flüchtlinge, die aus der Umgebung zu uns gekommen sind, sowie die Bewohner von Bitlis mit all ihren Kindern und ihrem gesamten Besitz werden samt und sonders in die Hände des Feindes fallen. Deshalb müssen wir vier bis fünf Tage lang bis zum Äußersten Widerstand leisten."
   Daraufhin entgegneten sie: "Nachdem Mush gefallen ist, bemühen sich die Soldaten jetzt mit dreißig Kanonen auf unsere Seite zu entkommen. Wenn du diese dreißig Kanonen mit deinen Freiwilligen in die Hand bekommen kannst, können wir mit diesen Kanonen für paar Tage Widerstand leisten und die Bewohner retten."
   Bediüzzaman sagte darauf: "Wenn das so ist, werde ich entweder sterben oder die Kanonen herbeischaffen." und brach an der Spitze von dreihundert Freiwilligen auf. Er marschierte während der Nacht Richtung Nurschin in die Gegend aus der die Kanonen gebracht werden sollten. Kundschafter eines russischen Kosakenregimentes, die den Kanonen nachgefolgt waren, meldeten: "Der Kommandant von Bitlis mit dreitausend Freiwilligen und der berühmte Musa Bey, der auf dem Berg gewesen ist, kommen mit tausend Mann, um ihre Kanonen zu retten." Mit dieser Nachricht hatten sie zwar gewaltig übertrieben, doch der Kosaken- Hetman erschrak gleichermaßen und blies zum Rückzug. So stieß Bediüzzaman mit seinen dreihundert Freiwilligen auf die Kanonen und transportierte sie mit jeweils ein, zwei Mann Begleitung nach nach Bitlis. Er selbst marschiert weiter und brachte die Kanonen eine nach der anderen in Sicherheit, bis er auch die letzte Kanone mit drei Kameraden in seine Hand bekommen hatte. Auf diese Weise gelang es ihm, die dreißig Kanonen sicher nach Bitlis zu bringen. Mit diesen Kanonen leisteten die Soldaten und die Freiwilligen dem Feinde drei, vier Tage Widerstand und retteten so sämtliche Einwohner, die Geräte und all ihren Besitz.
   Bediüzzaman war während dieses Kampfes nicht in den Unterstand gegangen, sondern hatte sich, um seinen Freiwilligen Mut zu machen, immer in vorderster Front bewegt. Während er so auf dem Kampfplatz sein Pferd an vorderster Front hin und her reiten ließ, stieg in ihm plötzlich der Gedanke auf und es kam ihm in den Sinn: "Sollte ich in diesem Augenblick und in dieser Situation fallen, nämlich hier und jetzt, wo ich in vorderster Front aller Augen auf mich lenke, könnte das dann nicht etwa meiner Aufrichtigkeit, die doch eine Voraussetzung zur Erlangung des Ranges eines Märtyrers ist, einen Schaden zufügen? Würde es nicht vielleicht die Bedeutung bloßer Selbstsucht annehmen?" Da wendete er plötzlich sein Pferd und kehrte zu seinen Kameraden zurück.
{(*): So also kann man sagen, dass wer im Augenblick eines heftigen Kampfes, zu einer Zeit, wo es um Leben und Tod geht "Widerspricht etwa meine Stellung, die nach außen hin heldenhaft zu sein scheint, nicht aufrichtiger Wahrhaftigkeit?" zu denken vermag, damit ein Beispiel vollkommenen Menschentums gibt. Mitten im Kampf lenkte er sein Pferd bald hierhin bald dorthin, in der Absicht, seinen Schülern auf dem Schlachtfelde im Angesichte des Feindes und inmitten des Kugelhagels Mut zu geben und ihnen ein Heldentum vor Augen zu führen, dessen sie am dringendsten bedurften. Damit entsprach er im höchsten Grade der Bedeutung eines Kommandanten in Hinsicht auf dessen Glaubensmut und seine islamische Tapferkeit, wobei er stets seine Aufmerksamkeit und seine Gedanken besonders darauf gerichtet hielt, das Geheimnis der Aufrichtigkeit nicht aus den Augen zu verlieren, welche dem Geiste und der Absicht nach die höchste und reinste Stufe der Vollkommenheit ist. Gleich seinem Dienst am Glauben, der offensichtlich aller Wertschätzung würdig ist, und seiner Bereitschaft zu Opfer und heiligem Bemühen (djihad) beweist dies vielleicht mehr noch die Vollkommenheit seines Geistes.}
   Und wenn also auch Molla Said, dem Zeugnis seines ganzen Lebens entsprechend unter den Muslimen mit Titeln wie "Bediüzzaman" (der Einzigartige seiner Zeit), "Sahibu'z-zaman" (der Herr und Lehrmeister seiner Zeit), "Fahru'd-deveran" (der Stolz seiner Epoche), "Fatinu'l-asr" (der geistige Leiter seines Jahrhunderts) belegt wurde, so geschieht dies doch zu keiner Zeit ohne jeden Anspruch auf Wahrheit und ist nicht nur ein bloßes Wort. Die geheiligte geistige Körperschaft einer nach Millionen zählenden selbstlosen und geachteten Schülerschaft, durch die Risale-i Nur in einem großartigen Dienst am Glauben und am Qur'an geformt und begeistert für die Religion ist dafür ein wahrhaftiger Zeuge und ein absolut sicherer Beweis...
   Während er an der Kampflinie auf und ab ritt, wurde er vier Mal von einer Kugel getroffen. Aber um seine Freiwilligen nicht zu entmutigen, zog er sich dennoch nicht zurück, ja begab sich noch nicht einmal in den Unterstand. Sogar als Memduh Bey, der Gouverneur, und Kel Ali, der Kommandant, davon hörten und ihm eine Meldung schickten "Ziehen Sie sich sofort zurück!", antwortete er ihnen nur:
   "Die Kugeln dieser Ungläubigen werden mich nicht töten..."
   Und obwohl er in der Tat von drei Kugeln getroffen wurde, die ihn ohne Weiteres hätten töten können, durchschlug die eine nur seinen Dolch und eine andere seine Tabakdose, ohne ihn selbst zu verletzen.
   In der Nacht, in der der Gouverneur und Kel Ali, der Kommandant, sich mit den Einwohnern in Sicherheit brachten und sich auch seine Freiwilligen und die übrigen Soldaten zurück zogen, blieb er selbst mit einem Teil seiner Schüler in Bitlis zurück, in dem Gedanken, sich noch für einige Hilflose zu opfern. So flohen sie also nicht. Am Morgen kam es zum Kampf mit einem feindlichen Bataillon und viele seiner Kameraden fielen. Nachdem sogar Ubaid, sein Neffe und hoch gesinnter Schüler an seiner Statt gefallen war, schlug er sich durch drei Reihen feindlicher Soldaten hindurch und rettete sich auf wunderbare Weise mit drei noch überlebenden Schülern in den Schutz einer Deckung, die über das Wasser hinausragte. Er war verwundet worden und hatte sich überdies auch noch einen Fuß gebrochen. In diesem Zustande hielt er es dreiunddreißig Stunden in schlammigem Wasser aus. Mitten in dieser gefährlichen Situation, ihre Gewehre in den Händen, während sich gleichzeitig die feindlichen Soldaten und Offiziere in einem Zimmer in dem Stockwerk über ihnen befanden, spendete er den Kameraden, die sich bei ihm befanden, in der vollkommenen Ruhe seines Herzens und in der Freude über die Rettung der Bewohner Trost und sagte ihnen:
   Erst wenn die Übermacht der feindlichen Soldaten uns angreifen sollte, erst dann werden wir von unseren Waffen Gebrauch machen. Wir werden unser Leben so teuer wie möglich verkaufen. Aber für nur ein, zwei Feinde verschwenden wir keine Kugel."
   Es war Gottes unergründliche (latif) Gnade, dass sie die russischen Soldaten dreiunddreißig Stunden lang beobachten konnten, während die Russen sie gleichzeitig suchten, ohne sie zu finden. Währenddessen richtete Bediüzzaman an die todesmutigen Freiwilligen - seine Schüler - den Befehl:
   "Kameraden! Wartet hier nicht länger! Ich sage euch los (helal)! Lasst mich hier zurück und versucht nur, euch selbst zu retten!"
   Aber seine tapferen Schüler erklärten sich zu jedem Opfer bereit und sagten: "Wir können Sie nicht in diesem Zustand zurück lassen und gehen. Wenn wir fallen, dann nur in Ihrem Dienst." So blieben sie und wurden sodann von den Russen gefangen genommen. Sie wurden über Van, Celfa, Tiflis und Kilogrif nach Kostroma überführt.
   Die Armenier sind berühmt für ihren Opfermut. Ja man erzählt sich sogar folgendes: "Selbst wenn man die Gesichter der Freischärler über glühende Kohlen hielte, bis ihnen die Augen platzten, würden sie trotzdem ein Geheimnis nicht preisgeben." Aber damals sagten die Russen: "Die Freiwilligen Bediüzzamans sind sogar noch den armenischen Freischärlern überlegen! Deshalb konnten sie auch unser Kosakenregiment dermaßen vernichtend schlagen."
   Sie brachten Bediüzzaman in ein Gefangenenlager. Dort ereignete sich dann der folgende, inzwischen berühmt gewordene bemerkenswerte Vorfall:
   Eines Tages kommt der russische Oberkommandierende, um das Gefangenenlager zu inspizieren. Während dieser Besichtigung grüßte (selam) Bediüzzaman den Kommandanten nicht und stand auch nicht von seinem Platz auf. Der Kommandant wurde zornig. "Vielleicht kennt er mich gar nicht," sagte er sich und ging noch einmal an ihm vorbei. Als dieser wieder nicht aufstand, ließ ihm der Kommandant über einen Dolmetscher fragen: "Hat er mich etwa nicht erkannt? Bediüzzaman: "Ich kenne Sie. Sie sind Nikolaj Nikolajewitsch."
   Der Kommandant: "In diesem Fall hat er die russische Armee beleidigt und damit den Zaren von Russland."
   Bediüzzaman: "Ich habe ihn nicht beleidigt. Ich bin ein islamischer Gelehrter. Irgendein Gläubiger steht über einem Mann, der Gott den Gerechten nicht kennt. Aus diesem Grunde werde ich nicht vor Ihnen aufstehen."
   Daraufhin stellte man Bediüzzaman vor das Kriegsgericht. Einige der Offiziere unter seinen Kameraden baten ihn, sich darum zu bemühen, die fürchterlichen Folgen abzuwenden und sich zu entschuldigen.
   Aber Bediüzzaman antwortete: "Ihr Todesurteil ist für mich gleich einem Pass für die Reise in die Ewigkeit." Mit vollkommener Würde und Tapferkeit maß er ihm keinen Wert bei.
   Schließlich wurde er zum Tode verurteilt. Vor seiner Hinrichtung bat er um die Erlaubnis, vorher noch das Gebet verrichten zu dürfen. Er sagte, dass er seine Brust den Kugeln zum Erschießen bieten werde, nachdem er seine religiöse Pflicht erfüllt habe. Genau zur gleichen Zeit, während er noch das Gebet verrichtete, kam der russische Kommandant, entschuldigte sich bei Bediüzzaman und sagte: "Ich bin zu der Überzeugung gelangt, dass diese Ihre Haltung aus Ihrer Verbundenheit erwachsen ist mit dem, was Ihnen heilig ist. Ich bitte Sie, mir zur verzeihen." sagte er und nahm das Todesurteil zurück.
  * * * 
   Bediüzzaman blieb zweieinhalb Jahre in sibirischer Gefangenschaft. Der, welcher sein ganzes Leben um Gottes willen dem Qur'an, dem Islam und der Wiederbelebung der Tradition des Propheten geweiht und gewidmet hatte, blieb auch hier als Mitstreiter für den Islam nicht völlig untätig. In der Gegend, in der er sich befand, arbeitete er für die Unterweisung und rechte Beratung (tenvir ve irshad). In dieser Zeit erteilte er auch den Offizieren, die sich wie er selbst mit ihm in Gefangenschaft befanden, Unterricht. Eines Tages, als er gerade neunzig Kameraden aus dem Offizierscorps Unterricht gab, kam einer der russischen Kommandanten und sagte: "Der erteilt politischen Unterricht" und verbot den Unterricht. Danach aber erfuhr er, dass es sich bei seinen Aktivitäten um Religion, Wissenschaft und Gemeinschaftskunde handelte. Und so erlaubte er den Unterricht wieder.
   Schließlich rettete er sich durch die Flucht aus der Gefangenschaft und es gelang ihm auf dem Weg über St. Petersburg nach Warschau durchzukommen. Von da aus nahm er seinen Weg über Wien und reiste weiter zurück nach Istanbul. (etwa 1916).
   Bediüzzaman Said Nursi, der im ersten Weltkrieg Kommandant eines Freiwilligencorps gewesen war, berichtet in einem seiner Werke über sein Leben in der Gefangenschaft Folgendes:
{(*): Als nach seiner Gefangenschaft (in Russland!) schon eine lange Zeit verstrichen war, wurde der Meister (in der Türkei erneut) gefangen genommen und nach Barla überführt, wo er einen Teil der Abenteuer seines früheren Lebens in der "Dreizehnten Hoffnung" des "Sechsundzwanzigsten Blitzes" der Feder anvertraut. Interessenten mögen in dieser Risalah (Abhandlung) nachschlagen.}
 

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Ein Abschnitt aus der "Neunten Hoffnung" des "Sechsundzwanzigsten Blitzes" 
   Während des ersten Weltkrieges befand ich mich weit weg im nordöstlichen Russland in der Stadt Kostroma in Gefangenschaft. Es befand sich da am Ufer des bekannten Wolgastromes eine kleine Moschee der Tataren. Ich langweilte mich unter den Offizieren, die dort als meine Kameraden mit mir gefangen waren. Es verlangte in mir nach Einsamkeit. Draußen konnte ich nicht ohne Erlaubnis spazieren gehen. Die Tataren leisteten für mich eine Bürgschaft und nahmen mich in diese kleine Moschee am Ufer der Wolga mit. Ich schlief allein in der Moschee. Der Frühling war nahe. In diesen langen und tiefen Nächten im Norden des weiten Landes lag ich sehr lange wach. In diesen dunklen Nächten, in dieser düsteren Fremde, bei dem melancholischen Rauschen der Wolga, in dem klagenden Rinnen des Regens, in dem sehnsuchtsvollen Wehen des Windes wurde ich zumindest vorübergehend aus meinem tiefen, sorglosen Schlaf aufgeweckt. Ich wusste mich überhaupt noch nicht alt. Aber wer den Weltkrieg gesehen hat, der ist alt. Es war, als sei mir das Geheimnis von
يَوْمًا يَجْعَلُ الْوِلْدَانَ شِيبًا
{"Der Tag, an dem sich Kinder als Greise wiederfinden."}
offenbar geworden. In solchen Tagen, da Kinder zu Greisen werden, war ich vierzig Jahre alt; aber ich befand mich in einem solchen Zustand, als sei ich schon achtzig Jahre alt. Während dieser dunklen langen Nacht, in dieser betrüblichen Fremde, in diesem betrüblichen Zustand überkam mich eine Art Verzweiflung am Leben. Ich betrachtete meine Schwäche, meine Einsamkeit, gab meine Hoffnung auf. Während ich mich noch in diesem Zustand befand, kam mir die Hilfe aus dem Weisen Qur'an. Mein Mund sprach: حَسْبُنَا اللّٰهُ وَ نِعْمَ الْوَكِيلُ
{"Gott ist mein Genügen und Er ist der vortrefflichste Anwalt." (Sure 3, 173)}
Und auch mein Herz sagte weinend:
  "Ich bin in der Fremde, ohne Verwandte, schwach, kraftlos. Ich flehe um Schutz. Ich bitte um Verzeihung. Ich rufe um Hilfe an Deiner Schwelle, oh Allah!" 
   Mein Geist dachte auch an die alten Freunde in der Heimat und stellte sich meinen Tod in der Fremde vor und wie Niyazi Misri sagte ich:
  "Ich habe die Sorge um weltliche Dinge aufgegeben und
meine Flügel im Nichts gebreitet und
Begeisterung mit jedem Atemzug! -
fliege ich und rufe aus: Freund! Freund!" 
   So sagte ich und suchte Freunde. Wie dem auch sei, in dieser langen Nacht in der Fremde, die so voll der Sehnsucht, von Traurigkeit und Klage erfüllt das Herz rührte, wurde meine Hilflosigkeit und Schwäche an der Schwelle des Hauses Gottes zu einem so großen Fürsprecher und Mittler, dass ich noch jetzt darüber erstaunt bin. Denn einige Tage später brach ich völlig unerwarteter Weise und - obwohl ich kein russisch konnte - ganz allein zu einer Flucht über eine Entfernung von einem Jahr Fußmarsch auf. Meine Schwäche und Hilflosigkeit rief die Gnade Gottes herbei und so habe ich mich auf wunderbare Weise gerettet. Auf dem Wege über Warschau gelangte ich nach Österreich, kam in Istanbul an. Es ist ein großes Wunder, auf was für eine leichte Art ich mich zu retten vermochte. Obwohl auch die klügsten und tapfersten Männer, selbst wenn sie russisch konnten, nicht ans Ziel gelangten, habe ich doch auf eine ganz leichte und einfache Weise diese meine Reise auf der Flucht zu Ende geführt. Aber der Charakter jener oben erwähnten Nacht in der Moschee am Ufer der Wolga hat in mir den folgenden Entschluss reifen lassen: "Ich werde den Rest meines Lebens in Höhlen verbringen! Ich habe mich um das soziale Leben der Menschen gekümmert und jetzt ist es genug. Da ich nun einmal am Ende einsam ins Grab steigen werde, will ich die Einsamkeit wählen, mich ab heute an die Einsamkeit gewöhnen." Aber in Istanbul ließen mich meine vielen bedeutenden und wichtigen Freunde und das glanzvolle irdische Leben dort in Istanbul und besonders so nutzlose Dinge wie Ruhm und Ehre, die man mir im Übermaß erwies, diesen meinen Vorsatz vorübergehend vergessen. Als ob diese Nacht in der Fremde das lichtempfindliche Schwarz im Auge meines Lebens gewesen wäre und der weiße, glanzvolle Tag von Istanbul das lichtunempfindliche Weiß im Auge meines Lebens, sodass ich nicht nach vorne schauen konnte, und wieder einschlief, bis dass mir zwei Jahre später Abdulqadir Geylanis Buch "Futuhu'l-Ghayb" (Durchbruch durch das Unsichtbare) erneut die Augen öffnete.
   ............
   Seine Rückkehr nach Istanbul machte die Wissenschaftler und die Bevölkerung überaus glücklich und froh. Das "Meschihat" (Amt für religiöse Angelegenheiten) hatte ihn, ohne dass er etwas davon wusste, zum Mitglied der "Darul'Hikmetu-l'Islamia" (Haus der Weisheit des Islam: Oberste Religionsbehörde im Osmanischen Reiches) ernannt. Das Daru-l'Hikmet hatte damals den Charakter einer islamischen Akademie, zu deren Lehrkörper Wissenschaftler wie Mehmet Akif, Izmirli Ismail Hakki und Elmalili Hamdi gehörten. Abdurrahman (er ruhe in Frieden), sein Adoptivsohn und Neffe, ein hoch intelligenter, mutiger und begeisterter Gelehrter erzählt folgendes:
   Im Jahre 1334 (etwa 1918) wurde mein Onkel nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft gegen seinen Willen zum Mitglied des Daru'l-Hikmetu'l-Islamiya ernannt. Weil aber die Gefangenschaft ihn stark in Mitleidenschaft gezogen hatte, wurde er für eine Zeitlang vom Dienst freigestellt. Mehrmals hat er seinen Rücktritt eingereicht, aber seine Freunde wollten ihn nicht entlassen. Darum nahm er schließlich seine Tätigkeit am Daru'l-Hikmet auf. Ich habe sein Verhalten beobachtet (und bemerkt), dass er für seine Bedürfnisse nicht mehr ausgab, als er wirklich benötigte. Wurde er gefragt, warum er mit seinem Lebensunterhalt derart sparsam umgehe, antwortete er:
   "Ich möchte einem großen Teil der Menschheit gleich sein. Ein großer Teil der Menschheit aber kann sich nicht mehr leisten. Ich möchte jedoch nicht zur Minderheit der Verschwender gehören."
   Nachdem er sich von dem Gehalt, das er von der Daru'l-Hikmet empfangen hatte, einen Teil für seinen Lebensunterhalt genommen hatte, gab er mir den Rest und sagte: "Bewahre das auf!" Ich aber habe das Geld, das mir mein Onkel in seiner Liebe während mehr als einem Jahr anvertraut hatte, ohne sein Wissen vollständig ausgegeben, weil er auf Besitz keinen Wert legte. Später sagte er mir dann: "Dieses Geld war für uns nicht erlaubt (helal), weil es dem Volke gehörte. Warum hast du es ausgegeben? Wenn das so ist, werde ich dich als meinen Verwalter ab- und mich selbst statt deiner einsetzen!"
   Einige Zeit war vergangen... Da kam es ihm in den Sinn, zwölf seiner Abhandlungen über die Wahrheit (haqaiq) in Druck zu geben. So gab er, was er von seinem Gehalt erspart hatte, für die Drucklegung aus. Von den Büchern behielt er nun ein, zwei kleine Restposten zurück. Die übrigen verteilte er umsonst. Als ich ihn fragte, warum er sie denn nicht verkaufen lasse, antwortete er: "Mein Gehalt ist für meinen Lebensunterhalt bestimmt. Was darüber hinaus ist, gehört dem Volk. Ihm gebe ich es auf diese Weise zurück..."
   Sein Dienst an der Daru'l-Hikmet war immer von solchen individuellen Unternehmungen begleitet. Denn dort erkannte er einige Hindernisse hinsichtlich der gemeinsamen Arbeit. Wer ihn kennt, weiß, dass der Bediüzzaman schon sein Totenkleid angelegt und den Tod bereits ins Auge gefasst hat. Darum war sein Standpunkt an der Daru'l-Hikmetu'l-Islamiya eisern und fest. Die ausländischen Mächte konnten die Daru'l-Hikmet nicht für ihre Zwecke missbrauchen. Gegen eine irrige Auslegung (fetva) der Scheriah kämpfte er ohne Furcht. Entstand eine dem Islam schädliche Strömung, verfasste er ein Buch, um diese Strömung aufzuhalten.    Auszug aus dem, was er über das Leben, das er nach seiner Rückkehr aus der Gefangenschaft in Istanbul führt, der Feder anvertraut hat: 
  ("Zehnte Hoffnung" aus dem "Sechsundzwanzigsten Blitz") 
   Einmal aus der Gefangenschaft zurückgekehrt, übermannte mich in Istanbul für ein, zwei Jahre wieder die Sorglosigkeit. Das politische Klima hatte mir den Blick von mir selbst hinweg gehoben und in alle Winde zerstreut. So saß ich eines Tages in Istanbul an hoher Stelle im Eyyub Sultan Friedhof und blickte hinunter in den Bach. Ich ließ meine Blicke über Istanbul hinweg bis zum Horizont schweifen. Plötzlich sah ich, wie mir meine persönliche Welt starb. Es kam mir eine Phantasievorstellung, so als zöge sich gewissermaßen mein Geist hinweg. Ich sagte mir: "Bringen mir etwa die Inschriften auf den Grabsteinen dieses Friedhofes solche Phantasievorstellungen?" Ich zog meinen Blick wieder zurück, ließ ihn nicht in die Ferne schweifen, sondern richtete ihn auf den Friedhof. Mein Herz wurde gemahnt: "In diesem Friedhof um dich herum ist hundertmal Istanbul. Denn hundertmal wurde Istanbul hierher entleert. Du kannst dich nicht vor dem Urteil des Allmächtigen Königs retten, der die Einwohner von ganz Istanbul hierher entleert hat, und eine Ausnahme bilden. Auch du wirst gehen!" Ich verließ den Friedhof und trat in dieser fürchterlichen Vorstellung in ein kleines Zimmer der Eyyub Sultan Moschee ein, wie ich das schon oft getan hatte. Ich dachte mir, dass ich in dreifacher Hinsicht ein Gast bin: So wie ich in diesem Zimmer hier ein Gast bin, so bin ich ein Gast auch in Istanbul, ein Gast auch in dieser Welt. Ein Gast muss auf den Weg achten. Wie ich aus diesem Zimmer weggehen werde, so werde ich eines Tages auch aus Istanbul weggehen, eines Tages auch aus der Welt weggehen.    In diesem Zustand beschlich Schmerz, Kummer und Sorge mir Herz und Verstand, ein Gefühl des Mitleidens in der Stunde der Trennung. Denn ich verliere nicht nur ein, zwei Freunde, nein, so wie ich mich von Tausenden mir liebgewordenen Freunden in Istanbul trennen muss, so werde ich auch mein so geliebtes Istanbul verlassen müssen. So wie ich mich in dieser Welt von Hunderttausenden Freuden trennen muss, so muss ich auch diese schöne Welt verlassen, die ich so liebe und der ich verhaftet bin. So dachte ich und begab mich wieder an jenen hohen Platz auf dem Friedhof. Ich ging damals gelegentlich ins Kino, weil mich diese neue Technik interessierte. In diesem Augenblick kamen mir die Menschen wie Schatten vor, die im Kino von der Vergangenheit in die Gegenwart hineinprojiziert werden, wobei man längst Verstorbene wieder umherwandeln sieht. In gleicher Weise erschienen mir die Menschen, die ich in diesem Augenblick sah, wie wandelnde Leichname. Mein Phantasiebild sprach zu mir: Da man nun einmal einen Teil derer, die hier auf dem Friedhof liegen, im Kino umherwandeln sehen kann, betrachte auch diejenigen, welche ganz bestimmt einmal auf diesen Friedhof getragen werden, so, als habe man sie bereits hierher gebracht. Auch sie sind wandelnde Leichname... Plötzlich wandelte sich im Lichte des Weisen Qur'an und unter der Rechtleitung von Gauth-u 'Adham Scheich Geylani (Allah heilige seine Geheimnisse) Hazretleri diese betrübliche Verfassung in einen fröhlichen und glücklichen Zustand um. Und zwar so: In dieser trübseligen Verfassung gemahnte mich das Licht, das aus dem Qur'an hervorgeht:
   Du hattest im Nordosten, in Kostroma, in der Fremde, ein, zwei mitgefangene Offiziere zu Freunden. Du wusstest, dass diese Freunde auf jeden Fall nach Istanbul zurückkehren würden. Hätte jemand zu dir gesagt: "Willst du nach Istanbul zurückkehren oder hier bleiben?" und hättest du auch nur einen Funken Verstand gehabt, wärest du damit einverstanden gewesen, froh und heiter nach Istanbul zurückzukehren. Denn von tausend und einem Freund sind 999 in Istanbul. Ein oder zwei sind hier geblieben. Auch sie werden dorthin zurückkehren. Nach Istanbul zu reisen bedeutet für dich keine bedauerliche Trennung, keinen schmerzlichen Abschied. Und nun, da du angekommen bist, bist du etwa nicht zufrieden? Du hast dich vor den so düsteren, langen Nächten und den so kalten stürmischen Wintern in diesem feindlichen Land gerettet. Du bist in dieses schöne Istanbul gekommen, das in dieser schönen Welt wie ein Paradies ist. In gleicher Weise gilt: "Von deinen Lieben sind seit deiner Kindheit bis zum heutigen Tage neunundneunzig von hundert in dieses dir Furcht einflößende Gräberfeld umgesiedelt worden. Du hast noch ein oder zwei Freunde, die in dieser Welt zurückgeblieben sind. Auch sie werden dorthin umgesiedelt werden. Dein Tod in dieser Welt ist keine Trennung, sondern eine Begegnung. Du wirst deine Freunde wiedersehen. Sie, das heißt die ewigen Geister, verlassen ihr alt gewordenes Nest unter der Erde, ein Teil wandelt zwischen den Sternen, ein Teil wandert über die Stufen der Schattenwelt." So wurde ich ermahnt. Ja, Qur'an und Glaube haben diese Wahrheit in einem solchen Grade und mit so absoluter Sicherheit bewiesen, dass, wer nicht ganz und gar ohne Herz und Verstand ist, oder wessen Herz nicht auf einem Irrweg versunken ist, sie im Glauben annehmen muss, als sähe er sie vor Augen. Denn der freigiebige und barmherzige Meister, der diese Welt mit so zahllosen Arten Seiner Huld und Güte geschmückt hat und über ihr Seine Herrschaft mit solcher Gast- und Menschenfreundlichkeit walten lässt, der auch so winzige und bedeutungslose Dinge wie ein Samenkorn schützt, wird sicherlich und gewiss den Menschen, dieses vollkommenste und vielseitigste, dieses bedeutendste und geliebteste unter all Seinen Geschöpfen, nicht so ganz ohne Sinn und Erbarmen verurteilen, zerstören, vernichten, wie es nach außen hin den Anschein hat. Nein, der Barmherzige Schöpfer begräbt Seine geliebten Geschöpfe für eine Zeitlang unter der Erde, damit sie ihnen ein Tor zur Barmherzigkeit werde, so wie ein Bauer den Samen in die Erde streut, damit er in einem neuen Leben erblühe.
{(*): Diese Wahrheit wurde in anderen Abhandlungen so klar, wie zwei mal zwei vier ist, bewiesen, besonders im "Zehnten" und "Neunundzwanzigsten Wort".}
   So also erschien mir dieses Gräberfeld lieblicher als Istanbul, nachdem ich einmal diese Ermahnung aus dem Qur'an empfangen hatte. Das Leben wie ein Eremit in der Einsamkeit wurde mir willkommener als gesellschaftlichen Umgang zu pflegen. So fand ich denn auch in Sariyer ein abgelegenes Haus für mich nahe am Bosporus. So wie mir der Ghauthu'l-A'dham (Allah heilige seine Geheimnisse) durch sein "Futuhu'l-Ghayb" zum Meister, Arzt und Lehrer geworden war, so wurde mir nun Imam Rabbani (Allah möge mit ihm zufrieden sein) mit seinem "Mektubat" (Briefe) zu einem Freund, Vater und Lehrer. Um diese Zeit begann ich schon älter zu werden und von den Genüssen des Stadtlebens Abstand zu nehmen und mich vom gesellschaftlichen Leben abzusondern. Dadurch bin ich sehr froh geworden. Dank sei Allah...
  * * *     Elfte Hoffnung 
   Nachdem ich aus der Gefangenschaft nach Istanbul zurückgekehrt war, wohnte ich mit meinem verstorbenen Neffen Abdurrahman (er ruhe in Frieden) zusammen in einer Villa auf dem Berg Tjamlidja. Dieses mein Leben konnte man vom Standpunkte des irdischen Lebens aus betrachtet für Menschen meines Standes als das glücklichste Leben bezeichnen.
   Denn ich hatte mich aus der Gefangenschaft gerettet. An der "Daru'l-Hikmet" hatte ich in meinem Beruf als Wissenschaftler entsprechend in höchstem Maße Erfolg mit meinen wissenschaftlichen Publikationen. Ich genoss ein hohes Ansehen und man hatte mich mit Ehren überhäuft. Verglichen mit anderen Wohnvierteln Istanbuls wohnte ich hier in Tjamlidja in der schönsten Gegend. Alle meine Angelegenheiten waren aufs Beste geordnet und es fehlte mir an nichts. Mein verstorbener Neffe Abdurrahman, ein hochintelligenter, idealgesinnter Schüler, wohnte bei mir und war zugleich mein Diener und Sekretär und mein Adoptivkind. Ich wusste, dass ich in dieser Welt mehr als andere glücklich war. Da schaute ich in den Spiegel: Ich erblickte weiße Haare auf meinem Kopf und in meinem Bart. Da wurde plötzlich mein Geist wieder so wach wie während meiner Gefangenschaft in der Moschee von Kostroma. Infolgedessen begann ich die Umstände und Ursachen kritisch zu betrachten, mit denen ich in meinem Herzen verbunden war, und die ich für den Angelpunkt meines irdischen Glückes hielt. Welche ich auch immer untersuchte, ich sah, dass sie faul, nicht des Interesses wert, und trügerisch waren. In der gleichen Zeit beobachtete ich bei einem Kollegen, den ich für absolut loyal gehalten hatte, eine Unkollegialität und unvorstellbare Unzuverlässigkeit. Ein Widerwille gegenüber dem irdischen Leben überkam mich. Ich sagte mir in meinem Herzen:    Habe ich mich denn so völlig geirrt? Ich sehe, dass uns sehr viele Menschen in unserer Situation beneiden, wo wir doch in Wirklichkeit zu bedauern wären... Sind alle diese Menschen verrückt geworden? Oder werde ich jetzt selbst verrückt, sodass ich die Menschen, welche diese Welt anbeten, für verrückt halte? Wie dem auch sei... erst jetzt erkannte ich mit dem Scharfsinn, den das Alter verleiht, die Vergänglichkeit der vergänglichen Dinge, für die ich mich interessiert hatte.
   Ich betrachtete mich selbst, erkannte schließlich meine Schwäche. Zu gleicher Zeit sagte mir mein Geist, der nach Ewigkeit verlangte und dem Vergänglichen verhaftet war, das er für beständig erachtete, mit aller Kraft: Da nun einmal mein Körper vergänglich ist, was soll mir da noch aus dem Vergänglichen an Gutem zuteil werden? Da ich nun einmal hilflos bin, was habe ich da noch von diesen Hilflosen zu erwarten? In meinem Kummer sagte ich mir: es muss einen Unvergänglich-Unsterblichen, einen Allmächtig-Ewigen geben, der einen Ausweg findet. So begann ich Ihn zu suchen. Zu dieser Zeit begann ich vor allem bei der Wissenschaft, die ich seit langem studiert hatte, Tröstung und Hoffnung zu suchen. Leider hatte ich bis zu diesem Zeitpunkt die philosophische und die islamische Wissenschaft zusammen in mich hinein gefüllt und irrtümlicher Weise angenommen, dass die philosophischen Wissenschaften ein Mittel zur Vervollkommnung und eine Quelle der Erleuchtung seien, während doch alle diese philosophischen Fragestellungen meinen Geist über alle Maßen besudelt und mein inneres Wachstum behindert haben. Da kam mir plötzlich die heilige Weisheit Gottes des Gerechten in Seiner Barmherzigkeit und in Seiner Freigiebigkeit aus dem Weisen Qur'an zu Hilfe. Wie in vielen Abhandlungen erklärt wurde, hat sie alle Befleckung durch diese philosophischen Fragestellungen von mir abgewaschen und mich gereinigt. Mit einem Satz gesagt: Die Finsternis des Geistes, die die Weisheit der Philosophen ist, erstickte meinen Geist von allen Ecken des Alls. In welche Richtung ich auch immer schaute, nach Licht suchte, in ihren Fragestellungen konnte ich kein Licht finden, keinen Atem schöpfen. Da zerstreute die Lehre von der Einheit (Tauhid), die mit dem Satz: "La ilaha illa Hu (Es gibt keine Gottheit außer Ihm)" von dem Weisen Qur'an unterrichtet wird, alle diese Finsternisse durch ein überaus strahlendes Licht. Beruhigt atmete ich auf. Aber mein Ego und der Satan stützten sich auf den Unterricht, den sie von den Leuten des Irrweges und von den Leuten der Philosophie erhalten hatten, und griffen Herz und Verstand an. Der Angriff auf meine Seele und die Debatte mit ihr endete - Allah sei Dank! - mit einem Sieg des Herzens. Diese Debatten wurden in sehr vielen Abhandlungen teilweise aufgeschrieben. Ich begnüge mich damit, hier nur einen von tausend Siegen des Herzens darzustellen, nur ein einziges Zeugnis unter Tausenden Zeugnissen vorzulegen, um den Geist eines Teiles der alten Leute, die von Jugend an mit dem, was man die Weisheit der Fremden und die Wissenschaften ihrer Zivilisation nennt, und zum einen Teil ein Irrtum, zum anderen Teil sinnlose Problemsuche ist, ihren Geist befleckt, ihr Herz krank gemacht und ihr Ego aufgebläht hat, zu reinigen. Mögen sie vom Übel des Satans und vom Egoismus befreit werden und zur Wahrheit von der Einheit (tauhid) gelangen! Es geschah dies wie folgt:
   In Vertretung der philosophischen Wissenschaften sprach meine Seele zu mir: "Alle Dinge im Universum stehen natürlicher Weise in einer Wechselbeziehung zueinander. Jedes Ding hat seine Ursache. Früchte darf man von einem Baum, Getreide vom Feld erwarten. Warum soll man auch das unbedeutendste, kleinste Ding von Allah erwarten, von Allah erflehen?" In dieser Zeit enthüllte sich mir das Geheimnis der Einheit (tauhid) im Lichte des Qur'an auf folgende Weise. Mein Herz sprach zu dieser meiner Philosophenseele: Das unbedeutendste und kleinste Ding wie auch das größte Ding kommt unmittelbar aus der Macht des Schöpfers der Universen, geht aus Seiner Schatzkammer hervor. Auf andere Weise kann es nicht geschehen! Die Ursachen sind jedoch nur ein Schleier. Denn die Geschöpfe, die wir für die unbedeutendsten und kleinsten halten, werden manchmal - wenn man sie erst einmal so betrachtet, wie sie erschaffen und künstlerisch gestaltet wurden - noch größer als die größten unter ihnen. Wenn eine Mücke vom künstlerischen Standpunkt aus betrachtet ein Huhn zwar nicht zu übertreffen vermag, so steht sie doch auch nicht hinter ihm zurück. Und wenn dem so ist, gibt es auch keinen Unterschied zwischen groß und klein. Und entweder ist das ganze auf verschiedene materielle Ursachen zurückzuführen, oder alle Dinge gemeinsam sind einer einzigen Persönlichkeit zuzuschreiben. Wie aber der erste Fall unvorstellbar ist, so ist der zweite Fall notwendig und zwingend. Denn wenn alles einer einzigen Person, nämlich einem Allmächtig-Urewigen zuzuschreiben ist; da sich nun einmal aus der Weisheit und Ordnung alles Seienden mit absoluter Sicherheit ergibt, dass Er ein Wissen besitzt, das alle Dinge umfasst, und da nun einmal in Seinem Wissen der Maßstab aller Dinge bestimmt ist, und da nun einmal - wie wir mit eigenen Augen sehen können - ständig aus dem Nichts mit unendlicher Leichtigkeit unendlich kunstvolle Werke entstehen, und da nun einmal dieser Allmächtig-Allwissende, was auch immer Er will durch Seinen Befehl: كُنْ فَيَكُونُ {"Sei und es ist!" (Sure 2, 117)} so wie man ein Streichholz entzündet - ins Dasein zu rufen vermag, so besitzt Er auch, wie wir anhand von zahllosen starken Beweisen erklärt haben, und zwar besonders im "Zwanzigsten Brief" und auch am Ende des "Dreiundzwanzigsten Blitzes" bewiesen haben - eine grenzenlose Macht... Sicherlich beruht diese offensichtliche wunderbare spielerische Leichtigkeit auf diesem umfassenden Wissen und Seiner gewaltigen Macht. Zum Beispiel: Wenn man in einem Buch, das mit einer dem Auge unsichtbaren Tinte geschrieben wurde, ein Mittel aufträgt, das dafür bestimmt ist, diese Schrift sichtbar zu machen, so erweist dieses riesige Buch plötzlich für jedermanns Auge seine Existenz und macht sich selbst lesbar. Im allumfassenden Wissen des Allmächtig-Urewigen sind alle Dinge in ihrer eigenen Form und in ihrem vorgegebenen Maß entsprechend festgelegt. Diese unbeschränkte Allmacht, trägt mit Ihrem Befehl: كُنْ فَيَكُونُ {"Sei und es ist!" (Sure 2, 117)} mit dieser grenzenlosen Macht und einem alles durchdringenden Willen, mit spielerischer Leichtigkeit Ihre Kraft, die eine Manifestation ihrer Macht ist, auf das Wesen des Wissens auf, so wie man ein Mittel auf diese Schrift aufträgt, um jedem Ding einen nach außen hin wahrnehmbaren Körper zu verleihen, ihn für das Auge sichtbar zu machen, um die Weisheit der Ornamente lesbar werden zu lassen. Wenn man nicht alle Dinge gemeinsam diesem Allmächtig-Urewigen zuschreibt, Ihm, der aller Dinge Wissen hat, dann ist es notwendig, den Körper auch des kleinsten Dinges, wie einer Mücke, aus den meisten Elementen der Welt in einem nur ihr eigentümlichen Maßstab entsprechend zusammenzustellen. Zudem ist dies nur dann möglich, wenn die Zellen, die im Körper dieser winzigen Mücke arbeiten, das Geheimnis ihrer Erschaffung und ihre künstlerische Vollendung in allen Einzelheiten kennen. Denn auf Grund von Ursachen, die in der belebten oder unbelebten Natur liegen, kann offensichtlich und in Übereinstimmung mit allen Leuten von Verstand nichts aus dem Nichts entstehen. Also müssen sie in jedem Fall zu ihrer Hervorbringung zunächst erst einmal die Bestandteile zueinander bringen. Um welches Lebewesen es sich nun aber auch immer handeln mag, es enthält in sich von den meisten Elementen ein Exemplar und verkörpert in sich Muster der meisten Arten. Es ist so, als sei es eine Zusammenfassung des Weltalls gleich einem Samenkorn. Sicherlich ist es notwendig in diesem Fall mit den empfindlichsten Messinstrumenten die Bausteine eines Baumes festzustellen, um aus ihnen ein Samenkorn zu konstruieren, und die Bauelemente des Erdkreises zu ermitteln, um mit ihrer Hilfe ein Lebewesen zusammensetzen zu können.
   Es sind aber nun einmal die Ursachen, die in der unbelebten Natur liegen, unwissend und leblos und verfügen über kein Wissen, sodass sie einen Plan, eine Liste, einen Entwurf, ein Programm aufstellen könnten, um danach eine unsichtbare Gussform zu schaffen, damit die einzelnen Zellen nicht zerfallen, sodass die Funktionsfähigkeit des Zellverbandes gestört würde. Weil aber Bildung und Gestaltung eines Baumes oder einer Fliege auf zahllose Arten möglich ist, wird sie auf eine einzige Form und Größe innerhalb einer unübersehbar großen Anzahl von Möglichkeiten festgelegt. Dabei lösen sich die Zellen nicht aus ihrem Verband, obwohl ihre Atome sich gleich einem Sturzbach ständig erneuern. Vielmehr erfolgt der Austausch der Zellen geordnet, in einem nie abreißenden Strom, ohne Verwendung einer Gussform, unter Beibehaltung des Zellgefüges innerhalb eines geschlossenen Ganzen und allem, was lebt, wird seine vorgegebene Gestalt verliehen. Es ist offensichtlich, in welchem Grade dies unmöglich, unwahrscheinlich und weit davon entfernt ist, vernünftig zu sein. Sicherlich vermag dies jeder, der nicht blind ist in seinem Herzen, zu erkennen. Ja entsprechend der Wahrheit:
اِنَّ الَّذِينَ تَدْعُونَ مِنْ دُونِ اللّٰهِ لَنْ يَخْلُقُوا ذُبَابًا وَلَوِ اجْتَمَعُوا لَهُ
{"Setzten sich alle Dinge außer Allah, die ihr anruft und anbetet, zusammen, so könnten sie auch nicht einmal eine Fliege erschaffen." (Sure 22, 74)}
und nach dem Mysterium der großen Ayah könnten - selbst wenn alle die Ursachen, die in der unbelebten Natur liegen, sich zusammensetzten und einen freien Willen besäßen - diese auch nicht den Körper einer einzigen Fliege mit den dazu passenden Organen zusammensetzen. Und könnten sie ihn zusammensetzen, sie können dennoch nicht die in diesem Körper wirkende Ordnung aufrechterhalten. Und könnten sie sie aufrechterhalten, sie könnten dennoch nicht die Atome, die ständig ausgetauscht werden und in diesem Körper ihre Funktion beginnen, zu rechter Wirksamkeit veranlassen. Wenn also dies so ist, können die Ursachen zur Erschaffung von Baum und Fliege nicht diesen selbst zur Verfügung stehen. Das heißt also, dass deren tatsächliche Verfügung in Händen eines Anderen liegt. Ja es gibt tatsächlich Einen, der über sie verfügt. Entsprechend dem Mysterium des Qur'anverses:
مَا خَلْقُكُمْ وَلاَ بَعْثُكُمْ اِلاَّ كَنَفْسٍ وَاحِدَةٍ
{"Eure Erschaffung und Wiederauferstehung ist nicht anders als die einer einzigen Seele." (Sure 3, 27)}
erschafft Er alle Lebewesen auf dem Erdkreis mit der gleichen Leichtigkeit wie eine einzelne Mücke. Er erschafft den Frühling mit gleicher Leichtigkeit wie eine einzelne Blume. Denn für Ihn ist es nicht notwendig erst vorher die Bestandteile beisammen zu haben. Von Ihm geht der Befehl aus: كُنْ فَيَكُونُ {"Sei und es ist!" (Sure 2, 117)} und Er ruft in jedem Frühling außer den Grundbausteinen zu unzähligen, gerade für den Frühling so typischen Pflanzen und Tieren, auch deren unzählige Formen, Farben, Gestalten und Bedingungen aus dem Nichts hervor. In Seinem Wissen sind die Pläne und Entwürfe, die Tabellen und Programme aller Dinge vorgegeben. Alle Atome bewegen sich Seiner Anweisung folgend in Seinem Wissen und Seiner Macht. Mit der spielerischen Leichtigkeit, wie man ein Streichholz entzündet, erschafft Er ein jedes Ding. Kein Ding weicht auch nur um Haaresbreite von Seiner Bahn ab. So wie die Gestirne Sein gehorsames Heer bilden, so sind auch die Atome einem wohlgeordneten Heere gleich. Da sie sich nun einmal in ihrer Bewegung auf die urewige Macht stützen und nach den Grundsätzen des urewigen Wissens tätig werden, gelangen Seine Werke mit Sicherheit Seiner Macht entsprechend ins Dasein. Sieht man hingegen diese Individuen als unbedeutend und klein an, werden Seine Werke dadurch nicht geringer. Mit Seiner Kraft und Macht verbunden, lässt eine Mücke einen Nimrod elend zu Grunde gehen, zerstört eine Ameise den Palast des Pharao, trägt ein Tannensamen - klein wie ein Stäubchen - einen Tannenbaum - groß wie ein Berg - auf seinen Schultern. Wie wir diese Tatsache in vielen Abhandlungen bewiesen haben, vermag ein Soldat, versehen mit einem Soldbuch, betrachtet man seine Zugehörigkeit zum Kaiser, dergleichen Taten zu vollbringen, wie einen König gefangen zu nehmen, der hunderttausendmal mächtiger ist als er. So also vermag jedes Ding - verbunden mit der urewigen Macht - wundervolle Kunstwerke zu Stande zu bringen, die hunderttausendfach über die Naturgesetze hinausgehen.
   Kurzum, die Entstehung eines jeden Dinges, das in höchstem Grade kunstvoll ist und doch mit einer derartigen Leichtigkeit erschaffen wurde, zeigt, dass es ein Werk des Allmächtig-Urewigen ist, welcher ein allumfassendes Wissen besitzt. Anderenfalls wird es auf Grund hunderttausender Unmöglichkeiten nicht ins Dasein treten, im Gegenteil, es wird aus dem Bereich des Möglichen, der vorhandenen Umstände, austreten und in den Bereich des Unmöglichen, der nicht vorhandenen Umstände, eintreten, ja sogar aus der Betrachtung der notwendigen Voraussetzungen ausscheiden und sich in die nicht in Betracht kommenden einreihen, weil von Anfang an Grundvoraussetzungen fehlen. Kein Ding wird Gestalt annehmen, vielmehr seine Gestalt verlieren und zu einem Unding werden.
{Ein Tier braucht zum Überleben:
   1. Existenzsicherung durch Nahrung: äußerliche Voraussetzung, Umstände.
   2. Existenzsicherung durch die Funktionsfähigkeit der Organe: innere Voraussetzung, Grundbedingung.
   3. Existenzsicherung durch Zellerneuerung, Stoffwechsel: Selbsterhaltung und Erhaltung der eigenen Art. (A.d.Ü.)}    So schwieg denn meine Seele auf Grund dieser ins Einzelne gehenden, so starken und so tiefschürfenden und so offensichtlichen Beweisführung, nachdem sie vorübergehend ein Schüler des Satans und ein Anwalt der Leute des Irrweges und der Philosophie gewesen war.
   "Li'llahi'l-hamd!" Ich bin nun völlig zum Glauben gelangt. Und ich sprach:
   "Ja ich brauche einen solchen Schöpfer und Herrn, der auch die unscheinbarsten Dinge kennt, die mir am Herzen liegen, auch mein leisestes Flehen, so wie Er das geheimste Bedürfnis meines Herzens erfüllt und diese riesige Welt in das Jenseits umwandelt, der diese Welt auflösen und statt ihrer das Jenseits errichten wird, um mir eine ewige Glückseligkeit zu verleihen. So wie Er in der Lage ist, sowohl eine Mücke zu erfinden, als auch den Himmel zu erschaffen, so muss Er auch die Sonne gleich einem Auge am Firmament befestigen und auch die Macht haben, jede Zelle in meinem Auge zu gestalten. Kann Er aber eine Mücke nicht erschaffen, dann kann Er auch nicht tun, was mir am Herzen liegt, dem Flehen meines Geistes nicht lauschen. Kann Er die Himmel nicht erschaffen, dann kann Er mir auch die ewige Glückseligkeit nicht verleihen. So also ist mein Herr der, welcher in der Lage ist, sowohl das, was mir am Herzen liegt, zu veredeln, als auch den Wetterhimmel in einer Stunde mit Wolken zu erfüllen oder von ihnen zu entleeren, das Diesseits ins Jenseits zu verwandeln, das Paradies aufzubauen, mir dessen Türe zu öffnen, und zu sagen: "Los, komm herein!"
   Nun also ihr meine alten Brüder, die ihr so wie ich unglücklicher Weise einen Teil eures Lebens mit lichtloser Philosophie und fremdländischer Wissenschaft verbracht habt! Versteht ihr jetzt den heiligen Erlass, den der Qur'an unablässig verkündet: " La ilahe illa Hu (Es gibt keine Gottheit außer Ihm!)" Wie stark und voll Wahrheit Er doch ist! Er ist auf keine Weise zu erschüttern, zu verletzen oder zu verändern. Versteht, wie dieser Glaubenssatz alle innerliche Finsternis auflöst und alle innerlichen Wunden heilt.    Ein ganz besonders bemerkenswertes geistiges Erlebnis (vakia-i ruhaniye), das er geschaut hat, als er in Istanbul am Haus der Weisheit (Darülhikmette) tätig war und als eine Eingebung in der nun folgenden Abhandlung (Sünuhat Risalah) beschrieben hat.
   Eine Rede, gehalten im Traum 
   Im September des Jahres 1335 (etwa 1916) war ich durch die - infolge der Ereignisse der damaligen Zeit - entstandene Hoffnungslosigkeit sehr niedergeschlagen. In dieser tiefen Finsternis suchte ich nach einem Licht (Nur). Während meines Wachzustandes, der mit den Augen des Geistes betrachtet ein Traumzustand ist, konnte ich es nicht finden. Aber in einem Traumgesicht, das in Wahrheit und Wirklichkeit einem Wachzustand glich, schaute ich nun dieses Licht (Siya). Ich übergehe hier die Einzelheiten und schreibe nur diejenigen Punkte auf, die mir eingegeben worden sind. Es waren die folgenden:
   In einer Freitagsnacht betrat ich im Traum in die Welt der Bilder {Wir unterscheiden zwischen der wirklich erlebten Welt, in der wir Zeugnis ablegen für Gott, also die bezeugte Welt und der nur geträumten Welt, der Traumwelt, also der Welt der Bilder, die ausdeutbar sind. (A.d.Ü.)} Da kam jemand zu mir und sagte: "Eine erlauchte Versammlung, die einberufen wurde, um über die Geschicke des Islam zu beraten, wünscht dich zu sprechen."
   Da ging ich. Und ich sah: Es war da eine Versammlung von Erleuchteten, wie ich dergleichen in dieser Welt noch nie gesehen hatte: die Selef-i Salihin {Die ersten drei Generationen von Gläubigen (A.d.Ü.)} und die Abgeordneten eines jeden Jahrhunderts, eine Versammlung von Abgeordneten für jedes Jahrhundert. Ich blieb verlegen an der Türe stehen. Eine dieser Persönlichkeiten sagte zu mir:
   "Oh du Mann eines Jahrhunderts der Katastrophen und der Verwüstungen! Auch du hast eine Stimme. Äußere deine Meinung."
   Ich blieb stehen und antwortete: "Fragen Sie mich... Ich werde Ihnen Antwort geben."
   Jemand sagte: "Was wird die Folge dieser Niederlage 🙂 der verlorene Krieg) sein? Was wäre geschehen, hätten wir gesiegt?..."
   Ich antwortete: "Weil ein Übel nicht nur für sich allein schlecht ist, manchmal im Glück schon das Unglück enthalten ist, erwächst Glück auch aus Unglück. Das Unglück dieses islamischen Staates, der sich als Bannerträger des Kalifates betrachtet, und dazu ausersehen, sich für die Welt des Islam, die wie ein einziger Leib ist, als ein Opfer darzubringen, und der die allgemeine Verpflichtung zum Djihad auf sich genommen hat, um von Alters her das Wort Gottes hochzuhalten und den Islam für immer unabhängig zu machen, wird durch das zukünftige Glück der islamischen Welt wieder ausgeglichen. Denn dieses Unglück hat das Aufkeimen und den Beginn eines Aufschwungs islamischer Brüderlichkeit, welche die Hefe unseres Lebens und das Wasser unseres Lebens ist, auf wunderbare Weise beschleunigt. Wenn man uns kränkt, weint die islamische Welt. Kränkt Europa uns noch mehr, wird sie schreien. Sollten wir sterben müssen, werden zwanzig von uns sterben, aber dreihundert wieder auferstehen. Wir leben in einem Jahrhundert der Wunder. Zwei, drei Jahre nach dem Tode werden die Auferstandenen vor aller Augen erscheinen. Wir haben durch unsere Niederlage ein vorübergehend aufgehobenes Glück verloren; aber auf uns wartet ein aufgeschobenes beständiges Glück. Wer völlig unwichtige, ständig wechselnde, eng begrenzte Umstände gegen eine weite Zukunft eintauscht, der gewinnt.    - Sogleich forderte man mich von Seiten der Versammlung auf: "Erkläre dies!"
   Da sprach ich: "Der Kampf zwischen den Staaten, zwischen den Völkern räumt den Platz einem Kampf zwischen den gesellschaftlichen Schichten. Denn so wie die Gesellschaft nicht versklavt werden will, so will sie auch nicht zu einem Lohnempfänger werden. Hätten wir gesiegt, hätten wir uns vielleicht in noch stärkerem Maße dazu verleiten lassen. Hätten wir gesiegt, wären wir auf die anarchistischen Tendenzen, wie sie von unseren Gegnern, unseren Feinden ausgehen, in noch stärkerem Maße hereingefallen. Doch diese Bewegung ist sowohl anarchistisch, als auch der Natur der islamischen Welt entgegengesetzt. Sie widerspricht den Interessen der überwältigenden Mehrheit der Gläubigen und wird nur von kurzer Dauer sein. Sie ist schon im Begriff, sich zu zerspalten. Hätten wir uns dieser Strömung angeschlossen, hätten wir uns auf einen Weg gebracht, welcher der Beschaffenheit, der Natur der islamischen Welt entgegenläuft. Von dieser bösartigen Zivilisation haben wir nichts als Schaden gehabt. Wir würden die Vertretung einer Zivilisation in Asien auf uns nehmen, die in der Betrachtung der Scheriah verworfen ist, weil ihre Vorteile nicht ihre Nachteile überwiegen. Sie ist im Urteil des allgemeinen Wohls der Menschheit abgeschafft worden. Das Erwachen der Menschheit hat sie zum Scheitern verurteilt. Sie ist missraten, unbelehrbar, selbstsüchtig und innerlich unkultiviert."
   Jemand aus der Versammlung fragte: "Warum lehnt die Scheriah diese Zivilisation ab?"
{(*): Unser Bestreben ist die Schönheit in der Zivilisation und das Gute zum Nutzen der Menschheit, nicht aber die Sünden und Bosheiten der Zivilisation, jene Bosheiten und Ausschweifungen, welche die Törichten für schön halten und nachahmen und damit unser Erbe zerstören. Weil die Sünden der Zivilisation über ihre guten Seiten gesiegt haben und die Schlechtigkeiten vor den Schönheiten bevorzugt werden, hat die Menschheit in zwei Weltkriegen zwei fürchterliche Ohrfeigen erhalten und diese sündige Zivilisation zugrunde gerichtet, sodass sie sich erbrach und die Erde mit ihrem Blute besudelte. Aber insha-a'llah wird die Schönheit der Zivilisation durch die Kraft der Islamiyet in der Zukunft den Sieg davon tragen, das Antlitz der Erde vom Schmutz reinigen und der allgemeine Friede gesichert werden. (A.d.Ü.)}    Ich antwortete: "Sie ist auf fünf falschen Grundsätzen errichtet. Die Stütze dieser Zivilisation ist die Macht. Daraus resultiert jedoch ihr aggressives Verhalten. Ihr Ziel ist der Nutzen, der Gewinn. Daraus resultiert jedoch die gegenseitige Ausbeutung. Ihr Prinzip im Leben ist der Kampf. Daraus resultiert jedoch der Konflikt. Die zwischenmenschlichen Beziehungen sind auf der Grundlage des Rassismus, und auf der Grundlage des Nationalsozialismus, der sich nur durch Einverleibung anderer Völker ernährt, aufgebaut. Daraus resultieren jedoch die furchtbaren Kollisionen. Verlockende Dienstleistungen steigern Gelüste und Neigungen, befriedigen, was Lust und Laune sich wünscht und erleichtern den Konsum. Diese Gelüste haben jedoch zur Folge, dass die Menschheit von der Stufe eines Engels auf die Stufe eines Hundes herabsinkt. Sie verursachen die innere Entwertung des Menschen. Viele zivilisierte Menschen müsste man sich in der Haut eines Wolfes oder Bären, einer Schlange, eines Schweins oder Affen vorstellen, würde ihr Inneres nach außen gekehrt. So hat die heutige Zivilisation 80/100 der Menschheit dazu gebracht, immer noch mehr zu arbeiten und sich darüber zu beklagen. Zehn Prozent lebt in einem imaginären Glück. Die restlichen zehn Prozent verbleiben zwischen diesen beiden. Aber das Glück ist entweder das Glück aller oder doch wenigstens der Mehrheit. Ist aber nur eine Minderheit in einer Minderheit davon begünstigt, so kann hingegen der Qur'an, der ein Erbarmen ist für das Menschengeschlecht, nur eine solche Kultur anerkennen, die das Glück aller, oder doch wenigstens der Mehrheit mit einschließt. Zudem ist unter der Herrschaft unbeherrschter Wünsche aus einem Bedürfnis nach Entbehrlichem ein Bedürfnis nach Unentbehrlichem geworden. Während in nomadischer Zeit ein Mann vier Dinge bedurfte, hat die Zivilisation sein Bedürfnis auf hundert gesteigert und ihn arm gemacht. Weil aber der Einsatz nicht die Ausgaben deckt, führte dies dazu, zu betrügen und Verbotenes (haram) zu tun; und an diesem Punkt begann die Sittenverderbnis an der Wurzel zu nagen. Im Unterschied zu dem Reichtum und Luxus, den sie der Gesellschaft und den Völkern brachte, hat sie den Einzelnen arm und ohne Moral gemacht."
   "Was alles es an Grausamkeiten im Altertum gegeben hat, spie diese Zivilisation auf einmal aus!" 
   "Es verdient besondere Beachtung, dass die islamische Welt dieser Zivilisation gegenüber so zurückhaltend ist und ihr gleichsam die kalte Schulter zeigt und darunter leidet, wo sie sie annimmt. Denn die göttliche Rechtleitung (hidayet) durch die Scheriah, die als ihre besonderen Vorzüge Selbstgenügsamkeit und Selbstständigkeit verleiht, lässt sich mit der Wesensart römischer Philosophie weder okkulieren noch harmonisieren und kann sie weder absorbieren noch okkupieren! Die alten Römer und Griechen - wie Zwillinge der selben Wurzel entsprossen - haben ihren beiden verschiedenen Wesensarten gleich dem Wasser und dem Öl über Jahre und Jahrhunderte hinweg trotz aller Bemühungen von Christen und Humanisten die Selbständigkeit bewahrt und beide Geistesrichtungen leben auch heute noch, als hätten sie gleichsam eine Metamorphose durchgemacht, in anderer Gestalt fort. Diese beiden, obwohl sie Zwillinge sind und den Umständen nach miteinander harmonieren müssten, harmonieren dennoch nicht miteinander. Das Licht der Rechtleitung (hidayet), das der Geist der Scheriah ist, kann mit römischer Wesensart, die die Basis dieser finsteren und schmutzigen Zivilisation ist, zu gar keiner Zeit harmonieren oder sie in sich aufnehmen!"
   Sie fragten: "Welcher Art ist die Kultur unter der Sheriat-i Garra?"    Ich antwortete: "Die Kultur, welche die Sheriat-i Ahmediye 🙂 isl. Lebensweise) mit einschließt und sie anordnet, ist diejenige welche sich nach dem Zusammenbruch der heutigen Zivilisation entwickeln wird. Sie wird an Stelle der falschen Grundsätze die rechten Grundsätze durchsetzen. So also ist ihre Stütze nicht die Macht sondern das Recht. Auf ihr fußt die ausgleichende Gerechtigkeit. Ihr Ziel ist also nicht der Verdienste im materiellen, sondern das Verdienst im ideellen Sinne. Aus ihr entstehen die gegenseitige Zuneigung und Verantwortlichkeit. Aus dem Blickwinkel der Einheit (vahdet) betrachtet tritt an die Stelle von Rassismus und Nationalismus die Verbundenheit im Glauben, die Liebe zur Heimat und die Kollegialität im Beruf. Aus ihr erwachsen wahrhafte Brüderlichkeit und Eintracht und die Verteidigung einzig für den Fall eines Angriffs von außen. Ihr Prinzip im Leben ist die gegenseitige Hilfeleistung. Ihre Folge ist Einheit (ittihad) und Solidarität. Das Lustprinzip wird durch Rechtleitung ersetzt; so entwickelt sich wahre Menschlichkeit und geistige Vollkommenheit. Das Lustprinzip wird unter Kontrolle gebracht. Statt die Erfüllung primitiver egoistischer Bedürfnisse zu erleichtern, bringt sie die Zufriedenheit einer erhabenen Geisteshaltung.
   Das heißt, wir schwimmen in der zweiten Strömung {die erste Strömung ist die anarchistische (A.d.Ü.)} mit, einer Strömung wie sie den Armen und Unterdrückten entspricht. Wer ärmer ist als 80/100 der Bevölkerung, ist auch vom Islam {Wer darunter leidet, arm und unterdrückt zu sein, leidet auch noch besonders dann, wenn er den Trost der Religion nicht finden kann. (A.d.Ü.)} zu 90/100, ja vielleicht 95/100 ausgeschlossen.
   Solange die islamische Welt dieser zweiten Strömung gegenüber gleichgültig bleibt, oder sich ihr widersetzt, wird sie sowohl ihrer Stütze beraubt werden, als auch sinnlose Opfer bringen müssen, als auch - falls sie von ihr überflutet wird - dazu gezwungen sein, sich umzustellen und sich selber zu verwandeln, wenn sie nicht klug vorgehen und dieser Strömung eine islamische Form geben und sie so für sich nutzbar machen will. Denn der Feind des Feindes ist ein Freund solange er dessen Feind bleibt; desgleichen ist der Freund des Feindes ein Feind, solange er dessen Freund bleibt. Weil diese beiden Strömungen einander entgegenlaufen, ihre Ziele einander entgegengesetzt sind, ihre Interessen einander zuwiderlaufen, sagt die eine: "Stirb!", während die andere "Steh auf und lebe!" sagt. Während die eine zu ihrem Vorteil den Schaden, den Streit, den Verfall, die Schwäche und unseren Schlaf benötigt, braucht die andere hingegen zu ihrem Vorteil unsere Stärke und Einheit (ittihad). 
   Die Feindschaft gegenüber dem Osten {Mit "Osten" ist hier der Islam, mit "Westen" ist die europäische sekularisierte Denkweise gemeint. (A.d.Ü.)} hat die Ausbreitung des Islam erstickt.
   Sie ist begraben worden und muss begraben werden... Die Feindschaft gegen den Westen war der wichtigste Grund für die islamische Einigung (ittihad) und die Entfaltung der Brüderlichkeit. Sie muss beibehalten werden...
   Die Versammlung gab spontan ihre Zeichen der Zustimmung. Sie sagten:
   "Ja, Sie sollten Hoffnung schöpfen! Die lauteste Stimme innerhalb einer zukünftigen Wandlung wird die Stimme des Islam sein!"
   Wiederum fragt jemand:
   Katastrophen sind die Folge kapitaler Verbrechen und der Beginn einer Belohnung. {Gott schenkt dem, der seine Strafe verbüßt hat, eine Belohnung. (A.d.Ü.)} Aufgrund welcher Handlungen hat das Schicksal {Schicksal: Qader, (ein Glaubensartikel) das, was Gott für die Menschen bestimmt hatte. (A.d.Ü.)} über die Menschen ein solches Urteil gefällt, sie zur Strafe einer solchen Katastrophe verurteilt? Eine allgemeine Katastrophe entsteht aus den Fehlern der Mehrheit. Was ist derzeit ihre Belohnung?
   Ich antwortete: "Das beginnt mit der Vernachlässigung der drei wichtigsten Säulen des Islam: Gebet, Fasten, Almosen. Nur eine von vierundzwanzig Stunden will der erhabene Schöpfer von uns für die fünf Gebete täglich. Wir waren nachlässig. Da ließ er uns fünf Jahre lang vierundzwanzig Stunden täglich exerzieren, strapazieren, marschieren. Dies sollte unser Gebet sein. So erwartete Er jährlich nur einen Monat zu fasten von uns. Wir haben uns selbst bedauert. Zur Buße ließ Er uns fünf Jahre fasten. Von den Gütern, die Seine Güte uns geschenkt hat, erwartete Er eines von zehn, ja nur eines von vierzig als Zekat. Wir waren geizig und ungerecht. Da hat Er von uns die aufgelaufenen Sekatsschulden eingesammelt.
اَلْجَزَاءُ مِنْ جِنْسِ اَلْمَلِ
{"Die Strafe richtet sich nach der Art des Verhaltens"}
   Unsere derzeitige Belohnung aber ist die, dass er ein Fünftel, das heißt vier Millionen unseres sündigen, frevelhaften Volkes in den Rang von Heiligen erhob, sei es, dass sie als Ghazi (Kämpfer) heimkehrten, oder als Schehit (Zeugen) auf den Schlachtfeldern liegen blieben. Das gemeinsame Unglück, das aus den gemeinsamen Fehlern entstanden ist, löschte die Sünde der Vergangenheit aus.
   Wieder sagte jemand: "Wenn aber ein Befehlshaber durch seine Schuld das Unglück heraufbeschworen hätte?"
   Ich antwortete: "Wer von der Katastrophe heimgesucht wurde, erwartet seinen Lohn. Ihm werden entweder die Verdienste des schuldigen Befehlshabers gutgeschrieben, was so gut wie nichts wäre, oder er erhält seinen Lohn aus dem unsichtbaren Schatz. Was aber diesen unsichtbaren Schatz betrifft, so ist er der Lohn für dergleichen Dinge und erhebt in den Rang eines Märtyrers oder Kämpfers.    Ich merkte, dass die Versammlung dies gutgeheißen hatte. Ich befand mich in einer erhabenen Stimmung. Ich erwachte erregt und schwitzend und fand mich selbst, sitzend in meinem Bett, meine Hände gefaltet; und so verbrachte ich die Nacht.
  * * * 
   Bei Bediüzzaman fanden sich keine anderen Bücher (als der Qur'an).
   Fragte man ihn: "Warum schlägst du nicht in anderen Büchern nach?", antwortete er: "Ich möchte alle Dinge aus dem Qur'an selbst entnehmen und meine eigene Meinung darüber zurückhalten."
   Zitierte er aus seinen Werken, entnahm er Textstellen, die er für erforderlich hielt, ohne sie zu ändern.
   Fragte man ihn: "Warum wiederholst du derart wörtlich?", so antwortete er: "Die Wahrheit verdrießt nicht. Ich möchte das Kleid nicht verändern."
   Es wurde oben bereits kurz erwähnt, dass Bediüzzaman zwölf Traktate über die Wahrheit
{(*): Die Werke, die Üstad Bediüzzaman Said Nursi Hazretleri damals in Istanbul und danach zum Teil in Ankara drucken und veröffentlichen ließ, wurden vierzig Jahre später unter dem Titel "Arabische Mesnevi-i Nuriye" als Sammelband herausgegeben. In der Einführung zur Mesnevi-i Nuriye sagt er über dieses Werk:
   "Weil der 'Alte Said' vor vierzig, fünfzig Jahren sich sehr viel mit Philosophie und Geisteswissenschaften beschäftigte, suchte er um des Wesens der wahren Erkenntnis willen seine Berufung ähnlich den Ordensleuten (tariqat) und Grundlagenforschern. Aber es genügte ihm nicht, so wie die meisten Ordensleute, einzig den Eingebungen seines Herzens zu folgen. Denn sein Geist und Verstand waren bis zu einem gewissen Grade von der Weisheit der Philosophen her angekränkelt und Heilung tat not. Darum wollte er einigen Großen unter den Grundlagenforschern folgen, die sich auf der Suche nach der Wahrheit sowohl nach ihrem Herzen als auch nach ihrem Verstand richteten. Er schaute sich um und sah, dass jeder einzelne unter ihnen seine besonderen Eigenarten hatte, von denen er sich angezogen fühlte. So blieb er denn unschlüssig, welchem von ihnen er folgen solle. Da erhielt er durch Imam Rabbani den verborgenen Wink: "Tauhid sei deine Kible!", das heißt: "Folge nur einem einzigen Meister!" Da kam es dem alten Said in das weitwunde Herz: Der wahre Meister ist der Qur'an. Tauhid-i Kible geschieht durch diesen Meister. So begann er unter der Rechtleitung (irshad) nur dieses heiligen Meisters sowohl mit dem Herzen als auch mit dem Verstand auf eine recht bemerkenswerte Weise den "Weg" (suluk) zu gehen. Ein rastlos-ruheloser Geist (nefs-i emmare) zwang ihn dazu, sich innerlich wie wissenschaftlich durch Ungewissheit und Zweifel hindurchzukämpfen. Nicht mit geschlossenen Augen, sondern wie Imam Ghazali, Mevlana Djelaleddin und Imam Rabbani die Augen des Herzens, Sinn und Verstand geöffnet, wandelte er dort, wo die Ekstatiker die Augen des Verstandes geschlossen haben, offenen Auges auf diesen Stufen. Gott der Gerechte sei unendlich gelobt, dass er durch die Belehrung und Rechtleitung (irshad) des Qur'an den Weg der Wahrheit gefunden hat. Denn der alte Said zeigte durch die Risale-i Nur des neuen, dass er zur Wahrheit des Wortes:
وَفِى كُلِّ شَىْءٍ لَهُ اٰيَةٌ تَدُلُّ عَلٰٓى اَنَّهُ وَاحِدٌ
("Jedes Ding trägt ein Zeichen, das die Einheit Gott beweist.")
gelangt war. Hatte er wie Maulana Djelaluddin, Imam Rabbani und Imam Ghazali versucht, Herz und Verstand miteinander in Einklang zu bringen, so versuchte er nun, vor allen Dingen Geist und Gemüt von den Wunden zu heilen und seiner Seele vor Irrtum und Einbildung Rettung zu verschaffen. Gott sei Lob, Preis und Dank, dass Er so den Alten Said in den Neuen Said verwandelt hat. Wie die Mesnevi, dessen Original persisch verfasst und später ins Türkische übersetzt wurde, so verfasste auch er gleich einer Art Mesnevi Abhandlungen "Qatre (Tropfen)", "Hubab (Schaum)", "Habbe (Korn)", "Zuhre (Morgenstern)", "Zerre (Stäubchen)", "Schemme (Spur)", in arabischer sowie "Nokta (Punkt)", und "Lemaat (Blitze)" in türkischer Sprache, jede ganz kurz zusammengefasst. Fand er eine Möglichkeit dazu, ließ er sie auch drucken. Es war fast ein halbes Jahrhundert vergangen, seit seine Berufung in der Risale-i Nur ihren Niederschlag gefunden hatte. Aber statt nur innerlich einen Kampf gegen sich selbst und den Teufel zu führen, wurde ihm die Risale-i Nur zu umfangreichen und allgemeinen Arten von Mesnevi, nach außen gerichtet gegen die Philosophen, die auf Irrwegen gehen und zum Wohle für diejenigen, welche ihrer bedürfen und noch unschlüssig sind.
   Diese Mesnevi wurde zu einem Pflanzenbeet, das wie die Turuk-u hafiye ins Innere der eigenen Seele hineinwirkt. Ihr gelang es, im Inneren von Geist und Gemüt einen Weg aufzutun.
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   Aus der Mesnevi wurde die Risale-i Nur, aus dem Pflanzenbeet ein Garten, mit dem Blick sowohl ins Reich der Seele, als auch, wie bei den meisten Richtungen der Turuk-u Djehriye, zum Horizont eines äußeren Kreises und öffnete überall einen breiten Weg zur Erkenntnis Allahs. Gleich Moses, mit dem Friede sei, mit seinem Stabe schlug diese Mesnevi überall Wasser aus dem Felsen.
   Der Geist, den diese Risale-i Nur atmet, folgt nicht der Methode der Weisen und Gelehrten, sondern öffnet durch ein verborgenes Wunder des Qur'an in allen Dingen ein Fenster zur Erkenntnis. Er hat das Geheimnis, welches dem Qur'an zu eigen ist, so erfasst, dass er die Arbeit eines Jahres in einer Stunde bewältigen könnte. Deshalb wurde er auch in dieser fürchterlichen Zeit in zahllosen Angriffen der Unbelehrbaren niemals besiegt, sondern er hat gesiegt!}
im Qur'an hatte drucken lassen. Von ihnen waren drei, vier in türkischer, die übrigen in arabischer Sprache verfasst. Bis zu dieser Zeit gab es kein einziges Buch, das die Wahrheit in solch einer beispiellosen Art erklärt und beweist.    Folge nur einem einzigen Meister 
   Zu der Zeit, die er an der Darü'l-Hikmet verbrachte, vollzog sich in ihm eine geistige Wandlung, über die er in einem seiner später veröffentlichten Werke Folgendes berichtet:    "Auf den Kopf des Alten Said in seiner Sorglosigkeit hagelte es fürchterliche Schläge herab. Er dachte an seinen Urteilsspruch 'Der Tod ist wahr.'    Er sah sich selbst in Schlamm und Schmutz, erwartete Hilfe, suchte einen Weg, hielt Ausschau nach einem Retter, sah, wie verschieden die Wege waren, zögerte unentschlossen. Da wandte er sich an Scheich Geylani, der ein Gavs-ul Adham ist, griff zu seinem Futuh-ul ghayb, schlug das Buch auf und der Satz sprang ihm die Augen:
   'Du bist im Hause der Weisheit (Darul hikmet). Suche einen Arzt, der dein Herz heilen kann!'
   Das war merkwürdig! Denn ich war damals Mitglied der Darül Hikmet-il'Islamiye. Es war, als sei ich ein Arzt, der sich darum bemüht, die Wunden der Muslime zu heilen. Aber die schwerste Krankheit hatte ich selbst. Ein Kranker muss sich zuerst um sich selbst kümmern, bevor er andere Kranke besuchen kann. So also sagte mir Hazret-i Scheich: "Du selbst bist krank. Suche einen Arzt für dich!" Ich antwortete: "Sei du mein Arzt!" Es war mir, als spräche er selbst zu mir, las das Buch so, als redete es mit mir. Aber sein Buch war fürchterlich. Und schrecklich war es, wie es meinen Stolz zerbrach. Es vollzog in meiner Seele eine fürchterliche Wundoperation. Ich konnte dem nicht länger standhalten. Ich las es bis zur Hälfte, machte es mir zu meinem Gesprächspartner, hatte keine Ausdauer mehr, es zu Ende zu lesen. Ich legte das Buch in den Schrank. Aber danach vergingen die Schmerzen, die diese heilbringende Operation verursacht hatte. Ich bekam Geschmack an diesem Buche meines ersten Lehrers (Ustad), las es jetzt ganz durch und zog einen großen Nutzen daraus. Ich lauschte seinen Hymnen und Gebeten und empfing viel Segen und Gewinn. Danach habe ich die 'Mektubat' vom Imam Rabbani gesehen. Ich nahm sie in meine Hand, bat in reiner Absicht um ein Zeichen und schlug sie auf. Seltsamer Weise gibt es in den ganzen Mektubat nur zwei Stellen, wo von einem 'Bediüzzaman' die Rede ist. Unerwartet öffneten sich mir diese beiden Briefe ('Mektup'). Meines Vaters Name war Mirza und ich sah, dass als Titel auf dem ersten dieser Briefe 'Brief an Mirza Bediüzzaman' geschrieben stand. 'Lobpreis und Dank sei Gott!' sagte ich: diese Rede gilt mir. Ein Beiname des Alten Said war damals 'Bediüzzaman'. Denn außer Bediüzzaman-i Hemedani, der im dritten Jahrhundert nach der Hidjra unter diesem Beinamen berühmt geworden war, kannte ich keine Persönlichkeiten mit diesem Titel. Das heißt, es hatte zu Imams Zeiten noch einen Mann gegeben, dem diese beiden Briefe geschrieben worden waren. Der Zustand dieses Mannes ähnelte meinem eigenen Zustand so, dass ich in diesen beiden Briefen ein Heilmittel für meinen Kummer fand. Der Imam empfiehlt in diesen beiden Briefen das, was er auch in vielen anderen Briefen empfohlen hat, nämlich: 'Tauhid sei deine Kible!" das heißt: "Nimm dir nur einen einzigen Meister, folge ihm nach und kümmere dich um keinen anderen!' Dieser sein wichtigster Rat entsprach meiner Begabung und meinem Geisteszustand nicht. Ich dachte lange nach... sollte ich diesem folgen? oder sollte ich einem anderen folgen? Ich blieb unschlüssig. Jeder von ihnen hatte seine besonderen Eigenarten, von denen ich mich angezogen fühlte. Nur einer von ihnen genügte mir nicht. Während ich noch unschlüssig war, gab Gott der Gerechte meinem Herzen ein: Der Anfang dieser verschiedenen Wege (tariqat), die Sonne inmitten der Planeten und die Quelle, aus der die Bewässerungskanäle gespeist werden, ist der Weise Qur'an, die wahrhaftige Tauhid-i Kible findet sich in ihm. Wenn dem so ist, dann ist er auch der erhabenste Lehrer (murshid) und der heiligste Meister (Ustadh), an dem ich mich festhalte..."
{(*): Am Ende dieser Schrift sagt er: "Meine mangelhafte, nicht gesammelte Veranlagung kann sicherlich nicht den Nutzen, den Segen, dem Wasser des Lebens gleich, von diesem wahrhaften Lehrer so aufsaugen wie es sich gebührt. Wir können diesen Segen aber dem Grade der Leute des Herzens (der Sufis) und der Besitzer des Zustandes (der Ekstatiker) entsprechend, dieses Wasser des Lebens, wiederum mit seinem Segen sichtbar machen. Das heißt: diese 'Sözler (Worte)' und 'Nurlar (Lichter)', die aus dem Qur'an entstanden, sind nicht nur wissenschaftliche Fragestellungen, sondern Fragestellungen des Herzens, des Geistes, des (ekstatischen) Zustandes nach dem Glauben und gelten als eine sehr hohe und wertvolle Gotteserkenntnis."}
  * * *     Hier eine Antwort für diejenigen, welche sagen: "Wir sehen, dass Sie wegen des verlorenen Weltkrieges so überaus traurig sind."
   "Ich habe mein eigenes Leid ertragen. Aber die Schmerzen wegen der Leiden der Muslime haben mich erdrückt. Doch spüre ich, wie die Schläge, die man der islamischen Welt versetzt, zuerst mein eigenes Herz treffen. Darum bin ich so sehr bedrückt. Doch ich sehe ein Licht, dass diese meine Schmerzen vergessen machen wird", sagte er und lächelte dabei.
   In Istanbul war sein Werk " Khutuvat-i Sitte (Sechs Schritte)" der größte, bedeutendste und wirkungsvollste Dienst an Volk und Vaterland. Damals tobte der Kampf um die Dardanellen. Man zeigte dem englischen Oberkommandierenden nach der Eroberung und Besetzung Istanbuls dieses Werk und informierte ihn darüber, dass Bediüzzaman ihm mit ganzer Kraft Widerstand leiste. Dieser Kommandant, der vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckte, hatte zunächst die Absicht, ihn zum Tode zu verurteilen und ihn auf diese Weise aus dem Wege räumen zu lassen. Als man ihm jedoch Mitteilung machte, dies würde in Ost-Anatolien unter den Stämmen dort einen Aufstand um jeden Preis auslösen und ewige Feindschaft gegenüber den Engländern zur Folge haben, sah er sich gezwungen, davon Abstand zu nehmen.
   Während sich die Engländer darum bemühten, in Istanbul durch ihre Intrigen den Scheichu'l-Islam und einige der übrigen Gelehrten auf ihre Seite zu ziehen, machte Bediüzzaman im Gegensatz dazu überall die Kolonialpolitik der Engländer, ihre Intrigen, ihre historische Feindseligkeit gegenüber der islamischen Welt und den Türken bekannt. Dadurch unterstützte er die nationale Befreiungsbewegung in Anatolien und wurde für sie einer ihrer bedeutendsten Eckpfeiler.
  * * * 
   Die Regierung in Ankara, die beobachtet hatte, wie durch diese seine so bedeutsamen und erfolgreichen Dienste in Istanbul für das türkische Volk ein so außerordentlich großer Nutzen gewonnen werden konnte, maß Bediüzzaman so viel Wert und Wichtigkeit bei, dass sie ihn nach Ankara einlud. Aber obwohl Mustafa Kemal Pasha ihn durch verschlüsselte Botschaften eingeladen hatte, schrieb er ihm zur Antwort:
   "Ich will kämpfen, wo es für mich gefährlich ist. Es wäre mir unangenehm, aus sicherer Deckung heraus kämpfen zu müssen. Ich meine, dass es hier noch gefährlicher ist, als in Anatolien."
   Dreimal schickte man ihm verschlüsselt eine Einladung. Endlich - durch die Vermittlung des alten Gouverneurs von Van, seines Freundes und Abgeordneten Tahsin Bey, eingeladen - entschließt er sich, nach Ankara zu gehen. In Ankara wird er mit großer Begeisterung empfangen. Aber er fand nicht die Atmosphäre, die er erhofft hatte. Er nahm seinen Aufenthalt in der Gegend von Hadji Bayram. Er traf im Parlament eine Gleichgültigkeit gegenüber dem Glauben an und erkannte, dass die Verwestlichung zu einer Gleichgültigkeit gegenüber all den Dingen geführt hatte, die Kennzeichen des Islam sind und auf die das türkische Volk in seiner heiligen Geschichte so stolz ist. So verfasste er für die Abgeordneten eine Erklärung über die Notwendigkeit und die Bedeutung der Grundpfeiler des Islam (ibadet) und besonders die beständige Verrichtung des täglichen Gebetes (namaz) und verteilte sie im Parlament.
   Nach dieser Rede vor den Abgeordneten schlossen sich denen, die das Gebet verrichten, noch sechzig weitere Abgeordnete an. An Stelle des kleinen Gebetsraumes (namazgâh) wurde ein größerer Saal zur Verfügung gestellt.    Im Abgeordnetenhaus in Ankara 
   Dieser Artikel, der den Abgeordneten, allen Kommandanten und den Gelehrten vorgelesen wurde, hatte eine heftige Diskussion mit dem Präsidenten zur Folge. Während einer Kabinettsitzung sagte Mustafa Kemal Pasha eines Tages bei einem Meinungsaustausch unter fünfzig, sechzig Abgeordneten zu Bediüzzaman:
   "Wir brauchen einen unerschrockenen Hodja wie Sie. Wir haben Sie hierher eingeladen, weil wir uns von Ihrer hohen Meinung einen Nutzen versprochen haben. Sie sind zwar gekommen, aber Sie haben uns zunächst über die Dinge geschrieben, die das Gebet betreffen und uns dadurch in Konflikt gebracht."
   Auf diese Bemerkung hin gab ihm Bediüzzaman zunächst einmal eine treffende Antwort und sagte dann, zwei Finger in heftiger Erregung ausgestreckt:
   "Pasha! Pasha! Im Islam ist das Gebet (namaz) die höchste Realität nach dem Glauben (iman). Wer das Gebet nicht verrichtet, ist nicht mehr vertrauenswürdig und verliert die bürgerlichen Ehrenrechte und wird nicht als Zeuge anerkannt."
   Da bat ihn der Pasha um Entschuldigung und drang nicht weiter in ihn.
   Während der Zeit, das sich Bediüzzaman in Ankara aufhielt, ließ er keinen Augenblick davon ab, sich um den Aufbau einer Hochschule im Osten (Darü-l'Fünun) zu bemühen, was ja stets sein erstes Ziel gewesen war.
   Eines Tages sprach er zu der Versammlung der Abgeordneten:
   "Mein ganzes Leben lang folge ich der Idee dieses Darül'Fünun. Sultan Reschad und die Mitglieder der Ittihad haben mir zwanzig tausend Goldlira dafür gegeben. Fügen Sie noch einmal so viel hinzu..." Daraufhin entschlossen sie sich, ihm hundertfünfzig tausend Lira in Banknoten zu bewilligen. Er sagte daraufhin: "Dies müssen die Abgeordneten unterzeichnen."    Manche Abgeordneten sagten aber nun:
   "Du verfolgst die Linie der Medresse, der reinen Schule der Islamiyet. Heute jedoch muss man sich nach dem Westen richten."
   Bediüzzaman entgegnete: "Unsere östlichen Provinzen sind in gewisser Weise der Mittelpunkt der islamischen Welt. Deshalb ist an der Seite der neuen Wissenschaften auch die Religionswissenschaft notwendig, ja unerlässlich. Denn die Tatsache, dass die meisten Propheten im Osten und die meisten Philosophen im Westen Anklang gefunden haben, zeigt uns, dass der Aufstieg des Ostens an die Religion gebunden ist. Ihr mögt in anderen Provinzen nur die neuen Wissenschaften lehren; in den östlichen muss auf jeden Fall im Interesse des Volkes und des Landes die Religionswissenschaft die Grundlage sein. Anderenfalls können sich die Muslime, die keine Türken sind, nicht mehr in Wahrheit als Brüder der Türken empfinden. Wir brauchen heute gegenüber so vielen Feinden die gegenseitige Hilfe und Solidarität. Lassen Sie mich Ihnen in diesem Zusammenhang ein wahrheitsgemäßes Beispiel anführen:
   Ich hatte da einmal einen Schüler, der kein Türke war. Dieser tüchtige und hochintelligente Schüler sagte in seiner Begeisterung, die er mit dem Unterricht in den religiösen Wissenschaften an meiner alten Schule vermittelt bekam, immer: "Ein aufrechter Türke {Ein Mann, der sich an die Vorschriften des Islam hält. (A.d.Ü.)} ist mir mehr ein Bruder und Verwandter als mein sündiger {Einer, der zwischen helal (Erlaubtem) und haram (verwehrtem) nicht unterscheidet. (A.d.Ü.)} Bruder oder Vater."
   Später studierte der gleiche Schüler unglücklicher Weise nur noch die neuen materialistischen Wissenschaften. Als ich ihm vier Jahre danach - bei meiner Rückkehr aus der Gefangenschaft - wieder begegnete, kam unser Gespräch auch auf die nationale Begeisterung. Er sagte mir: "Ich bevorzuge heute einen Kurden, der ein Ketzer ist, vor einem türkischen Hodja, der ein wahrer Muslim ist."
   Ich entgegnete ihm: "Oh weh! Ist es mit dir schon so weit gekommen!?" Eine Woche lang habe ich mir mit ihm Mühe gegeben und ihn auch schließlich von seiner falschen Einstellung überzeugt. Er kehrte zu einer alten, echten Begeisterung zurück.
   Sehen Sie, meine Herren Abgeordneten!... Wie wichtig ist doch der erste Zustand dieses Schülers für das türkische Volk! Ich überlasse es Ihren Überlegungen, wie wenig passend der zweite Zustand für das Wohl des Vaterlandes ist. Das heißt also - einmal angenommen den unmöglichen Fall - Ihr könntet an irgendeinem anderen Ort die weltlichen Dinge den religiösen vorziehen und der Politik einen größeren Wert beimessen als dem Glauben. Ihr müsstet dennoch in den Ostprovinzen der religiösen Bildung einen gewaltigen Wert beimessen.
   Da diese Darlegungen den Tatsachen entsprachen, setzten 163 Abgeordnete ihre Unterschrift unter diesen Beschluss, nachdem die Gegner den Saal verlassen hatten.
  * * * 
   Bediüzzaman war in der Hoffnung nach Ankara gekommen, "es werde in der islamischen Welt ein großes Erwachen und einen neuen Frühling geben;" eine Hoffnung, die er schon als Kind gehegt hatte und für deren Wegbereitung er entschlossen war, sein Leben zu opfern und in deren Verwirklichung er das Ziel und die Frucht seines Lebens sah. Er hatte schon in Ost-Anatolien, noch bevor er nach Istanbul ging, und zu einer Zeit, da die Meshrutiyet noch nicht ausgerufen war, mit Hunderten von Gelehrten und anderen Persönlichkeiten diskutiert. Als er dann plötzlich in Istanbul auftauchte, versetzte er die Gelehrten in Erstaunen und die Politiker in Aufregung, was bezeigt, dass er aus dem gleichen Geiste derer war, denen es ein Herzensanliegen war, dem Islam den Weg zu bereiten. Und er hatte auch selbst schon seit langem die Verantwortung für diese Aufgabe und auch die Liebe und Freude dazu in sich verspürt.
   Gleich nach der Verkündigung der Hürriyet (Freiheit) veröffentlichte er - in der Hoffnung, die Meshrutiyet als Dienerin der Scheriat einsetzen und so in Anatolien und in der islamischen Welt eine große glückliche Zeit heraufführen zu können, Artikel in den Zeitungen und hielt Vorträge; was alles eine Folge dieser seiner oben erwähnten Absicht und Vorstellung war. Wie man aus "El-Hutbetush-Shamiye", "Sunuhat", "Lemaat" und manchen anderen Werken ersehen kann, verkündete er: "in dieser düsteren Zukunft mit all ihren Umwälzungen wird die Stimme des Qur'an einen Widerhall finden, der über alles mächtig und majestätisch ist."
  Nach dem Untergang des Reiches der Abbassiden nahmen die Türken die Regierung der islamischen Welt in die Hand. Nachdem sie tausend Jahre mit Macht regiert und das Kalifat verwaltet hatten, brach ein Weltkrieg aus, der die ganze Welt in Schrecken versetzte und das osmanische Reich zerstörte. Und nachdem die Feinde des Islam die Hauptstadt besetzt hatten, glaubten sie bereits, sie hätten den Islam zugrunde gerichtet. So also war das, als Bediüzzaman durch die Offenbarung Gottes geführt und mit einem Gnadenerweis Seiner Allmacht in einer außerordentlich bedeutsamen Zeit, da sich eine Bewegung zur Verbreitung des Glaubens anzukündigen schien, nach Ankara ging, in der Hoffnung selbst dabei mitwirken zu können. In der neuen republikanischen Regierung, die mit der Hilfe Gottes und des Wunders des Propheten 🙂 des Qur'ans) die Angriffe der Feinde zurückgeschlagen hatte und an die Spitze von Volk und Staat gelangt war, strebte er danach, das Parlament seine Absicht erklären möge, sich in all seinen Entscheidungen unmittelbar auf die Lehre des Qur'an zu stützen, mit dem Ziel, auf der Einheit der islamischen Welt als Basis aufbauend, eine Kultur im wissenschaftlich-praktischen wie ethisch-moralischen Sinne zu schaffen, wie sie mit Hilfe der erhabenen Kraft in der Wahrheit der Islamiyet gefunden wird. Aber besonders mächtige Hindernisse stellten sich ihm in den Weg.
   Er hatte bereits sehr wohl verstanden, dass es sich hier um jene Zeit handelte, vor der, was die Welt des Islam betrifft, die Umma seit dreizehn Jahrhunderten als vor einer fürchterlichen Gefahr zu Gott ihre Zuflucht genommen hatte. Und er wusste auch, wer diejenigen waren, die das Feuer der Zwietracht (fitna) schüren.
   Eines Tages konferierte er zwei Stunden lang mit Mustafa Kemal Pasha im Präsidiumssaal. Er gemahnte ihn daran, dass es für Volk und Vaterland und die islamische Welt großen Schaden bringen werde, wenn man die Kennzeichen des Islam abschaffen wolle, in der Hoffnung, sich unter den Feinden des Islam und der Türken einen Namen zu machen. Wenn es nun schon einmal notwendig sei, eine Revolution hervorzubringen, so müsse diese unmittelbar den Standpunkten der Islamiyet entsprechend ausgerichtet sein und auf dem heiligen Grundgesetz des Qur'an beruhen. Dazu gab er ihm das folgende Beispiel:
   "Zum Beispiel: Zu einer Zeit, da gesegnete und ehrenwerte Leute, Menschen von Tugend und Vollkommenheit die Ayasofya füllten und sich in den Gängen und an den Türen einige nichtsnutzige Kinder und ein paar ungesittete Schelme herumtrieben und vor den Fenstern und in deren Nähe ein paar neugierige Ausländer, Urlauber und Touristen zuguckten, die sich amüsieren wollten, betrat ein Mann diese Moschee, schloss sich der Gemeinde (der Gläubigen) an und begann mit einer wohllautenden Stimme und auf schöne und angenehme Weise einen Abschnitt aus dem Qur'an vorzutragen, worauf Tausende Kenner der Wahrheit auf ihn aufmerksam wurden und sich ihm voll Hochachtung und Bewunderung zuwandten. So empfing er durch sie und ihr stummes Gebet seinen (himmlischen) Lohn und nur ein paar nichtsnutzigen Kindern und gottlosen Schelmen und den wenigen Ausländern wird (sein Gesang) nicht gefallen. Ginge der Mann aber in diese ehrwürdige Moschee, zu dieser gewaltigen Gemeinde und begönne nun lauthals gemeine, sittenlose, unzüchtige Liedchen zu grölen und dazu zu hopsen und zu tanzen, so würden diese nichtsnutzigen Kinder lachen und den sittenlosen Schelmen würde es gefallen, weil es sie zur Unzucht ermuntert, und er würde den Ausländern ein süffisantes Lächeln entlocken, wenn sie die Fehler im Islam entdeckte und sich darüber freuten. Aber er wird auch von jedem einzelnen dieser ganzen, großen, gesegneten Gemeinde Blicke des Abscheus und der Missbilligung auf sich lenken. Er wird in ihren Augen auf die Stufe der Niedrigsten aller Niedrigen gefallen sein.
   Genau wie in diesem Beispiel ist auch Asien und die islamische Welt eine gewaltige große Moschee. Und in ihr sind die Leute des Glaubens und der Wahrheit die ehrenwerte Gemeinde dieser Moschee (in unserem Beispiel). Was die nichtsnutzigen Kinder betrifft, so sind es die Speichellecker mit dem Verstand eines Kindes. Die sittenlosen Schelmen sind alle diese fränkisch (d.h. westlich) gesinnten Strolche, die ihr (türkisches) Vaterland und ihren (islamischen) Glauben nicht mehr kennen. Was die Touristen aus dem Ausland betrifft, so handelt es sich hier um Journalisten, die fremdländische Ideen verbreiten. Jeder Muslim aber, besonders wenn er einer von den tugendhaften und vollendeten ist, hat seinen Platz in der Moschee entsprechend seinem Grad und Rang, der allen sichtbar ist, sodass er die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich lenkt. Wenn die Taten und Handlungen (dieses Muslims) aus den heiligen Wahrheiten und den Gesetzen heraus entstehen, die der Weise Qur'an lehrt, und sie der Wahrhaftigkeit und dem Wohlwollen Gottes entsprechen, die das grundlegende Geheimnis des Islam sind, so liest (er in dieser Weise gewissermaßen) innerlich und ohne Worte die qur'anischen Ayat, dann schließt er sich damit innerlich auch in das immerwährende Gebet (vird-i zebani) eines jeden in der islamischen Welt mit ein اَللّٰهُمَّ اغْفِرْ لِلْمُؤْمِنِينَ وَالْمُؤْمِنَاتِ
{"Oh Gott vergib allen gläubigen Männern und Frauen!" (Du'a)}
und erhält seinen Anteil an ihm und wird so mit der ganzen Gemeinde (umma) brüderlich verbunden. Nur in den Augen einiger törichter Leute, die in die Irre gehen und von denen einige wilde Tieren, andere bärtigen Kindern gleichen, kann einen solchen Wert nicht erkennen. Wenn einer von ihnen sich von seinen Vorvätern lossagt, dem Urgrund, aus dem seine Ehre und seine Geschichte erwächst, auf die er stolz ist, und in seinem Geist die leuchtende Straße seiner rechtschaffenen Vorgänger verlässt, den sie doch für ihren Stützpunkt gehalten hatten, und dann Dinge tut, durch die er seiner eigenen Lust und Laune folgt und wie ein Heuchler nach Ruhm sucht und nach Neuerungen (bid'a) strebt, so wird er in den Augen der Leute der Wahrheit und des Glauben auf die allerunterste Stufe herabsinken.
   Nach dem Geheimnis
اِتَّقُوا فِرَاسَةَ الْمُؤْمِنِ فَاِنَّهُ يَنْظُرُ بِنُورِ اللّٰهِ
{"Achte die Einsicht eines Gläubigen, denn er schaut im Lichte Gottes!" (Hadith)}
schaut das Herz selbst noch eines einfachen und unwissenden Gläubigen, auch wenn sein Verstand es nicht bewusst wahrnimmt, mit Kälte und Abscheu, auf solche eigensinnige und selbstsüchtige Menschen.
   Und so steigt denn der Mann, der doch eigentlich fortgetrieben wird, von seinem Willen aufzusteigen und besessen ist von der Gier nach Ruhm, jener zweite Mann, in den Augen einer zahllosen Gemeinde hinab zu den Niedrigsten der Niedrigen. Und gewinnt in den Augen einiger bedeutungsloser, spöttelnder, zuchtloser Schelmen einen vorübergehenden, unansehnlichen Platz.    In dem Geheimnis
اَ ْلاَخِلاّٰءُ يَوْمَئِذٍ بَعْضُهُمْ لِبَعْضٍ عَدُوٌّ اِلاَّ الْمُتَّقِينَ
{"Freunde werden an jenem Tag einer des anderen Feind sein, außer den Aufrechten." (Sure 43, 67)}
wird er nur einige wenige falsche Freunde finden, die ihm in dieser Welt ein Schaden, in der Zwischenwelt (berzah) eine Qual und in jener Welt seine Feinde sein werden.
   Der Mensch in unserem ersten Bild wird, auch wenn er dieses Bestreben etwas besseres zu sein, nicht aus dem Herzen zu reißen vermag, doch unter der Bedingung, dass er ehrlich und aufrichtig (ihlas) nach Gottes Wohlgefallen sucht und sich dieses Bestreben, stets ein Aufsteiger zu sein, nicht zur Richtschnur macht, doch eine Art geistlichen Rang (maqam) erlangen, der ihn, getrieben von seinem Wunsch, mehr zu sein, als nur ein Emporkömmling, voll und ganz zufrieden stellt. Dieser Mensch wird wenige Dinge, ja eigentlich nur sehr wenige Dinge, nur etwas Bedeutungsloses verlieren und an seiner Stelle viele Dinge, und in der Tat sehr viele Dinge, etwas wirklich Wertvolles gewinnen, das keine Gefahr für ihn birgt. Er wird vielleicht einige Schlangen von sich fort jagen und an ihrer Stelle viele gesegnete Geschöpfe zu Freunden gewinnen und Vertrautheit mit ihnen erlangen. Er wird die Hornissen vertreiben, die ihn ja doch nur stechen können, und dafür die gesegneten Honigbienen, diese Serviererinnen süßer Getränke der göttlichen Barmherzigkeit, zu sich hin ziehen. Er wird Honig aus ihrer Hand essen und solche Freunde finden, dass seinem Geist (ruh) durch ihre ständigen Gebete aus allen Teilen der Islamischen Welt Segnungen (feyz) wie Kauthar-Wasser (aus dem Brunnen im Paradies) zu trinken gereicht wird, die ihm im Buch seiner Taten gutgeschrieben werden." (aus dem 29. Brief, 6. Kapitel)
   Mustafa Kemal Pasha widersprach ihm, verriet ihm auch noch seine wahren Absichten, brachte dabei seine innere Einstellung (hâlet-i ruhiye) zum Ausdruck und versuchte dabei dennoch, ihn auf seine Seite zu ziehen und von dessen Einfluss zu profitieren. Er bot Beiduzzaman unter anderem einen Abgeordnetensitz, die Fortsetzung seiner früheren Tätigkeit an der Daru-l'Hikmet, die Stellung eines Vaiz-i Umumi (des obersten Geistlichen)" an Stelle des Scheichs Sünusi im Osten an, sowie eine eigene Villa und dergleichen Dinge mehr.
   Bediüzzaman sah, dass ein bedeutender Teil der Berichte, die über Persönlichkeiten der Endzeit überliefert worden waren, zutraf und dass diese fürchterlichen Persönlichkeiten, deren in Erscheinung treten er noch vor der "Hürriyet" in Istanbul durch freie Auslegung der Hadithe vorherverkündigt hatte, innerhalb und außerhalb der islamischen Welt auftraten. Da er jedoch nun einer Empfehlung, die aus einer Überlieferung entstanden ist und die sich an die Anhänger des Qur'an, die sich gegen diese richten und ihnen Widerstand leisten, wendet, indem sie sagt: "Wenn diese Zeit gekommen ist, kann man diese Persönlichkeiten nicht durch die Politik besiegen, sondern ihnen nur mit dem Schwerte des Geistes Widerstand leisten, welches die Lichter des Wunders sind, das der Qur'an ist.", folgte, war er in Ankara zu einer Zusammenarbeit nicht bereit und nahm solche Angebote wie einen Abgeordnetensitz, eine Mitgliedschaft im "Diyanet" (Amt für religiöse Angelegenheiten), gleich dem Daru'l-Hikmeti'l-Islamiye, oder die Stellung eines obersten Geistlichen in den Ostprovinzen, nicht an.
   Während ihn ein Teil der Abgeordneten noch bis zum Bahnhof begleitete und sich dabei darum bemühte, ihn von seinem Plan, Ankara zu verlassen, abzubringen, erklärte er ihnen, dass er ihrem Wunsche nicht entsprechen könne und verließ Ankara. Er fuhr nach Van. Und dort, - am Fuße des Erek, fern vom gesellschaftlichen Leben - an der Quelle des Zernebad begann er in einer kleinen Höhle sein Leben fortzusetzen.
  * * *     Ein Abschnitt aus der Risale-i Nur über sein Leben in Ankara 
(aus der "Abhandlung über die Natur", dem 23. Blitz)
   "...1338 bin ich nach Ankara gegangen. Ich sah, dass sich in die Überzeugung von Leuten des Glaubens, die sich des Sieges der islamischen Armee über die Griechen erfreuten, sehr schlimme atheistische Gedankengänge einzuschleichen begannen, die sie zerstören und vergiften könnten. 'Oh weh!', sagte ich, dieser Drache nagt ja an den Fundamenten unseres Glaubens. Weil diese Ayah ganz offensichtlich die Existenz und Einheit Gottes verständlich macht, habe ich durch sie Hilfe erhalten, aus dem weisen Qur'an ein starkes Zeugnis entnommen und eine arabische Abhandlung geschrieben, die geeignet ist, das Haupt des Atheismus zu spalten. Ich ließ sie in der Druckerei 'Yeni Gün' in Ankara drucken. Weil es aber nur wenige gab, die arabisch konnten und daher diesem Werk auch kaum eine Bedeutung beimaßen, zeigte dieses doch so kurz und treffend formulierte und starke Zeugnis leider keine Wirkung. Dieses atheistische Gedankengut aber entwickelte sich leider und gewann an Macht. ..."
  * * *     Zweiter Teil 
  Das Leben in Barla 
   Die Entstehung der Risale-i Nur 
   Wir haben das bisherige Leben von Ustadh Bediüzzaman Said Nursi von seiner Geburt in Anatolien bis hierher Abschnitt für Abschnitt im Einzelnen gesehen und betrachtet. Nun gelangen wir zu dem, was das Ergebnis und die Frucht seines vierzig-, fünzigjährigen Lebens geworden ist, nämlich den Beginn seiner gewaltigen, weltweiten Lehrtätigkeit, die als eine so ganz außergewöhnliche in die Geschichte eingegangen ist. Es entstand die Risale-i Nur, welche mit ihrem Lichte alle Finsternis des äußerlichen Lebens (z.B. Krieg) wie des innerlichen Lebens (z.B. Unglaube) vertreiben und die Welt erleuchten sollte. Über der Türkei ging eine Sonne auf für die ganze Welt der Wissenschaft und der Erkenntnis.
   Die Verbannung des Ehrwürdigen Bediüzzaman von den östlichen Provinzen nach West-Anatolien. Entstehung, Abfassung und Herausgabe der Risale-i Nur.
   Während er noch in Van in der bekannten Höhle lebte, wurde der Osten von Aufständen und Empörung geschüttelt. Als ihn jemand in einem Brief um Hilfe bat und ihm schrieb: "Ihr Einfluss ist sehr stark", schickte er ihm zur Antwort: "Das türkische Volk hat dem Islam seit Jahrhunderten gedient und viele Heilige hervorgebracht. Man darf nicht das Schwert gegen ihre Enkel ziehen. Auch Sie dürfen es nicht ziehen. Verzichten Sie auf diesen Versuch! Das Volk muss auf den rechten Weg geleitet und aufgeklärt werden!" Bediüzzaman wird dennoch von der Regierung wieder nach West-Anatolien verbannt.
   Noch während Feldjäger damit beschäftigt waren, ihn aus seiner Höhle herauszuholen und nach Anatolien zu bringen, strömten die Leute aus der Umgebung herbei und sagten zu ihm: "Aber ehrenwerter Herr! Verlassen Sie uns doch nicht! Gehen Sie nicht fort! Wenn Sie es wünschen, wird man Sie nicht fortschicken. Wenn Sie es uns gestatten, werden wir Sie nach Arabien bringen." Er aber beruhigte sie alle und sagte zu den Gruppen der bewaffneten, zu dem einfachen Volk und zu den Würdenträgern, die ihn inständig baten: "Ich werde nach Anatolien gehen. Ich will mit ihnen mitgehen." Man bringt ihn zunächst - von Soldaten bewacht - nach Burdur. Dort wird er ständig überwacht; und so so lebte er in Burdur unter ständigen Schikanen das mühevolle Leben eines Gefangenen.
   Aber er bleibt nicht untätig. In einem dreizehn Lektionen umfassenden Buch mit dem Titel "Erste Pforte des Lichtes ("Nurun ilk kapisi")" fasst er alle die Wahrheiten zusammen, in denen er einige Gläubige unterrichtet, und veröffentlicht dieses Buch heimlich. Dieses Buch wird von begeisterten Gläubigen, die seinen Wert als einen Edelstein der Weisheit zu schätzen wissen, mit der Hand abgeschrieben und auf diese Weise vervielfältigt. Von Seiten der Feinde des Glaubens wird schließlich heimlich ein Bericht abgefasst, in dem es heißt: "Said Nursi bleibt hier auch nicht untätig, sondern hält da religiöse Versammlungen ab." Und so beschließt man denn, ihn nach Barla ein kleines Städchen in der Provinz Isparta zu schicken. Es ist dies eine einsame und verlassene Gegend inmitten von Bergen. Hier, so glaubt man, "In dieser entlegenen Ecke soll er als ein Fremdling einsam, allein und verlassen bis zu seinem Tode ein entsagungsvolles und entbehrungsreiches Leben führen."
   Während aber Bediüzzaman noch in Burdur weilte, kommt eines Tages der Oberste Kommandierende des Generalstabs, Marschall Fevzi Tjakmak, nach Burdur. Der Gouverneur beklagt sich bei dem Marschall und sagt: "Said Nursi gehorcht nicht der Regierung. Er erteilt denen, die zu ihm kommen, Religionsunterricht." Weil aber Marschall Fevzi Tjakmak weiß, welch geniale Persönlichkeit Bediüzzaman ist, seine Geistesgröße und seine Geradlinigkeit kennt, sagt er: "Bediüzzaman fügt keinem einen Schaden zu. Belästigen Sie ihn also nicht! Behandeln Sie ihn mit Respekt!"
   Überall dort, wohin auch immer Bediüzzaman verbannt wurde, geben sich die Vertreter der Öffentlichkeit jede nur erdenkliche Mühe, Druck auszuüben und eine schlimme Propaganda zu verbreiten, damit sich die Gläubigen nicht Üstad Bediüzzaman nähern und aus seinen religiösen Unterweisungen einen Gewinn empfangen sollten. Aber Üstads Einfluss wächst ständig und der Wert seiner religiösen Lehren pflanzt sich in der Bevölkerung von Herz zu Herz fort und erfüllt ihre Herzen mit Liebe und Begeisterung für sein Werk.
   Barla 
   Barla war der erste Ort, an dem die Niederschrift des gesamten Werkes der Risale-i Nur begann, welche ein Sendschreiben ist für die Gläubigen, um ihnen eine geistige Hilfe zu sein. Barla war der Ort, an dem das Licht der Rechtleitung (hidayet) und die Sonne der Glückseligkeit aufging, die aus dem Qur'an erstrahlt, einer fürchterlichen abwegigen und glaubenslosen Strömung entgegen, welche über den Köpfen der islamischen Nation, insbesondere aber dem Volk von Anatolien zusammenschlug. Es war jenes glückselige Barla, wo die Quellen dieser Werke ewiger Glückseligkeit hervorsprudelten, welche Leben und Tod in sich enthalten, eine Barmherzigkeit von Gott, ein Geschenk der Güte des Herrn und eine Huld von Gott dem Gerechten für das gesegnete Anatolien, für die Söhne dieser tapferen islamischen Nation und die Islamische Welt.
   Bediüzzaman Said Nursi wurde in Barla dauernd unter Druck gehalten, beobachtet und schikaniert. Der eigentliche Grund für seine Verbannung nach Barla war der, ihn von den dichtbevölkerten Städten fernzuhalten und in eine so weit entfernte Ecke abzuschieben, damit die Begeisterung für den Islam, die in seiner Seele brannte, nicht wieder aufflammen könne, um ihn daran zu hindern, mit anderen in Kontakt zu kommen, mit ihnen zu reden und Bücher über den islamischen Glauben zu schreiben. Er sollte untätig dasitzen, den Kampf gegen die Gottlosen unterlassen und seinen Dienst für den Qur'an aufgeben.
   Bediüzzaman gelang es jedoch, eine Tätigkeit aufzunehmen, die diesen ihren Plänen völlig entgegengesetzt war. Er blieb keinen Augenblick untätig. An einem so abgelegenen Ort wie Barla unterrichtete er den Qur'an und die Wahrheiten des Glaubens und verfasste die Werke der Risale-i Nur. Diese Werke wurden gleichsam wie hinter einem Vorhang herausgegeben. Der Erfolg und dieser Sieg war es, der zu einem ganz großen Triumph wurde. Denn während dieser ganz fürchterlichen glaubenslosen Epoche durfte auch nicht ein einziges wahrheitsgemäßes Buch über den Glauben geschrieben werden. Man trachtete danach, Männer des Glaubens zum Schweigen zu bringen, oder sie zu vernichten. Aber die Gottlosen konnten Bediüzzaman nicht vernichten. Sie konnten die Herausgabe eines islamischen Gesamtwerkes nicht verhindern, das die Herzen und Hirne trotz all ihrer Trägheit in Schwingung versetzte. Während dieser fünfundzwanzig-jährigen Zeit heftiger Verfolgung und völliger Unterdrückung gab es niemanden, der zu einem solchen Werk in der Lage gewesen wäre, wie es das Glaubenswerk war, das Bediüzzaman herausgegeben hat.
   Bediüzzaman wurde im Jahre 1925/26 nach Barla verbannt. Es waren dies die ersten Jahre in der Geschichte einer vollständigen Unterdrückung, die in der Türkei während eines Zeitraumes von fünfundzwanzig Jahren beständig praktiziert wurde. Die atheistischen Geheimorganisationen verfolgten mit ihren Plänen die Absicht, "die Merkmale des Islam Stück für Stück zum Verschwinden zu bringen, den Geist des Islam auszurotten und die Exemplare des Qur'an einzusammeln und zu vernichten." In dem teuflischen Gedanken, dass ihnen dabei kein Erfolg beschieden sein dürfte, sagten sie: "Wir müssen einen Plan aufstellen, demzufolge eine kommende Generation in dreißig Jahren beginnen wird, alle die Qur'anausgaben mit eigener Hand zu vernichten." und begannen damit, ihren Plan zu verwirklichen. Es herrschten, um den Islam zu vernichten, Verwüstungen und Ausschreitungen, wie man sie in der Geschichte zuvor noch nicht gesehen hatte.
   Ja sie waren bestrebt, die türkische Nation, welche seit sechshundert Jahren, ja sogar seit der Zeit der Abbassiden, d.h. seit tausend Jahren als Bannerträger des weisen Qur'an gegen alle Welt Widerstand geleistet hatte, die Söhne dieses Landes, dem Islam zu entfremden und zu berauben und alle Brücken, welche die Gläubigen mit ihm verbinden, zu zerstören. Und darin waren sie in der Tat erfolgreich. Dies war kein Einzelfall, sondern ein allgemeines, die ganze islamische Welt umfassendes Geschehen. Es waren umfassende und sehr weitreichende Ereignisse, von denen Millionen von Menschen, unter ihnen aber besonders die Jugend betroffen wurde und die Millionen von Unschuldigen, samt dem Glauben und der Überzeugung von Schülern in eine diesseitige wie jenseitige Katastrophe stürzten, so wie sie auch das ewige Leben der anatolischen Bevölkerung betrifft und aller künftigen Generationen bis zum Jüngsten Tage.
   In dieser Zeit und in diesen Jahren wurden fürchterliche Umwälzungen und Zerstörungen in Gang gebracht, die sich gegen das Leben einer heldenhaften Nation richteten, die in einer tausendjährigen glänzenden Vergangenheit bezeugt und bewiesen hat, dass sie als Bannerträger des Qur'an zur höchsten Höhe gelangt war. Diese richteten sich auch gegen Islam und Qur'an und man strebte danach, die tausendjährige, von heiligem Bemühen um den Glauben erfüllte glänzende Vergangenheit des berühmtesten Heeres der Welt und die ehrenwerten Vorväter, welche während dieser Zeit begraben worden waren, von der neuen Generation und den Schülern der öffentlichen Schulen in Vergessenheit geraten zu lassen. Indem man ihnen die Brücken zur Vergangenheit zerstörte und sie danach mit trügerischen, nach außen hin glänzenden Worten verführte, bereitete man einem kommunistischen Regime den Boden.
   An Stelle der Grundsätze einer überaus hohen äußerlichen wie innerlichen Entwicklung und Kultur, wie sie im Wesen der Islamiyet liegen, versuchte man insgeheim vonseiten der Atheisten in einem sehr weit reichenden Rahmen durch Unterricht und Aufklärung die lichtfeindlichen Prinzipien einer aus dem Sumpf geborenen, gottlosen Philosophie, die Gedanken und Ideologien der unmoralischen Schriftsteller und Philosophen zu verbreiten. Das vornehmste Ziel der Feinde des Islam, besonders aber der Kolonialmächte war es, die heldenhafte türkische Nation aus ihren religiösen Bindungen herauszulösen, die islamischen Völker materiell wie geistig zu schwächen und die Länder der islamischen Welt auszubeuten. Sie hatten den Plan, einen von der Islamiyet hinsichtlich Tradition, Brauchtum, Sitte und Moral vollständig entgegengesetzten Zustand zu schaffen; und dieser Plan gelangte leider auch zur Ausführung.
   So waren denn also die Jahre, in denen Bediüzzaman Said Nursi in Anatolien seinen Dienst am Glauben und Qur'an als Bannerträger für die Risale-i Nur mit Leib und Seele begann. In entsagungsvoller Arbeit war er zum Opfer für den Islam bereit. Es war dies aber auch eine Zeit, da der Atheismus eine Epoche zu prägen begann, wie sie das Antlitz der Erde schrecklicher noch nicht gesehen hatte. Folglich ist es deshalb notwendig, sich diese schreckliche Zeit vor Augen zu halten, wenn man den Dienst Bediüzzamans an der Risale-i Nur betrachten will. Denn auch ein Dienst gering wie ein Stäubchen kann unter solch schwierigen Bedingungen, dergleichen man in der Geschichte noch nicht gesehen hat, einen Wert gewinnen gleich einem Berge; auch ein nur geringer Dienst mag einen großen Wert zum Ergebnis haben.    So ist also die Risale-i Nur Frucht und Ergebnis einer solch furchtbaren wie bedeutsamen Zeit. Der Verfasser der Risale-i Nur war während einer fünfundzwanzig Jahre lang herrschenden Zeit eines schrecklichen Vernichtungskampfes gegen den Glauben die bedeutendste Persönlichkeit, die in heiligem Bemühen (djihad) um die Erhaltung des Glaubens fest und standhaft das Feld behauptete und als ein wahrer Führer der Menschheit die Gemeinde (umma) Mohammeds, mit dem Friede uns Segen sei, bis zum Jüngsten Tage einlädt, zum Haus des Friedens zu kommen und ihr auch den Weg dorthin weist. Zudem ist die Risale-i Nur auch das diamantene Schwert des Qur'an, was die Zeit, das Land und die Geschichte als einen absolut sicheren Beweis vor Augen führen. So gelang es also Bediüzzaman mit der Gnade des Wahrhaftigen (Gottes) unter sehr schwierigen Umständen, welche als eine Folge der beklagenswerten, schrecklichen, ja katastrophalen Epoche zustande gekommen sind, die von den Atheisten ausgelöst wurde, das Risale-i Nur Gesamtwerk als eine unzerstörbare, gewaltige, eindruckerweckende Mauer gegen die Angriffe der Gottlosen aufzurichten. Die Risale-i Nur beweist mit unangreifbaren Zeugnissen und mit vernunftgemäßen logischen Argumenten, dass die antireligiösen Philosophien wie Materialismus und Naturalismus unvorstellbar, irrig und unmöglich sind, und bringt selbst noch in der Wolle gefärbte Atheisten (dinsiz feylesof) zum Schweigen! Sie hat einem völligen Unglauben (küfr-ü mutlaq) eine Niederlage zugefügt und eine Welle der Gottlosigkeit zum Stehen gebracht.
   Und so ist denn die Risale-i Nur in der Tat glanzvoll in die Geschichte eingegangen, begleitet von Schikanen, Qual und Verrat an Bediüzzaman und wurde doch zugleich zur zündenden Flamme und zum Schwert des Islam für diese und für künftige Zeiten. Die Risale-i Nur wurde zur Braut des Geistes und geliebte Schwester der Seele und zur Geliebten des Herzens, zu jener geliebten Seele, für die man in der Not selbst die eigene Seele zum Opfer bringt. Aufgrund dieser Vorrangstellung wurde die Risale-i Nur zu einer Krone der Menschheit und diente zu ihrer Rettung bis auf den heutigen Tag. Die Risale-i Nur ging als ein geistiges Wunder des Qur'an, auf das man in den letzten Jahrhunderten gewartet hatte, auf. Vor allem aber deren Verfasser Bediüzzaman Said Nursi und Millionen seiner Brüder und seiner Schüler umkreisen diese Wahrheit des Qur'an wie die Falter, wurden von ihrem Lichte erleuchtet, haben diese Wahrheiten des Qur'an und des Glaubens in sich aufgesaugt und so ihren Glauben gestärkt und sich entschlossen, bis zum Ende ihres Lebens zu studieren und ihr zu dienen, mit dem Ziel, diese große Wahrheit (haqiqat-i kubra) in der ganzen Welt zu verkünden.
   Was in der Tat die Türkei als Nation und die Bewohner dieses Landes und die islamische Welt in Ewigkeit in Ehren leben lässt, was sie im Dienste am Qur'an und Islam in der Gegenwart wie auch in der Zukunft als Vorkämpfer in der Welt des Islam und einen bedeutenden Kommandanten in das goldene Buch der Geschichte eingetragen wird, das ist die Risale-i Nur, die Quelle ihres Stolzes. Dieses Werk, in dessen Inhalt eine große Toleranz und allgemeine Gültigkeit zum Tragen kommt, erschienen in Anatolien in mitten der islamischen Welt, das allseits gute Aufnahme fand und überall einen guten Einfluss hat, das nach und nach Anerkennung gewinnt und Verbreitung erlangt, ist Eigentum des Qur'an, Eigentum der islamischen Welt und der Leute des Glaubens und im islamischen Sinne eine Quelle des Stolzes für die Bewohner dieses Landes. Es ist ein Stützpfeiler für die Regierung, die in diesem Lande herrscht und gleichzeitig ein Lehrgedicht gewaltiger Wahrheiten, die man in aller Welt hören wird und die man - inschaa'llah - eines Tages in aller Welt über Radio unterrichten und verkündigen wird.
   In der Tat ging über der Türkei eine Sonne auf für die ganze Welt der Wissenschaft und Erkenntnis (ilim ve irfan). Diese Sonne, so wie jetzt wieder über uns aufgeht, ist eine Widerspiegelung der Sonne, die vor dreizehn Jahrhunderten über der Menschenwelt aufgegangen ist und dieser Abglanz der Sonne des Geistes, wie sie in jedem Jahrhundert erstrahlt, ist das jüngste Wunder des Geistes, das noch erwartet wurde. Und ihr Einflussbereich ist nicht nur die Welt des Geistes, vielmehr zeigt sie ihre Wirkung (in dieser Welt) auch sichtbar und spürbar.
   In der Tat besitzt die Risale-i Nur eine gewaltige Wirkung, stärker als Atombomben und dergleichen Waffen, an denen alle Völker der Welt festhalten und auf die sie sich zum Schutze ihres Lebens verlassen. Dass dies so ist, wird jeder sehen, begreifen und bestätigen, der die Nur Risala auch nur teilweise mit den Augen der Wissenschaft und mit Einsicht betrachtet und dem Dienst am Glauben, den Bediüzzaman Said Nursi, der Verfasser der Risale-i Nur, seit dreißig Jahren in Anatolien geleistet hat, seine Aufmerksamkeit schenkt. In den Augen derer, die Einsicht in die Wahrheit gewonnen haben, wurde ihr in der vergangenen Zeit bis zum heutigen Tage seit dem Aufgange der Risale-i Nur ein Dienst erwiesen, dessen Ergebnisse geradezu großartig und über alle Maßen gewaltig sind und milliardenfache Glückwünsche und alle Hochachtung verdienen.
   In der Tat hat die Risale-i Nur in diesem Lande für eine eingehende Beschäftigung mit dem wahren Glauben (imani tahqiqi) gesorgt, dadurch den Glauben gestärkt, dem Atheismus, der Glaubenslosigkeit, dem Irrglauben und der Ausschweifung Widerstand geleistet und so auf konstruktive Weise gekämpft und all dies überwunden. Sie ist in ihrem großen, ungeteilten und allgemeinen Bemühen um den Glauben zum Erfolg gekommen. Den Nur-Schülern aber, welche zu den einsatzfreudigen Menschen (mudjahid) gehören, wurde kraft eines großen, inneren, hochgeschätzten Geheimnisses, aus dem ihre unabdingbare Treue und ihre Einheit erblüht, ein Blick der göttlichen Barmherzigkeit und Zuwendung zuteil. Es gab diese aufrichtige (ihlas) Gruppe einsatzfreudiger Menschen einem Samenkorn gleich zunächst nur in einem engen Kreis. Gleich wie sich aber in diesem Samenkorn das Wesen des Tubabaumes wiederfindet, dessen Zweige sich über die ganze Welt hin ausdehnen, so ging auch die Risale-i Nur im vierzehnten Jahrhundert nach Mohammed, mit dem der Friede sei - emporgewachsen aus dem Qur'an - über Anatolien auf, entfaltete sich, streckte ihre Zweige über die islamische Welt und die Menschheit aus, verbreitete sich und wird sich noch weiter verbreiten.
   Da die Risale-i Nur also sich den Weg zu wahrhaftiger Aufrichtigkeit, als auch den Dienst ausschließlich an der Einheit (tauhid) und den Grundsätzen des Glaubens zu ihrer Hauptaufgabe gemacht, hat sie Heiligkeit (kudsiyet) erworben und weil in ihrem Kern alle Wahrheiten des Qur'an und Islams zu finden sind, wurde sie zu einem Lichte der Wahrheit, das jedem Winkel ausfüllen wird. Dadurch gewährleistet sie den Schutz vor den Gefahren der sichtbaren und unsichtbaren Zerstörungen und Verwüstungen der islamischen Nation als eine Mauer des Qur'an und ein Licht des Glaubens, das von der göttlichen Barmherzigkeit ausgeht.
   Die Risale-i Nur wählte im Kampf mit den Gegnern des Glaubens und des Qur'an den Weg der Überzeugung und der Beweisführung, nicht aber den von Zwang und Streit.
   Die Risale-i Nur hat in ihren hundertdreißig Bänden das Antlitz der Wahrheit in ihrer ganzen unmittelbaren Klarheit und Deutlichkeit rein und unverhüllt aufgezeigt. Sie hat mit unwiderleglich sicheren Beweisen die Islamiyet, welche die wahre Religion ist und das Wunder des Qur'an gezeigt, der vor der ganzen Weltöffentlichkeit auf dem Gebiet der Ideen und Philosophien die Sonne der Rechtleitung (hidayet) für die Menschenwelt ist. Und sie hat mit logischen Argumenten bewiesen, dass die Grundsätze jeglicher Vollkommenheit und Lebensweisheit und der Entwicklung auf der Erde durch die himmlischen Religionen und durch die Propheten übermittelt wurden. Besonders aber seit der Verkündigung der Religion der Islamiyet wurde die Menschenwelt unter der Führung der islamischen Welt vor dem Abgrund der Unwissenheit errettet und wird es auch weiterhin werden.
   Was aber die ethischen Qualitäten betrifft, die Dinge von allgemeinem Nutzen und andere menschliche Grundwerte, wie sie in den Natur- und Geisteswissenschaften (felsefe ve hikmet) zum Ausdruck kommen, so beruhen sie darauf, dass sich die aufgehende Sonne des Prophetentums in Herz und Verstand der Menschheit widerspiegelt und in ihnen einen Abglanz zustande kommen lässt, gleich wie die aufgehende Sonne die nächtliche Welt mit ihrem Lichtglanz überstrahlt. Dieser Lichtglanz der wahrhaftigen Philosophie und Weisheit, wie er in der Naturwissenschaft und in der Kunst sichtbar wird, entstand aus der Widerspiegelung der Sonne des Qur'an und der Leuchte des Prophetentums in der Welt der Menschen.
   "Wach auf Du Welt des Islam! Halte Dich fest am Qur'an! Wende Dich mit Deinem ganzen inneren und äußeren Sein der Religion der Islamiyet zu!
   Oh Du Sohn Deiner ehrenwerten Vorväter, die als Zeugen einer tausendjährigen Geschichte Diener des Qur'an gewesen sind und das Licht der Islamiyet auf der Erde verbreitet haben! Richte Dich nach dem Qur'an und bemühe Dich, ihn zu lesen und zu verstehen und die Abhandlungen der Risale-i Nur eingehend zu studieren, die ihn erklären und in unserer heutigen Zeit ein Wunder seines Geistes sind! Während deine Zunge der Welt die Ayat des Qur'an zu Gehör bringt, soll auch Deine innere und äußere Haltung und Dein ganzes Verhalten ihren Sinn veranschaulichen. Bringe den Qur'an auch durch Deine Gesinnung (lisan-i hal) zum Ausdruck! Du wirst dann ein König und Herr der Welt und ein Bote des Glücks für die Menschheit sein!
   Oh Ihr, die Ihr die Söhne und Enkel eurer Vorväter seid, die seit Jahrhunderten der Aufgabe gedient haben, in der Welt die Bannerträger des Qur'an zu sein und darin einen heiligen Ehrenplatz und hohen Rang erlangt hatten! Wacht auf! Es ist ganz und gar nicht vernünftig, noch im Schlaf zu liegen, während in der Welt des Islam der Morgen schon heraufdämmert! Während die islamische Welt erwacht, ist es notwendig, vom Lichte des Qur'an und des Glaubens erleuchtet sich in der Erziehung zur Islamiyet zu vervollkommnen, und an der islamischen Kultur festzuhalten, welche der wahrhaft menschlichen Kultur und Entwicklung dient und sie in seinem Verhalten nach innen und außen zu seiner Führerin anzunehmen, um wieder Führer, Freund und Bruder zu sein.
   Wissenschaft und Kunst, die aus Europa und Amerika herübergebracht werden, aber in Wirklichkeit zu den Früchten des Islam zählen, müssen wieder im Lichte der Einheit (tauhid) verstanden werden. Wir müssen über sie nachdenken, wie der Qur'an uns belehrt hat und sie im rechten Sinnzusammenhang sehen, d.h. sie im Sinne des Künstlers und Meisters betrachten. Und wir sollen sagen und auch andere dazu anleiten, zu rufen: "Auf, den Lichtern (Nur) entgegen!", d.h. "Der Risale-i Nur nach!", die als ein Wegweiser zur ewigen Glückseligkeit und Unsterblichkeit ein Gesamtwerk des wahren Glaubens und Qur'an ist.
   Oh meine verehrten Glaubensbrüder, die ihr die Enkel der heldenhaften Soldaten seid, deren asiatische Heere in alten Zeiten die Welt erobert haben!
   Fünfhundert Jahre geschlafen zu haben, genügt! Der Morgen des Qur'an ist angebrochen! Wacht endlich auf! Wenn Ihr Eure Augen vor der Sonne des ehrenwerten Qur'an verschlossen haltet und in der Wüste eurer Gottvergessenheit (ghaflah) liegen bleibt, werden eure Anarchie und Gottvergessenheit (ghaflah) Euch ausrauben und zugrunde richten.
   Fallt nicht wie vereinzelte Wassertropfen, die sich vom Strombett des Qur'an getrennt haben, zur Erde! Sonst werden Ausschweifung und die sinnlichen Gelüste moderner Zivilisation Euch, dem Erboden gleich, aufsaugen und verschlingen. Als vereinigte Wassertropfen bildet eine Einheit im Strombett der Glückseligkeit und Sicherheit des ehrwürdigen Qur'an, spült die Ausschweifungen und die Unmoral der Zivilisation hinweg und lasst dafür das Wasser der Wahrheit des Islam strömen, das für dieses Land das Wasser des Lebens ist!
   Dann möge Gott es wollen (insha-a'llah), dass die Blumen der Kunst und Wissenschaft im Lichte des Glaubens, getränkt mit dem Wasser der Wahrheit des Islam auf dem Boden einer wahren Kultur erblühen, das Land sich wie eine Rose öffnet und sich voll inneren und äußeren Glückes in einen Rosengarten verwandelt.
   Wir kehren zu unserer Erzählung zurück. Die Jahre, da Bediüzzaman weisungsgemäß in Barla wohnte und sich dort mit der Abfassung der Risale-i Nur beschäftigte, waren - wie zum Teil schon oben erwähnt - in der Tat Jahre von der Bedeutung, die einem Stäubchen den Wert eines Berges verleiht. So wie unter erschwerenden Umständen in der Eiseskälte des Winters eine Stunde Wache besser ist, als ein ganzes Jahr der Anbetung (ibadet), so waren in dieser furchtbaren Zeit nicht hundertdreißig Abhandlungen, nein, auch nur eine einzige Abhandlung über den Glauben und die Islamiyet schreiben zu können, an die man sich halten kann, war wichtiger und wertvoller als Tausende von Abhandlungen.
   In dieser Zeit einer alles beherrschenden Glaubensfeindlichkeit bemühte man sich in der Tat, religiöse Menschen in Verruf zu bringen. Ja man plante sogar, sämtliche Qur'an-Exemplare zu vernichten und - so wie in Russland - die Befolgung aller religiösen Grundsätze zu verhindern. Weil man aber eine Gegenreaktion der islamischen Bevölkerung als mögliches Ergebnis ins Auge fassen musste, nahm man wieder davon Abstand und fasste statt dessen folgenden Plan: "Die Jugend, die wir in unseren Schulen nach neuen Erziehungsmethoden ausbilden werden, wird dem Qur'an völlig entfremdet sein, und in der Folge dessen wird die Verbundenheit des Volkes von der Islamiyet abgeschnitten werden." Die Quelle der schrecklichen Verführung, welche durch diese fürchterliche Pläne beabsichtigt war, ist in der Tat unter den Führern und Männern der atheistischen Strömungen im Ausland zu suchen, welche die Gegner und Feinde der heutigen religiösen Entwicklung sind. Wir überlassen es jedoch den wahrheitsliebenden Geschichtsforschern der Zukunft und den islamisch-türkischen Schriftstellern, jene furchtbaren Dinge in ihren Hintergründen und Einzelheiten aufzudecken und sie jetzt unter dieser vergleichsweise freiheitlich-demokratischen Regierung zu veröffentlichen. Es ist unsere Pflicht, uns einzig und allein mit der Wahrheit des Glaubens und des Qur'an zu beschäftigen. Denn die Strömung, der wir folgen, hat ihre Quelle einzig und allein im Glauben und in der Islamiyet.
   In dieser Zeit der Irrlehren und der Gottlosigkeit lebte Bediüzzaman Said Nursi in der Tat beständig unter Aufsicht und Beobachtung und anderen, ebenso fürchterlichen und außergewöhnlich schwierigen Umständen. Jede Art von Grausamkeit, wie sie Nimrod, der Pharao, Sheddad (ein König vom Stamme Ad im Lande Jemen), Yesid (der arabische König, unter dessen Zwangsherrschaft die Enkel des Propheten ermordet wurden) u.dgl. Tyrannen schlimmer nicht verüben konnten, wurden Bediüzzaman angetan. Und dies geschah fortgesetzt fünfundzwanzig Jahre lang. Damals war die islamische Welt äußerlich arm und in der Hand der Kolonialmächte befangen. Alle diese geheimen Zellen mit ihrer gottlosen Untergrundarbeit entfalteten ihre fürchterliche Tätigkeit sowohl in der Türkei selbst als auch in der übrigen islamischen Welt. Ihr Anhänger unterstützten sie dabei und alle machten gemeinsam Front gegen die Islamiyet.
   So können wir also in der Risale-i Nur die Ernte einer Zeit erblicken, die, wie zur Glücklichen Zeit die Schlachten von Bedir und Uhud, den Schlüssel zur islamischen Welt darstellten und deren Bedeutung ihrem Werte nach von der Art dieser Kämpfe ist. Der Dienst am Glauben, dessen Werkzeug sie ist, und die inneren Glaubenskämpfe, die sie ausgefochten, waren so gewaltig, wie sie die Geschichte - außer in der Glücklichen Zeit - zu keiner anderen Zeit mehr gesehen hat. Die Hände gebunden spricht Bediüzzaman Said Nursi in der Gefangenschaft, in der Verbannung, aus seiner isolierten Lage heraus als ein sprachgewandter Redner durch die hundertdreißig Teile seiner Risale-i Nur, das Werk, das er verfasst und veröffentlicht hat, in der kleinen Moschee (mesdjid) Anatoliens und in der großen Moschee (djami) der islamischen Welt und wiederholt vor den Moslimen den Unterricht, den er aus dem Qur'an empfangen hat. Als stünde Bediüzzaman Said Nursi an der Spitze des Minaretts des vierzehnten Jahrhunderts islamischer, bzw. zwanzigsten Jahrhunderts christlicher Zeitrechnung, ruft die künftigen Generationen
{(*): Diejenigen, welche mehr als alle anderen ihre Begeisterung für die Risale-i Nur zeigen, das sind die Jugendlichen und die Kinder in ihrer noch unverfälschten Art. Hierfür ein Beispiel unter tausenden von Beispielen:
   Als wir einmal durch Bolvadin (eine Kreisstadt) fuhren, kamen alle Schüler der Grund- und Mittelschule, ohne Ausnahme aus dem Schulhof gelaufen, umringten den Wagen, sobald sie den Meister kommen sahen, und begrüßten ihn. Sie hießen ihn durch dieses Verhalten willkommen, wünschten ihm Glück und Segen und erwiesen ihm ihre Dankbarkeit. Wir hatten schon kurz davor, noch im Kreis Emirdag, den Meister nach der (verborgenen) Weisheit (hinter dem Verhalten) dieser Kinder gefragt, die - als die die Droschke (fayton), in die er eingestiegen war, vorüberfahren sahen - ohne die Dornen auf den Wegen zwischen den Dörfern von Emirdag zu beachten, so ganz ohne Falsch gelaufen kamen und schon von Weitem "Opa Bediüzzaman, Opa Bediüzzaman!" riefen. Damals antwortete er uns: "Sie können es in ihrer unverdorbenen Art noch nicht mit dem Verstand erfassen, aber sie spüren es schon heute voraussehend in ihrer Seele, dass die Risale-i Nur sowohl ihren Glauben retten, als auch ihr Vaterland und sie selbst vor den schrecklichen Gefahren der Zukunft bewahren wird und empfinden diese Wahrheit in ihren Herzen. Weil aber nun ich der Dolmetscher der Risale-i Nur bin, erweisen sie mir die Liebe und Dankbarkeit, die der Risale-i Nur gebührt und zeigen ihre Begeisterung." Und er sagte, dass er für die Kinder betet. Üstad Bediüzzaman liebt die Kinder sehr. Versammelten sie sich um ihn, kam er ihnen mit Achtung und Wärme entgegen und sagte zu ihnen: "Ihr seid noch unverdorben und darum werden eure Gebete auch angenommen. Betet also für mich!"
   Das also war der Grund für die offene und herzliche Anteilnahme dieser jungen Leute von Bolvadin, deren Mütter ja alle Nur-Schülerinnen sind.}
der Muslime und der ganzen Menschheit, die in kommenden Jahrhunderten künftig Reihe um Reihe bilden (wie zum Gebet) und spricht zu ihnen als der gewaltige Lehrer (Murshid-i a'dham) und große Erneuer (Mudjeddid-i ekber)!  
 

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Abfassung und Veröffentlichung der Risale-i Nur 
   Bediüzzaman Said Nursi Hazretleri hat das gesamte Werk der Risale-i Nur unter solch schwierigen und belastenden Umständen verfasst und hatte solche Hindernisse zu überwinden, wie ihnen kein Mann von Wissenschaft je in der Geschichte begegnet ist. Weil er aber von einer unauslöschlichen Begeisterung, Entschlossenheit und Liebe zu seiner Aufgabe beseelt war, brachte er unter Einsatz all seiner Kräfte, unermüdlich, ohne sich aufreiben oder zermürben zu lassen, mit einer beispiellosen Geduld und Ausdauer, seiner selbst nicht achtend dieses wunderbare Werk der Risale-i Nur zustande, die Volk und Land vor dem Drachen des Atheismus, dem Übel des Sittenverfalls und der Gottlosigkeit bewahren wird - bewahrt hat und noch immer bewahrt und ein großer Führer ist, die islamische Welt und die Menschheit zu erleuchten und den rechten Weg zu weisen. Das Gesamtwerk der Risale-i Nur, das aus hundertdreißig Teilen besteht, wurde in 23 Jahren vollendet. Diese Abhandlungen wurden in einer Zeit sehr großer Not verfasst und jede einzelne Risale enthält, so wie sie niedergeschrieben wurde, ein besonders wirksames Gegengift, will wie ein Heilmittel Genesung bringen. Mit einer solchen Wirksamkeit ausgestattet behandelt es die innerlichen Krankheiten vieler. Wer auch immer sich mit dem Studium der Risale-i Nur befasst, verspürt dabei eine große Begeisterung und ein heftiges Verlangen und verharrt in einem solchen Seelenzustande, als seien diese Abhandlungen nur für ihn allein geschrieben worden. Schließlich ist dieses Werk zustande gekommen, um für alle Menschen in unserer Zeit wie auch in künftigen Zeiten eine Antwort zu geben auf die Bedürfnisse und Erfordernisse des Glaubens, des Islams, des Denkens, des Geistes, des Herzens und des Verstandes und die Glaubenswahrheiten des Qur'an als ein Geschenk darzubieten, das zu befriedigen vermag.
   Die Risale-i Nur ist ein wahrhaftiger Kommentar des allweisen Qur'an. Die einzelnen Ayat wurden nicht der Reihe nach kommentiert, vielmehr wurden jene Ayat ausgewählt, welche die Glaubenswahrheiten erklären und auf die Probleme der Zeit eine Antwort geben.
   Es gibt zweierlei Arten der Auslegung (tefthir): zum ersten werden die einzelnen Wörter und Ausdrücke kommentiert; zum zweiten wird die Bedeutung und der Glaubensinhalt der Ayat erklärt und bewiesen. Die Risale-i Nur ist unter den Auslegungen dieser zweiten Art die stärkste, wertvollste, glänzendste und vollkommenste. Dafür gibt es von tausenden von Kritikern und Wissenschaftlern vom Fach solide und handfeste Zeugnisse und Beweise.
   Die Abfassung und Veröffentlichung der Risale-i Nur erfolgte in einer bis heute noch nie gesehenen Weise. Bediüzzaman Said Nursi beherrschte die Rechtschreibung nicht in dem Maße, dass er sie hätte mit eigener Hand schreiben und vervielfältigen können. Er war ja darin ein halber Analphabet. Er diktierte deshalb schnell seinen Schreibern und schnell schrieben sie es auf. Es gibt wunderbare Werke, die in zehn, zwölf Stunden, ja sogar in ein, zwei Stunden niedergeschrieben wurden. Dabei war er täglich ein, zwei Stunden mit der Abfassung beschäftigt.    Die Abhandlungen, die Bediüzzaman verfasst hatte, wurden von seinen Schülern von Hand zu Hand weitergereicht. Die Exemplare wurden kopiert und die abgeschriebenen Exemplare wurden dem Verfasser zurückgereicht. Der Verfasser verbesserte dann die Fehler der Kopisten. Diese Korrekturen führte er durch, ohne die Kopien mit den Originalen zu vergleichen. Auch heute noch korrigiert er Werke, die er vor fünfundzwanzig, dreißig Jahren verfaßt hat, ohne sie mit den Originalen zu vergleichen.
   Bereits niedergeschriebene Abhandlungen wurden von denen, die aus den umliegenden Dörfern und Kreisstädten kamen, mit großem Interesse und viel Begeisterung aufgenommen. Sie nahmen sie nach Hause mit und vervielfältigten sie handschriftlich.
   Meister Bediüzzaman verfasste das gesamte Nur-Werk ohne in irgendeinem Buch nachzuschlagen - außer dem Qur'an. Zur Zeit der Abfassung fand man niemals ein Buch bei ihm.
   Es war Bediüzzaman vergönnt, das Ideal, das der verstorbene Dichter Mehmed Akif in den nachstehenden Versen zum Ausdruck gebracht hat, zu verwirklichen.
  Ist erst aus dem Qur'an direkt geschöpft die Eingebung,
so müssen wir auch den Islam zum Sprechen bringen gemäß der Zeiten Erfahrung! 
   Auch die Umstände der Veröffentlichung der Risale-i Nur hat noch niemals in der Geschichte ihresgleichen gesehen! Es geschah dies folgendermaßen:
   Es wäre ja nun selbstverständlich notwendig gewesen, die Risale-i Nur, die u.a. auch im Dienste der Bewahrung der Schreibweise des Qur'an steht, gleichfalls in dieser Schreibweise des Qur'an (d.h. mit arabischen Buchstaben) zu veröffentlichen. Nachdem aber die alte Schreibweise verboten worden war, wurden auch die entsprechenden Druckstöcke abgeschafft. Bediüzzaman besaß weder Geld noch Gut. Er war arm und interessierte sich nicht für weltliche Angelegenheiten. Wer seine Abhandlungen handschriftlich vervielfältigte, besaß auch kaum mehr als das zur Deckung seiner notwendigsten Bedürfnisse Erforderliche. Die Schreiber der Risale-i Nur wurden verhaftet, gequält, gefoltert und ins Gefängnis geworfen. Die mit Hilfe der Regierung gegen Bediüzzaman ausgeübte Unterdrückung und Hetzpropaganda verbreitete überall Furcht, sodass die Bevölkerung so sehr argwöhnisch und misstrauisch wurde, dass sie es kaum noch wagte, sich Hazret-i Üstad (dem verehrten Meister) zu nähern und bei ihm Unterricht im theoretischen und praktischen Glaubensleben zu nehmen.
   Es hatte schon einmal, als Diener des Glaubens und Anbeter der Wahrheit einzig um ihres Glaubens willen ihr Leben am Galgen opfern mussten, sich eine Atmosphäre der Angst und des Schreckens ausgebreitet. In Regierungskreisen herrschte entsetzliche Gewalt und völlige Unterdrückung, sodass alle Frommen zu völligem Schweigen verurteilt waren. Es durfte weder ein aufrichtiges Werk veröffentlicht werden, dass die Glaubenswahrheiten behandelte, noch durften das Volk in diesen Wahrheiten unterrichtet werden. Auf diese Weise bemühte man sich darum, den Glauben des Volkes (Islamiyet, ein Glaube, der zur Zeit des Sultane zugleich auch öffentlich-rechtliche Institution war) in einen entseelten Leichnam zu verwandeln. Unterricht über Lehre und Leben im islamischen Glauben zu erteilen, wurde strikt verboten.
{(*): Alle diese gottlosen Aktivitäten wurden von heimlichen Atheisten betrieben, die sich mit der heutigen religiösen Entwicklung nicht abfinden können.}
   Nun aber wurde diese im Anfang noch so gefährliche Periode dadurch, dass die Risale-i Nur eine so allgemeine Verbreitung gefunden hat, zu ihrem Ende geführt, ihrer Gottlosigkeit der Boden entzogen und die Ketten der Unterdrückung, die das physische (und vor allem das psychische) Leben der Gläubigen in Fesseln gelegt hatten, gesprengt. Die Risale-i Nur hat der Gottlosigkeit das Kreuz gebrochen, sie in ihrer Basis erschüttert und ihren Grundstein zerbrochen.
   Tatsächlich erglänzte die Risale-i Nur zu damaliger Zeit, leuchtete wie ein Blitz, machte Front gegen die Gottlosigkeit; und dieses Licht des weisen Qur'an wurde sichtbar mit aller Macht und Herrlichkeit, entfaltete sich nun im Geheimen und breitete sich gleichsam wie hinter einem Vorhang aus.
   Der Glaube der Nur-Schüler, deren Zahl allmählich wuchs und die anhand der Risale-i Nur Unterricht in der Überprüfung des Glaubens (tahqiq-i iman: der durch Überprüfung und Bestätigung als sicher und zuverlässig erwiesene Glaube) erhalten hatten, entfaltete sich und der Mut zur Hingabe an Gott (Islam) und für das Wagnis des Glaubens wurde in ihnen bestärkt. So wie ein Kommandant Hunderten von Soldaten durch sein eigenes mutiges Beispiel Mut einflößt und ihnen Halt und Stütze gibt, so repräsentierte auch Bediüzzaman Said Nursi Hazretleri diese geistige Körperschaft (schahs-i manevi) der Risale-i Nur und trug so an der Spitze von hunderttausenden seiner Schüler (es gibt heute Millionen Nur-Schüler) durch seinen Unterricht in der Überprüfung des Glaubens zur Stärkung des Glaubens bei und gab allen Gläubigen Halt und Stütze und ein gutes Beispiel. Die Nur-Schüler machten durch diesen Glauben ihren idealistischen Einsatz und ihren mutigen Kampf gegen den Atheismus einen starken Eindruck auf das Volk und schärften seine Wachsamkeit. Auf diese Weise vertrieben sie durch die Risale-i Nur aus dem Volke die Furcht, beseitigten seine Zweifel, gaben ihrem Volk und Vaterlande allenthalben Mut, Hoffnung und Lebensfreude und retteten so die Muslime vor der Verzweiflung.
   Es wird von allen Wahrheitsliebenden ganz ohne Zweifel bestätigt, dass ein Nur-Schüler, der sein Leben nach der Risale-i Nur ausgerichtet hat, ein Hundertfaches zu leisten imstande ist und dem Glauben und dem Islam mehr dient als hundert Prediger. Die Nur-Schüler maßen den Angriffen der Gottlosen und ihrer Schönfärberei, ihrer Propaganda und ihrem Geifer, Unterdrückung und Kerker so wenig Wert bei wie ihr Meister. Furchtlos opferten sie ohne zu zögern im Dienst für Glaube und Islam Leib und Leben und die Risale-i Nur verhalf ihnen dabei, sich um Kinder und Familie keine unnötigen Sorgen zu machen. Nur-Schüler hatten nur dieses eine Ziel im Auge: "In der Absicht, den Glauben zu retten, die Risale-i Nur zu lesen und allein um das Wohlgefallen Gottes zu erlangen, dienen sie dem Glauben und dem Islam im Dienste der Risale-i Nur." Um auf dem Wege zu diesem Ziel erfolgreich zu sein, hielten sie sich in jeglicher Angelegenheit zu jedem Dienst bereit.
   In der Tat sind die Nur-Schüler davon überzeugt, auf dem Schiff des Herrn, das die Gemeinde Mohammeds ans sichere Ufer bringen werde, ihren Dienst zu tun. Ihr größtes Ziel im Leben besteht darin, dem Qur'an und dem Glauben zu dienen und so der Gemeinde Mohammeds ein Mittler zu Freude und Glückseligkeit zu sein. In den Jahren, da die Risale-i Nur noch handschriftlich vervielfältigt wurde, gab es Menschen, welche die Risale-i Nur abschrieben und verbreiteten, ohne in sieben, acht Jahren auch nur das Haus zu verlassen. Damals waren in der Gegend von Isparta tausende von Nur-Schülern, Männer und Frauen, Kinder und Greise damit beschäftigt, jahrelang die Nur-Werke abzuschreiben und zu vervielfältigen; ja ganz Sav Köyü war eine einzige Nur-Schule mit tausend Schreibfedern. Zwanzig Jahre nach der Abfassung der Risale-i Nur vervielfältigte man sie mit einer Kopiermaschine und fünfunddreißig Jahre danach nahmen die ersten Druckereien ihre Arbeit auf. Insha-a'llah wird man das Gesamtwerk der Risale-i Nur eines Tages mit goldenen Buchstaben schreiben und in verschiedenen Sprachen über Radio ausstrahlen. Dann wird sich das Antlitz der Erde in eine einzige Nur-Schule verwandeln.
   Bei der Veröffentlichung der Risale-i Nur zeigten auch Frauen einen bedeutenden Idealismus. Ja es gab sogar mutige und tapfere Frauen, die zu Hazret Üstadh kamen und sagten: "Meister! Auch ich werde mich darum bemühen, die gleiche Arbeit zu verrichten, die mein Mann versieht. Denn das geschieht für dich und die Risale-i Nur." So sorgten sie für noch mehr Möglichkeiten, im Dienste der Risale-i Nur zu arbeiten. Sie hielten ihren Männern die Lampe, wenn sie nachts die Risale-i Nur abschrieben und teilten so mit Leib und Seele die Verantwortung (din) und das Vertrauen (iman) ihrer Männer vor Gott. Die Frauen und Mädchen schrieben auch die Risale-i Nur mit der Hand ab, bis ihnen die Augen tränten und leisteten so Schreibdienste in Frömmigkeit und Glauben. Ja es gab sogar solche Frauen unter den Nur-Schülerinnen, welche die Nur-Werke mit Wärme lasen, den übrigen Schwestern im Glauben vorlasen und so diese damit bekannt machten und die auf solche Weise ihr eigenes Leben im Lichte des Glaubens bis zum letzten Atemzug einem guten Ende entgegenführten. Sie verbreiteten "das Licht (Nur)" unter den Frauen weiter, führten viele Frauen im Lichte des Qur'an und des Glaubens zur Erleuchtung und standen somit selbst im Dienste ihres Ideals. Sie lasen selbst die Risale-i Nur, lasen sie auch den anderen vor und stiegen so auf der Stufenleiter des Glaubens empor, bis sie gleichsam die Stufe einer Murschida 🙂 einer geistigen Lehrerin) erreichten. Diese Frauen, welche um nichts Anderes als das Wohlgefallen Gottes bemüht waren, richteten ihr Leben in Reinheit und Aufrichtigkeit auf das strahlende, segenspendende Licht des Qur'an in der Risale-i Nur aus, nährten ihre Herzen mit göttlicher Liebe (muhabbetu'llah) und erlangten so jenen Zustand der Glückseligkeit in dieser und in jener Welt. Wenn sie gemeinsam die Risale-i Nur lasen und hörten, erfüllte deren Wert und Größe in solchem Grade ihre reinen Herzen, dass ihr Inneres von Licht und Segen überfloss, ihren Augen leuchtende Tränen entströmten und sie ganz von einer großen Begeisterung erfasst wurden. Wie glücklich sind noch diese Frauen, denen man immer ein gutes Andenken bewahren wird, weil sie mit heiligem Glauben im Dienste der Risale-i Nur gestanden haben. Möge ihnen Gott auch in jener Welt Sein Licht schenken, ihre Grabstätten dem Paradiese gleich zu Stätten des Lichtes werden und sie im Jenseits bis zur höchsten Stufe emporsteigen lassen. Sie sind in die geistige Gemeinschaft aller Nur-Schüler und deren Gebete mit eingeschlossen und mit ihnen gemeinsam vor allem aber auch in die Gebete von Bediüzzaman Hazretleri und ihre Taten werden auf geheimnisvolle Weise im Buche ihrer guten Werke für sie angerechnet. In ihrer innigen Verbindung zur Risale-i Nur strömen diesen mutigen und tapferen Frauen die Gebete von Millionen Nur-Schülern zu. Weil sie die Risale-i Nur lesen und vorlesen, erwerben sie einen großen geistigen Gewinn und erlangen eine hohe Stufe. Wir glauben und hoffen und beten, dass Gott auch den übrigen Frauen gewähren möge, in der Kraft göttlichen Erbarmens ihnen gleich zu sein.
   Einsichtige Verleger des "Nur" hatten schon vor fünfunddreißig Jahren in der Risale-i Nur deren hohen Wahrheitsgehalt gesehen, heilige Belehrung aus ihr empfangen und seit dieser Zeit in Aufrichtigkeit und Treue den heimlichen Feinden des Glaubens die Stirn geboten. Obwohl die Häuser dieser mutigen Idealisten häufig durchsucht und sie selbst des öfteren ins Gefängnis geworfen wurden, wo man sie der Folter und einer fürchterlichen Strafe unterzog, betrieben sie in all den Jahren weiterhin mit diamantener Feder die Herausgabe der Risale-i Nur. Obwohl alle irdischen Güter, die sie sich nur wünschen konnten, für sie bereit lagen, so verzichteten sie dennoch auf jede Art persönlichen, weltlichen Vorteils und Eigentums und widmeten ihr Leben dem Dienst an der Risale-i Nur.
   Wollte man etwa die Frage stellen, aus welchem Grunde die Nur-Schüler eine solche Begeisterung und Stärke gezeigt, so vieles geopfert, darauf verzichtet, soviel Treue und Geduld aufgebracht haben, so ist die Antwort auf diese Frage gewiss die folgende: es war aufgrund der unwiderlegbar hohen Wahrheit in der Risale-i Nur, geschah einzig und allein aus Dienst am Glauben und um des göttlichen Wohlgefallens willen, getrieben von der überwältigenden Glaubenskraft und Überzeugung (ikhlas: Aufrichtigkeit) von Bediüzzaman Hazretleri.
   Bediüzzaman Said Nursi Hazretleri blieb über acht Jahre in Barla. Die meiste Zeit verbrachte er auf den Feldern oder in den Weinbergen und Gärten. Zwei, drei Stunden weit zog er sich in abgelegene Berge oder Weingärten zurück und verfasste die Risale-i Nur. Daneben korrigierte er die bereits abgefassten Risalen, die in Isparta und Umgebung von Hand abgeschrieben und wieder an ihn zurückgesandt worden waren. Am gleichen Tage erledigte er sowohl die Korrekturarbeiten, legte zugleich auf dem Hin- und Rückweg einen vier- bis fünfstündigen Fußmarsch zurück, verbrachte weitere drei, vier Stunden mit der Neu-Abfassung und bereitete sich dabei häufig auch noch die Mahlzeiten selbst. Dabei wurden die Abhandlungen damals von den ersten Schülern, welche die Risale-i Nur sehnsüchtig erwarteten, an vierzig verschiedenen Orten handschriftlich vervielfältigt. Der Meister lud sich diese Bücher auf seinen Rücken, ging mit ihnen in die Weinberge oder auf die Felder, korrigierte sie dort und kehrte wieder nach Hause zurück. Er wurde zur Verbannung verurteilt, war den furchtbarsten Ungerechtigkeiten seiner Zeit ausgesetzt und durfte auch mit niemandem reden. Doch mitten in einer solchen Armut, in der es ihm an allem und jedem mangelte, wurde ihm der unerschöpfliche Reichtum des Daseins geschenkt. Denn er erfasste jene Glaubenswahrheiten, die sich aus dem Qur'an ergeben und die Welt des Islam und die Menschheit erleuchten und führen und verbreitete sie zu gleicher Zeit. Er widmete seine ganze Arbeitskraft dem Werk, das er verfasste. Es kommt der Tag, da sich diese Werke in Anatolien verbreiten, auch die Zentren der islamischen Welt erfassen, die Aufmerksamkeit der Politiker auf sich lenken und die Ideologien ohne Gott und Glaube zerschlagen werden, die man einem Volk einpflanzen wollte, das jahrhunderte lang in der islamischen Welt als Bannerträger gedient hatte und gegenüber der Strömung der Ungläubigen, den Kritiklosen und Irrgläubigen, die unser Vaterland überschwemmt haben und in der Endzeit die geistige Körperschaft der Rebellen des Irrtums bilden, einen Damm aufrichten und künftigen Generationen die Quelle der Sicherheit ewiger Rettung und Glückseligkeit sein werden.
   Zu Beginn eines der gewaltigsten Ereignisse der Geschichte, das er nach göttlichem Willen und unter der Führung des Herrn vorbereitet hatte und weil auf ihm die Last eines Auftrags von so hochheiliger Bedeutung ruhte, war er also über allen in Welt und Zeit glückselig und gepriesen. In seiner Art sich (islamisch) zu kleiden, in seiner Zielsetzung und in seinen Idealen veränderte er sich nicht um Haaresbreite und wurde nicht schwankend. Vielmehr hielt er die Fackel der Rechtleitung (hidayet) hoch, um der Welt in ihrer religiösen Überzeugung die Wege zu ebnen und zu ordnen und die Finsternis aus ihr zu vertreiben. Weil sein Dienst und seine Aufgabe in beiden Welten Freude und für die ganze Menschheit Glückseligkeit bedeutete, lebte und wirkte er auch erfüllt und getragen von dieser Begeisterung.
  * * * 
   In Barla bewohnte der Meister ein Haus, das zwei Räume enthielt. Aber eigentlich hatte er auf Erden überhaupt kein Haus für sich und keine Spanne breit Platz als seinen Besitz über den er hätte verfügen können. Das Haus in Barla, das er acht Jahre lang bewohnte, war die erste Nur-Schule, die dreihundertundfünfzig Millionen Muslimen als Zentrum gilt. Unter dieser Nur-Schule gab es einen Brunnen mit beständig fließendem Wasser. Unmittelbar vor der Nur-Schule stand, diese berührend, ein breit ausladender Ahornbaum, dessen drei mächtige Stämme wie Säulen in den Himmel aufragten. Zwischen den Ästen dieses Ahornbaumes hatte man eine kleine Hütte errichtet. Es war der für Hazret-i Üstad am besten geeignete Aufenthaltsort zur Zeit des Frühlings und des Sommers, sich darin auszuruhen und seine gottesdienstlichen und Kontemplativen Übungen darin zu verrichten. Des Meisters treu ergebene Schüler und die Bewohner von Barla erzählten sich: "Wir haben den Meister in der kleinen Hütte, die sich in den Ästen des Ahorns, dieses gesegneten Baumes vor der Nur-Schule, befindet, in den Nächten damit beschäftigt gesehen, Gott zu loben und zu preisen (tesbihat) und Seines Namens zu gedenken (ezkar). Besonders im Frühling und zur Sommerszeit sahen wir den Meister so zwischen den Tausenden von Ästen und Zweigen dieses gewaltigen Baumes mitten unter den munter und fröhlich umherflatternden Vögeln arbeiten bis zum Morgen. Wir wussten nie, wann er schlief und wann er aufstand."
   Der Meister war oft krank. Er verlebte viel Zeit in Krankheit und Bedrängnis. Er aß sehr wenig und oft nur so eine Kleinigkeit wie ein bisschen Suppe. Nachts rezitierte er stets einen festen Bestandteil an Suren aus dem Quran (vird: in etwa dem Breviergebet vergleichbar), das "Djevshenu-l'Kebir" genannte berühmte Bittgebet (munadja'at) des Ehrwürdigen Gesandten, mit dem Friede und Segen sei, Gebete (munadja'at), welche uns von den großen Heiligen wie Scheich Geylani oder Scheich Nakshibandi überliefert worden und solche, die sie aus dem Quran rezitiert hatten (hizb), Lobpreisungen aus der Risale-i Nur und besonders solche, welche als Auszüge aus dem Qur'an die Quelle der Risale-i Nur sind (Hizb-ün Nuriyye), die Bittgebete und Lobpreisungen, die als Ayat aus dem Qur'an einem Blitzstrahl gleich als Meditationsgrundlage (silsile-i tefekkur) dienen und im Neunundzwanzigsten Blitz zusammengefasst sind. Hatte er seine Betrachtungen zu Ende gebracht, beschäftigte er sich wieder mit der Risale-i Nur. Tags aber beschäftigte er sich stets mit dem Studium der Risale-i Nur und mit den Korrekturen. Den Dienst an der Risale-i Nur bevorzugte er vor allen anderen Dingen. Für die Risale-i Nur ließ er, wenn es einmal eine dringende Arbeit zu tun gab, alles andere liegen und vollendete zuerst diese Arbeit.
   Said Nursi stieg zur Frühlingszeit zu der kleinen Hütte zwischen den Ästen des gewaltigen Ahornbaumes vor seinem Haus hinauf und widmete sich dort seinen Aufgaben, durchwanderte die Welten der Atome und die Sternenwelten (mele-i ala), die die wahre Quelle und der Ursprung aller Wahrheit der Risale-i Nur darstellen, in Kontemplation und Meditation. Ja ist es denn überhaupt möglich, die Gedanken und Gefühle des Meisters zum Ausdruck zu bringen, jene tiefe Freundschaft zu den Bäumen auf den Bergen, die das Geheimnis vom شَجَرَةٌ مُبَارَكَةٌ {"gesegneten Baum"} offenbart, sowohl die zu seinem Ahornbaum als auch die zu dem auf dem Tjam-Berg? Nein, das ist nicht möglich! Gott der Gerechte hat diesen einzigartigen Einsiedler (ferdi ferid) in der Vollkommenheit Seiner Barmherzigkeit mit einem Charakter erschaffen und begnadet, der alle Arten menschlicher Vollkommenheit in sich vereinigt und es war auch Sein göttlicher Wille (irade), dass sich mit diesen Charakterzügen eine überragende Gestalt entwickeln sollte, die Er für alle zu einem Meister (ustad-i kull) in aller Wahrheit machen wollte, einem Meister einer geistigen Körperschaft, der Risale-i Nur, die in dieser Endzeit, aus dem Baum des Islam hervorgewachsen, Tausende von Ästen und Zweigen treibt und Er vereinigte in dieser geistigen Verkörperung der Risale-i Nur einen Lichtreflex und die Manifestation der gesamten islamischen Wahrheit, sodass die Kenner der Wahrheit und die Vollendeten sich voll Begeisterung ihr zuwandten; und so ist Said Nursi, dessen Risale-i Nur ein Brennspiegel der Risalet-i Ahmediye (Botschaft Mohammeds) und der Wahrheit Mohammeds ist, nachdem er sich als ein "Said" (d.h. als ein menschliches Individuum) aufgerieben hatte und vergangen war, doch neu geboren als die gesamte geistige islamische Welt, in die Ewigkeit eingegangen. Und bis zur Auferstehung wird die Risale-i Nur erhalten bleiben und sich ständig weiter entfalten. Ja wäre es denn überhaupt möglich, dass der göttliche Meister, der auch die Mücken erschaffen und in Seiner Majestät und Herrlichkeit auch die Flügel dabei nicht vergessen hat und der in die Zellen dieser Flügel so viel Weisheit und Zweckmäßigkeit hineingelegt hat, sich der Risale-i Nur gegenüber und den Häusern, in denen sie abgefasst wird, gleichgültig verhielte und den Orten, an denen der Nur-Verfasser seine heilige Aufgabe versieht, keine Beachtung schenkte? den Stätten, wo ein solch heiliger Dienst verrichtet wird, den Nur-Schulen und dem gesegneten Baum sein gebührendes Maß an Barmherzigkeit versagen sollte? Nein, das ist überhaupt nicht möglich!
   In den Sommermonaten stieg Said Nursi Hazretleri, solange er noch in Barla weilte, manchmal auf den Tscham-Berg, wo er eine Zeitlang in der Einsamkeit verblieb. Es war ein ziemlich hoher Berg, auf dem er sich dort befand. Ähnlich seiner kleinen Hütte in dem Ahornbaum vor der Nur-Schule in Barla standen auch auf dem höchsten Gipfel des Tscham-Berges zwei große Bäume und in ihnen eine Behausung mit der Bedeutung einer Nur-Schule. In den Wipfeln dieser Tannen und Zedern beschäftigte er sich mit der Risale-i Nur. So begab er sich von Barla aus meist in diese Wälder, verbrachte lange Zeit darin und kehrte von dort aus wieder nach Barla zurück; und er sagte darüber: "Ich tausche diese Wohnstätten nicht gegen den Yildiz-Palast ein."
   Wir wollen hier unsere Erzählung abbrechen und an dieser Stelle einige Abhandlungen und Briefe einfügen, die sich auf den Inhalt der Risale-i Nur und sein Leben auf dem oben erwähnten Tscham-Berg und in der Kreisstadt Barla beziehen, wo der Meister die Risale-i Nur abgefasst hat.
  * * *     Vierter Brief 
بِاسْمِهِ سُبْحَانَهُ ٭ وَاِنْ مِنْ شَىْءٍ اِلاَّ يُسَبِّحُ بِحَمْدِهِ
سَلاَمُ اللّٰهِ وَرَحْمَتُهُ وَبَرَكَاتُهُ عَلَيْكُمْ وَعَلٰى اِخْواَنِكُمْ لاَسِيَّمَا... اِلٰى آخِرِهِ
{"Im Namen dessen, der gepriesen sei; und fürwahr, es gibt kein Ding, das nicht lobend Ihn preist." "Gottes Friede, Sein Erbarmen und Segen sei über euch und über eure Brüder in Fülle usw."}
   Meine lieben Brüder,
   ich befinde mich gerade in den Tscham-Bergen, auf einem hohen Gipfel, auf dem Wipfel einer riesigen Tanne in meiner Behausung. Die Grausamkeit von Menschen und Bestien ist mir vertraut geworden. Wenn ich einen Wunsch nach der Gesellschaft der Menschen verspüre, seid ihr in meinen Träumen und Gedanken bei mir, wir unterhalten uns miteinander und ich finde meinen Trost bei euch. Wenn nichts dazwischen kommt, möchte ich hier ein, zwei Monate allein bleiben. Wenn ich dann wieder nach Barla zurückkehre, werden wir nach einer Möglichkeit suchen, wie wir zusammen kommen und eurem Wunsch entsprechend miteinander reden können, wonach ich mich mehr sehne als ihr. Ich will jetzt hier auf dieser Tanne ein, zwei Gedanken niederschreiben, die mir in Erinnerung gekommen sind.
   Erstens: 
   Ein Arcanum privatum (mahrem bir sırr: eine Wahrheit von geheimnisvoller Tiefe, die nur Eingeweihten verständlich wird), das jedoch für euch kein Geheimnis ist. Es handelt sich um Folgendes:
   So wie ein Teil derer, denen die Wahrheit zuteil geworden ist, den Namen "Vedud 🙂 Freund)" offenbaren und durch die Fenster allen Seins hindurch den "notwendigerweise Seienden (Vadjibu-l'Vudjud)" in überwältigendem Grade unter der Gestalt dieses Namens betrachtet, so wurde diesem eurem Bruder, der doch ein Nichts ist von einem Nichts, der Status verliehen, ausschließlich zur Zeit seines Dienstes am Qur'an und während er der Herold dieser unendlichen Schatzkammer ist, eine Offenbarung der göttlichen Namen "Rahim 🙂 Barmherziger)" und "Hakim 🙂 Allweiser)" zu sein. Alle Sözler 🙂 Worte) offenbaren sich in dieser Gestalt. Inscha-a'llah offenbaren alle "Sözler" das Geheimnis der Ayah:
وَمَنْ يُؤْتَ الْحِكْمَةَ فَقَدْ اُوتِىَ خَيْرًا كَثِيرًا
{"Wem die Weisheit gegeben wurde, dem wurde mit Sicherheit die Fülle alles Guten gegeben." (Sure 2, 269)}
   Zweitens: 
   Es kam mir plötzlich das folgende schöne Gedicht in den Sinn, worin über den Nakshi-Orden ausgesagt wird: "Im Nakshibendi Orden muss man auf vier Dinge verzichten: Verzicht auf das Diesseits (als Stätte irdischer Genüsse), Verzicht auf das Jenseits (als Stätte himmlischer Genüsse), Verzicht auf das Dasein (als Wunsch, Wille und Vorstellung aller Genüsse in dieser und in jener Welt), Verzicht auf den Verzicht (auf Diesseits und Jenseits, Da-Sein und Nicht-Sein und überhaupt jede nur mögliche Ausdrucksform des Egoismus). Es kam mir dieser Gedanke in den Sinn und zugleich stieg auch folgende Erinnerung in mir auf: "In dem Orden der Besitzlosen (adjz-i mendi) sind vier Dinge notwendig: vollkommene Armut, vollkommene Unterwerfung (adjz: die Schwachheit des Menschen gegenüber der göttlichen Allmacht), vollkommene Dankbarkeit und vollkommene Hingabe (shauk: die Begeisterung des Herzens für Gott, seinen Herrn), ihr Freunde! (aziz: ein Mensch, der die Heiligkeit Gottes respektiert und Seine göttlichen Geschenke nicht zu irdischen Zwecken missbraucht).
   Danach fiel mir dieses farbenfrohe und reiche Gedicht wieder ein, das du geschrieben hast: "Betrachte jenen farbenreichen Band aus dem Gesamtwerk der Schöpfung... usw." An dieses Gedicht musste ich wieder denken, als ich den gestirnten Himmel über mir betrachtete. "Ach wäre ich doch ein Dichter und könnte dies vollenden", sagte ich. Aber obwohl ich für Poesie und Dichtung nicht begabt bin, habe ich wieder damit begonnen. Doch konnte ich Poesie und Dichtung nicht gestalten. So wie es mir einfiel, habe ich es geschrieben. Du als mein Erbe magst es in Poesie verwandeln, einen Reim darauf machen. Dies war es, was mir plötzlich einfiel:
  Lausche der Sterne Gesang, ihrer berauschenden Predigt (hutbe)!
Entnimm ihrer leuchtenden Schrift die Weisheit, die sie verkündet!
Gekommen sind sie und sagen, alle gemeinsam einen Ausdruck der Wahrheit: 
{"Wir sind das strahlende Zeugnis des großartigen Königreiches einer allmächtigen Majestät.}
  Wir sind dafür Zeuge, dass es einen Meister gibt in Seiner Einheit und in Seiner Kraft...
Den Engeln gleich betrachten wir vom Himmel herab die Erde, schauen das Antlitz der Erde
voll tiefer und feinsinniger Wunder, halten stets das Paradies auch im Blick.
Des Himmels tausend aufmerksame Augen sind wir. 
{(*): Das heißt: So wie die Engel in den himmlischen Welten diese Staunen erregenden Wunder der Macht, diese Blumen des Paradieses in den Gärten und auf den Feldern unserer Erde betrachten, so betrachten auch die Sterne, welche am Himmel die Augen sind, den Engeln gleich, die feinsinnigen Kunstwerken hier auf Erden, schauen in die Welt des Paradieses und erblicken dort die wundervollen unvergänglichen Urbilder jener vergänglichen Abbilder. Die betrachen zu gleicher Zeit Himmer und Erde; das heißt, sie haben einen Blick für beide Welten.}
  Es wuchs der Tuba-Baum der Schöpfung und seine Äste strecken sich durch einen Spalt der Himmel
und seine Zweige bilden die Milchstraße.
Schönheit und Majestät heißt die Hand der göttlichen Weisheit, die uns an ihnen aufgehängt hat    als seine wundervollen Früchte.
Für die Bewohner des Himmels sind wir eine wandelnde Moschee,
ein Haus, das seine Kreise zieht und ein erhabenes Nest,
ein strahlender Leuchter, ein gewaltiges Schiff;
Flugzeugen gleich sind wir alle und ein jeder von uns.
Eines Allmächtigen in Seiner Vollkommenheit, eines Allweisen in Seiner Majestät
wunderbare Kraft und Staunen erregendes Kunstwerk Seiner Schöpfung,
ein Kleinod Seiner Weisheit und Ingenium Seiner Schöpfung,
eine Welt voller Licht sind wir, jeder von uns eine Welt aus Licht.
So zeigen wir mit hunderttausenden von Zungen hunderttausende Beweise
lassen sie vernehmlich werden dem Menschen, der Mensch ist.
Mit Blindheit geschlagen das Auge der Gottlosen, vermag es nicht mehr zu schauen unser Antlitz
und vernimmt er unsere Stimme nicht. Doch sind wir die Zeichen, die Wahrheit verkünden.
Eines ist unsere Prägung, einer unser Siegel.
Immerwährend wiederholen wir den Lobpreis unseres Herrn, wir seine Diener
gedenken Seines Namens, Ihn verehrend alle Zeit.
In Ihm versunken reihen wir uns ein als die Glieder in der Kette der endlosen Milchstraße." 
اَلْبَاقِى هُوَ الْبَاقِى
{"Der Beständige ist der, der bleibt und besteht."}
  Said Nursi     Sechster Brief 
بِاسْمِهِ سُبْحَانَهُ ٭ وَاِنْ مِنْ شَىْءٍ اِلاَّ يُسَبِّحُ بِحَمْدِهِ
سَلاَمُ اللّٰهِ وَرَحْمَتُهُ وَبَرَكَاتُهُ عَلَيْكُمَا وَعَلٰى اِخْوَانِكُمَا مَادَامَ الْمَلَوَانِ وَتَعَاقَبَ الْعَصْرَانِ وَمَادَامَ الْقَمَرَانِ وَاسْتَقْبَلَ الْفَرْقَدَانِ
{"Im Namen des Hochgelobten; und fürwahr gibt es kein Ding, das Ihn nicht lobpreist." "Der Friede Allahs, Sein Erbarmen und Sein Segen sei mit Euch beiden und Euren Brüdern, solange Tag und Nacht einander ablösen, die Tage sich neigen, Sonne und Mond einander ablösen und die Polarsterne uns den Weg weisen."}
   Meine Brüder, die ihr so voll Begeisterung seid und meine Gefährten, die ihr so voller Eifer seid und die Quelle meines Trostes in dieser Fremde, die man die Welt nennt.
   Denn Gott der Gerechte hat euch ja schon euren Anteil am Verständnis meiner Abhandlungen und Auslegungen geschenkt, die Er mir in Seiner Güte zuteil werden ließ; und darum habt ihr sicherlich auch ein Anrecht darauf, auch an meinen Empfindungen Anteil zu nehmen. Um euch nicht allzu sehr zu betrüben, will ich den überaus leidvollen Teil meines Schmerzes über die Trennung und über die Fremde beiseite lassen und euch nur einen Teil davon erzählen. Es ist nun Folgendes:
   Ich bin in diesen zwei, drei Monaten ganz allein geblieben. Manchmal fand sich einmal in fünfzehn, zwanzig Tagen ein Gast bei mir ein. Die übrige Zeit bin ich allein. Ja seit fast zwanzig Tagen waren selbst die Hirten in den Bergen hier nicht mehr in meiner Nähe, haben sich zerstreut...
   So habe ich zur Nachtzeit, auf diesen Bergen, fremd, still, stumm und allein im Raunen und Rauschen der Bäume mich inmitten einer fünffach farbig verschlungenen Fremde gesehen.
   Erstens: 
   Es ist ein Geheimnis des Alters, dass die überwältigende Mehrheit derer, die mir nahe standen, Freunde und Verwandte, mich in der Fremde allein gelassen hat. Sie sind in die Zwischenwelt (Alem-i Berzah) hinüber gegangen und haben mich hier zurückgelassen. In mir blieb nichts als Heimweh. So öffnete sich mir in dieser Fremde noch ein weiterer Bereich dieser Fremde. Es entstand in mir ein Gefühl der Trennung und der Fremde gegenüber den meisten Geschöpfen, mit denen ich noch im vergangenen Frühling verbunden war und die mich nun verlassen hatten. Und inmitten dieser Fremde öffnete sich mir noch ein weiterer Kreis der Fremde: man hatte mich in die Trennung von meiner Heimat und den Lieben daheim fallen und darin allein gelassen, sodass mich ein Gefühl der Trennung überkam und noch eine neue Fremde in mir geboren wurde. Und in dieser Fremde legte sich mir die Fremde der Nacht und der Berge wie noch eine neue Fremde auf mein Gemüt. Und aus dieser Fremde heraus erkannte ich nun, dass meine Seele (ruh), die bereit ist, aus diesem vergänglichen Gasthaus die Reise in die unendliche Ewigkeit anzutreten, sich hier in einer überwältigenden Fremde befindet. "Fasubhana'llah" (gepriesen sei Gott!) sagte ich da und dachte darüber nach, wie man diese Fremde und Dunkelheit ertragen könne. Da schrie mein Herz:
   "Oh Herr! Ich bin in der Fremde, ein Nichts, schwach und ohne Macht, ohne Kraft. Alt und krank und hilflos bin ich; und keine Wahl mehr ist mir geblieben. Ich flehe zu Dir um Deine Gnade! Ich suche Deine Vergebung. Vor Deinen Toren, oh Du Mein Gott, stehe ich und rufe zu Dir um Deine Hilfe." 
   Da kamen mir plötzlich das Licht des Glaubens, der Segen des Qur'an und die Freigiebigkeit des Allbarmherzigen zu Hilfe. Sie verwandelten diese fünf Fremdheiten, die mir so voll Dunkelheit gewesen waren und es öffnete sich mir ein lichtvoller, vertrauter Kreis.
   Mein Mund sprach:
حَسْبُنَا اللّٰهُ وَنِعْمَ الْوَكِيلُ
{"Allah ist unser Genügen und der vortrefflichste Anwalt."}    Mein Herz zitierte die Ayah:
فَاِنْ تَوَلَّوْا فَقُلْ حَسْبِىَ اللّٰهُ لآَ اِلٰهَ اِلاَّ هُوَ عَلَيْهِ تَوَكَّلْتُ وَهُوَ رَبُّ الْعَرْشِ الْعَظِيمِ
{"Wenn sie sich von dir abwenden, sprich: Allah ist mein Genügen. Es gibt keinen Gott außer Ihm. Auf Ihn vertraue ich und Er ist der Herr des gewaltigen Thrones." (Sure 9, 129)}
   Auch mein Verstand wandte sich an meine Seele (nefs), die da schrie in ihrer Qual und in ihrer Angst und sagte zu ihr:
  Lass du Ärmster deine Klagen! Vertraue auf Gott vor dem Unglück!Denn wisse, dass ein Fehler ist, zu klagen, sich im Unglück noch zu plagen.
Hast du gefunden den, der dich plagte, wisse:Glück und Freundschaft und ein Geschenk umhüllt dir die Plage.
So lass denn nun dein Klagen! Danke!Es lächeln die Rosen. Es freut sich die Nachtigall.
Findest du Ihn nicht, dann wisse, dass die Welt liegt in Qualen, Vernichtung in ihr, Zerstörung in ihr.
Es droht dir eine Welt voll Unglück 🙂 Hölle)! Was klagst du über dein kleines Missgeschick? Komm doch, vertraue!
Voll Vertrauen lache ihr ins Gesicht, der Plage! Auch sie wird lachen, die Plage.Wird lächelnd sich umwandelnd dir entschwinden. 
   Ich sprach auch wie einer meiner Lehrer, Maulana Djelaleddin einmal zu seiner Seele (nefs) gesagt hatte:
اُو گُفْتِ أَلَسْتُ وَتُوگُفْتِى بَلٰى شُكْرِ بَلٰى چِيسْتْ كَشِيدَنْ بَلاَ
سِرِّ بَلاَ چِيسْتْ كِه يَعْنِى مَنَمْ حَلْقَه زَنِ دَرْگَهِ فَقْرُ وفَنَا
{"Er sagte: 'Bin Ich nicht dein Herr?' Du hast gesagt: 'Doch! Du bist mein Herr.' Was also ist nun deine Dankespflicht in 'Bela! 🙂 in jenem Augenblick, wo du ja gesagt hast)'? Was hast du auf dich genommen in 'Bela'? was ruht für ein Geheimnis in 'Bela'?" "Es heißt gleichsam: Ich klopfe an Seine Tür in meiner Armseligkeit und Nichtigkeit."}    Nun antwortete mir auch meine Seele: "Wahrlich, meine Hilfsbedürftigkeit und mein Vertrauen und die Zuflucht, die ich in meiner Armseligkeit suche, öffnen in der Tat die Tore des Lichtes und vertreiben alle Finsternis. Gepriesen sei Allah für das Licht des Glaubens und den Islam." Und ich erkannte, welch hohe Wahrheit der folgende Ausspruch von Hikem-i Ataiyye enthält, wenn er sagt:
مَاذاَ وَجَدَ مَنْ فَقَدَهُ وَمَاذَا فَقَدَ مَنْ وَجَدَهُ
{"Was hat der gefunden, welcher Ihn verloren hat und was hat der verloren, der Ihn gefunden hat?"}
   Das heißt: "Wer Gott den Gerechten gefunden hat, was kann er noch verlieren? Und wer Ihn verloren hat, was kann er noch gewinnen?"
   Denn: "Wer Ihn gefunden hat, hat alles gefunden. Wer Ihn nicht gefunden hat, kann nichts mehr finden; und hätte er etwas gefunden, käme es gleich einem Unglück auf ihn herab." Nun verstand ich das Geheimnis des Hadith: طُوبـٰى لِلْغُرَبآَءِ {"Selig sind die Fremdlinge (ghuraba')"} und dankte dafür.
   Nun also meine Brüder sind diese Fremdheiten, die mir so voll Dunkelheit gewesen waren, durch das Licht des Glaubens wirklich erhellt und erleuchtet worden. Doch wirken sie immer noch in gewissem Grade auf mich ein und haben mir den folgenden Gedanken eingegeben: Ist denn nun, da ich nun einmal ein Fremdling bin, der in der Fremde lebt und in die Fremde geht, meine Aufgabe in dieser Herberge beendet, sodass ich nun euch und meine "Sözler" zu Stellvertretern ernennen und alle meine Bindungen sämtlich abbrechen kann...
   Dieser Gedanke war mir in den Sinn gekommen und darum hatte ich euch auch gefragt: Sind die bereits niedergeschriebenen "Sözler" schon ausreichend? Fehlt daran noch etwas? Das heißt: Ist meine Aufgabe nun beendet? sodass ich in der Ruhe meines Herzens mich in eine leuchtende, wohltuende, wahrhaftige Fremde stürzen und die Welt vergessen könnte, so wie Maulana Djelaluddin gesagt hat:
دَانِى سَمَاعِ چِه بُودْ؟ بِى خُودْ شُدَنْ زِ هَسْتِى
أَنْدَرْ فَنَاىْ مُطْلَقْ ذَوْقِ بَقَا چَشِيدَنْ
{"Weißt du, was Ekstase (sema') ist? Sich selbst verlieren, in der völligen Vergänglichkeit einen Vorgeschmack der Ewigkeit genießen."}
   Darf auch ich so sagen und nach einer erhabenen Fremde suchen? Darum also habe ich euch mit dieser Frage belästigt.
اَلْبَاقِى هُوَ الْبَاقِى
{"Der Beständige ist der, der bleibt und besteht."}
  Said Nursi 
  * * *     Dreizehnter Brief 
بِاسْمِهِ سُبْحَانَهُ ٭ وَاِنْ مِنْ شَىْءٍ اِلاَّ يُسَبِّحُ بِحَمْدِهِ
اَلسَّلاَمُ عَلٰى مَنِ اتَّبَعَ الْهُدٰى وَالْمَلاَمُ عَلٰى مَنِ اتَّبَعَ الْهَوٰى
{"In Seinem Namen. Und fürwahr gibt es kein Ding, das Ihn nicht lobpreist." "Friede allen, die der Rechtleitung folgen und Schande über alle, die ihrem Gelüste folgen."}
   Meine lieben Brüder,
   Ihr fragt mich so oft nach meinem Befinden, nach meinem Wohlergehen, warum ich mich nicht um einen Ausweis bemühe und warum ich der politischen Lage der Welt gegenüber gleichgültig bleibe. Weil mir aber dergleichen Fragen wiederholtermaßen gestellt wurden und auch in meinem Inneren aufgetaucht sind, sehe ich mich dazu gezwungen, die nachstehenden drei Fragen nicht in der Sprache des Neuen Said, aber doch in der Sprache des Alten Said zu beantworten.
   Eure erste Frage: 
   Befindest du dich wohl und wie fühlst du dich?
   Antwort: 
   Dem Herrn sei hunderttausend Mal Dank gesagt dafür, dass Er nach der Überfülle Seiner Erbarmungen alle die Arten von Ungerechtigkeit, welche die Weltleute mir angetan haben, in Arten Seines Erbarmens umgewandelt hat. Und das geschah so:
   Nachdem ich mich von der Politik und den weltlichen Dingen zurückgezogen hatte, um in einer Berghöhle über das Jenseits nachzudenken, haben die Weltleute in ihrer Ungerechtigkeit mich da wieder herausgeholt und verbannt. Doch der weise und barmherzige Schöpfer hat diese Verbannung für mich umgewandelt und mir Barmherzigkeit erwiesen. Er hat mir dieses Einsiedlerleben auf dem Berg mit der Unsicherheit, der ich dort ausgesetzt war und all den Gründen, die die Reinheit meiner Absicht (ihlas) hätten zerstören können, in eine sichere und aufrichtige Rüstzeit (halvet) in den Bergen von Barla umgewandelt. Während ich mich in Russland in Gefangenschaft befand, fasste ich den Vorsatz (niya) und flehte, mich die letzte Zeit meines Lebens in eine Höhle zurückzuziehen. Er hat mir nach der Überfülle Seiner Erbarmungen Barla als meine Höhle bereitet, mir einer Höhle gleich zum Lohn gegeben. Doch hat Er meinem schwachen Körper die mühselige Anstrengung einer Höhle nicht aufgelastet. Es hatten aber in Barla zwei, drei Männer Verdacht geschöpft. Ich wurde auf Grund dieser Verdächtigungen unter Druck gesetzt. Und dabei hatten doch diese meine Freunde angeblich nur an mein Wohlergehen gedacht. Sie haben aber mit ihren Verdächtigungen sowohl meinem Herzen als auch dem Dienst am Qur'an geschadet. Obwohl die Weltleute allen Verbannten ihre Ausweise gegeben, sie amnestiert und aus den Gefängnissen entlassen haben, haben sie mir ungerechterweise nichts gegeben. Mein Herr, der mich in Seiner Barmherzigkeit in dieser Fremde vor allen Unruhen diese Wirren Zeit bewahrt hat, um mich in meiner Arbeit am Qur'an noch mehr in den Dienst zu nehmen und damit ich über das Licht (envar) des Qur'an in meinen "Sözler" noch mehr niederschreiben könne, hat mein Los umgewandelt und mir so eine große Barmherzigkeit erwiesen. Die Weltleute haben noch dazu alle einflussreichen und mächtigen Führer und Scheiche, die sich in ihre weltlichen Angelegenheiten einmischen könnten, erlaubt, in ihren kleinen und großen Städten zu bleiben und mit ihren Verwandten und überhaupt mit jedermann zu verkehren; mich hingegen haben sie ungerechterweise isoliert und aufs Dorf geschickt. Man hat meinen Verwandten und den Landsleuten aus meiner näheren Heimat, ein, zwei von ihnen ausgenommen, noch nicht einmal eine Besuchserlaubnis erteilt.
   Mein Schöpfer hat mir diese Isolation in Seiner Barmherzigkeit in ein ganz großes Erbarmen umgewandelt. Dadurch hat Er mir mein Denken rein erhalten, meinen Verstand von jeglicher Verwirrung befreit und mich den Segen aus dem Weisen Qur'an unverfälscht schöpfen lassen. Überdies haben es die Weltleute im Anfang als zu viel angesehen, dass ich in einem Zeitraum von zwei Jahren zwei einfache Briefe geschrieben habe. Ja sogar noch heute sehen sie es gar nicht gerne, wenn alle zehn oder zwanzig Tage oder ein Mal im Monat ein, zwei Gäste kommen, nur um des Jenseits willen (d.h. um über das Himmelreich und andere religiöse Dinge zu sprechen). So setzen sie mich unter Druck. Mein Herr in Seinen Erbarmen und Schöpfer hat mir diese Ungerechtigkeit in Seiner Weisheit in eine Barmherzigkeit umgewandelt. Denn in meiner Isolierung hat Er mir diese heiligen drei Monate 🙂 Redjeb, Sha'ban, Ramadan), aus denen man den inneren Gewinn eines neunzig jährigen Lebens ziehen kann, umgewandelt und einer ersehnten Rüstzeit gleich auferlegt wie ein willkommenes Einsiedlerdasein. Lobpreis und Dank sei Allah für einen jeglichen Zustand und jede Lage. So also ist mein Wohlergehen und wie ich mich befinde...
   Eure zweite Frage: 
   Warum bemühst du dich nicht darum, einen Ausweis zu erhalten?
   Antwort: 
   In dieser Angelegenheit wurde ich von der Macht Gottes (qader) gerichtet. Nicht ein weltliches Gericht hat mich verurteilt. Beim Herrn des Schicksals (qader) muss ich vorstellig werden. Erteilt Er mir die Erlaubnis, stellt Er meine Versorgung hier ein, werde ich gehen. Diese Tatsache erklärt sich folgendermaßen:
   Für jedes Ereignis, das über einen kommt, gibt es zwei Gründe: der eine ist ein äußerlicher, der andere der wahre. Die Weltleute sind der äußerliche Grund dafür, dass man mich hierher gebracht hat. Was aber die Macht Gottes (qader) betrifft, so ist sie der wahre Grund dafür, dass ich zu dieser Rüstzeit verurteilt worden bin. Die äußere Veranlassung hat mir ein Unrecht getan, was aber den wahren Grund betrifft, so bin ich gerecht behandelt. Äußerlich betrachtet hat man sich gedacht: "Dieser Mann setzt sich bis zum Äußersten für die Wissenschaft und den Glauben ein. Vielleicht mischt er sich noch in unsere weltlichen Angelegenheiten ein." Auf Grund dieser Vermutung hat man mich verbannt und mir in dreifacher Hinsicht ein Unrecht getan. Doch die Macht Gottes hat gesehen, dass ich nicht in Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit der Wissenschaft und dem Glauben diene und mich um meinetwillen zu dieser Verbannung verurteilt. Sie hat ihr vielfaches Unrecht in hundertfältiges Erbarmen umgewandelt. Da also nun einmal die Konsequenz (qader) in meiner Verbannung der Richter ist und das Schicksal (qader) gerecht ist, muss ich bei ihm vorstellig werden. Was aber den äußeren Grund betrifft, so ist er in der Tat eine Sache von der Art eines Vorwandes. Das heißt also, dass bei ihnen vorstellig zu werden, sinnlos wäre. Wären sie im Recht, oder hätten sie einen zutreffenden Grund zur Hand, dann könnte ich auch bei ihnen vorstellig werden. Obwohl ich ihre Welt vollständig aufgegeben habe und mich von ihrer Politik ganz und gar abgewandt habe, erfinden sie dennoch Einwände, Ausreden und Verdächtigungen, die ganz gewiss grundlos sind, weshalb ich um nichts weiter bei ihnen nachfragen möchte, um ihren Verdächtigungen nicht einen Anstrich von Wahrheit zu verleihen. Hätte ich dazu Lust verspürt, mich in weltliche Politik einzumischen, deren Fäden in den Händen der Fremden zusammenlaufen, würde es keine acht Jahre, ja vielleicht nicht einmal acht Stunden dauern, bis das durchsickern und sich selbst verraten würde. Doch habe ich seit acht Jahren nicht mehr den Wunsch gehabt, eine Zeitung zu lesen und habe auch keine gelesen. Ich stehe hier schon seit vier Jahren unter Kuratel und nicht ein Tröpfchen ist durchgesickert und hat sich verraten. Das heißt: der Dienst am Weisen Qur'an ist von einer solchen Erhabenheit über alle Politik, dass darinnen kein Platz mehr bleibt, sich zu einer weltlichen Politik herabzulassen, die zum größten Teil aus Lüge besteht.
   Der zweite Grund dafür, dass ich bei Weltleuten nicht vorstellig werden will, ist der, dass ich kein Recht von denen fordern will, die das Unrecht für Recht ansehen, was auch eine Art Ungerechtigkeit wäre. Diese Art Unrecht zu begehen aber will ich nicht.
   Eure dritte Frage: 
   Warum verhältst du dich weltlicher Politik gegenüber so gleichgültig? Warum kümmert dich nicht das verbotene Vergnügen dieser Welt? Willst du über diese Vergnügungen wohlwollend hinwegsehen? Oder fürchtest du dich, sodass du schweigst?
   Antwort: 
   Der Dienst am Weisen Qur'an hat mir die Welt der Politik streng verboten. Ja sie lässt mich sogar jeden Gedanken daran vergessen. Im Gegenteil: mein ganzes Leben ist ein Zeugnis dafür, dass Furcht mich nicht an meinen Platz fesseln und daran hindern konnte, den einmal als wahr erkannten Weg zu beschreiten, mich gar nicht daran hindern kann. Und wovor sollte ich mich denn auch fürchten? Ich bin durch nichts an dieses irdische Leben gebunden außer durch eine Frist. Ich brauche nicht an Frau und Kinder zu denken. Ich brauche nicht an Hab und Gut zu denken. Ich brauche nicht an die Ehre meines Hauses zu denken. Nicht über denen, die mir helfen, Ruhm und Ehre dieser Welt zu bewahren, die ja doch nur aus Heuchelei und trügerischer Berühmtheit bestehen, sei das Erbarmen, nein, vielmehr über denen, die mir helfen, sie zu zerbrechen... Es verbleibt mir noch eine Frist. Sie ruht in den Händen der Majestät (Gottes) des Schöpfers. Wer könnte es wagen, an ihr zu rühren, bevor sie abgelaufen ist? Gewiss gehören wir zu denen, die "einen Tod in Würde vor einem Leben in Schmach bevorzugen." Einer, der so war wie der "alte Said", hat einmal gesagt:
وَنَحْنُ اُنَاسٌ لاَ تَوَسُّطَ بَيْنَنَا لَنَا الصَّدْرُ دُونَ الْعَالَمِينَ اَوِ الْقَبْرُ
{"Wir sind diejenigen, für die es keinen Mittelweg gibt. Uns gehört entweder ein Ehrenplatz unter den Menschen oder das Grab."}
   Ja der Dienst am Qur'an hat mir sogar verboten, an das öffentliche und soziale Leben der Menschen zu denken. Das ist folgendermaßen:    Das Menschenleben ist eine Reise. Ich habe im Lichte des Qur'an gesehen, dass dieser Weg heute in einen Sumpf hineingeraten ist. In diesem fauligen und schlammigen Sumpfgelände zieht die Schar der Menschen dahin, bald fallend, bald wieder aufstehend. Nur ein Teil von ihnen schreitet auf sicherem Pfad. Ein anderer Teil versucht, sich so weit wie möglich zu behelfen, um sich aus dem Schlamm und dem Sumpf zu befreien. Der größte Teil von ihnen aber watet im Dunkel durch diesen fauligen, schmutzigen, schlammigen Sumpf. Zwanzig Prozent von ihnen schmiert sich gleich wie ein Rausch diesen fauligen Schlamm ins Gesicht und in die Augen, der Meinung, es handele sich um Moschus und Amber... Bald fallend, bald wieder aufstehend setzen sie ihren Weg fort, bis sie ersticken. Achtzig Prozent von ihnen bemerken zwar den Sumpf, verspüren, wie er fault und stinkt, doch in ihrer Ratlosigkeit können sie den sicheren Weg nicht erkennen...
   Nun aber kann man ihnen zwei Mögliche Hilfen anbieten.
   Erstens: 
   Man kann diese zwanzig mit einer Keule aus ihrem Rauschzustand erwecken.
   Zweitens: 
   Man kann den Ratlosen ein Licht zeigen, das ihnen den sicheren Weg weist.
   Ich sehe aber, dass achtzig Mann für die zwanzig eine Keule in ihren Händen halten. Doch man zeigt diesen hilf- und ratlosen achtzig nicht das Licht der Wahrheit entsprechend... zeigte man es ihnen, würden sie dennoch verunsichert werden, weil die Hand sowohl den Stock als auch das Licht daran hält. Der Mensch in seiner Ratlosigkeit wird unruhig und fragt sich: "Will man mich etwa mit dem Licht anlocken und dann mit dem Stock schlagen der es hält?" Hinzu kommt, dass manchmal durch einen Zwischenfall der Stock zerbricht... Das Licht, das an ihm hängt, entschwindet und verlischt.
   Nun aber ist dieser Sumpf den Ausschweifungen im menschlichen Gemeinschaftsleben vergleichbar, das in Sorglosigkeit und Irrtum verläuft. Es gleicht einem Rausch, in dem die verstockte Menschheit ihren eigenen Irrtum genießt. Was aber die Ratlosen betrifft, so handelt es sich bei ihnen um solche, die zwar einen Abscheu vor dem Irrtum empfinden, doch sie können nicht aussteigen... sie möchten sich retten, doch sie finden den Weg nicht... es sind ratlose Menschen. Die Keule hinwiederum entspricht den politischen Strömungen. Das Licht aber bezeichnet die Wahrheit des Qur'an. Gegen das Licht aber gibt es keinen Kampf, ihm bringt man keine Feindschaft entgegen. Den gesteinigten Satan ausgenommen gibt es niemanden, der davor Abscheu hätte. So habe ich denn, um das Licht des Qur'an in meiner Hand bewahren zu können,
اَعُوذُ بِاللّٰهِ مِنَ الشَّيْطَانِ وَالسِّيَاسَةِ
{"Ich nehme meine Zuflucht zu Allah vor dem Satan und vor der Politik."}
gesagt, die Keule der Politik weggeworfen und das Licht mit beiden Armen umfasst. Ich habe gesehen, dass es in den politischen Strömungen, sowohl auf Seiten der Regierung wie der Opposition glühende Verehrer des Lichtes gibt. Keine Partei und keine Gruppierung darf vor einem Qur'an-Unterricht zurückschrecken oder ihn in irgendeiner Weise verdächtigen, der auf einer Stufe (maqam) erteilt wird, die hoch und weit über allen politischen Strömungen und jeglicher Parteilichkeit liegt und rein und frei ist von jeglicher Eigensüchtelei und auf das Licht des Qur'an (envar-i Kuraniye) hinweist. Davon ausgenommen sind nur jene Teufel in Menschengestalt oder Wölfe im Schafspelz, die ihren Unglauben und ihre Gottlosigkeit für Politik halten und für sie Partei ergreifen. Elhamdu-li'llah! ich wollte, dass durch meinen Rückzug aus der Politik der Wert der Wahrheiten des Qur'an, die einem Diamanten gleichen, nicht durch den Verdacht, bloße politische Propaganda zu sein, auf den Wert von Glasscherben herabgesetzt wird. Aber vielleicht werden diese Diamanten mit der Zeit ihren Wert in den Augen einer jeden Gruppe zu noch größerem Glanze erhöhen.
وَقَالوُا الْحَمْدُ لِلّٰهِ الَّذِى هَدٰينَا لِهٰذَا وَمَا كُنَّا لِنَهْتَدِىَ لَوْ لآَ اَنْ هَدٰينَا اللّٰهُ لَقَدْ جَآءَتْ رُسُلُ رَبِّنَا بِالْحَقِّ
{"Und sie sagten: Lob und Preis und Dank sei Allah, der uns bis hierher geführt hat. Stünden wir nicht unter Seiner Führung, könnten wir nicht auf den rechten Weg gelangen. Wahrlich, die Propheten unseres Herrn sind zu uns gekommen mit der Wahrheit."}
اَلْبَاقِى هُوَ الْبَاقِى
{"Der Beständige ist Er, der bleibt und besteht."}
  Said Nursi 
  * * *     Zweiundzwanzigster Blitz 
بِاسْمِهِ سُبْحَانَهُ
{"Im Namen des Hochgelobten."}
   Dem gerechten Bürgermeister von Isparta, der Justiz und der Polizeibehörde, sowie meinen persönlichsten, innigsten und aufrichtigsten Brüdern gewidmet, biete ich diese kleine so persönliche Abhandlung an, die ich vor zweiundzwanzig Jahren geschrieben habe, als ich mich in Barla, Kreis Isparta, befand, weil sie in Beziehung zu Volk und Regierung steht. Falls es für geeignet erscheinen sollte, mögen einige Exemplare davon mit den neuen oder auch mit den alten Buchstaben getippt werden, damit auch diejenigen, die seit fünfundzwanzig, dreißig Jahren noch nach meinen Geheimnissen suchen und darin forschen, begreifen: Wir haben gar keine versteckten Geheimnisse. Und unser verborgenstes Geheimnis, das ist diese Abhandlung. Sie sollen sie kennenlernen!
  Said Nursi 
   Drei Hinweise 
   Obwohl diese Abhandlung die Dritte Streitfrage der Siebzehnten Anmerkung innerhalb des Siebzehnten Blitzes wäre, wurde sie wegen ihrer Dringlichkeit und des Umfangs ihrer Fragen und wegen ihrer glänzenden und ausdrucksstarken Antworten als Zweiundzwanzigster Blitz des Einunddreißigsten Briefes in die Sammlung der Blitze eingereiht. Man muss also dieser Abhandlung in diesem Band einen Platz einräumen. Von privatem Charakter ist sie meinen innigsten, aufrichtigsten und treuesten Brüdern zugeeignet. بِسْمِ اللَّهِ الرَّحْمَنِ الرَّحِيمِ
وَمَنْ يَتَوَكَّلْ عَلَى اللّٰهِ فَهُوَ حَسْبُهُ اِنَّ اللّٰهَ بَالِغُ اَمْرِهِ
قَدْ جَعَلَ اللّٰهُ لِكُلِّ شَيْءٍ قَدْرًا
{"Im Namen Allahs, des Erbarmers, des Barmherzigen. Denn wer auf Allah vertraut, dem ist Er sein Genügen. Wahrlich, was Allah sich vorgenommen hat, das erreicht Er; und schon hat Er allen Dingen Seine Bestimmung auferlegt." (Sure 65, 3)}
   Diese Streitfrage besteht aus drei Hinweisen.
   Erster Hinweis: 
   Eine wichtige Frage, die mich persönlich und auch die Risale-i Nur betrifft.
   Es wird von vielen Seiten gesagt: Warum mischen sich die Weltleute bei jeder Gelegenheit in deine religiösen Angelegenheiten ein, obwohl doch du dich niemals in weltliche Angelegenheiten einmischt? Mischt sich denn irgendein Gesetz irgendeiner Regierung in das Leben derer, die sich aus der Welt zurückgezogen haben und als Einsiedler leben wollen?
   Antwort: 
   Der Neue Said beantwortet diese Frage mit Schweigen. Der Neue Said sagt: "Diese Antwort möge die Vorausschau Gottes geben." Gleichzeitig aber spricht zwangsläufig der Verstand des Alten Said, den er sich vorübergehend geliehen hat:
   Wer auf diese Frage eine Antwort geben sollte, ist die Regierung von Isparta, sind die Einwohner dieser Stadt. Denn Volk und Regierung dieser Stadt sind von dem, was diese Frage beinhaltet, weit stärker betroffen als ich. Denn warum sollte ich, da nun einmal die Regierung, die aus Tausenden von Personen besteht und ihr Volk, das aus Hunderttausenden von Personen besteht und dazu verpflichtet ist, sich um mich zu kümmern und mich zu verteidigen, unnötigerweise mit meinen Anklägern konferieren und mich selbst verteidigen? Denn seit neun Jahren lebe ich in dieser Stadt und allmählich kehre ich ihren weltlichen Angelegenheiten immer mehr den Rücken. Keiner meiner Lebensumstände ist zugedeckt und keiner meiner Seelenzustände noch bekleidet geblieben. Jede auch noch so private und zur Veröffentlichung am wenigsten geeignete Abhandlung ist in die Hände der Regierung und mancher Abgeordneten geraten. Als ob ich durch mein Verhalten die Weltleute in Angst und Schrecken versetzt, mich in ihre Regierungsangelegenheiten eingemischt, dergleichen vorbereitet oder auch nur beabsichtigt hätte, hat die Regierung dieser Stadt und der Kreis mich neun Jahre lang beobachten lassen und hinter mir her spioniert, und das, obwohl ich zu denen, die zu mir gekommen sind selbst noch über meine Privatangelegenheiten offen gesprochen habe. Doch die Regierung hat sich mir gegenüber schweigend verhalten und sich nicht weiter mit mir befasst. Hätte ich das Glück von Volk und Vaterland zerstört, ihm für die Zukunft irgendeinen Schaden zugefügt und mich auf diese Weise schuldig gemacht, dann sind alle, angefangen vom obersten Gouverneur bis hin zum letzten Polizeikommandanten eines Dorfes seit neun Jahren dafür verantwortlich. Nun müssten sie sich von ihrer Verantwortung wieder rein zu waschen mich verteidigen und denen, die bisher versucht hatten, Kuppeln aus Seifenschaum zu errichten, erklären, dass eine Kuppel eine Seifenblase sei. Ist dem aber so, dann überlasse ich ihnen die Antwort auf diese Frage.
   Nun aber ist das Volk dieser Stadt in seiner Gesamtheit mehr als ich dazu verpflichtet, mich zu verteidigen, unzwar deshalb, weil wir seit neun Jahren mit Hunderten von Abhandlungen, die einen spürbaren Eindruck hinterlassen haben, aber auch mit der Tat für das ewige Leben in jener, die Stärkung des Glaubens und ein glückliches Leben in dieser Welt für das Volk, das uns ein gesegnetes ist von Gott, Bruder und Freund gearbeitet haben. Es ist niemandem auf Grund dieser Abhandlungen Wirrwarr oder Schaden erwachsen, und dass auf staatlicher oder gemeindlicher Ebene irgendwelche Eigensüchteleien zum Vorschein gekommen wären. Allah sei Dank dafür, dass die Stadt Isparta den segensreichen Status des alten Heiligen Damaskus erworben hat und durch die Risale-i Nur den segensreichen Status, hinsichtlich seiner Kraft überzeugten Glaubens und seiner Festigkeit im Glaubensleben, und den segensreichen Status also von der Art der El-As-har-Universität in Ägypten. Ihre Räume dienen dem Gebet und dem Unterricht in religiösen wie weltlichen Fächern. Sie ist eine theologische Hochschule für die gesamte islamische Welt. Durch die Risale-i Nur wurde es erreicht, dass in dieser Stadt die Stärke des Glaubens und die Begeisterung für die religiösen Verpflichtungen die allgemeine Gleichgültigkeit überwinden halfen. Dadurch ist sie im Vergleich mit allen anderen Städten zu einer hohen religiösen Haltung erstarkt. Deshalb müssen alle Menschen in dieser Stadt, selbst dann, wenn sie glaubenslos sein sollten, mich und die Risale-i Nur verteidigen. Da meine Verteidigung für sie eine sehr bedeutsame Verpflichtung darstellt, für meine Wenigkeit die Aufgabe beendet ist und - Dank sei Allah - Tausende von Schülern an meiner Statt gearbeitet haben und noch heute arbeiten, sehe ich keine Veranlassung mehr dazu gegeben, mein so winzig kleines Recht zu verteidigen. Ein Mann, der so viele tausend Anwälte hat, braucht sich nicht mehr selbst zu verteidigen.
   Zweiter Hinweis: 
   Antwort auf eine kritische Frage.
   Von Seiten der Weltleute wird gesagt: Warum spielst du den Beleidigten? Nicht ein einziges Mal bist du bei uns vorstellig geworden; geschwiegen hast du! Du beschwerst dich lautstark über uns und sagst: "Ihr schikaniert mich." Aber bei uns gibt es ein Prinzip, eine eigene Devise als Erfordernis unserer Zeit. Deren Praktizierung aber akzeptierst du nicht für dich. Wer die Gesetze anwendet, kann ungesetzlich nicht handeln; wer sie aber nicht akzeptiert, ist ein Revolutionär. Um es kurz zu machen; in diesem Zeitalter der Befreiung, der Epoche des Republikanismus, die gerade erst begonnen hat, spielst du manchmal den Hodja und manchmal den Einsiedelmann, um die allgemeine Aufmerksamkeit auf dich zu ziehen und bemühst dich darum, dir außerhalb der Einflusssphäre der Regierung Macht und eine soziale Stellung zu verschaffen, obwohl es doch ein Grundgesetz unserer Regierung geworden ist, zu Gunsten des Gleichheitsprinzips mit der bisherigen Vor- und Gewaltherrschaft, der Unterdrückung auf Grund von Privilegien zu brechen, was du ja schon in deinem ganzen äußeren Gehabe zum Ausdruck bringst und was auch dein bisheriger Lebenslauf beweist. Dieses dein Verhalten mag man, um einen modernen Ausdruck zu gebrauchen, in der Unterdrückung und unter der Despotie der Bourgeoisie gutheißen, aber bei uns haben sich nach der Aufklärung und dem Sieg der Klasse der Proletarier die Grundsätze des endgültigen Sozialismus/Bolschewismus ganz klar gezeigt, was unserer Arbeit sehr gut zustatten kommt und weshalb wir auch diese Prinzipien des Sozialismus akzeptiert haben. Deshalb kommt uns deine Haltung schwer an, läuft unseren Prinzipien zuwider. Deswegen hast du kein Recht, dich wegen der zusätzlichen Auflagen bei uns zu beschweren und auch noch den Beleidigten zu spielen!?
   Antwort: 
   Wer im gesellschaftlichen Leben der Menschheit einen neuen Weg einschlagen will, kann nichts Gutes zustande bringen, keinen Fortschritt erzielen und keinen Erfolg haben, wenn er sich hier in dieser Welt nicht im Einklang mit den Naturgesetzen befindet. Was er tut, erweist sich als destruktiv und alle seine Handlungen werden ihm als Bosheit angerechnet. In Anbetracht dieser Tatsache erweist es sich als notwendig, den Naturgesetzen zu folgen. Doch dem Gesetz der völligen Gleichheit kann man erst dann folgen, wenn man die Natur des Menschen ändert und die der Erschaffung des Menschengeschlechtes zu Grunde liegende Weisheit abschafft. Ich selbst bin wahrhaftig von Hause aus und meiner Lebensweise nach ein Proletarier und gehöre meinem Wesen und Denken entsprechend zu denen, die das Prinzip der "Gleichheit aller vor dem Gesetz" akzeptieren. Aufgrund meines Mitempfindens und meines islamischen Glaubens opponiere ich seit eh und jäh mit einem tiefen Sinn für Gerechtigkeit gegen die Unterdrückung durch die privilegierte Klasse der Oberschicht, welche man die Bourgeoisie nennt. Deshalb bin ich auch mit meiner ganzen Kraft für absolute Gerechtigkeit und gegen die Unterdrückung und Ausbeutung, gegen Ungerechtigkeit und Despotie.
   Aber das Wesen des Menschen und die tiefe Wahrheit und Weisheit, die ihr zu Grunde liegt, ist dem Gesetz von der absoluten Gleichheit entgegengesetzt. Denn so wie der allweise Schöpfer, um uns Seine Allmacht und Weisheit in ihrer Vollendung zu zeigen, aus wenigen Dingen eine große Ernte hervorbringt, auf eine einzige Seite viele Bücher schreiben lässt und durch ein einziges Ding viele Aufgaben erfüllen lässt, so lässt Er auch durch das Menschengeschlecht die Aufgaben von tausenderlei verschiedenen Arten (der Schöpfung) wahrnehmen.
   Dies aber ist nun das gewaltige Geheimnis, dass Gott der Gerechte das Menschengeschlecht in seinem Wesen so erschaffen hat, dass es sich in Tausenden von Arten entfaltet und sich auf tausenden Stufen gleich ebenso vielen voneinander verschiedenen Tiergattungen zeigt. Doch ist der Mensch nicht einem Tier gleich, in seinen äußeren und inneren Fähigkeiten und Empfindungen begrenzt. Gott hat ihm die Freiheit geschenkt und ihm die Fähigkeit verliehen, auf unendlichen Stufen zu schreiten. Obwohl die Menschen in ihrer Gesamtheit nur eine einzige menschliche Gattung bilden, kommen sie dennoch in ihrer Bedeutung Tausenden von Gattungen gleich, weshalb der Mensch auch die Bedeutung eines Stellvertreters Gottes auf Erden, der Frucht der Schöpfung und eines Königs über alles Lebendige erhalten hat.
   Nun aber finden der Wettbewerb und alle menschlichen Qualitäten, die aus dem wahrhaftigen Glauben entstehen, ihre Ursache in der Mannigfaltigkeit der Arten, welche die so überaus notwendige Hefe zu dessen Entfaltung und das Antriebsaggregat zu dessen Fortentwicklung bilden. Diese menschlichen Qualitäten zu streichen oder auch nur zu nivellieren ist nur dann möglich, wenn man den Menschen in seinem Wesen verändert, seinen Verstand auslöscht, seine Seele zerstört und seinen Geist tötet. Nachfolgend dazu ein absolut zutreffendes Wort, {Eine Anspielung auf seinen Verfasser Namik Kemal. (A.d.Ü.)} würdig, dieser unserer Zeit, die unter dem Deckmantel, eine freiheitlich demokratische Republik begründen zu wollen, eine furchtbare Schreckensherrschaft aufgerichtet hat, in ihr unmenschliches Antlitz zu schlagen, ein Wort, das jedoch fälschlicherweise einer hervorragenden Persönlichkeit, die diesen Schlag nicht verdient hätte, ins Gesicht geschleudert wurde:
  Wie wäre es denn möglich durch Ungerechtigkeit und Despotie dem Volk zu nehmen sein Recht auf Freiheit und Demokratie!
Versuche doch, ob du kannst in der Menschheit auslöschen den Sinn und ihre Sehnsucht nach der Freiheit! 
   Doch an Stelle dieses Ausspruchs will ich dieser unserer Zeit ins Gesicht schleudern:
  Wie wäre es denn möglich durch die Ungerechtigkeit und Unterdrückung dem Volk die Freiheit der Wahrhaftigkeit zu rauben und sein Recht? 
  Versuche doch, ob du der Menschheit töten kannst das Herz und ihren Sinn für die Wahrhaftigkeit! 
oder:
  Wie wäre es denn möglich durch Ungerechtigkeit und Unterdrückung einer Seele alle ihre Vorzüge zu stehlen und ihre Verdienste? 
  Versuche doch, ob du machen kannst zu gewissenlosen Seelen die Menschheit und vernichten alle ihre Werte! 
   Tatsächlich sind diejenigen Werte, die aus dem Glauben hervorgehen keine Quelle der Bevormundung und können auch kein Grund zur Unterdrückung sein. Bevormundung und Gewaltherrschaft auszuüben ist Charakterlosigkeit. So ist denn der bedeutendste Wesenszug eines Mannes von Charakter der, in all seiner Armut, Schwäche und Bescheidenheit teilzuhaben am menschlichen Gemeinschaftsleben. Gott sei Dank hat mein Leben stets diesen Charakterzug getragen und wird auch weiter durch ihn geprägt sein. Ich will mich nicht rühmen zu behaupten, besondere Vorzüge zu besitzen, doch in der Absicht, mit den Worten der Sure: "Verkündige die Gnade deines Herrn" (Sure 93, 11) zu danken, darf ich sagen, dass Gott der Gerechte aus der Fülle Seiner Freigiebigkeit mir den Vorzug geschenkt hat, mich für mich selbst und für andere um das Verständnis von Glaube und Qur'an zu bemühen. Diese Gnade Gottes habe ich Gott sei Dank in meinem ganzen Leben unter Gottes Führung um der islamischen Nation willen und zu deren Glück verwendet; und so wie Unterdrückung und Bevormundung für mich niemals in Frage kamen, so habe ich auch, worauf die Gunst der Massen gerichtet ist und was bei den Leuten als besonders populär gilt und wonach die meisten Gottvergessenen verlangen, auf Grund einer tiefen, entscheidenden Wahrheit verabscheut. Zwanzig Jahre meines früheren Lebens haben die Gunst der Massen und der Applaus des Volkes unerfüllt gelassen, weshalb ich sie für mich als schädlich ansehe. Doch nehme ich dies als ein Zeichen dafür, dass die Risale-i Nur bei ihnen gut angekommen ist und will sie deshalb nicht vor den Kopf stoßen.
   Nun also ihr Weltleute! Niemals habe ich mich in eure weltlichen Angelegenheiten eingemischt und niemals in irgendeiner Weise gegen eure Grundsätze verstoßen. Neun Jahre Leben in der Gefangenschaft sind Zeugnis dafür, dass ich gar nicht die Absicht und auch nicht den Wunsch danach habe. Als sei ich ein ehemaliger Diktator, der ständig auf eine Gelegenheit wartet und nur mit dem Gedanken an Unterdrückung und Diktatur umgeht, spioniert ihr ständig hinter mir her und schikaniert mich; doch nach welchem Gesetz? Und in welcher Angelegenheit? Kein Staat der Welt dürfte sich eine solche über jedes Maß und Gesetz hinausgehende Handlungsweise erlauben, wie sie ganz offensichtlich auch nicht ein Einziger billigen würde. In einer derart üblen Weise gegen mich vorzugehen, bedeutet nicht nur für mich eine Kränkung, nein, die ganze Menschheit würde euch grollen, wüsste sie davon, ja vielleicht grollt euch die ganze Schöpfung deshalb!
   Dritter Hinweis: 
   Eine spitzfindige Wahnsinnsfrage. 
   Ein Teil der Regierungsmitglieder sagt: Da du nun einmal hier in diesem Lande lebst, musst du dich auch an die staatlichen Gesetze der Regierung dieses Landes halten. Warum versteckst du dich hinter deinem Einsiedlerleben und versuchst so, dich vor unseren Gesetzen zu drücken? Kurzum: Hinsichtlich unserer heutigen Staatsgesetze verstößt es gegen die Grundlagen unserer Republik, die auf dem Prinzip der Gleichheit basieren, wenn du, den wir doch gar nicht beauftragt haben, dir eine Vorrangstellung anmaßt und den Überlegenen spielst, indem du deinen Einfluss auf einen Teil des Volkes ausübst und es unterdrückst. Warum lässt du dir die Hand küssen, obwohl du doch gar kein entsprechendes Amt inne hast? "Auf mich sollen die Leute hören!", sagst du und maßt dir in deiner Selbstgefälligkeit ein Amt an?
   Antwort: 
   Wer ein Gesetz anwenden will, sollte es zuerst bei sich selbst anwenden, danach mag er es bei den anderen anwenden. Ihr wendet einen Grundsatz, den ihr bei euch selbst nicht anwendet, bei anderen an und hebt so diesen Grundsatz vor allen anderen zuerst bei euch selbst auf, brecht euer Gesetz, verstoßt gegen es. Denn auf mich wollt ihr ja dieses Gesetz von der absoluten Gleichheit anwenden. Doch ich sage euch:
   Würde ein einfacher Soldat in der Gesellschaft den gleichen Rang einnehmen wie ein Marschall und würde ihn das Volk mit der gleichen Hochachtung aufnehmen, die es einem Marschall erweist und er das gleiche Entgegenkommen und die gleiche Hochachtung genießen wie jener, oder würde jener Marschall, als begäbe er sich auf die Stufe eines einfachen Soldaten hinab, in seiner äußerlichen Erscheinung das Aussehen dieses einfachen Soldaten annehmen und würde jener Marschall über seine eigentliche Aufgabe hinaus keine persönliche Bedeutung mehr zukommen, ja würde man selbst einen Chef des Stabes, welcher als der Klügste von allen eine Armee zum Sieg geführt hatte, im allgemeinen Interesse, in der Hochachtung, die man ihm entgegenbringt und in der Verehrung, die er genießt, einem einfältigen Soldaten gleich behandeln, dann könntet ihr auch zu mir - eurem Gleichheitsgesetz entsprechend - sagen: "Nenne dich nicht einen Hodscha! Billige es nicht, dass man dir Ehre erweist! Stelle deinen eigenen Wert in Abrede! Mache aus dir einen Bediensteten deines Dieners! Werde Kollege unter den Bettlern!"
   Wollt ihr also zu mir sagen: 
   Diese Ehre, dieser Rang, dieses Ansehen ist auf die Arbeitszeit beschränkt und gebührt nur unseren Funktionären. Du bist ein Mann ohne Funktion. Du darfst nicht unseren Funktionären gleich es billigen, dass das Volk dir Ehre erweist!?
   Antwort: 
   Bestünde ein Mensch nur aus seinem Körper... und bliebe der Mensch für immer als ein Unsterblicher in dieser Welt... und schlössen sich des Grabes Pforten... und tötete man den Tod... und bliebe dann der Dienst nur auf die militärische und auf die zivile Beamtenschaft beschränkt... Dann enthielten eure Worte noch einen Sinn. Da aber ein Mensch nun einmal nicht nur aus seinem Körper besteht, trennt man nicht, um den Körper zu ernähren, Herz 🙂 Gemüt), Zunge 🙂 Sprache), Verstand und Gehirn 🙂 Bewusstsein) von ihm ab und gibt es ihm zu essen. Man zerstört diese Organe nicht. Sie sind im leib-seelischen Stoffwechsel mit inbegriffen.
   Da sich aber nun einmal die Pforten des Grabes nicht schließen werden und da nun einmal die Sorge um die Zukunft auf der anderen Seite des Grabes die wichtigste Frage jedes Einzelnen ist, sind die Aufgaben, die es mit sich bringen, dass das Volk Gehorsam leistet und Ehrerbietung erweist, sicherlich nicht auf den sozialen, politischen und militärischen Aufgabenbereich, also nur das rein irdische Leben des Volkes, beschränkt. Wie es also in der Tat eine Aufgabe ist, den Reisenden auf ihrem Weg einen Pass mitzugeben, so ist es auch eine Aufgabe, den Reisenden in die Ewigkeit sowohl einen Pass als auch ein Licht auf den dunklen Weg mitzugeben, eine Aufgabe, wie es keine wichtigere Aufgabe gibt, als diese.
   Diese Aufgabe zu verkennen, hieße den Tod leugnen und das Zeugnis der dreißigtausend Zeugen, die täglich mit dem Siegel ihres Leichnams die Verkündigung اَلْمَوْتُ حَقٌ {"Tod ist Wahrheit"} unterzeichnen, zu verleugnen und zu verkennen. Es gibt also einen inneren Aufgabenbereich zur Erfüllung innerer Grundbedürfnisse. In diesen Aufgabenbereich hinein gehört als wichtigstes der Glaube, der Unterricht im Glauben und die Stärkung im Glauben als ein Pass für die Reiseroute in die Ewigkeit, als die Taschenlampe des Herzens im Dunkeln der Zwischenwelt und Schlüssel der Ewigen Glückseligkeit. Bestimmt werden Wissende in der Wahrnehmung dieser Aufgabe in gar keinem Fall, undankbar gegenüber den ihnen verliehenen Gnadengaben, Gottes Geschenke und den Wert des Glaubens für nichts erachten und auf die Stufe des Lasters und der Sünde hinunterfallen. Sie werden sich nicht mit sittenwidrigen Neuerungen und Lastern von Menschen niedriger Gesinnung besudeln!... Deswegen also dieses Einsiedlerleben, das euch nicht gefällt und das ihr für eine Ungleichheit haltet!
   Deshalb und auf Grund dieser Wahrheit rede ich nicht mit Hochmütigen wie ihr, die mich gleich euch mit Schikanen einschüchtern wollen und deren Ichsucht mit dem Bruch des Gleichheitsgesetzes ein geradezu pharaonisches Ausmaß angenommen hat. Denn Hochmütigen gegenüber darf man nicht bescheiden auftreten, weil solcher Art Bescheidenheit als Würdelosigkeit ausgelegt würde. Vielmehr sage ich den gemäßigten, bescheidenen und gerechten unter ihnen: "Gott sei Dank kenne ich meine eigenen Fehler und Schwächen." Ich bin nicht so stolz, eine Ehrenstellung unter den Muslimen zu verlangen, sondern sehe alle Zeit meine grenzenlosen Fehler und meine Nichtigkeit, finde Trost, wenn ich um Vergebung bete und erwarte von den Leuten nicht Verehrung sondern ihr Gebet. Im übrigen glaube ich, dass alle meine Kollegen den Weg, den ich eingeschlagen habe, bereits kennen. Es ist dabei jedoch Folgendes zu beachten: Wenn ich der tiefen Wahrheit des Weisen Qur'an diene und während ich die Glaubenswahrheiten unterrichte, nehme ich um der Wahrheit und der Ehre des Qur'an willen vorübergehend jenes ehrwürdige Verhalten an, wie es während der Unterrichtsstunden notwendig ist, um den Ernst und die Würde der Wissenschaft zu bewahren, meinen Nacken nicht zu beugen vor denen, die in die Irre gehen. Ich meine, dass es den Weltleuten nicht zusteht, Gesetze zu erlassen, die in diesem Punkt das Gegenteil bewirken sollen!
   Eine Staunen erregende Handlungsweise: 
   Es ist bekannt, dass überall auf der Erde der Wissenschaftler sein Urteil vom Standpunkt der Erkenntnis und der Wissenschaft aus abgibt. Wo und bei wem auch immer er Erkenntnis und Wissenschaft bemerkt, nährt er ihm gegenüber auf Grund der gemeinsamen Berufung ein Gefühl der Freundschaft und kommt ihm mit Ehrerbietung entgegen. Ja selbst dann, wenn sich zwei Staaten im Spannungskriegszustand miteinander befinden, wird ein Professor des einen Landes bei einem Besuch in dem anderen Lande von den dortigen Wissenschaftlern um des Ansehens der Wissenschaft und der Erkenntnis willen mit allen Ehren willkommen geheißen werden.
   Dennoch war es gerade ein Teil der Angehörigen des Erziehungsministeriums und auch ein kleiner Teil der offiziellen Hodjas, der einen Wissenschaftler schikaniert, Feindseligkeiten gegen ihn genährt und ihn geradezu gekränkt hat; einen Angehörigen des selben Vaterlandes und des gleichen Glaubens, sowohl Freund als auch Bruder; einen Wissenschaftler, der, als England durch sein oberstes Konsistorium der Wissenschaften an das Amt des Scheichu-l'Islam sechs Fragen richtete, auf die es vom Scheichu-l'Islam eine Antwort in sechshundert Worten erwartete, in sechs Worten eine Antwort verfasste, die ihre volle Anerkennung fand, obwohl das Erziehungsministerium ihm diese Anerkennung schuldig blieb; einem Wissenschaftler, der den wichtigsten und grundlegendsten Prinzipien der fremden Philosophen wahre Wissenschaft und Erkenntnis entgegenzusetzen und sie dadurch zu überwinden vermochte; einem Wissenschaftler, der, gestützt auf die Kraft der Erkenntnis und der Wissenschaft, die er aus dem Qur'an empfangen hatte,
{(*): Der Neue Said sagt: Ich stehe nicht hinter den Worten, die der Alte Said von seinem damaligen Standpunkt aus so stolz geäußert hat. Da ich ihm aber nun in dieser Abhandlung einmal das Wort erteilt habe, möchte ich es ihm hier nicht wieder entziehen. Also schweige ich, um diesen Leuten in ihrer Selbstgefälligkeit ein klein wenig seine eigene Selbstgefälligkeit zu zeigen.}
die Philosophen Europas herauszufordern vermochte; einen Wissenschaftler, der sechs Monate vor der Zeit der Konstitutionellen Monarchie (1908-18) in Istanbul sowohl die Gelehrten als auch die Studenten zu einem Disput eingeladen und dabei alle Fragen fehlerfrei richtig beantwortet hatte, ohne selbst eine Frage zu stellen; einem Wissenschaftler, der sein ganzes Leben dem Glück des Volkes gewidmet hatte; einem Wissenschaftler, der in Hunderten von Abhandlungen, die er in türkischer Sprache, der Sprache des Volkes, veröffentlicht hatte, das Volk unterrichtet und ihm Klarheit geschenkt hatte. Was soll man nun in Anbetracht eines solchen Zustandes noch dazu sagen! Soll man so etwas "Zivilisation" nennen? Ist das Begeisterung für die Wissenschaft? Ist das Begeisterung für das Vaterland? Ist das Begeisterung für das Volk? Ist das Begeisterung für die Republik? Nein, keineswegs! Ganz und gar nicht! Das ist überhaupt nichts. Vielmehr ist es göttliche Fügung. Die göttliche Fügung hat sich diesem Wissenschaftler gegenüber feindselig gezeigt, wo er auf Freundschaft gehofft hatte, damit sich sein Wissen nicht angesichts der Verehrung in Heuchelei verkehre und damit er die Wahrhaftigkeit erlange...    Nachwort 
   Eine Kritik, die nach meiner Meinung sowohl erstaunlich als auch eine Quelle der Dankbarkeit ist: 
   Die außergewöhnliche Selbstgefälligkeit der Weltleute bewirkt, dass diese, sobald es um Selbstgefälligkeit geht, eine derartige Empfindsamkeit entwickeln, dass man ihr den Grad eines Wunders beimessen müsste, wenn sie ihnen bewusst wäre, oder aber, man müsste dieser Verhaltensweise den Grad der Genialität verleihen. Es handelt sich bei dieser Verhaltensweise um Folgendes:
   Sie empfinden jede, ein bisschen scheinheilige Selbstgefälligkeit in meiner Haltung, auch wenn meine Seele und mein Verstand sie nicht wahrnehmen, mit der Empfindlichkeit der Waage ihrer eigenen Selbstgefälligkeit und widersetzen sich dieser meiner, von mir selbst nicht empfundenen Selbstgefälligkeit auf das heftigste. In acht, neun Jahren habe ich acht-, neunmal die Erfahrung gemacht, dass ich über die Vorausschau Gottes nachgedacht habe, wenn wieder einmal eine Schikane gegen mich vorgekommen, sie sich mir gegenüber ungerecht verhalten hatten und ich mich fragte: "Warum hat mich diese Heimsuchung Gottes in der Gestalt dieser Menschen betroffen?" So begann ich wieder die Listen und Ränke meiner Seele zu untersuchen.
   Da verstand ich, dass entweder meine Seele sich ihrem Wesen entsprechend mir selbst unbewusst der Selbstgefälligkeit zugeneigt, oder aber mich bewusst in die Irre geführt hatte.
   So sagte ich mir, dass die Vorausschau Gottes bei aller Ungerechtigkeit der Rechtlosen mir gegenüber gerecht gehandelt hatte. Zum Beispiel: In diesem Sommer hatten mich meine Freunde auf ein schönes Pferd gesetzt. Ich habe einen Spazierritt unternommen. Ohne mir dessen bewusst zu werden erwachte in meiner Seele ein so stolzes Wohlgefühl, dass die Weltleute dermaßen heftig auf meine Laune reagierten, dass sie mir nicht nur meinen heimlichen Wunsch verleideten, sondern auch auf viele andere Dinge den Appetit verdarben. Es gibt sogar noch ein Beispiel: Es war diesmal nach dem Monat Ramadan, dass meine Seele - ohne dass ich es bemerkte - nachdem ein Imam, der zu seiner Zeit ein sehr großer und heiliger Mann gewesen war, weil er die Gabe der Vorausschau besaß, uns seine Aufmerksamkeit zugewandt hatte, meine Brüder rechtschaffen und aufrichtig waren, meine Gäste eine hohe Meinung von mir hatten und mir ihre Ehrerbietung bezeigten, heuchlerisch so tat, als ob sie dankbar sein wolle und so gerne eine Haltung der Selbstgefälligkeit angenommen hätte. Da spürten diese Weltleute plötzlich in ihrer grenzenlosen Empfindlichkeit selbst noch das letzte Stäubchen meiner Heuchelei auf und fingen plötzlich an, mich zu belästigen. Ich sage Gott dem Gerechten Dank dafür, dass ihre Ungerechtigkeit mir zu einem Fahrzeug zur Wahrhaftigkeit geworden ist.
رَبِّ اَعوُذُ بِكَ مِنْ هَمَزَاتِ الشَّيَاطِينِ ٭ وَاَعُوذُ بِكَ رَبِّ اَنْ يَحْضُرُونِ
اَللّٰهُمَّ يَا حَافِظُ يَاحَفِيظُ يَا خَيْرَ الْحَافِظِينَ ٭ اِحْفَظْنِى وَاحْفَظْ رُفَقَائِى مِنْ شَرِّ النَّفْسِ وَالشَّيْطَانِ وَمِنْ شَرِّ الْجِنِّ وَاْلاِنْسَانِ وَمِنْ شَرِّ اَهْلِ الضَّلاَلَةِ وَاَهْلِ الطُّغْيَانِ ٭ اٰمِينَ اٰمِينَ اٰمِينَ
سُبْحَانَكَ لاَعِلْمَ لَنَآ اِلاَّ مَاعَلَّمْتَنَآ اِنَّكَ اَنْتَ الْعَلِيمُ الْحَكِيمُ
{"Oh Herr! Ich nehme meine Zuflucht zu Dir vor den Nachstellungen und Bosheiten der Teufel. Ja zu Dir, oh mein Herr nehme ich meine Zuflucht, wenn sie sich mir nahen. Oh Allah! Oh Du mein Beschützer, bester unter allen, die mich behüten! Behüte mich und bewahre die Herausgeber dieser Abhandlungen und ihre Gefährtinnen vor der Bosheit der Dschinnen und Menschen und vor der Bosheit der Leute des Irrweges, der Vertreter sittenloser Neuerungen, der Leute, die sich auflehnen (gegen Deine Weisungen)! Gepriesen seist Du! Kein Wissen besitzen wir, außer dem, das Du uns gelehrt hast. Du bist der Allwissende, der Allweise!"}    Sechste Hoffnung aus dem Sechsundzwanzigsten Blitz (Lem'a) 
   Einmal, als ich in dem Schmerz meiner Gefangenschaft von den Menschen floh, verweilte ich allein auf der Hochebene von Barla auf dem Gipfel des Tannenberges (Tjam Daghi). So allein wie ich war, suchte ich nach einem Licht. Eines Nachts befand ich mich in meinem nach oben hin offenen Baumhaus in dem Wipfel einer hohen Tanne auf dem Gipfel dieses hohen Berges. Mein Alter und mit ihm verbunden drei, vier verschiedene Arten ineinander verquickter Entfremdungen machten sich mir bemerkbar. Wie bereits im "Sechsten Brief" erläutert, erweckte diese Nacht mit ihren Stimmen, die aus dem Raunen und Rauschen der Bäume kamen, mit ihrer Traurigkeit, in der ich in meinem Alter still, stumm und allein in der Fremde zurückblieb, in mir ein tiefes Gefühl der Rührung. Es gemahnte mich das Alter daran, dass - so wie der Tag mit einem schwarzen Grab vertauscht wurde und die Welt sich in ein schwarzes Leichentuch eingehüllt hatte - sich auch der Tag meines Lebens in eine Nacht, diese Welt, wie ein Tag, sich in die Nacht des Zwischenreiches (Berzah) und auch der Sommer des Lebens sich in die Winternacht des Todes verwandeln werde, und sagte in meines Herzens Ohr. Und sogleich sagte mir meine Seele: "Nicht nur weit entfernt von der Heimat bin ich hier. Nein, noch heftiger sind Trauer und Schmerz mir ob meiner Lieben, die ich während fünfzig Jahren meines Lebens verloren habe. Allein zurückgeblieben bin ich hier als ein Fremder und mein Weinen darüber ist schlimmer noch als mein Heimweh. Und schon wächst in mir die Trauer und der Schmerz einer Entfremdung, noch stärker als die Fremdheit in der Gestalt dieses seltsamen Berges und der Erscheinung dieser unheimlichen Nacht. Es ist die Kunde, die das Alter mir vom Nahen der festgesetzten Zeit der Trennung von aller Welt bringt." Entfremdet fand ich mich inmitten der Fremde. Trauer über Trauer nahm Gestalt an. Da suchte ich nach einem Strahl der Hoffnung und des Lichtes. Da kam mir plötzlich der Glaube an Allah zu Hilfe und es wurde mir ein solcher Trost zuteil, dass er mir in meiner vielfachen Verlassenheit vollauf genügte und mir auch dann noch Trost genug gewesen wäre, hätte sie sich tausendfach vermehrt.
   In der Tat, oh ihr alten Männer und Frauen, kann es Fremde für uns nicht geben, weil wir nun einmal einen barmherzigen Schöpfer haben; und weil es nun einmal Ihn gibt, sind auch alle Dinge für uns da; weil es nun einmal Ihn gibt, gibt es auch Seine Engel. Wenn das aber so ist, dann ist auch diese Erde nicht leer. Die unbewohnten Berge und die öden Wüsten sind erfüllt von den Dienern und Anbetern Gottes des Gerechten. Außer diesen, Seinen mit Bewusstsein begabten Dienern und Anbetern kann in Seinem Licht und in Seinem Namen selbst jeder einzelne Stein und Baum uns zu einem vertrauten Freund werden. Auf ihre Art können sie Zwiesprache mit uns halten und uns erfreuen. In der Tat legen alle Beweise und Zeugnisse entsprechend der Menge alles dessen, was da ist im All