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In seinem jetzt veröffentlichten Buch mit dem Titel "Wikipedia - Diskussionsraum und Informationsspeicher im neuen Netz" schaut der Chemnitzer Medienwissenschaftler Christian Pentzold hinter die Fassade des Online-Lexikons Wikipedia und analysiert, wie Artikel entstehen.

 

An zwei Beispielen zeigt Petzold auf, wie sehr um die Macht der Veröffentlichung in Wikipedia gekämpft wird. Mit seinem Beitrag will er nicht nur zeigen, wie prototypisch ein Wikipedia-Artikel entsteht, wie es kommt, dass sich eine Position in Wikipedia etabliert, während andere verschwinden, seine Absicht ist es auch eine theoretisch-methodische Perspektive zu entwickeln, um sich der Wikipedia in ihrer doppelten Existenz als Informationsspeicher und Diskussionsraum im neuen Netz nähern zu können.

 

 

 

Die Online-Enzyklopädie Wikipedia ist heute aus dem Berufs- und Ausbildungsalltag nicht mehr wegzudenken. Wenn irgendwelche Informationen in Schule und Ausbildung zu bestimmten Themen gesucht werden, schlagen Auszubildende wie auch Lehrer schnell in dem bequem erreichbaren Online-Informationsspeicher nach. So manches Arbeitsblatt oder Referat basiert auf den Fakten und Daten, die in dieser Web2.0 Anwendung publiziert wurden. Medienexperten und Pädagogen fordern daher nicht zufällig in letzter Zeit, Jugendlichen, die besonders gerne Wikipedia als Quelle nutzen, die Problematik des unkritischen Gebrauchs dieser Wissensplattform bewusst zu machen. In einer Online Welt, in der jeder frei seine Inhalte publizieren und bearbeiten kann, bestehe die permanente Gefahr, auf falsche oder manipulierte Informationen zu treffen.

 

Christian Pentzold, Doktorand der Professur Medienkommunikation an der TU Chemnitz, beschäftigt sich schon seit Längerem mit der Online-Enzyklopädie Wikipedia. Wikis zählen zu den erfolgreichsten Entwicklungen in der jüngeren Geschichte des World Wide Web und Wikipedia ist das mit Abstand größte Wiki. Die Entstehung von Wikis - also Internetplattformen, die Nutzer nicht nur lesen, sondern auch in Echtzeit bearbeiten können - verfolgt Pentzold im ersten Teil seines Buches. Außerdem geht er hier auf die Entwicklung von Wikipedia und der zugehörigen Forschung, der so genannten Wikipedistik, ein.

 

"Vielen Wikipedia-Nutzern wird bei ihrer Informationssuche nicht unmittelbar auffallen, dass hinter den Artikel ein verzweigter Raum besteht, in dem die Autoren ihre divergierenden Standpunkte austauschen und dabei beständig in den Text eingreifen", so Pentzold: "Im Versionsarchiv des Artikels aber wird es durch die sedimentartig sich ablagernden alten Versionen und auf den Diskussionsseiten durch die dort aufgezeichneten Debatten ablesbar." "Dieser Artikel diffamiert Verschwörungstheorien an sich als falsch und geisteskrank. So nicht!" beginnt beispielsweise ein so genannter Edit War zum Wikipedia-Eintrag "Verschwörungstheorie", der im Juli 2005 entstand. Dieser Edit War - eine Debatte auf der Diskussionsseite, die teilweise im Minutentakt abläuft und so einer persönlichen Konfrontation recht nahe kommt - entbrannte rund um die Frage, ob der entstehende Text ausreichend neutral sei. Da der Kritiker nicht mit fortbringenden Argumenten aufwartet, sondern lediglich Text und Autoren beschimpft, wird der Edit War schließlich beendet, indem ein Moderator den Diskussionsteilnehmer ausschließt.

 

Diese oft kontroversen Wege, die zur Entstehung von Beiträgen in Wikipedia führen, analysiert Christian Pentzold. Dafür zieht er das Diskurskonzept des französischen Philosophen, Psychologen und Soziologen Michel Foucault zu Rate. Dieser hat sich wissenschaftlich damit beschäftigt, wie Wissen entsteht; ihm folgend ist Wissen immer ein Ausdruck von Macht. Wie sehr um diese Macht gekämpft wird, zeigt Pentzold an zwei Beispielen auf: In der deutschen Wikipedia hat er sich mit dem Artikel "Verschwörungstheorie" befasst, in der englischen Version analysierte er den Eintrag "7 July 2005 London bombings". "Ich möchte mit dieser Studie einen möglichen Weg zur Analyse der kollaborativen Editierprozesse, die sich im Hintergrund der Wikipedia-Artikel abspielen, ausarbeiten. Vordringliches Interesse soll sein, eine theoretisch-methodische Perspektive zu entwickeln, um sich der Wikipedia in ihrer doppelten Existenz als Informationsspeicher und Diskussionsraum im neuen Netz nähern zu können", so Pentzold.

 

Insgesamt stehen vor allem fünf Fragen im Mittelpunkt des Buches: Wie lässt sich die Vielzahl an Dokumenten, aus denen die Wikipedia besteht, angemessen ordnen und beschreiben? Wie lassen sich Aspekte des Diskurskonzepts von Michel Foucault auf die Situation Wikipedia modellieren? Wie entsteht prototypisch ein Wikipedia-Artikel? Wie und worüber kommunizieren die Autoren während ihrer Redigier-Aktivitäten? Wie kommt es, dass sich eine Position etabliert, während andere verschwinden, wo doch alle Autoren die gleichen Rechte besitzen?

 

http://www.foraus.de/web.select/news/showarticle/2405

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