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Bericht zum Missbrauchsskandal an Jesuiten-Schulen

Mehr Opfer, mehr Täter

 

Der Missbrauchsskandal an Jesuiten-Kollegs und anderen katholischen Schulen in Deutschland nimmt immer größere Dimensionen an. Inzwischen werden auch zwei Frauen beschuldigt, sich an Schülern vergangen zu haben. Außerdem hätten sich Opfer gemeldet, die nicht an Jesuiten-Schulen waren, sagte die von dem Orden beauftragte Anwältin Ursula Raue bei der Vorstellung ihres Zwischenberichts in Berlin.

 

"Das hat eine Dimension angenommen, die bisher nicht zu ahnen war", sagte Raue. Sie empfahl dem Orden die Einrichtung eines Arbeitsstabs, da die Aufklärung der Fälle alleine nicht zu bewältigen sei. Bundesweit hätten sich bis jetzt 115 Missbrauchsopfer gemeldet. Sie rechne damit, dass die Zahl in den kommenden Wochen noch größer werde. Bislang seien von den Opfern zwölf Täter benannt worden, überwiegend Patres, aber auch Lehrer und Bedienstete. Die meisten Vorfälle seien mittlerweile verjährt, eine strafrechtliche Verfolgung daher unwahrscheinlich.

 

Schläge auf den nackten Hintern, Anfassen der Genitalien

Die Taten seien nicht von einer besonderen Brutalität gekennzeichnet, sagte Raue weiter. "Wir reden nicht von schwerer Gewalt". Es sei nie zu Vergewaltigungen gekommen. Die meisten Übergriffe wiesen allerdings eine "sadistisch-sexuelle Komponente" auf. So habe beispielsweise ein mutmaßlicher Täter die Schüler, die eine zuvor vereinbarte Note nicht erreichten, mit Schlägen auf den nackten Hintern bestraft. Darüber hinaus seien Opfer zur Selbstbefriedigung gezwungen worden, hätten sich ausziehen und nackt fotografieren lassen müssen, sagte die Anwältin.

 

Nach Raues Worten berichten die Opfer vor allem von Manipulationen an ihren Genitalien und von zudringlichen Zärtlichkeiten. Sie habe auch Berichte, aus denen hervorgehe, dass sich mehrere Opfer das Leben genommen hätten, sagte die Anwältin. Manche Männer offenbarten sich zum ersten Mal und hätten selbst mit ihren Ehefrauen zuvor nicht über ihr Leid gesprochen. Erstaunlich sei, dass es in den Personalakten des Jesuitenordens, die sie ausgewertet habe, an keiner Stelle um das Seelenleben der Kinder gehe.

 

"Institutionelles Wegschauen"

Die vom Orden beauftragte Anwältin richtete schwere Vorwürfe an das Canisius-Kolleg in Berlin: So habe einer der Beschuldigten bereits 1967 in einem Brief an das Kolleg seine Obsession geschildert. Ihm sei "mehrfach die Hand ausgerutscht, auch dort, wo es nicht unbedingt notwendig gewesen wäre", zitierte Raue aus dem Schreiben. 1979 habe sich der Pater in Kiel zum ersten Mal in Therapie begeben, die er 1982 in Freiburg fortsetzte. Aus diesem Grund sei er nach Sankt Blasien versetzt worden. Sie habe sich gewundert, dass der Orden "den Hilferuf" des Patres über die Therapie hinaus nicht weiter beachtet habe, sagte Raue. "Es handelte sich um ein institutionelles Wegschauen."

Erschrecken und Scham

 

Die Jesuiten reagierten mit Erschrecken und Scham auf den Zwischenbericht der "Missbrauchsbeauftragten". Das Ausmaß dieser Übergriffe, in denen sich sexuelle und sadistische Motive mischen, sei für den Orden erschreckend und beschämend, sagte Ordensprovinzial Stefan Dartmann in München. "Ich danke den Opfern und Betroffenen, dass sie nicht mehr schweigen, sondern den Mut gefunden haben, uns mit ihren Erfahrungen zu konfrontieren." Dartmann nannte es "eine Schande", dass der Orden in seinen Personalakten kein Wort darüber verlor, welche Schäden die Taten bei den Schülern anrichteten.

 

Dagegen hielt sich der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, weiter bedeckt. Er wolle sich zu dem Thema am Montag in Freiburg zum Auftakt der Frühjahrsvollversammlung der katholischen Bischöfe äußern, sagte eine Sprecherin.

Vorfälle im gesamten Bundesgebiet

 

Das Berliner Canisius-Kolleg hatte im Januar die ersten Missbrauchsfälle bekanntgemacht. Immer mehr Opfer meldeten sich, auch von den Jesuiten-Schulen St. Blasien im Schwarzwald und dem Aloisiuskolleg in Bonn. Die bisher bekanntgeworden Fälle sexuellen Missbrauchs hatten sich in den 1970-er und 1980-er Jahren zugetragen. Auch an einer Schule der katholischen Pallottiner-Gemeinschaft in Rheinbach bei Bonn ist es früher zu Missbrauchsfällen gekommen, wie der Provinz-Pressereferent der Pallottiner, Nicolas Schnall, bestätigte. Es handele sich dabei um drei bekannte Fälle mit Jugendlichen aus den 1960-er Jahren im früheren Konvikt St. Albert. Der betroffene Pater sei damals suspendiert worden.

tagesschau.de, 18.02.2010

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  • 2 Wochen später...

Die Aufdeckung der Missbrauchswelle hat auch die Regensburger Domspatzen erreicht:

 

Missbrauchsskandal bei Regensburger Domspatzen

 

Der Skandal um sexuellen Missbrauch in katholischen Einrichtungen in Deutschland hat jetzt auch die Regensburger Domspatzen erreicht. Ein Sprecher des Regensburger Bistums sagte gestern der Nachrichtenagentur dpa, dass es in den 50er und 60er Jahren auch bei dem weltberühmten Knabenchor Fälle gegeben haben soll.

 

"Wir wollen das transparent untersuchen", sagte Bistumssprecher Clemens Neck. Dazu werde das Bistum eine Kommission einrichten, die alte Akten und Archive durchgehen soll.

 

Insgesamt liegen dem Bistum mehrere Hinweise auf Fälle zwischen den Jahren 1958 und 1973 vor. Heute will das Ordinariat weitere Informationen dazu bekanntgeben. Die Domspatzen, die bei Konzertreisen in aller Welt auftreten, werden in Regensburg in einem eigenen Musikgymnasium unterrichtet. Dazu gehört auch ein Internat.

 

Von 1924 bis 1963 war Theobald Schrems Domkapellmeister in Regensburg. Von 1964 bis 1994 leitete der Bruder von Papst Benedikt XVI., Georg Ratzinger, die Regensburger Domspatzen.

 

Schönborn zu Missbrauch: Engere Kooperation mit Orden

Die katholische Kirche in Österreich hat jetzt auf das Bekanntwerden von Missbrauchsfällen reagiert. Vor allem die Zusammenarbeit zwischen den Ombudsstellen der einzelnen Diözesen und mit den Orden solle verbessert werden, kündigte Kardinal Christoph Schönborn an.

orf.at

 

 

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