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HIV-verseuchte Blutkonserven

Eiskalte Abwicklung eines Skandals

Von Guido Bohsem

 

Es war einer der größten Skandale der achtziger Jahre: Tausende Bluter wurden durch verseuchte Blutkonserven mit HIV infiziert. Jetzt ist kein Geld für ihre Entschädigung mehr da - weil die Kranken länger leben als erwartet und die Pharmaindustrie nicht mehr zahlen will.

 

Es ist eine der traurigsten Geschichten der achtziger Jahre und sie ist noch nicht zu Ende. Tausende Bluter erkrankten damals, weil ihnen Blutplasma verabreicht wurde, das mit Aids-Erreger-Viren verseucht war. Sie wurden mit HIV infiziert oder erkrankten sogar an der damals noch häufig tödlich verlaufenden Immunschwäche. Jetzt könnte die Entschädigung für die Opfer des Bluter-Skandals entfallen, weil es Streit über die Finanzierung der eigens ins Leben gerufene Stiftung gibt.

 

Es war ein Skandal, der die Republik erschütterte und das Vertrauen in das deutsche Gesundheitswesen ins Wanken brachte. Ein Untersuchungsausschuss des Bundestages kam 1994 zu dem Ergebnis, dass sich noch jahrelang Menschen infizierten, obwohl sich bereits 1982 niemand mehr hätte anstecken müssen. Schon zu diesem Zeitpunkt lagen die notwendigen Erkenntnisse über das HI-Virus vor und es gab bereits Methoden, um das Virus aus den Blutkonserven zu entfernen.

700 Betroffene leben noch

 

Betroffen waren vor allem Bluter, also Menschen, deren Blutgerinnung gestört ist und deren Wunden deshalb nur sehr schlecht schließen. Sie hatten weiterhin mit dem HI-Virus verseuchte Blutprodukte erhalten und alle - Behörden, Pharmafirmen, Politiker und Ärzte - trugen Schuld daran, urteilte der Ausschuss.

 

Um das Leiden der etwa 2300 Betroffenen zu lindern, wurde deshalb 1995 per Gesetz die "Stiftung Humanitäre Hilfe für durch Blutprodukte HIV-infizierte Personen" ins Leben gerufen. Jeder von ihnen, der das HI-Virus in sich trägt erhält seitdem im Monat 767 Euro, für Aids-Kranke sind es 1534 Euro. Nicht-infizierte Kinder der betroffenen Patienten bekommen bis zum Ende ihrer Ausbildung im Monat 512 Euro.

 

127,8 Millionen Euro wurden dafür bereitgestellt, freiwillig finanziert durch den Bund (40 Prozent), die Pharmaindustrie (36,3 Prozent), die Länder (20 Prozent) und die Blutspendedienste des Roten Kreuzes (3,7 Prozent). Diese Summe, so war die Kalkulation, sollte reichen, um alle Betroffenen bis an ihr Lebensende zu versorgen. Spätestens 2010, so lauteten die Erwartungen, werde es keine Ansprüche mehr geben. Das war eine Fehleinschätzung.

 

Inzwischen kann Aids so gut behandelt werden, dass die Lebenserwartung der Erkrankten deutlich gestiegen ist. Schon 2002 wurden deshalb die Mittel der Stiftung aufgestockt. Das sollte bis 2017 reichen, weil aber etwa 700 Patienten noch leben, wird das Geld schon 2011 ausgehen. Bis 2017 fehlen etwa 69,8 Millionen Euro. Ansprüche wird es nach aktuellen Schätzungen noch bis 2070 geben. Laut Gesetz wird die Stiftung dann aufgelöst, wenn kein Geld mehr da ist.

 

Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) versucht nun, erneut Geld von den Stiftungsgebern zu erhalten. Das Rote Kreuz (DRK) hat bereits zugesagt, seinen Anteil weiter zu leisten, die Länder ebenfalls. Von den Firmen hat er auch eine Zusage erhalten - sie wollen bis 2016 pro Jahr zwei Millionen Euro zahlen. Das ist deutlich weniger als zuvor und der Auslöser für den Streit.

Finanzministerium springt nicht ein

 

Weil die Industrie nicht mehr zahlen will, hat das Finanzministerium im Haushalt 2010 auch die Mittel des Bundes gesperrt. Werden sie nicht freigegeben, fließt 2011 kein Geld mehr. Auch ist man im Haus von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) nicht bereit, den fehlenden Betrag der Pharmaindustrie zu übernehmen. Es drängt auf Nachverhandlungen mit den Firmen.

 

Der Haken: Wenn der Bund nicht zahlt, wollen die Länder auch nicht zahlen - und auch dem DRK dürfte es nicht recht sein, zum Schluss als alleiniger Geldgeber bereitzustehen. Rösler will sich nun bei den Chefs der Pharmakonzerne noch einmal dafür einsetzen, dass sie ihren Beitrag erhöhen. Spätestens bis zum 4. März muss es ein Ergebnis geben. Dann nämlich wird der Haushaltsausschuss des Bundestags darüber befinden, ob er die vom Ministerium gesperrten Mittel freigibt.

(SZ vom 19.02.2010/jab)

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